TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W161 2203511-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W161 2203511-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMAN über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.07.2018, Zahl: 1185733807-180296966, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3, 2. Satz BFA-VG idgF stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin, eine algerische Staatsangehörige, reiste eigenen Angaben zufolge am 28.08.2017 in das Bundesgebiet ein. Erst am 27.03.2018 brachte sie einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Eine EURODAC-Abfrage ergab keine Treffer.

Der Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin über ein von Frankreich ausgestelltes Schengen-Visum der Kategorie C, gültig von 06.08.2017 bis 01.02.2018 verfügt.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung am 27.03.2018 gab die Beschwerdeführerin an, sie könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Sie habe ihren Wohnort am 26.08.2017 legal mit dem Flugzeug Richtung Frankreich verlassen und sei nach einem Tag Aufenthalt in Frankreich über Italien nach Österreich gelangt, wo sie sich seit dem 28.08.2017 aufhalte. Ihr Mann sei hier in Österreich, in den anderen Ländern habe sie niemanden. Ihr jetziger Mann lebe schon seit dem Jahr 2015 in Österreich. Als Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an, nach dem Tod Ihres Vaters im Jahr 2013 habe ihr Bruder von ihr verlangt, eine Ganzkörperverschleierung zu tragen. Ihren jetzigen Mann habe sie über das Internet im Jahr 2014 kennengelernt. Damals sei er noch in der Türkei gewesen. Ihr Bruder habe ihr den Kontakt zu diesem Mann untersagt und von ihr verlangt, einen Mann aus der Umgebung zu heiraten. Sie sei von ihrem Bruder unterdrückt und gezwungen worden, nach islamischen Sitten zu leben.

Die Beschwerdeführerin legte eine Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX über eine am XXXX in Wien geschlossene Ehe mit XXXX vor.

I.3. Das BFA richtete am 04.04.2018 ein auf Art. 12 Abs.4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin III-VO), gestütztes Aufnahmeersuchen betreffend die Beschwerdeführerin an Frankreich. Deren Eheschließung in Österreich wurde mitgeteilt.

I.4. Mit Schreiben vom 19.04.2018 stimmten die französischen Behörden der Aufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

I.5. Anlässlich der Einvernahme vor dem BFA am 06.06.2018 gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, sie fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die an sie gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Ihr Vater sei im Februar 2014 verstorben, ansonsten würden ihre Angaben bei der Erstbefragung der Wahrheit entsprechen. Sie sei momentan nicht in ärztlicher Behandlung, Betreuung oder Therapie, sie nehme keine Medikamente und sei nicht schwanger. Sie sei am 28.08.2017 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und sei seitdem durchgehend in Österreich aufhältig gewesen. In Österreich befände sich ihr Ehemann. Dieser sei 2015 in Österreich eingereist. Er sei Tellerwäscher in einem Café und auch Koch. Er sei auch Kälte- und Klimatechniker. Sie hätten sich 2014 über Facebook kennengelernt. Sie habe ihren Mann zum ersten Mal gesehen, als sie in Frankreich angekommen sei. Er sei dort gewesen und habe sie erwartet. Das sei am 26.08.2018 gewesen. Sie sei dann gemeinsam mit ihrem Ehemann nach Österreich gereist. Sie hätte sei 2014 täglich Kontakt zu ihrem Ehemann gehabt über Facebook und Messenger. Befragt, warum sie ihre Heimat erst 2017 verlassen habe, gab die Beschwerdeführerin an, es sei dann zu dem Problem mit ihrem Bruder gekommen, der von ihrer Beziehung erfahren habe. Das sei im Jahr 2016 gewesen. Dann habe sie seit 2016 nach einem Visum gesucht und erst 2017 ausreisen können. Sie habe vor ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet mit ihrem Ehemann nicht zusammengelebt. Sie hätten erst jetzt im Feber geheiratet. Befragt, warum sie erst jetzt einen Antrag auf internationalen Schutz stelle, gab die Beschwerdeführerin an:

"Ich habe gewartet, bis wir heiraten, weil ich gedacht habe, dass die Eheschließung in meinem Fall hilft. Es hat aber sehr lange gedauert, bis wir heiraten konnten. Mein Mann hatte auch immer in der Früh seinen Kurs und hat dann von 14:00 bis 22:00 Uhr gearbeitet. Ich konnte deshalb nicht alleine zum BFA gehen. Es hat sehr lange gedauert bis meine Mutter die Dokumente besorgen konnte und zur Österreichischen Botschaft in Algerien gehen konnte. Sie musste immer warten bis mein Bruder außer Haus ging. Ich hätte lieber schon früher geheiratet, aber es ging eben aus diesen Gründen nicht."

