TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/24 W255 2166182-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.08.2018
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Entscheidungsdatum

24.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 2166182-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2017, Zl. 1091961707-151598438, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.08.2017 und 20.08.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I., II., III., V. und VI. als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII. stattgegeben und dieser Spruchpunkt - betreffend den Verlust des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG - ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 21.10.2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 22.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger, Paschtune, sunnitischer Muslim und am XXXX in der Provinz XXXX geboren zu sein. Er heiße XXXX . Der BF sei im Iran aufgewachsen und habe neun Jahre die Schule in XXXX besucht. Danach habe er als Hilfsarbeiter gearbeitet. Seine Eltern würden nach wie vor in XXXX leben. Der BF habe den Iran vor zwei Monaten verlassen, weil er im Iran illegal aufhältig gewesen sei. Er habe dort nicht zur Schule gehen können. Zuletzt hätten die Iraner die Afghanen zurück nach Afghanistan abgeschoben. In Afghanistan herrsche derzeit Krieg, daher könne er nicht in Afghanistan leben.

1.3. Mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom 22.09.2016, Zl. 1 Ps 45/16x-33, wurde dem Kinder- und Jugendhilfeträger Wien die Obsorge für den BF übertragen.

1.4. Am 15.11.2016 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wien (im Folgenden: BFA), im Beisein seiner Rechtsvertretung einvernommen. Dabei gab der BF an, dass Dari seine Muttersprache sei, er aber auch Farsi, Paschto und etwas Deutsch spreche. Er habe keinen Deutschkurs besucht. Es gehe dem BF gut und er sei gesund. Er habe Beruhigungs- und Schlaftabletten bekommen, aber derzeit gehe es ihm gut und er nehme keine Medikamente mehr. Der BF sei am XXXX in der Provinz XXXX geboren. Er sei im Alter von zwei Jahren aus Afghanistan in den Iran geflüchtet. Personen, die der BF nicht gekannt habe, hätten seine Eltern bedroht. Der BF sei von diesen Personen geschlagen und mit dem Messer am Hinterkopf am Rücken und am Oberarm verletzt worden. Dies sei vor einem Jahr und sieben Monaten passiert. Der BF sei Paschtune und nie wegen seiner Volks- oder Religionszugehörigkeit verfolgt worden. Er habe acht Jahre in XXXX die Schule besucht und eine sechsjährige Ausbildung zum Glaser gemacht. Der Vater des BF heiße XXXX und sei 42 Jahre alt; seine Mutter heiße XXXX und sei 32 Jahre alt. Der BF habe keine Geschwister. Er habe zu seinem Vater kein gutes Verhältnis. Mit seiner Mutter halte er zweimal monatlich Kontakt. Der BF habe kein gutes Verhältnis zu seinem Vater, da sich seine Eltern vor sechs Jahren getrennt hätten. Der BF wisse nicht, wo sich sein Vater befinde. Er habe gehört, dass der Vater gestorben sei, aber er wisse es nicht. Seine Mutter lebe seit 14 Jahren illegal in XXXX und verlasse kaum die Wohnung. Sie nehme Gelegenheitsjobs an und arbeite als Reinigungskraft oder nehme Arbeit mit nach Hause, wie zum Beispiel nähen. Eine Tante und vier Onkel und die Großeltern des BF würden in XXXX leben.

Die Mutter sei mit dem BF aus Afghanistan in den Iran geflohen, da der Vater des BF Anhänger der Taliban gewesen sei. Ca. nach einem Jahr sei der Vater gekommen, um nach dem BF und seiner Mutter zu suchen. Sie hätten sich versteckt, aber der Vater habe sie gefunden; dann seien sie geflohen und hätten sich erneut versteckt. Konkret habe der Vater den BF gefunden, als dieser am Heimweg von der Schule gewesen sei. Er habe wissen wollen, wo sich die Mutter befinde, aber der BF habe fliehen könne. Der Vater sei nach Afghanistan zurückgekehrt. Das habe der BF von einem Freund des Vaters erfahren. Wenn den BF Freunde seines Vaters auf der Straße gesehen haben, seien er und seine Mutter geschlagen und belästigt worden. Die Mutter habe Verletzungen an Beinen und Armen erlitten und könne daher nicht richtig gehen. Vor ca. einem Jahr und sieben Monate habe sich der BF im Ortsteil XXXX , XXXX , Iran, befunden, wo drei Personen auf ihn zugekommen seien. Es seien zwei Iraner und ein Afghane gewesen, die seinen Vater gekannt und wollen hätten, dass der BF mit ihnen mitgehe und in ein Auto einsteige. Der BF habe sich gewehrt, daraufhin hätten sie zu dritt auf ihn eingeschlagen. Einer von denen habe den BF mit einem Messer verletzt und der BF habe ins Krankenhaus müsse. Daher habe der BF den Iran verlassen. Der BF habe neben der Schule gearbeitet, um seine Mutter zu unterstützen. Der BF wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren, da sein Vater wolle, dass der BF mit den Taliban zusammenarbeite. Sein Vater würde ihn sicher umbringen, da er dem BF immer vorgeworfen habe, was für ein Sohn er sei, der vor seinem Vater flüchte. Auf Vorhalt, angeführt zu haben, dass sein Vater tot sei, antwortete der BF, dass er es nur gehört habe, aber nicht genau wisse. Der BF sei nie persönlich in Afghanistan bedroht worden, da er sehr jung gewesen sei. Der BF wisse nicht, welche Funktionen sein Vater bei den Taliban gehabt habe. Seine Mutter habe erzählt, dass er Fahrer bei den Taliban wäre, aber der BF wisse es nicht. Der BF könne auch nicht nach XXXX zurückkehren, da ihn sein Vater finden würde und er niemanden in Afghanistan habe.

