TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/28 W227 2203478-1

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Veröffentlicht am 28.08.2018
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Entscheidungsdatum

28.08.2018

Norm

AVG §13 Abs1
AVG §13 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
SchPflG 1985 §11 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs3
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W227 2203478-1/3E

W227 2203480-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerden von XXXX als Erziehungsberechtigter (1.) der mj. XXXX , geb. am XXXX , und (2.) des mj. XXXX , geb. am XXXX , gegen die Bescheide des Stadtschulrates für Wien vom 3. Juli 2018, Zlen. (1.) 003.103/0017-PAEXT/2018 und (2.) 003.103/0026-PAEXT/2018, zu Recht:

A)

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Am 8. Juni 2018 zeigte der Beschwerdeführer als Erziehungsberechtigter mittels Formularblatt die Teilnahme seiner am

XXXX geborenen Tochter XXXX und seines am XXXX geborenen Sohnes XXXX am Unterricht an der XXXX , einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht, für das Schuljahr 2018/2019 an.

2. Mit Schreiben vom 11. Juni 2018 forderte der Stadtschulrat für Wien den Beschwerdeführer auf, seine Anzeigen vom 8. Juni 2018 zu verbessern, indem er die in den Formularen geforderten Beilagen (Geburtsurkunde des Kindes, Jahreszeugnis der zuletzt besuchten Schule) seiner Kinder vorlege. Dazu wurde ihm eine Frist bis 29. Juni 2018 eingeräumt.

3. Diesen Verbesserungsaufträgen kam der Beschwerdeführer insofern nicht nach, als er die geforderten Unterlagen innerhalb der Frist nicht an den Stadtschulrat, sondern fälschlicherweise an eine Adresse in 1222 Wien sendete.

4. Mit den angefochtenen Bescheiden wies der Stadtschulrat für Wien die gegenständlichen Anzeigen zur Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule gemäß § 13 Abs. 3 AVG i.V.m. § 11 Abs. 3 Schulpflichtgesetz (SchPflG) zurück (jeweils Spruchteil 1.) und schloss die aufschiebende Wirkung einer rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Beschwerde aus (jeweils Spruchteil 2.).

Begründend führte er im Wesentlichen aus:

Der Stadtschulrat für Wien sei verpflichtet, konkrete Feststellungen in Bezug auf die Gleichwertigkeit des angezeigten Unterrichts zu treffen. Erziehungsberechtigten komme infolge der verkürzten Entscheidungspflicht eine verstärkte Mitwirkungspflicht zu. Die Gleichwertigkeit des Unterrichts sei hinsichtlich der erwarteten Auswirkungen auf Eigenschaften, Fähigkeiten und Leistungen des Schülers und hinsichtlich der Erfolgschancen für den Schüler zu beurteilen. Es sei daher unerlässlich, über den bisherigen Bildungsweg des schulpflichtigen Kindes Bescheid zu wissen. Erziehungsberechtigte würden daher im Formular bei der Anzeige eines Unterrichts nach § 11 SchPflG dazu angeleitet, zumindest das Jahreszeugnis der zuletzt besuchten Schule der Anzeige beizulegen.

Da den gegenständlichen Anzeigen keine Jahreszeugnisse beigelegt gewesen seien und dieser Mangel auch auf Aufforderung nicht fristgerecht behoben worden sei, seien die Anzeigen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückzuweisen gewesen.

Da ein großes öffentliches Interesse an einer ausreichenden Beschulung entsprechend dem österreichischen Schulpflichtgesetz von Kindern mit dauerndem Aufenthalt in Österreich bestehe, sei die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde auszuschließen gewesen.

5. Die angefochtenen Bescheide wurden dem Beschwerdeführer am 7. Juli 2018 zugestellt.

6. Am 10. Juli 2018 langten die Jahreszeugnisse und Geburtsurkunden der Kinder des Beschwerdeführers beim Stadtschulrat für Wien ein.