Sie gab weiters an, sie habe geheiratet, weil sie sich lieben würden. Sie habe kein österreichisches Visum beantragen können. Derjenige, der das für sie gemacht habe, hätte ihr gesagt, dass sie mit dem französischen Visum zuerst in Frankreich einreisen müsse und dann nach Österreich gehen dürfe. Es gäbe Voraussetzungen, um ein österreichisches Visum zu erhalten, die sie nicht erfüllt habe. Man müsse entweder selbst arbeiten oder jemand müsse viel Geld verdienen und eine Verpflichtungserklärung abgeben. Sie habe sehr schnell ein Visum gebraucht. Das Visum sei im Februar 2018 abgelaufen. Über Vorhalt der geplanten Ausweisung nach Frankreich gab die Beschwerdeführerin an, sie habe niemanden in Frankreich. Sie habe Österreich ausgewählt, da ihr Ehemann in Österreich lebe. Deshalb möchte sie auch, dass ihr Verfahren in Österreich stattfinde. Der Grund warum sie geflohen sei, sei auch ihre Eheschließung gewesen.

Die Rechtsberaterin brachte in der Einvernahme vor, der Ehemann der Antragstellerin sei in Österreich asylberechtigt, deshalb sei diese in Österreich zum Verfahren zuzulassen und Österreich gemäß Art. 9 Dublin III-VO zur Prüfung zum Antrag auf internationalen Schutz zuständig. Dabei sei unbeachtlich, ob die Familie im Herkunftsland bestanden habe. Gemäß Art, 7 Abs. 2 iVm Art. 9 Dublin III-VO werde bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates von der Situation zum Zeitpunkt der Asylantragstellung ausgegangen.

I.6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 27.03.2018 ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 Asyl 2005, BGBL I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gem. Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Frankreich zuständig. In Spruchpunkt II. wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung der Antragstellerin angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach Frankreich zulässig sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf in diesem Bescheid, basierend auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation Feststellungen zum französischen Asylverfahren, zur Praxis des Non-Refoulment-Schutzes zu Dublin-Rückkehrern und zur Versorgung von Asylwerbern in Frankreich.

Begründend wurde hervorgehoben, dass im Verfahren kein im besonderen Maße substantiiertes glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr der Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, hervorgekommen sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Die Beschwerdeführerin wäre in Frankreich keiner Verfolgung oder Misshandlung ausgesetzt. Es könne nicht festgestellt werden, dass im Fall der Beschwerdeführerin schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen. Frankreich habe einer Übernahme ihrer Person gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO schriftlich zugestimmt. Ein zuständigkeitsbeendendes Sachverhaltsmerkmal könne nicht festgestellt werden bzw. habe es sich ein solches im Zuge des Verfahrens nicht ergeben. Die Beschwerdeführerin sei spätestens am 21.11.2017 in Österreich eingereist. Die Einreise nach Österreich sei legal erfolgt. Die von der Beschwerdeführerin bekanntgegebene Ehe mit XXXX habe weder im Heimatland bestanden, noch habe die Antragstellerin im Heimatland mit XXXX eine Lebensgemeinschaft geführt. Sie habe ihren Ehemann zum ersten Mal bei ihrer Einreise in Frankreich persönlich gesehen. Ein gemeinsames aufrechtes Familienleben gemäß Art. 8 EMRK habe sohin im Heimatland nicht bestanden und bestehe erst seit dem XXXX in Österreich. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme stelle einen Eingriff in einen Schutzbereich des Familienlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK dar. Die Interessenabwägung habe jedoch zu dem Ergebnis geführt, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme entsprechenden öffentlichen Interessen jedenfalls schwerer wiegen als die persönlichen Interessen der Beteiligten. Dem Antrag des Rechtsberaters bzgl. Art. 9 iVm Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO werde nicht stattgegeben. Die Antragstellerin habe den Großteil des Lebens im Herkunftsstaat verbracht und sei erst spätestens im November 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet eigereist. Sie habe zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich verfügt, sondern den Aufenthalt vielmehr nur auf den zeitweiligen faktischen Abschiebeschutz aufgrund des gegenständlichen unzulässigen Antrages auf internationalen Schutz gestützt. Das Familienleben sei zu einem Zeitpunkt begründet worden, als der Antragstellerin und ihrem Lebensgefährten das fehlende Aufenthaltsrecht ihrer Person in Österreich bewusst gewesen sei. Eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe nicht.

I.7. Die Beschwerdeführerin brachte fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wird.

Die Beschwerdeführerin sei legal unter Verwendung ihres französischen Visum in Österreich eingereist. Sie habe am XXXX bereist vor ihrer Asylantragstellung in Österreich ihren Ehemann geheiratet. Dieser sei anerkannter Flüchtling. Die Beschwerdeführerin habe ihren Ehemann offenbar gegen den Willen ihres Bruders geheiratet, welcher ihr drohe und auch gute Kontakte zu Frankreich habe. Aus diesem Grund habe die Beschwerdeführerin auch Angst, sich nach Frankreich zur Durchführung ihres Asylverfahrens zu begeben. Die Beschwerdeführerin führe nun mit ihrem berufstätigen Ehemann einen gemeinsamen Haushalt und werde von diesem auch finanziell unterstützt. Aufgrund des Sachverhalts, dass die Beschwerdeführerin ihren Ehemann am XXXX geheiratet habe und erst am 27.03.2018 einen Asylantrag gestellt habe, sei die Anwendbarkeit des Art. 9 Dublin III-VO eindeutig gewährleistet. Sie habe sich zum Zeitpunkt der ersten Asylantragstellung in Österreich, nämlich am 27.03.2018, im Stande der Ehe befunden. Aufgrund einer richtigen rechtlichen Beurteilung hätte somit festgestellt werden müssen, dass Österreich aufgrund des Art. 9 Dublin III-VO zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Auch Art. 8 EMRK hätte weitergehend berücksichtigt werden müssen.

