TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/10 99/04/0117

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Veröffentlicht am 10.11.1999
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde 1.) der Dr. E W,

2.) des Dr. O S und 3.) der E W, alle in I, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. April 1999, Zl. 316.461/1-III/A/9/99, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: E AG in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. April 1999 wurde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Änderung ihrer Betriebsanlage (Tankstelle) an einem näher bezeichneten Standort durch Aufstellung einer fix montierten Doppel-SB-Saugstation und einer Luftladestation gemäß § 81 Abs. 1 GewO 1994 unter Anwendung des § 93 Abs. 2 ANSchG unter Vorschreibung folgender Auflagen erteilt:

"1.) Die Schalldruckpegelspitzen in einem Abstand von 1 m und einem Winkel von 45 Grad von der Saugstation dürfen den Wert von 72 dB nicht überschreiten.

2.) Bei der Staubsaugeranlage ist ein Hinweisschild anzubringen, auf dem folgender Schriftzug deutlich sichtbar und unverwischbar lesbar sein muss:

-

Motor abstellen

-

Das Abspielen von Tonträgern ist verboten.

              3.)              Außer den Betriebszeiten der SB-Staubsaugeranlage ist die Sauganlage durch Einbau einer Schaltuhr so zu steuern, dass ein Betrieb außerhalb dieser Zeiten ausgeschlossen ist."

Zur Begründung führte der Bundesminister nach Darstellung des Inhaltes des von ihm eingeholten gewerbetechnischen Amtssachverständigengutachtens, in dem der Sachverständige die im erstbehördlichen Verfahren eingeholten Gutachten für unbedenklich erklärt, aus, er stütze sich mit seiner Entscheidung auf die eindeutigen, klaren und schlüssigen Aussagen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen. Hieraus gehe hervor, dass schon im Verfahren vor der Unterinstanz Schalldruckpegelmessungen durchgeführt worden seien, wobei an jenen Orten gemessen worden sei, die von den anwesenden Nachbarn gewünscht worden seien. Es seien sowohl Umgebungsgeräusch- als auch Störgeräuschmessungen durchgeführt worden. Für die Betrachtung des Umgebungsgeräusches zur Vorabendzeit sei auf Verkehrszählungen bzw. auf einen näher bezeichneten Messbericht zurückgegriffen worden. Die durchgeführten Messungen seien vom technischen Amtssachverständigen als ausreichend bezeichnet worden, sodass die erstbehördliche Entscheidung zu bestätigen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift einen gleichartigen Antrag.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in den in der Gewerbeordnung eingeräumten Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes machen sie zunächst geltend, es seien im erstbehördlichen Verfahren die Gutachten von insgesamt drei medizinischen Amtssachverständigen eingeholt worden, wobei die beiden ersten zu dem Ergebnis gelangt seien, dass die Genehmigung nur unter Vorschreibung eingeschränkter Betriebszeiten erteilt werden könne, während der dritte beigezogene medizinische Amtssachverständige eine derartige Einschränkung nicht vorgesehen habe. Darüber hinaus verweisen sie darauf, dass schon im erstbehördlichen Bescheid die Meinung des gewerbetechnischen Sachverständigen dargestellt werde, wonach sich das Spielen von Autostereoanlagen hinsichtlich des zu erwartenden Immissionspegels nicht in den Griff bekommen lasse. Die in diesem Zusammenhang vorgeschriebene Auflage des Verbotes des Abspielens von Tonträgern werfe die Frage auf, ob reine Musik oder Sprache aus Radiosendungen leiser sei als z. B. ein Tonband oder eine CD.

Mit dem einen Widerspruch zwischen den im erstbehördlichen Verfahren eingeholten medizinischen Amtssachverständigengutachten behauptenden Vorbringen vermögen die Beschwerdeführer schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil sie dabei außer Acht lassen, dass die mitbeteiligte Partei als Reaktion auf die bis dahin erstatteten beiden ersten medizinischen Sachverständigengutachten ihr Projekt sowohl hinsichtlich des vorgesehenen Schallschutzes als auch hinsichtlich der projektierten Betriebszeiten geändert hat, sodass dem dritten medizinischen Sachverständigengutachten ein anderer Sachverhalt als den beiden ersten zugrunde gelegen ist.

Die Beschwerdeführer irren, wenn sie demgegenüber meinen, auch dem dritten medizinischen Sachverständigengutachten sei dasselbe Maß an von der in Rede stehenden Anlage ausgehenden Schallemissionen zu Grunde gelegen, weil schon nach den Angaben des Herstellers der Anlage von einem Schalldruckpegel in der Höhe von 72 dB auszugehen gewesen sei und auch der zuletzt beigezogene medizinische Amtssachverständige diesen Schalldruckpegel seinem Gutachten zugrunde gelegt habe. Sie übersehen dabei nämlich, dass nach dem dem zuletzt beigezogenen medizinischen Sachverständigen vorliegenden (geänderten) Projekt der Schalldruckpegel in dieser Höhe nur mehr in eine bestimmte Richtung abgestrahlt werden soll, während nach allen anderen Richtungen hin die nunmehr anzubringende Schallschutzhaube ihre Wirksamkeit entfalten werde.

Aus dem zuletzt eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten ergibt sich ferner, dass die Beurteilung dieses Sachverständigen von der Kundenfrequenz in der fraglichen Anlage und damit von der tatsächlichen Betriebsdauer der in Rede stehenden Geräte (innerhalb der beantragten Betriebszeiten) unabhängig ist, sodass der in der Beschwerde aufgeworfenen Frage der zu erwartenden Kundenfrequenz an Samstagen und Sonntagen keine entscheidende Bedeutung zukommt.

Auch mit der Behauptung, die von dem im erstbehördlichen Verfahren beigezogenen gewerbetechnischen Amtssachverständigen angenommene Schirmwirkung von Gebäuden bestehe in Wahrheit nicht, vermögen die Beschwerdeführer die Schlüssigkeit auch dieses Gutachtens deshalb nicht zu erschüttern, weil der im Berufungsverfahren beigezogene Amtssachverständige (von den Beschwerdeführern unwidersprochen) zum Ergebnis gelangte, die im erstbehördlichen Verfahren errechneten Lärmimmissionen auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer würden auch dann nicht überschritten, wenn eine derartige Lärmschutzwirkung von Gebäuden nicht gegeben sein sollte.

Mit dem Antrag schließlich, einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie beizuziehen, weil der von der Erstbehörde beigezogene medizinische Amtssachverständige kein Facharzt dieses Fachgebietes sei, ziehen die Beschwerdeführer die fachliche Richtigkeit des Gutachtens dieses Sachverständigen in Zweifel. In dieser Situation wäre es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache der Beschwerdeführer gewesen, dies durch ein auf gleicher fachlicher Ebene stehendes (Privat-)Sachverständigengutachten zu untermauern (vgl. die in Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze2 I § 45 E 183 zitierte hg. Judikatur).

Zu Recht rügen die Beschwerdeführer aber die mangelnde Eignung der von der belangten Behörde vorgeschriebenen, das Abspielen von Tonträgern betreffenden Auflage.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist unter "Auflage" im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 eine bestimmte, der Vermeidung von Immissionen dienende und zur Erfüllung dieses Zweckes geeignete und behördlich erzwingbare Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage zu verstehen (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1993, Zl. 91/04/0128).

Im vorliegenden Fall hat die in Rede stehende Auflage ihre Grundlage im Gutachten des lärmtechnischen Sachverständigen, das in der Verhandlung vom 29. März 1996 abgegeben wurde. Danach lassen sich die beim Spielen von Autostereoanlagen während des Saugens zu erwartenden Immissionspegel zwar auf Grund verschiedener Lautstärken nicht konkret darstellen, doch sind sie aber unter Berücksichtigung der Informationshältigkeit und je nach Lautstärke geeignet, eine signifikante Änderung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse im Bereich der Nachbarschaft zu bewirken. Um diesen Bedenken zu begegnen, hätte es daher einer Auflage bedurft, die in behördlich erzwingbarer Weise sicherstellt, dass es zu derartigen Emissionen nicht kommen wird. Dieser Anforderung entspricht die von der belangten Behörde in diesem Zusammenhang vorgeschriebene Auflage in zweifacher Hinsicht nicht. Einerseits wird von ihr nur Lärm erfasst, der durch das Abspielen von Tonträgern verursacht wird, nicht aber sonstiger, durch den Betrieb von Autostereoanlagen verursachter Lärm. Andererseits erschöpft sich diese Auflage darin, der mitbeteiligten Partei die Bekanntmachung eines entsprechenden Verbotes aufzutragen. Behördlich erzwungen werden kann daher (im Rahmen des im § 367 Z. 25 leg. cit. normierten Straftatbestandes) nur die Einhaltung dieses Auftrages durch die mitbeteiligte Partei, nicht aber die Einhaltung des Verbotes selbst durch die Kunden. Sollten daher Kunden der mitbeteiligten Partei (was keineswegs auszuschließen ist) dieses Verbot missachten, böte somit die in Rede stehende Auflage keine Handhabe für behördliche Maßnahmen zur Durchsetzung dieses Verbotes.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf Zuspruch von Umsatzteuer zum Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung dieses Aufwandersatzes in der genannten Verordnung, die auch die Umsatzsteuer umfasst, abzuweisen.

Wien, am 10. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999040117.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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