Der BF gehe in Österreich keiner Vereins- oder Organisationstätigkeit nach. Er sei in der Grundversorgung. Er habe in Österreich einen Diebstahl begangen und sei in eine Rauferei verwickelt gewesen. Der BF habe noch keinen Deutschkurs besucht, aber er gehe oft in die Bücherei in der XXXX und lese Bücher, um die Sprache zu lernen. Danach treffe er sich oft mit Freunden aus Österreich und Afghanistan. Der BF habe keinen Kontakt zu seiner in Afghanistan lebenden Familie. Eventuell habe sein Vater Grundstücke und Häuser. Dadurch dass er Taliban gewesen sei, habe er viele Leute gekannt.

1.5. Mit Schreiben vom 29.11.2016 führte die (damalige) rechtsfreundliche Vertretung des BF aus, dass der BF im Alter von zwei Jahren Afghanistan verlassen habe und mit seiner Mutter in den Iran gereist sei. Seine Mutter sei mit dem Vater zwangsverheiratet worden und der Vater sei Anhänger der Taliban, weshalb das Verhältnis des BF zu seinem Vater schlecht sei. Die Taliban würden den BF immer noch suchen, da er den Aufforderungen des Vaters, sich den Taliban anzuschließen, nicht nachgekommen sei. Der BF werde von den Taliban als weltanschaulicher und politischer Gegner gewertet. Es sei somit festzustellen, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der (ihm unterstellten) politischen Gesinnung, außerhalb Afghanistans befinde und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

1.6. Im Verfahren vor dem BFA wurden die folgenden Dokumente vom BF bzw. seiner rechtsfreundlichen Vertretung vorgelegt:

* Ambulanter Kurzbefund des XXXX vom 12.05.2016, mit der Diagnose:

Posttraumatische Belastungsstörung,

* Ambulanter Kurzbefund des XXXX vom 02.06.2016, mit der Diagnose:

Posttraumatische Belastungsstörung und Depression,

* Befunde/Protokolle des XXXX vom 28.04.2016, 02.05.2016 und 10.05.2016,

* Protokoll des XXXX Wien vom 27.04.2016,

* Sozialpädagogischer Bericht der XXXX vom 13.11.2016,

* Urkunde über die Taekwodo-Teilnahme des BF im Iran und

* Fotos des BF als Kind und mit seiner Mutter sowie ein Foto des BF mit seinen Mitschülern.

Laut Ambulanzprotokoll des XXXX vom 27.04.2016 habe sich der BF wegen des Todes seines Vaters multiple Schnittverletzungen in den oberen Extremitäten bds., Hinterkopf und im Thoraxbereich zugefügt.

1.7. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 03.02.2017, Zl. 143 Hv 74/16z, wurde der BF rechtskräftig wegen §§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall, §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB und §§ 15, 127, 130 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

1.8. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 07.03.2017, Zl. 331 HR 61/17a, wurde wegen Fluchtgefahr und Tatbegehungsgefahr die Untersuchungshaft über den BF verhängt und begründend ausgeführt, dass die Staatsanwaltschaft XXXX ein Ermittlungsverfahren gegen den BF wegen des Verdachtes des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB führe.

1.9. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 24.05.2017, Zl. 153 Hv 26/17s, wurde der BF rechtskräftig wegen §§ 15, 87 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt und im Hinblick auf das Urteil vom 03.02.2017 (Punkt 1.7.) die Probezeit auf 5 Jahre verlängert.

1.10. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 05.07.2017, Zl. 1091961707-151598438, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde des BF gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise bestimmt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde festgestellt, dass der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 07.02.2017 verloren habe (Spruchpunkt VII.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der BF in Afghanistan einer Bedrohung von staatlicher oder privater Seite ausgesetzt sei bzw. eine solche zu befürchten hätte. Es habe kein eine Flucht auslösendes Ereignis und nicht annähernd ein zeitlicher Zusammenhang zwischen den behaupteten Ereignissen und seiner Ausreise festgestellt werden können.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF gesund sei, an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide, er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut sei, acht Jahre die Grundschule besucht und neben der Schule eine mehrjährige Ausbildung zum Glaser absolviert und auch in dieser Sparte gearbeitet habe. Weiters verfüge der BF über familiäre Bindungen in Afghanistan und im Iran.

Die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF in Österreich keine Verwandten habe, mehrmals straffällig geworden sei und sich aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung zurzeit in der Justizanstalt befinde.

Die Erlassung des Einreiseverbotes und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gegen eine Beschwerde begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF in Österreich zweimal rechtskräftig verurteilt worden sei und im kriminalpolizeilichen Aktenindex insgesamt 15 gerichtlich strafbare Anzeigen in der Zeit vom 18.02.2016 bis zum 03.03.2017 gegen den BF gespeichert seien, darunter Verbrechen wie schwere Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, absichtlich schwere Körperverletzung und schwerer Raub.

1.11. Gegen den unter Punkt 1.10. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin brachte der BF im Wesentlichen vor, dass der Bescheid mit groben Rechtsmängeln behaftet sei. Es seien beim Kopieren von Versatzstücken aus anderen Entscheidungen gravierende Fehler unterlaufen seien, sodass aus dem Bescheid nicht mehr hervorgehe, auf welchen Sachverhalt er sich beziehe. So sei festgestellt worden, dass der BF aus Algerien (statt aus Afghanistan) stamme, dass er mehrmals Anträge auf internationalen Schutz gestellt habe (obwohl dies aktenwidrig sei), teils davon ausgegangen werde, dass der Vater des BF lebe, während teils davon ausgegangen werde, dass dieser verstorben sei und sogar festgehalten werde, dass der BF mit seinem Ehemann (!) an einem gemeinsamen Wohnsitz lebe. Der Bescheid sei mit Willkür behaftet und somit nach der Judikatur der Höchstgerichte aufzuheben. Der BF würde im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden.

1.12. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 01.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.13. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.08.2017, GZ W255 2166182-1/3Z, wurde der Beschwerde des BF die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

1.14. Mit Schreiben vom 03.08.2017 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt.

1.15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.08.2017 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF und seines (damaligen) Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF an, dass ihm heute Morgen der Fuß wehgetan habe, er sonst aber gesund sei. Der BF habe Afghanistan im zweiten Lebensjahr verlassen. Er wisse nicht, wo genau in Afghanistan er gelebt habe. Er wisse nur, dass er in der Provinz XXXX geboren sei. Er sei Paschtune und sunnitischer Muslim. Die Eltern des BF hätten Probleme miteinander gehabt, daher sei die Mutter mit dem BF in den Iran übersiedelt. Der Vater des BF sei Talib gewesen, die Mutter Lehrerin. Der Vater habe aus dem BF einen Talib machen wollen, die Mutter sei dagegen gewesen. Der BF habe zwei Mal seinen Vater gesehen und sei beide Mal von ihm geschlagen worden. Im Alter von sieben oder acht Jahren sei der BF von den iranischen Behörden nach Afghanistan abgeschoben worden. Sein Vater habe ihn gefunden und zu sich genommen. Das sei die erste Begegnung mit dem Vater gewesen. Der Vater habe den BF geschlagen und gefragt, warum er mit seiner Mutter mitgegangen sei. Sein Vater sei verrückt. Der BF habe sich einen Monat bei seinem Vater, vermutlich in XXXX , aufgehalten. Der BF habe dort genau beobachtet, wo sein Vater seine Sachen aufbewahrt und wann er das Haus verlassen habe. Eines Tages, als der Vater weggegangen sei, habe der BF die Gelegenheit genutzt und sei geflüchtet. Er sei zu einem Freund der Mutter in Kabul und dann wieder in den Iran, wo er bei seiner Mutter in Teheran gelebt habe. Als der BF eines Tages auf dem Nachhauseweg gewesen sei, sei ein Auto mit zwei Männern stehen geblieben und habe den BF aufgefordert, in das Auto einzusteigen. Der BF habe versucht zu flüchten. Daraufhin habe der Mann dem BF mit einem Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Der BF habe geschrien und die Männer seien geflüchtet. Seit seinem 8. Lebensjahr sei der BF nie wieder seinem Vater begegnet. Auch die Mutter des BF sei - als der BF noch ein kleines Kind gewesen sei - einmal auf der Straße mit einem Auto angefahren worden und der Fahrer des Fahrzeuges habe sie beschimpft. Der BF habe im Iran 8 Jahre die Schule besucht und mit neun oder zehn Jahren in einer Fabrik, in der Glas hergestellt werde, zu arbeiten begonnen. Die Mutter des BF unterrichte als Lehrerin in einer Schule. Der BF habe den Iran verlassen, da sein Vater nach ihm gesucht habe, seine Mutter aufgrund des Autounfalls Probleme mit ihrem Bein habe, der BF sich eine Zukunft aufbauen, die Schule und ein Fitnessstudio besuchen wollen. Der Vater hätte den BF in Afghanistan überall gefunden. Der BF wisse nicht, ob sein Vater noch lebe. Manche würden sagen, er sei tot, manche würden sagen, er lebe noch. Auch die afghanische Polizei sei hinter ihm her. Der Vater sei ein mächtiger Mann und habe immer alle herumkommandiert. Er habe Geld und ihm seien ständig Waffen geliefert worden. Der Bekannte der Mutter, der in Afghanistan lebe, erzähle der Mutter über den Vater. Seine Mutter stehe mit zwei bis drei weiteren Menschen in Afghanistan in Kontakt. Genau wisse der BF es nicht. Auf Vorhalt, dass sich der BF laut des von ihm vorgelegten Befundes des XXXX Selbstverletzungen zugefügt habe, nachdem er erfahren habe, dass sein Vater gestorben sei, antwortete der BF, dass er dies nur fantasiert habe, damit man ihn nicht aus dem Quartier herauswerfe. Jener Bekannte der Mutter, der in XXXX lebe, heiße XXXX und würde dem BF, falls dieser nach Afghanistan zurückkehren müsste, vorübergehend Unterkunft und Essen geben können. Es könne auch sein, dass es Verwandte des BF in Afghanistan gebe, aber der BF habe sie nicht kennengelernt.

Der BF habe in Österreich insgesamt zehn Mal gestohlen und gestritten. Er habe Diebstähle begangen, da er sechs Monate auf der Straße gelebt habe. Er sei auch wegen absichtlich schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Der BF habe ehrenamtlich für die Caritas Flaschen gereinigt. Im Gefängnis helfe er in der Küche. Der BF habe in Österreich afghanische und österreichische Freunde.

1.16. Mit Schreiben vom 28.08.2017 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der Staatendokumentation des BFA eine Anfrage betreffend Abschiebungen von minderjährigen afghanischen Staatsangehörigen aus dem Iran nach Afghanistan und im Hinblick auf den Vater des BF.

1.17. Am 05.09.2017 übermittelte die Staatendokumentation des BFA dem Bundesverwaltungsgericht zwei Anfragebeantwortungen, aus denen im Wesentlichen hervorgeht, dass in öffentlich zugänglichen Quellen keine Informationen betreffend den Vater des BF gefunden wurden sowie, dass der iranische Staat bestreite, unbegleitete Minderjährige aus dem Iran nach Afghanistan abzuschieben, verschiedene Organisationen berichten würden, dass der Iran Minderjährige im Alter zwischen 13 und 17 Jahren abschiebe, eine NGO von einem Fall berichtet habe, wo ein 10-Jähriges Mädchen abgeschoben worden sei, aber keine weiteren Berichte über derartige Vorgänge gefunden werden hätten können.

1.18. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.12.2017, GZ W255 2166182-1/10Z, wurde das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.06.2017, GZ W237 1262415-3/2E, ausgesetzt. Dies deshalb, da der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen habe, ob § 5 Z 10 JGG auch in Verfahren nach dem AsylG zur Anwendung kommt.

1.19. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.02.2018, Zl. 46 Hv 2/18v, wurde der BF rechtskräftig wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt und im Hinblick auf das Urteil vom 03.02.2017 (Punkt 1.7.) die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe widerrufen.

1.20. Mit Schreiben vom 27.04.2018 wurde dem BF die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 05.09.2017 übermittelt und ihm die Möglichkeit geboten, hierzu Stellung zu nehmen.