I.8. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 17.08.2018.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

II.1. Mit 1.1.2014 sind das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) sowie das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - Verfahrensgesetz (BFA-VG) in Kraft getreten.

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) i.d.g.F. lautet:

"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung lauten:

KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 9

Familienangehörige, die Begünstigte internationalen Schutzes sind

Hat der Antragsteller einen Familienangehörigen - ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat -, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun.

Artikel 12

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Art. 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

KAPITEL VI

AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN

Art. 20

Einleitung des Verfahrens

(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung eines Protokolls so kurz wie möglich sein.

(3) Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.

(4) Stellt ein Antragsteller bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Antrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Änderung des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

(5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats abschließen soll, nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel erhalten hat.

Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antrag im Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats auslöst.

Artikel 22 Abs. 7

Antwort auf ein Aufnahmegesuch

...

(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen."

II.2. Im vorliegenden Fall kann zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund mangelnder Sachverhaltserhebungen durch die erstinstanzliche Behörde nicht festgestellt werden, ob eine Überstellung der Beschwerdeführerin nach Frankreich zulässig ist.

Aus dem Akteninhalt ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beschwerdeführerin vor ihrer ersten Asylantragstellung in Europa vor einem österreichischen Standesamt eine Ehe mit einem in Österreich Asylberechtigten irakischen Staatsangehörigen geschlossen hat. Aufgrund dieses Sachverhalts hätte sich die erstinstanzliche Behörde eingehend mit der Bestimmung des Art. 9 Dublin III-VO auseinandersetzen müssen. Nach dieser Bestimmung ist die Einschränkung in der Definition des Art. 2 lit. g (sofern die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat) für Art. 9 als einzige Ausnahme des Kapitels III nicht gültig, das heißt, es ist das Personalstatut zum Zeitpunkt der erstmaligen Stellung eines Antrages auf internationalen Schutzes ausschlaggebend. Die diesbezügliche Argumentation im angefochtenen Bescheid, die Ehe habe weder im Heimatland bestanden noch habe eine Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann bestanden und bestehe ein gemeinsames aufrechtes Familienleben gemäß Art. 8 EMRK erst seit XXXX in Österreich, ist somit verfehlt. Die im Bescheid angeführten Gründe zur Nichtanwendung des Art. 9 iVm Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO lassen eine Auseinandersetzung Art. 9 Dublin III-VO und den dort genannten Voraussetzungen zur Anwendung dieser Bestimmung gänzlich vermissen.

Aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin im Verfahren, wonach diese ihren Ehemann erst nach ihrer Ankunft in Frankreich kennenlernt, ihn absichtlich vor der Asylantragstellung heiratete, nach eigenen Angaben und Angaben in der Beschwerde auch aus dem Grund, um einer Zwangsverehelichung durch ihren Bruder in ihrem Heimatland zu entgehen, wären weitere Sachverhaltserhebungen und Feststellungen zu dieser Eheschließung und der Gültigkeit dieser Ehe erforderlich gewesen. Der Akteninhalt legt den Verdacht auf Eingehen einer Scheinehe oder einer Ehe zur Erlangung eines Aufenthaltstitels sehr nahe und wären diesbezüglich Erhebungen und Feststellungen dazu zu tätigen gewesen. Hierzu ist auszuführen, dass ein bloßer Verdacht auf eine Scheinehe nicht ausreicht, um das Recht auf Familienzusammenführung nach Art. 9 Dublin III-VO zu verneinen, sehr wohl aber eine rechtsstaatliche Entscheidung, etwa über die Nichtigkeit einer Ehe.

Auch hätte der Ehemann der Beschwerdeführerin zeugenschaftlich einvernommen werden müssen.

Da dieser eine Zustimmungsrecht nach Art. 9 letzter Satz Dublin III-VO hat, wäre auch eine solche schriftliche Zustimmung von ihm einzuholen.

Erst nach Durchführung entsprechender Sachverhaltserhebungen kann abgeklärt werden, welche Bestimmung der Dublin III-VO im Fall der Beschwerdeführerin tatsächlich zur Anwendung zu kommen hat und ob eine Überstellung nach Frankreich eine Verletzung ihrer nach Art. 3 und 8 EMRK eingeräumten Rechte für sie bedeutet.

II.3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ehe, Ermittlungspflicht,
Familienzusammenführung, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W161.2203511.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten