Entscheidungsdatum
28.08.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W198 2147943-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), idgF, sowie §§ 3, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF.,
§ 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 14.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und brachte hierzu vor, dass er aufgrund der Taliban seine Heimat verlassen habe. Er sei auf einer Liste der Taliban gestanden, weil sie ihn hätten töten wollen.
2. Mit Bescheid vom 18.01.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß
§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen habe können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er wegen seiner politischen Gesinnung von den Taliban verfolgt werde. Dem Beschwerdeführer sei daher der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen gewesen. Darüber hinaus sei für den Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben, weshalb ihm jedenfalls der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei.
4. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit - rechtskräftigem - Erkenntnis vom 22.05.2018 unter Spruchpunkt A) die Beschwerde als unbegründet ab. Unter Spruchpunkt B) wurde die Revision für nicht zulässig erklärt.
5. Am 30.06.2018 verließ der Beschwerdeführer ohne Abmeldung seine Unterkunft, tauchte in die Anonymität ab und versuchte am 01.07.2018 unrechtmäßig nach Deutschland auszureisen. An der Grenze wurde dem Beschwerdeführer die Einreise nach Deutschland verweigert und wurde er den österreichischen Behörden übergeben.
6. Mit Bescheid des BFA wurde der Beschwerdeführer am 02.07.2018 gemäß
§ 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 AVG in Schubhaft genommen.
7. Am 06.07.2018 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft heraus gegenständlichen - zweiten - Antrag auf internationalen Schutz. Er gab im Wesentlichen die gleichen Fluchtgründe wie im Erstverfahren an und führte aus, dass auch seine Familie in Gefahr wäre, wenn er nach Afghanistan zurückkehre.
8. Der Beschwerdeführer wurde am 19.07.2018 von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab er an, dass er schon früher psychische Probleme gehabt habe; diese seien jetzt mehr geworden. Er müsse Medikamente nehmen. Befragt, warum er nunmehr einen neuerlichen Asylantrag stelle, führte er aus, dass er seine Probleme bereits im ersten Verfahren geschildert habe. Er könne nicht nach Afghanistan zurück. Befragt, ob es nunmehr Asylgründe gebe, die der Beschwerdeführer im ersten Verfahren nicht angegeben habe, führte er aus, dass im Mai zwei Personen zu seiner Schwester gekommen seien und diese hätten mit Fotos vom Beschwerdeführer nach dem Beschwerdeführer gesucht. Die Personen hätten verdeckte Gesichter gehabt. Als der Beschwerdeführer am 28.05.2018 mit seiner Schwester telefoniert habe, habe er das erfahren. Der Vorfall habe sich ca. 20 Tage zuvor ereignet. Auf die Frage, warum ihm seine Schwester erst 20 Tage nach dem Vorfall davon erzählt habe, gab er an, dass die Verbindung schlecht sei und es viel Geld koste; sie könne es sich nicht leisten den Beschwerdeführer anzurufen. Für den Fall, dass er nach Afghanistan zurückkehre, wären seine Geschwister auch in Gefahr.
9. Der Beschwerdeführer wurde am 25.07.2018 neuerlich von der belangten Behörde einvernommen. Hierbei wurde er erneut zu dem Vorfall, über den ihm seine Schwester am Telefon berichtet habe, befragt und gab er an, dass die Personen mit den verdeckten Gesichtern seine Schwester aufgesucht, ihr Fotos gezeigt und nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten. Dann hätten sie das Haus durchsucht und seien wieder gegangen. Sie hätten gesagt, dass der Beschwerdeführer getötet werden solle. Im Falle einer Rückkehr würde er umgebracht werden.
10. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 25.07.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen gemäß
§ 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I und II.). Gemäß
§ 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß
§ 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.)
In diesem Bescheid stellte das Bundesamt fest, dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren keinen neuen entscheidungsrelevanten Sacherhalt vorgebracht habe. Er habe keine weiteren asylrelevanten Gründe glaubwürdig vorgebracht und es ergab sich kein neuer objektiver Sachverhalt.
11. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers hat gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde mangelhafte Länderfeststellungen getroffen habe. In weiterer Folge wurde auf eine Vielzahl von Berichten zur Situation in Afghanistan verwiesen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer sehr wohl ein neues Vorbringen erstattet. Der Vorfall, von dem ihm seine Schwester berichtet habe, zeige, dass sich die drohende Verfolgung intensiviert habe und er nicht aus dem Blickfeld der Taliban verschwunden sei. Nach Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass eine persönliche Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner religiösen bzw. poltisch-oppositionellen Gesinnung durch die Taliban überaus wahrscheinlich sei. Die belangte Behörde beschäftige sich in keiner Weise mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr und hätte sie dem Beschwerdeführer zumindest subsidiären Schutz gewähren müssen. Zuletzt werde ausgeführt, dass kein Einreiseverbot erlassen werden hätte dürfen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX . Er spricht Paschtu als Muttersprache, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Laghman geboren und ist dort aufgewachsen. Er hat elf Jahre lang die Schule besucht. Im Jahr 2011 ist er nach Pakistan gereist und hat dort bis Mai 2015 bei seinem Onkel mütterlicherseits gelebt.
Von 2012 bis 2014 hat auch seine Familie in Pakistan gelebt, bevor diese im April 2014 wieder nach Afghanistan zurückgekehrt ist. In Pakistan hat der Beschwerdeführer im Lebensmittelgeschäft seines Vaters mitgeholfen und außerdem an einer Grundschule Flüchtlingskinder unterrichtet.
Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich und stellte am 14.07.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund brachte er im Wesentlichen vor, dass die Taliban seinen Bruder und ihn im Jahr 2010 hätten rekrutieren wollen, woraufhin er nach Pakistan geschickt worden sei. Im April 2012 sei seine Mutter erschossen worden. Daraufhin habe sein Bruder fünf Mitglieder der Taliban getötet und sei ebenfalls nach Pakistan geflüchtet. Nach ein paar Monaten sei der Bruder von den Taliban in Pakistan ermordet worden. Im Mai 2012 sei seine restliche Familie nach Pakistan geflüchtet und 2014 wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. 2015 sei der Beschwerdeführer zurück in sein Heimatdorf gegangen und in weiterer Folge aus Afghanistan geflüchtet.
Dieser erste Antrag wurde mit Bescheid vom 18.01.2017 sowie die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.05.2018 wegen Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens rechtskräftig abgewiesen.
Mit dem gegenständlichen Folgeantrag brachte der Beschwerdeführer den Sachverhalt erneut vor. Darüber hinaus brachte er vor, dass im Mai zwei Personen zu seiner Schwester gekommen seien und diese Personen mit Fotos nach dem Beschwerdeführer gesucht hätten. Dann hätten sie das Haus durchsucht und seien wieder gegangen. Sie hätten gesagt, dass der Beschwerdeführer getötet werden solle. Im Falle einer Rückkehr würde er umgebracht werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung über seinen ersten Asylantrag ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft dartun konnte.
Außerdem kann nicht festgestellt werden, dass zwischenzeitlich eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan eingetreten ist.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er leidet an einer mittelgradig depressiven Episode und nimmt deswegen regelmäßig Medikamente ein. Er ist arbeitsfähig und in der Lage, im Herkunftsstaat seinen notwendigen Unterhalt zu sichern.
Der Beschwerdeführer ist seit seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet im Juli 2015 nicht mehr in sein Heimatland zurückgekehrt, sondern hält sich bis dato im österreichischen Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer hat nie über einen Aufenthaltstitel verfügt, der sich nicht auf einen Asylantrag gestützt hat. Im Bundesgebiet halten sich - abgesehen von einem Cousin - keine Familienangehörigen und Verwandten des Beschwerdeführers auf. Auch sonst machte der Beschwerdeführer keine im Bundesgebiet aufhältigen Bezugspersonen, zu denen eine intensive, länger währende Bindung besteht, geltend.
Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:
Der Beschwerdeführer hat die gewährte Frist zur Ausreise in sein Heimatland von 14 Tagen nicht eingehalten.
Der Antrag auf internationalen Schutz wurde offensichtlich unbegründet und missbräuchlich gestellt.
Der Beschwerdeführer hat versucht eine Abschiebung durch nicht abgemeldetes Verlassen seiner Unterkunft und versuchter unrechtmäßiger Weiterreise nach Deutschland mutwillig und rechtswidrig zu verhindern und war für die österreichischen Behörden erst nach seiner Übergabe durch die deutschen Behörden wieder greifbar.
Zudem steht fest, dass er seine Mittel zum Unterhalt nicht nachweisen konnte.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsverfahrensakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zum vorangegangenen und zum gegenständlichen Verfahren.
Betreffend die Gründe für die Erlassung des Einreiseverbots:
Dass der Beschwerdeführer die anlässlich der ersten Entscheidung gewährte Frist zur freiwilligen Ausreise nicht eingehalten hat, basiert aus dem unbestreitbaren Akteninhalt.
Dass der Antrag auf internationalen Schutz offensichtlich unbegründet und missbräuchlich gestellt wurde, geht aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.05.2018 hervor. Bereits im ersten Verfahren hielt das Vorbringen des Beschwerdeführers einer Glaubwürdigkeitsprüfung nicht stand.
Dass der Beschwerdeführer durch sein "Untertauchen" und den Versuch der unrechtmäßigen Ausreise nach Deutschland rechtswidrig eine Abschiebung zu verhindern versucht hat, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.
Dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist die Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Umstand, dass er seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus staatlichen Leistungen bestreitet.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten, werden durch das BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl I Nr 87/2012 geregelt. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt (§ 1 leg cit).
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.07.2018 nach § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.
Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391, mwN).
Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall des-selben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. VwGH 25. 4. 2007, 2004/20/0100, mwN).
Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. - in Bezug auf mehrere Folgeanträge - VwGH 26. 7. 2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 2004 mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.6.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Änderung nur dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgeblich erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde lagen, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann und daher die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zumindest möglich ist (VwGH 24.03.2011, 2007/07/0155; Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 68, Rz 26 mit Judikaturnachweisen; vgl. iZm auch VwGH 05.05.2015, Ra 2014/22/0115: "Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste").
Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Dies ist aus nachstehenden Gründen der Fall:
Die belangte Behörde begründete das Fehlen eines neuen entscheidungsrelevanten Sachverhaltes damit, dass kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt werden könne. Der neuerliche Antrag habe dieselben Fluchtgründe enthalten, wie bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren.
Der Beschwerdeführer bezog sich zur Beurteilung seines gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz - abgesehen von dem Vorfall, bei welchem unbekannte Personen bei der Schwester des Beschwerdeführer mit Fotos nach dem Beschwerdeführer gesucht haben - ausschließlich auf Umstände, die sich bereits vor der ersten Asylantragstellung ereignet haben sollen bzw. bezog er sich mit seinem Vorbringen auf Fluchtgründe, welche bereits Gegenstand des ersten Verfahren waren, weshalb eine neuerliche Entscheidung darüber nicht in Betracht kommt (VwGH vom 13.09.2016, Ro 2015/03/0045; VwGH vom 24.05.2016, Ra 2016/21/0143).
Der Beschwerdeführer steigerte sein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen lediglich dahingehend, dass er am 28.05.2018 von seiner Schwester am Telefon erfahren habe, dass er immer noch gesucht werde und deshalb nicht zurückkehren könne. Dieser Vorfall habe sich laut Ausführungen des Beschwerdeführers jedoch bereits am 08.05.2018 ereignet und konnte der Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar darlegen, wieso ihn seine Schwester nicht unmittelbar nach diesem Vorfall, sondern erst 20 Tage später, darüber informiert hat. Zunächst gab er auf die entsprechende Frage an, dass sie gewusst habe, dass der Beschwerdeführer Kopfschmerzen habe und sie ihm deswegen nichts davon gesagt habe. Auf nochmalige Nachfrage gab er schließlich widersprüchlich dazu und zudem völlig unsubstanziiert an, dass die Verbindung schlecht sei und seine Schwester sich das Telefonat nicht leisten könne. In einer Gesamtschau erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich des Vorfalls mit seiner Schwester sohin nicht glaubwürdig.
Es haben sich sohin keine Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den Asylstatus ergeben.
Bezüglich den subsidiären Schutzstatus ist auszuführen, dass im gegenständlichen Verfahren jedenfalls keine Umstände hervorgekommen sind, welche den Schluss zuließen, der Beschwerdeführer würde bei einer Abschiebung in eine "unmenschliche Lage" versetzt werden. Der Beschwerdeführer konnte in keiner Weise darlegen, dass sich an seiner Situation bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss des ersten inhaltlichen Asylverfahrens so Maßgebliches geändert haben sollte, dass eine anderslautende Entscheidung geboten wäre.
Hinsichtlich der psychischen Probleme des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer die Einnahme von Sertralin-Tabletten bereits im ersten Asylverfahren angab, weshalb dies keinen neuen Sachverhalt darstellt. Der überwiegende Teil der im zweiten Verfahren vorgelegten Befunde datiert vor der Rechtskraft des Erstverfahrens (23.05.2018) und hätte der Beschwerdeführer daher die Verpflichtung gehabt, diese Unterlagen im vorangegangenen Verfahren vorzulegen. Es ist auszuführen, dass die psychischen Erkrankungen bereits vor Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden haben.
Abgesehen davon ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer an keiner dermaßen akuten oder schwerwiegenden Erkrankung leidet, welche im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten.
Da sohin keine Anhaltspunkte für eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf das individuelle Vorbringen bzw. Umstände des Beschwerdeführers oder allgemein bekannte Tatsachen, die vom BFA von Amts wegen zu berücksichtigen wären, vorliegen, und auch die Rechtslage sich in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist die belangte Behörde im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich - abgesehen von einem Cousin - keine Familienangehörigen oder engen Verwandten. Der Aufenthalt des zweiten Cousins in Österreich, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, konnte nicht bestätigt werden. Der Beschwerdeführer hielt sich nicht ganz drei Jahre im Bundesgebiet auf, wobei sein Aufenthalt bis Mai 2018 bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Danach bestand gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und wäre der Beschwerdeführer seitdem verpflichtet gewesen, das Bundesgebiet zu verlassen. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und auch nicht unverhältnismäßig.
Es konnten auch keine Gründe festgestellt werden, die eine Abschiebung unzulässig machen würden.
Zur Erlassung des Einreiseverbots:
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt zusammen mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden.
Die Aufzählung des § 53 FPG ist demonstrativ, was auch eindeutig aus dem Gesetzestext hervorgeht, nachdem klar festgestellt wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung insbesondere dann gegeben ist, wenn einer der aufgezählten Tatbestände des § 53 Abs. 2 FPG vorliegt. Es sind daher weitere Verhaltensweisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, jedenfalls auch geeignet ein Einreiseverbot zu rechtfertigen.
Im gegenständlichen Fall wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz durch das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.05.2018 abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung verbunden. Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen und tauchte am 30.06.2018 in die Anonymität ab und versuchte sich nach Deutschland abzusetzen. Daraus wird ersichtlich, dass der Beschwerdeführer die Abschiebung in sein Heimatland durch Untertauchen mutwillig zu verhindern versuchte.
Dieses Verhalten des Beschwerdeführers konnte zwar in keine der Ziffern des § 53 FPG subsumiert werden, ist jedoch geeignet die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden.
Zudem fällt der Beschwerdeführer in den Geltungsbereich des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG, der lautet: "... wenn der Drittstaatangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag."
Der Beschwerdeführer verließ am 30.06.2018 seine Unterkunft, tauchte unter und versuchte in weiterer Folge unrechtmäßig nach Deutschland auszureisen. Er begab sich sohin aus eigener Entscheidung heraus in die Mittellosigkeit.
Es ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht konkret in der Lage ist, die Mittel für seinen Unterhalt aus Eigenem nachzuweisen. Sein Unterhalt ist nur durch staatliche Unterstützung gewährleistet.
In einer Gesamtschau des Verhaltens des Beschwerdeführers, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat die belangte Behörde daher zu Recht die Erlassung eines Einreiseverbotes für die Dauer von zwei Jahren ausgesprochen, welches notwendig ist um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verhindern.
Somit war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zu § 68 AVG stützen.
Schlagworte
Einreiseverbot, Glaubwürdigkeit, Identität der Sache,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W198.2147943.2.00Zuletzt aktualisiert am
16.10.2018