1.21. Mit Schreiben vom 16.05.2018 brachte der ehemalige rechtsfreundliche Vertreter des BF vor, dass sich die allgemeine Situation in Afghanistan in den letzten Monaten maßgeblich verschlechtert habe. Zum Beweis dafür werde auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 verwiesen. In diesem Gutachten habe Stahlmann ua die Frage, ob für Zivilpersonen im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ein solches Gewaltniveau bestehe, dass allein aufgrund ihrer Anwesenheit aktuell oder in naher Zukunft die Gefahr bestehe, einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden und insoweit regionale Unterschiede bestehen, wie folgt beantwortet: "Die Gefahr, allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden, besteht im gesamten Staatsgebiet." Es werde der Antrag gestellt, Friederike Stahlmann gemäß § 52 Abs 2 AVG als Sachverständige zu bestellen und zur Erörterung und allenfalls mündlichen Ergänzung oder Präzisierung ihres Gutachtens zu laden.

Eine Rückkehrentscheidung bzw. die Abweisung des Antrages auf subsidiären Schutz würde derzeit gegen § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG verstoßen.

1.22. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.08.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF und seines (nunmehrigen) Rechtsvertreters eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF an, dass er vollkommen gesund sei. Er habe Afghanistan im zweiten Lebensjahr mit seiner Mutter verlassen und sei in den Iran gereist, wo er bis zu seinem 15. Lebensjahr gelebt habe. Als der BF neun oder zehn Jahre alt gewesen sei, sei er nach Afghanistan abgeschoben worden. Er sei eine Woche bei einem Freund seiner Mutter untergebracht worden, ehe zwei Männer in das Haus des Freundes eingedrungen seien, diesen geschlagen hätten und den BF mitgenommen hätten. Nach ca. 15 Minuten Autofahrt seien sie beim Haus des Vaters des BF angekommen. Der Vater habe den BF immer wieder geschlagen. Eines Tages sei es dem BF gelungen mit einem Mobiltelefon und Geld des Vaters zu flüchten. Er sei wieder zu dem Bekannten der Mutter in XXXX gegangen, dieser habe den BF einige Tage bei seinen eigenen Verwandten/Bekannten versteckt, ehe der BF wieder in den Iran geflüchtet sei. Der Vater des BF sei ein sehr mächtiger Mann, der den BF überall finden könnte. Der BF wisse nicht, ob sich der Vater noch in Afghanistan befinde oder in den Iran oder nach Pakistan gereist sei.

Die Mutter des BF sei eines Tages, als der BF sehr jung gewesen sei, auf dem Heimweg von der Schule absichtlich von einem Auto angefahren worden und habe schwere Verletzungen an den Beiden erlitten. Ihre Knochen seien nicht gerade zusammengewachsen. Die Mutter des BF lebe nach wie vor in XXXX und arbeite als Lehrerin. Es gehe ihr gut.

Der BF sei in Österreich einmal wegen einer schweren Körperverletzung verurteilt worden. Er habe auch andere Probleme gehabt. Seit der BF in Haft sei, besuche er die Schule, habe einen Abschluss als Fahrradtechniker gemacht und besuche einen Deutschkurs. Der BF werde in sechs oder sieben Monaten entlassen. Er habe in Österreich eine aus Afghanistan stammende Freundin namens XXXX . Er kenne sie seit drei Jahren und sie besuche ihn einmal in der Woche. Sie sei 17 Jahre alt.

Auf Nachfrage seines rechtsfreundlichen Vertreters gab der BF an, dass er aufgrund der schlechten Erfahrungen mit seinem Vater und den Misshandlungen, die ihm sein Vater zugefügt habe, einige Zeit Probleme gehabt habe. Er habe nicht schlafen können. Er habe sich aufgrund dieser Probleme im XXXX in medizinischer Behandlung befunden. Er habe auch Medikamente bekommen. Mittlerweile gehe es ihm wieder besser und er nehme keine Medikamente.

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahme in den Akt des Bundesverwaltungsgerichts betreffend die behauptete Freundin des BF ( XXXX zu GZ W256 2182290-1), das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem sowie die Urteile des Landesgerichts XXXX vom 03.02.2017 zu GZ 143 Hv 74/2016z, vom 24.05.2017 zu GZ 153 Hv 26/2017s und des Landesgerichts XXXX vom 21.02.2018 zu GZ 46 Hv 2/2018, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX in der Provinz XXXX geboren.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Dari. Der BF spricht auch Paschto.

2.1.3. Der BF übersiedelte gemeinsam mit seiner Mutter in seinem zweiten Lebensjahr von Afghanistan in den Iran, wo er gemeinsam mit seiner Mutter in XXXX aufwuchs. Der Vater des BF blieb in Afghanistan.

