Index
50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §74 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der E L in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Mai 1999, Zl. MA 63-SCH 365/97, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: A Gesellschaft m.b.H. Nachf. KG in Y, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Mai 1999 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 81 GewO 1994 die Änderung der bestehenden Betriebsanlage an einem näher bezeichneten Standort durch Einrichtung eines (näher beschriebenen) Schrottlager- und Manipulationsplatzes sowie einer Brückenwaage für Lkw unter Vorschreibung von Auflagen genehmigt. Zur Begründung führte der Landeshauptmann im Rahmen der Darstellung des Verfahrensganges u. a. aus, in Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens seien im Zug des Berufungsverfahrens ergänzende Sachverständigengutachten eingeholt worden. Der Amtssachverständige der Magistratsabteilung 22 habe (nach Darstellung der von ihm gewonnenen Messergebnisse) ausgeführt, die durch Arbeiten mit Bagger hervorgerufenen Spitzenpegel betrügen bei Vorbeifahrt an einer bestehenden Baulücke 55 bis 58 dB, A-bewertet, bei Arbeiten in den Bereichen Schrottmanipulation I und Schrottmanipulation II bis maximal 55 dB, A-bewertet. In diesen Messwerten seien sowohl Fahrgeräusche des Baggers wie auch Geräusche, die durch Manipulationen mit dem Altmetall entstünden, enthalten. Die Häufigkeit der Schallpegelspitzen sei dabei mit 3 bis 10 Ereignissen pro Minute festgestellt worden. Die Arbeitsdauer mit dem Bagger betrage laut Genehmigungsprojekt maximal 4 Stunden täglich, nämlich 2 Stunden zum Sortieren des Altmetalles und 2 Stunden zum Beladen der Waggons. Der Umgebungsgeräuschpegel inklusive der Arbeiten mit dem Bagger (gemessen als LA,eq) betrage 49 dB, A-bewertet. Da die Spitzenwerte der auftretenden Immissionsgeräusche impulsartig seien, sei dem energieäquivalenten Dauerschallpegel ein Zuschlag hinzuzurechnen, um den Beurteilungspegel zu ermitteln. Im gegenständlichen Fall betrage der Zuschlag 5 dB, sodass sich der Beurteilungspegel zu maximal Lr = 54 dB errechne. Die Differenz von 4 dB zu dem durch die Niederösterreichische Umweltschutzanstalt ermittelten Beurteilungspegel ergebe sich daraus, dass die durch die Magistratsabteilung 22 durchgeführten Messungen in der Wohnung der Beschwerdeführerin durchgeführt worden seien und nicht im Freien und dass wegen der geringeren Höhe der Mikrofonaufstellung (ca. 3,5 m über dem Straßenniveau, gegenüber 7 m bei den Messungen der Niederösterreichischen Umweltschutzanstalt) die Abschirmung durch den Bahndamm wirksamer und der Effekt der Bodendämmung ausgeprägter sei. Wie aus den Messungen ersichtlich sei, bringe die Abschirmung der beiden Schrottmanipulationsplätze durch die bestehenden Gebäude der benachbarten Firmen eine Reduktion der Schallpegel von 8 bzw. 7 dB gegenüber dem Bereich bei der Baulücke. Die Schallpegeldifferenz von Arbeiten auf den Schrottmanipulationsplätzen zu Arbeiten in der Halle bei geöffnetem Tor betrage jedoch nur 4 dB, sodass Geräusche, die von den Schrottmanipulationsplätzen stammten, nicht eindeutig von Geräuschen aus der Halle bei geöffnetem Tor unterschieden werden könnten. Daher sei es möglich, dass die Häufigkeit der Schrottmanipulation subjektiv höher erscheine, als dies tatsächlich der Fall sei. Gestützt auf dieses gewerbetechnische Gutachten und auf Grund eigener Wahrnehmungen habe der medizinische Amtssachverständige der Magistratsabteilung 15 (unter anderem) ausgeführt, auf Grund der subjektiven Eindrücke bei Erhebungen zu den Betriebszeiten und im Vergleich zu den diversen früher durchgeführten Messungen sei eine wesentliche Verbesserung der Lärmsituation eingetreten, welche offenbar einerseits durch geänderte Arbeitsmethoden (Wegfall der Schrottverdichtung mittels Gewicht) sowie durch fortschreitende Verbauung von Freiflächen und somit durch Abschirmung der Wohngebäude gegenüber dem Betriebslärm bedingt sei. Eine Beeinträchtigung der Wohnqualität oder des Wohlbefindens der Beschwerdeführerin sei auf Grund der zuletzt gemessenen betriebskausalen Lärmereignisse nicht mehr zu befürchten. Zu diesen Gutachten stellte der Landeshauptmann fest, sie seien nachvollziehbar und schlüssig. Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid u. a. ausführe, der erstinstanzliche Genehmigungsbescheid beruhe auf unrealistischen Messbedingungen, so sei jedenfalls im Berufungsverfahren unter realistischen Bedingungen gemessen worden, da eine Warnung der Betriebsinhabung nicht erfolgt sei und die Messungen auch in der Wohnung der Beschwerdeführerin stattgefunden hätten. Aus einer Stellungnahme der Magistratsabteilung 36 ergebe sich, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin über durch Erschütterungen verursachte Schäden an ihrem Haus als unzutreffend anzusehen seien, sei doch ihre Wohnung ca. 140 m von der Betriebsanlage entfernt und es verlaufe dazwischen die Schnellbahn.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift einen gleichartigen Antrag.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in den aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes verweist sie zunächst auf die im erstbehördlichen Verfahren gewonnenen Messergebnisse und auf das auf dieser Grundlage erstattete medizinische Sachverständigengutachten. Durch dieses Gutachten werde eindeutig dokumentiert, dass durch die Änderung der Betriebsanlage eine Lärmquelle geschaffen worden sei, welche Geräuschimmissionen produziere, die weit über den sonstigen Umgebungsgeräuschpegelwerten lägen. Es könne dabei eine Bagatellisierung dieser Lärmimmissionen nicht dadurch bewirkt werden, dass auf eingeschränkte Betriebszeiten verwiesen werde und, wie dies offenbar die belangte Behörde vermeine, bei den Lärmimmissionen von lediglich Durchschnittswerten ausgegangen werde. Tatsächlich sei von den Lärmspitzen auszugehen, da es ja nicht in der Ingerenz der Beschwerdeführerin liege, welcher Geräuschpegel an welchem Tag tatsächlich durch den Betrieb verursacht werde. Bei Berücksichtigung der Lärmspitzen lägen diese bei Arbeiten mit dem Bagger weit mehr als 50 % über dem Grundgeräuschpegel und erschienen daher entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde als unzumutbar. An diesem Umstand könne die Verbauung von Freiflächen, gemeint offenbar zwischen dem Betrieb und dem Haus der Beschwerdeführerin, nichts ändern, da es sich bei der Bauführung ja nicht um lärmdämmende Maßnahmen handle. Es seien insbesondere zu diesem Bescheid die Erhebungen der Magistratsabteilung 15 vom 21. Juli 1997 und der Aktenvermerk vom 20. Oktober 1997 herangezogen worden, in welchen Urkunden die jeweiligen Überschreitungen des Grundgeräuschpegels sowie des Umgebungsgeräuschpegels dokumentiert seien. Wenn die von der belangten Behörde beigezogene amtsärztliche Sachverständige in ihrer abschließenden Beurteilung davon ausgehe, dass diese Lärmbelästigungen nicht geeignet erschienen, psychosomatische Beschwerden, funktionelle oder organische Veränderungen hervorzurufen, so müsse darauf verwiesen werden, dass es sich dabei um eine Frage handle, die in den Fachbereich der Neurologie und Psychiatrie gehöre und daher von einem Facharzt der Neurologie und Psychiatrie hätte beantwortet werden müssen. Da derartige Gutachten jedoch nicht eingeholt worden seien, könnten derartige Ergebnisse auch nicht dem vorliegenden Verfahren zugrunde gelegt werden. Jedenfalls sei aber auch die beigezogene amtsärztliche Sachverständige zu dem Schluss gekommen, dass die impulsartigen Störgeräusche eine Belästigung darstellten, die zu erheblichen Störungen des Wohlbefindens führen könnten. Diese impulsartigen Störungen sowie das Auftreten von Lärmspitzen, welche über 50 % des Grundgeräuschpegels ausmachten, könnten jedenfalls bei Betrieb der Anlage nicht ausgeschlossen werden, weshalb die Genehmigung der Betriebsanlage nicht hätte erteilt werden dürfen. Daran vermöge auch eine eingeschränkte Betriebsdauer nichts zu ändern. Was die Frage der Erschütterungen betreffe, so sei keine nähere Untersuchung erfolgt.
Soweit sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen gegen die Beurteilung der Lärmsituation durch die belangte Behörde wendet, vermag sie damit schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil sie ihr Vorbringen auf die im erstbehördlichen Verfahren gewonnenen Messergebnisse und die darauf gestützten Aussagen der beigezogenen medizinischen Amtssachverständigen stützt. Sie übersieht dabei nämlich, dass die mitbeteiligte Partei nach Vorliegen dieser Messergebnisse und des darauf gestützten medizinischen Sachverständigengutachtens noch im Rahmen des erstbehördlichen Verfahrens mit Eingabe vom 18. September 1997 diesen Verfahrensergebnissen durch Modifizierung ihrer Betriebsbeschreibung, vor allem was die Art der Verdichtung des Materials betrifft, Rechnung getragen hat, sodass es zu der in den im Rahmen des Berufungsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachten dokumentierten Reduzierung der Lärmbelastung in der Wohnung der Beschwerdeführerin gekommen ist, die von der medizinischen Amtssachverständigen, wie im angefochtenen Bescheid festgestellt wurde, dahin qualifiziert wurde, dass nunmehr eine Beeinträchtigung der Wohnqualität oder des Wohlbefindens der Beschwerdeführerin nicht mehr zu befürchten sei.
Bei der im angefochtenen Bescheid erwähnten Verbauung von Freiflächen handelt es sich lediglich um ein Element der Begründung für die im Wege der Messung festgestellte Reduzierung der Lärmbelastung gegenüber den im erstbehördlichen Verfahren erhobenen Messwerten. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich auch nicht der Ansicht der Beschwerdeführerin anzuschließen, die im vorliegenden Verfahren zu klärenden Fragen der Einwirkung von Lärm auf den menschlichen Organismus hätte nur von einem Facharzt der Neurologie und Psychiatrie beantwortet werden können, zumal die Beschwerdeführerin eine der von der belangten Behörde beigezogenen ärztlichen Sachverständigen unterlaufene inhaltliche Unrichtigkeit ihres Gutachtens konkret nicht behauptet.
Die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, zur Frage der Erschütterungen sei keine nähere Untersuchung angestellt worden, ist schließlich - abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin bis zum Abschluss der erstbehördlichen Augenscheinsverhandlung Einwendungen in diese Richtung nicht erstattet und daher zu dieser Immissionsart Parteistellung nicht erworben hat - auf die im angefochtenen Bescheid erwähnte Stellungnahme der Magistratsabteilung 36 zu verweisen, aus der sich die Aktenwidrigkeit des diesbezüglichen Beschwerdevorbringens ergibt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, weil deren Gegenschrift nur zweifach einzubringen gewesen wäre.
Wien, am 10. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999040136.X00Im RIS seit
20.11.2000