7. Am 3. August 2018 erhob der Beschwerdeführer die vorliegenden Beschwerden, die der Stadtschulrat für Wien am 14. August 2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorlegte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zur Behebung der Bescheide (Spruchpunkt A)

1.1. Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 SchPflG genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht dem Landesschulrat jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Der Landesschulrat kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht innerhalb eines Monates ab dem Einlangen der Anzeige untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist.

Gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz AVG können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werde.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

1.2. Vorab ist festzuhalten, dass aufgrund der Zurückweisung der Anzeigen gemäß § 13 Abs. 3 AVG durch den Stadtschulrat für Wien "Sache" der vorliegenden Beschwerdeverfahren nur die Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisungen ist (vgl. VwGH 12.08.2014, Ro 2014/10/0087, m. w.N.).

Ein Vorgehen gemäß § 13 Abs. 3 AVG setzt zunächst voraus, dass ein "Anbringen" im Sinne dieser Bestimmung vorliegt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anzeige der Teilnahme eines Kindes am Unterricht einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG ein derartiges "Anbringen" darstellt.

Diese Frage stellt sich schon deshalb, weil das verfahrensgegenständlich einschlägige Materiengesetz selbst, nämlich das Schulpflichtgesetz, unterschiedliche Formen des Einschreitens vorsieht. So ist z.B. für den Schulbesuch bei sonderpädagogischem Förderbedarf ebenso ein "Antrag" der Eltern (oder des Schulleiters) vorgesehen wie für die Befreiung vom Besuch der Berufsschule (vgl. §§ 8 und 23 SchPflG), während der Besuch von im Ausland gelegenen Schulen eines "Ansuchens um Bewilligung" bedarf (vgl. § 13 Abs. 1 SchPflG) oder eben die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht (bloß) anzuzeigen ist (vgl. § 11 Abs. 3 SchPflG). Während ein "Antrag" jedenfalls ein Tätigwerden der Behörde auslöst, dient eine (bloße) Anzeige dem gegenüber nach allgemeinem Sprachgebrauch vor allem Informationszwecken.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass der Begriff "Anbringen" in § 13 Abs. 3 AVG wohl grundsätzlich im weiten Sinn des § 13 Abs. 1 AVG zu verstehen ist, d.h., dass in Ermangelung gegenteiliger Anordnungen z.B. auch Anzeigen darunterfallen, für die das anzuwendende Materiengesetz keine Zurückweisung vorsieht (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, I [2. Ausgabe 2014] § 13 Rz 26). Auch der Umstand, dass § 13 Abs. 1 AVG zunächst explizit "Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen" nennt, und in den folgenden Absätzen dieser Bestimmung von "Anbringen" die Rede ist, lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber - um Wiederholungen zu vermeiden - mit diesem Begriff sämtliche in Abs. 1 aufgezählte Begriffe zusammengefasst umschrieben und verstanden wissen wollte.

Es ist daher im Sinne einer weiten Auslegung des in § 13 Abs. 3 AVG verwendeten Begriffs "Anbringen" davon auszugehen, dass davon auch eine Anzeige im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG umfasst ist, die somit auch einem Verbesserungsverfahren gemäß dieser Bestimmung grundsätzlich zugänglich ist.

Ein Vorgehen gemäß § 13 Abs. 3 AVG setzt weiters voraus, dass das Anbringen einen Mangel aufweist. Dazu ist Folgendes festzuhalten:

Ein "Mangel" liegt dann vor, wenn ein Anbringen von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht. Fehlt es hingegen an einer derartigen hinreichend deutlichen Anordnung, so kommt dementsprechend bei deren Nichtvorlage weder der Erteilung eines Verbesserungsauftrages noch - nach fruchtlosem Verstreichen der zu Unrecht gesetzten Frist - die Zurückweisung des Anbringens in Frage. Vielmehr kann die unterlassene Beibringung von Unterlagen, welche die Behörde benötigt und die sie sich nicht selbst beschaffen kann, allenfalls - als Verletzung der "Mitwirkungspflicht" - bei der Sachentscheidung Berücksichtigung finden (Hengstschläger/Leeb, AVG I [2. Ausgabe 2014] § 13 Rz 27).