2.1.4. Der BF besuchte acht Jahre die Schule in XXXX und arbeitete mehrere Jahre in einer Glasfabrik in XXXX .

2.1.5. Der BF ist gesund, ledig und im erwerbsfähigen Alter. Der BF litt im Jahr 2016 unter Depression und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Zum Entscheidungszeitpunkt ist er gesund und nimmt keine Medikamente.

2.1.6. Die Mutter der BF lebt nach wie vor in XXXX . Sie arbeitet als Lehrerin und es geht ihr gut. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit ihr.

2.1.7. Ein langjähriger guter Freund der Mutter lebt mit seiner Familie in XXXX und steht seit der Ausreise der Mutter des BF aus Afghanistan mit dieser in regelmäßigem Kontakt. Der BF kann im Fall der Rückkehr nach XXXX zumindest vorübergehend von diesem Freund der Mutter aufgenommen und mit Unterkunft und Essen verpflegt werden.

2.1.8. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Vater des BF am Leben ist und - falls ja - wo er lebt. Der BF hatte seit der Ausreise aus Afghanistan als Kleinkind (im zweiten Lebensjahr) keinen Kontakt mehr mit seinem Vater.

2.1.9. Der BF reiste im Oktober 2015 vom Iran nach Österreich, wo er am 21.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF hat bisher keine Deutschprüfung in Österreich absolviert und ist keiner ehrenamtlichen oder bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er war in Österreich nie Mitglied eines Vereins. Der BF hat während seiner Inhaftierung in der Justizanstalt im Zeitraum vom 09.04.2018 bis 27.04.2018 280 Unterrichtseinheiten im Sachgebiet "Fahrradtechnik Basic" absolviert und die Abschlussprüfung zum "Fahrradtechniker Basic" bestanden.

2.2.2. Der BF war in Österreich zunächst im Rahmen der Grundversorgung untergebracht. Seit XXXX befindet sich der BF durchgehend in Haft. Zum aktuellen Zeitpunkt ist er in der Justizanstalt XXXX untergebracht. Er ist nicht Mitglied eines Vereins.

2.2.3. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Österreich eine Beziehung mit einem Mädchen/einer Frau führt. Der BF verfügt über keine weiteren als den unter 2.2.1. bis 2.2.3. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.3. Zu strafbaren Handlungen des BF in Österreich:

2.3.1. Laut Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 09.02.2016 stand der BF im Verdacht, am 02.01.2016 in der Flüchtlingsunterkunft in XXXX drei Mobiltelefonate anderer afghanischer Asylwerber gestohlen, die Eigentümer der Mobiltelefone mit einem Stanley-Messer bedroht und genötigt zu haben, ihn nicht anzuzeigen, einen der Eigentümer der drei Mobiltelefone mit einem Besenstiel geschlagen und dadurch am Arm verletzt zu haben sowie durch das Zerbrechen des Besenstiels eine Sachbeschädigung begangen zu haben.

Im Hinblick auf den Vorwurf des Diebstahls von drei Mobiltelefonen wurde das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand.

Im Hinblick auf den Vorwurf der gefährlichen Drohung und Sachbeschädigung wurde von der Verfolgung aus dem Grund des § 6 Abs. 1 JGG abgesehen, weil weitere Maßnahmen - insbesondere ein diversionelles Vorgehen nach dem 11. Hauptstück der StPO - aus Sicht der Staatsanwaltschaft XXXX nicht geboten erschienen, um den BF von strafbaren Handlungen abzuhalten.

2.3.2. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 03.02.2017, Zl. 143 Hv 74/16z, wurde der BF rechtskräftig wegen §§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall, §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB und §§ 15, 127, 130 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Dieser Verurteilung - für eine Jugendstraftat - lagen folgende Handlungen zugrunde:

Der BF versuchte am 18.08.2016 Beamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung zu hindern, indem er zu einem Beamten sagte: "Ich schlage! Lass meine Freundin gehen" und diesem Beamten einen beidhändigen Handballenstoß gegen die Brust versetzte, aus der Bodenlage heraus mit seinen Füßen trat, mehrmals versuchte, diesen Beamten zu beißen und schließlich mit seinem Bein gegen das Handgelenk des Beamten trat.

Am selben Tag verletzte der BF einen anderen Beamten, während und wegen der Vollziehung seiner Aufgaben und Erfüllung seiner Pflichten am Körper, wodurch dieser eine Zerrung im Bereich des rechten Handgelenks und eine Prellung des rechten Unterarms erlitt.

Der BF versuchte am 05.09.2016, 26.09.2016, 11.10.2016 und 23.11.2016 jeweils gewerbsmäßig Verfügungsberechtigten verschiedener Unternehmen Kleidung und Getränke (Flasche Whiskey) wegzunehmen und sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er jedes Mal vom Ladendetektiv beobachtet wurde.