Weder dem Schulpflichtgesetz als dem hier einschlägigen Materiengesetz noch dem AVG ist eine für den Einschreiter erkennbare Anordnung zu entnehmen, dass den verfahrensgegenständlichen Anzeigen jeweils eine Geburtsurkunde und/oder ein Jahreszeugnis der zuletzt besuchten Schule beizulegen wären. Es ist für das erkennende Gericht auch nicht ersichtlich, inwieweit die geforderten Unterlagen, nämlich die Geburtsurkunde und das Jahreszeugnis, für die Beurteilung der Frage, ob der Unterricht an der Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht jenem an einer im § 5 SchPflG genannten Schule mindestens gleichwertig ist, von Relevanz ist. Insoweit der Stadtschulrat für Wien in den angefochtenen Bescheiden auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 1997, Zl. 97/10/0060, verweist, ist festzuhalten, dass sich dieses Erkenntnis auf ein Verfahren über den Nachweis des zureichenden Erfolgs des Unterrichts an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht nach Abschluss des Schuljahres bezieht (§ 11 Abs. 4 SchPflG), und sich demnach daraus für die Frage, nach welchen Kriterien die Ex-Ante-Beurteilung der Gleichwertigkeit im Sinne des § 11 Abs. 3 SchPflG durchzuführen ist, nichts gewinnen lässt.

Schließlich ist zu beachten, dass eine Gleichwertigkeitsprüfung gemäß § 11 Abs. 3 letzter Satz SchPflG auch dann durchzuführen ist, wenn es sich beim Kind um einen Schulanfänger handelt, der aber nachvollziehbarer Weise nicht über ein Jahreszeugnis der letzten besuchten Schule verfügen kann. Auch daraus erschließt sich, dass das Jahreszeugnis der zuletzt besuchten Schule keine (unabdingbare) Grundlage für die Gleichwertigkeitsprüfung darstellen kann.

Die Verbesserungsaufträge des Stadtschulrates für Wien vom 11. Juni 2018 erfolgten daher nicht zu Recht. Der Umstand, dass das vom Stadtschulrat für Wien angebotene und vom Beschwerdeführer verwendete Formblatt für die Anzeigen einen Hinweis darauf enthält, dass die im Verbesserungsauftrag genannten Beilagen den Anzeigen anzuschließen sind, kann daran nichts ändern, weil die Mangelhaftigkeit eines Anbringens ausschließlich anhand der Anforderungen des Materiengesetzes bzw. des AVG zu beurteilen ist.

Das Vorgehen des Stadtschulrates für Wien hinsichtlich der Erteilung der Verbesserungsaufträge und Zurückweisung der Anzeigen nach fruchtlosem Ablauf der Verbesserungsfrist war somit nicht zulässig (vgl. dazu auch BVwG vom heutigen Tag, Zl. W203 2202029-1).

1.3. Eine Verhandlung (sie wurde nicht beantragt) konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; 01.09.2016, 2013/17/0502; VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Abgesehen davon ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

2. Zur Zulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B)

2.1 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt:

* Inwieweit sind der bisherige Bildungsweg und der bisherige schulische Erfolg eines Kindes für die Beurteilung der Gleichwertigkeit i.S.d. § 11 Abs. 1, 2 und 3 SchPflG von Relevanz?

* Handelt es sich bei einer Anzeige gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG um ein Anbringen i.S.d. § 13 Abs. 3 AVG, das einem Verbesserungsverfahren zugänglich ist?

* Behaftet die Nichtbeilage einer Geburtsurkunde des Kindes und/oder eines Jahreszeugnisses der zuletzt besuchten Schule eine Anzeige gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG mit Mangelhaftigkeit?

Eine entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor; es ist auch nicht davon auszugehen, dass die aus Anlass der hier zu beurteilenden Fälle vorgenommenen Ableitungen zwingend sind.

3. Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anbringen, Anzeigepflicht, ersatzlose Behebung, Gleichwertigkeit des
Unterrichts, Jahreszeugnis, minderjähriger Schüler,
Öffentlichkeitsrecht, Privatschule, Schulbesuch,
Verbesserungsauftrag, Vorlagepflicht, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W227.2203478.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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