Bei der Strafbemessung wurde mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel, das teilweise Geständnis, teilweise beim Versuch geblieben und teils Minderung der Hemmschwelle durch Alkoholisierung berücksichtigt; erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen. Der BF bestritt, bewusst Gewalt und/oder Widerstand gegen die Beamten ausgeführt bzw. geleistet zu haben. Er behauptete auch, den Whiskey zwar zunächst gestohlen haben zu wollen, sich jedoch - als er bereits an der Kassa vorbei gewesen sei - anders entschieden zu haben und den Whiskey zurückgebracht zu haben. Seitens des Strafgerichts wurde der dazu im Widerspruch stehenden Angabe des im Geschäft befindlichen Detektivs gefolgt, der angab, dass er den BF nach dem Diebstahl anhalten habe wollen, der BF davongelaufen sei - wie auf der Überwachungskamera ersichtlich - und der BF erst später zurück ins Geschäft gekommen sei und die Flasche zurückgestellt habe.

2.3.3. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 24.05.2017, Zl. 153 Hv 26/17s, wurde der BF rechtskräftig wegen §§ 15, 87 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt und im Hinblick auf das Urteil vom 03.02.2017 (Punkt 7.) die Probezeit auf 5 Jahre verlängert.

Dieser Verurteilung - für eine Jugendstraftat - lag folgende Handlung zugrunde:

Der BF versuchte (bzw. verletzte) am 03.03.2017 (gemeinsam mit zwei anderen Tätern) eine (vierte) andere Person absichtlich schwer zu verletzen, indem er mit einem Messer mit einer Klingenlänge von rund 11cm auf diesen einstach, wobei es beim Versuch blieb, weil das Opfer mittels einer Bewegung ausweichen konnte und "nur" in Form von drei oberflächlichen Stichwunden in der mittleren Rückenregion am Körper verletzt wurde.

Bei der Strafbemessung wurde mildernd der teilweise Versuch, die Tatbegehung im Alter von unter 21 Jahren sowie erschwerend die einschlägige Vorstrafe und der äußerst rasche Rückfall berücksichtigt. Im Gegensatz zu den beiden anderen Tätern wurde vom BF als einzigen Täter kein reumütiges Geständnis abgelegt, das mildernd berücksichtigt werden hätte können.

2.3.4. Als der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.08.2017, somit nach zwei rechtskräftigen Verurteilungen durch das Landesgericht XXXX gefragt wurde, welche Straftaten er bisher in Österreich verübt habe, gab er an, gestohlen und gestritten, sonst jedoch nichts gemacht zu haben. Er habe einmal eine Person verletzt. Die Diebstähle rechtfertigte er damit, dass er sechs Monate auf der Straße gelebt und kein Geld gehabt habe.

Auf Vorhalt, dass der BF als Asylwerber, nachdem sein Verfahren in Österreich zugelassen wurde, die Möglichkeit gehabt hat, im Rahmen der Grundversorgung untergebracht, versorgt zu werden und ein Taschengeld in Höhe von EUR 40,- monatlich zu bekommen und es nicht den Tatsachen entspreche, dass der BF zwingend als zugelassener Asylwerber auf der Straße leben habe müssen, antwortete der BF, dass dies richtig sei, er jedoch einen Fehler begangen habe. Er habe in der Flüchtlingsunterkunft immer wieder unerlaubt Besucher mitgenommen und sei daher aus der Unterkunft geflogen.

Der BF versprach gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht, sich nichts mehr in Österreich zu Schulden kommen zu lassen.

2.3.5. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 21.02.2018, Zl. 46 Hv 2/18v, wurde der BF rechtskräftig wegen § 83 Abs 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt und im Hinblick auf das Urteil vom 03.02.2017 (Punkt 1.7.) die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe widerrufen.

Dieser Verurteilung - für eine Jugendstraftat - lag folgende Handlung zugrunde:

Der BF verletzte am 28.09.2017 während der Verbüßung seiner Haftstrafen in der Justizanstalt XXXX einen weiteren Insaßen vorsätzlich am Körper, indem er ihm drei Schläge - davon zumindest zwei mit der Faust - gegen das Gesicht versetzte, wodurch das Opfer eine Rissquetschwunde im Bereich der Oberlippe und eine Rötung im Bereich der rechten Schläfe erlitt.

Bei der Strafbemessung wurde mildernd das Geständnis und erschwerend der rasche Rückfall, die Tatbegehung während des Vollzuges und zwei einschlägige Vorstrafen berücksichtigt.

Obwohl der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.08.2017 versicherte, sich nichts mehr zu Schulden kommen zu lassen, verübte er somit einen Monat später (28.09.2017) die nächste Straftat.

2.3.6. Als der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.08.2018, somit nach drei rechtskräftigen Verurteilungen durch das Landesgericht XXXX und das Landesgericht XXXX , gefragt wurde, wie oft er bisher in Österreich verurteilt wurde, antwortete er: "Einmal [...] Aufgrund einer schweren Körperverletzung." Erst auf Vorhalt, dass dem Bundesverwaltungsgericht mehrere Verurteilungen bekannt sind, gab der BF zu, dass er "hier auch einige andere Probleme" gehabt habe.

Befragt, warum das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehen sollte, dass der BF keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Österreich darstelle, antwortete der BF: "Ich kann dazu nicht sehr viel sagen. Seit ich in Haft bin, habe ich die Schule besucht. Ich habe einen Abschluss als Fahrradtechniker gemacht, besuche einen Deutschkurs, ich verstehe mich im Gefängnis mit allen sehr gut. Es gibt die Möglichkeit, dass meine Freundin mich sechs bis sieben Stunden lang besucht. Ich bekomme auch Ausgang. Der Leiter des Gefängnisses hat mir gesagt, dass er etwas Schreiben wird, dass es vielleicht die Möglichkeit, dass ich früher aus der Haft entlassen werde. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe, ich bereue diese Fehler. Ich schäme mich dafür. Ich hoffe, dass ich die Chance bekommen werde zu beweisen, dass ich mich gebessert habe."

2.3.7. Der BF wird laut Kenntnisstand des Bundesverwaltungsgerichts zum Entscheidungszeitpunkt (voraussichtlich) am XXXX aus der Haft entlassen werden.

2.3.8. Der BF hält sich zum Entscheidungszeitpunkt knapp unter drei Jahre in Österreich auf und war mehr als die Hälfte dieser Zeit (ca. 1 Jahr und 8 Monate) in Justizanstalten untergebracht. Der BF wurde in diesem Zeitraum dreimal rechtskräftig verurteilt. Er ist - sogar während er inhaftiert war - wiederholt rückfällig geworden. Jede der Taten, die zu den drei Verurteilungen führten, hatte Körperverletzungen verschiedener Opfer durch Gewaltanwendung des BF zur Folge. Der BF steht bis heute nicht zu seinen Taten und bereut diese nicht mit Überzeugung. Der BF leugnete den Großteil seiner strafbaren Handlungen gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht und versuchte diese zu verheimlichen.

2.4. Zu den Fluchtgründen des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.4.1. Der BF hat Afghanistan in seinem zweiten Lebensjahr gemeinsam mit seiner Mutter verlassen und ist in den Iran gereist. Der Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates Afghanistan konnte nicht festgestellt werden. Der BF verließ den Iran, da er dort illegal aufhältig war und nicht nach Afghanistan zurückkehren wollte.

2.4.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF je aus dem Iran nach Afghanistan abgeschoben wurde.

2.4.3. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des BF Mitglied der Taliban ist und der BF in diesem Zusammenhang einer Verfolgung ausgesetzt war oder im Falle der Rückkehr nach Afghanistan ausgesetzt wäre.

2.4.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF von seinem Vater je bedroht oder attackiert wurde oder im Falle der Rückkehr nach Afghanistan bedroht oder attackiert werden würde.

2.4.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF und/oder seine Mutter je im Iran oder Afghanistan von ihnen unbekannten Männern, die aus dem Umfeld des Vaters des BF stammen, bedroht oder attackiert wurden oder im Falle der Rückkehr nach Afghanistan bedroht oder attackiert werden würde.

2.4.6. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

2.4.7. Im Falle der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX würde dem BF ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

2.4.8. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr nach Herkunftsprovinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach XXXX Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Ein mit seiner Familie in XXXX lebender Freund der Mutter namens Ali wäre bereit, den BF im Falle der Rückkehr nach XXXX zumindest vorübergehend wirtschaftlich zu unterstützen.

2.4.9. Der BF ist volljährig, anpassungsfähig, mobil, gesund, arbeitsfähig und ledig. Er verfügt über Unterstützung in Afghanistan durch eine mit seiner Mutter befreundete Familie. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach XXXX Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.4.10. Der BF kann die Stadt XXXX von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug und sein Heimatdorf, das ca. 50 Minuten mit dem Auto von der Stadt XXXX entfernt, nördlich der Stadt XXXX liegt, auf dem Landweg sicher erreichen.

2.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 29.06.2018:

1. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

1.1. Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

1.2. Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017).

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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