TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/28 L508 2195850-1

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Veröffentlicht am 28.08.2018
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Entscheidungsdatum

28.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L508 2195850-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2018, Zahl: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß §§ 27, 28 Abs. 2 VwGVG aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF), ein Staatsangehöriger aus Pakistan und der Volksgruppe der Punjabi sowie der Religionsgemeinschaft der Sunniten zugehörig, brachte nach illegaler Einreise am 05.10.2008 beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 05.10.2008 Folgendes vor:

Er sei in Pakistan geboren, würde Punjabi sprechen und gehöre dem sunnitischen Glauben an. Er sei verheiratet und habe vier Kinder (drei Töchter und einen Sohn). Die Ehefrau, die Kinder sowie die Mutter und eine Schwester würden nach wie vor in seinem Heimatort leben. Er habe sieben Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Landwirt gearbeitet. Er habe Pakistan am 26.09.2008 illegal und schlepperunterstützt verlassen, sein Reisepass befinde sich zu Hause.

Zum Fluchtgrund führte der BF an, er sei Mitglied der MSL (KAAF) Partei. Am 18.02.2008 habe die Parlamentswahl stattgefunden und es sei dabei zu einem Streit und Handgreiflichkeiten mit den Mitgliedern der PPP-Partei gekommen, worauf die Leute der PPP-Partei Anzeige gegen ihn erstattet hätten. Er wohne seit 19.02.2008 nicht mehr zu Hause, sondern habe sich bis zur Ausreise in XXXX versteckt, weil die Polizei nach ihm gesucht habe.

2. Vor einem Organwalter des Bundesasylamtes (nachfolgend BAA) bestätigte der BF am 09.10.2008 seine bisherigen Angaben und führte zudem aus, er habe Pakistan mit einem gefälschten Reisepass verlassen. Diesen habe ihm der Schlepper besorgt und ihm dann wieder abgenommen. Seinen eigenen Reisepass habe er zu Hause gelassen, dieser sei aber schon abgelaufen. Er habe zu Hause auch einen Personalausweis und er werde versuchen, sich diesen schicken zu lassen.

Zum Fluchtgrund befragt führte der BF an, er sei Sympathisant der Pakistan Muslim Leaque (Q) gewesen. Am 18.02.2008 hätten Wahlen stattgefunden und es habe dabei tätliche Auseinandersetzungen der Mitglieder der PML (Q) und der PPP-Partei gegeben. Dabei sei ein Mitglied der PPP verletzt worden und mehrere Mitglieder der PML - darunter auch er selbst - angezeigt worden. An dem Raufhandel seien ca. zehn bis zwölf Personen der PML und ca. sieben bis acht Personen der PPP beteiligt gewesen. Die Polizei sei eingeschritten, nachdem alles vorbei gewesen sei. Die Anzeige sei am 19.02.2008 erstattet worden und die Polizei habe den BF zu Hause gesucht. Er habe aber aus Angst, von der PPP gesucht zu werden, das Haus bereits, bevor die Polizei kam, verlassen gehabt. Zur Polizei habe der BF kein Vertrauen, da diese unter dem Einfluss der PPP stehe und die PPP an der Macht sei. Er sei nirgends in Pakistan sicher.

3. In einer ergänzenden niederschriftlichen Einvernahme vor dem BAA am 29.01.2009 bestätigte der BF nochmals seine bisherigen Angaben, er wolle diesbezüglich auch nichts ergänzen. Dokumente könne der BF nach wie vor nicht vorlegen. Den Personalausweis habe der Schlepper und der BF habe diesen nicht erreichen können. Auf Vorhalt, bei seiner letzten Aussage habe er angegeben, der Personalausweis befinde sich zu Hause, gab der BF an, es habe sich dabei nur um die Kopie des Personalausweises gehandelt, das Original habe ihm der Schlepper abgenommen. Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, er sei Mitglied der PML (Q)-Partei, habe für die Partei Werbezettel verteilt, aber keine besonderen Aufgaben gehabt. Im Zuge einer Rauferei sei er von der PPP-Partei angezeigt worden. Die Polizei habe mehrmals versucht, ihn festzunehmen. Außerdem sei er von Mitgliedern der PPP mit dem Umbringen bedroht worden und deswegen zu einem Bekannten nach Rawalpindi gefahren. Die Drohungen seien gegenüber seiner Frau ausgesprochen worden. Weder die Mitglieder der PPP-Partei noch die Polizei hätten ihn zu Hause angetroffen, da er sich noch am gleichen Tag des Vorfalls im Dorf seiner Schwester versteckt hätte. Er habe sich dort zwei Tage und in der Folge bei einem Bekannten in Rawalpindi aufgehalten. In Rawalpindi sei er keinen Bedrohungen oder Verfolgungen ausgesetzt gewesen, habe aber befürchtet, dass sein Aufenthaltsort herausgefunden werden könnte. Er habe befürchtet, umgebracht zu werden. Dem BF wurden die Länderfeststellungen zu Pakistan zur Kenntnis gebracht. Der BF gab als Stellungnahme dazu an, dieser Bericht stimme schon. Zu seiner Lebenssituation in Österreich befragt führte der BF an, er verdiene monatlich ca. 400,-- Euro als Zeitungsverkäufer, besuche keinen Deutschkurs und sei kein Mitglied in einem Verein.

4. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.02.2009 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).

4.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung ging das BAA davon aus, dass dem Vorbringen des BF die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei. Der BF habe lediglich behauptet, sich vor den Mitgliedern der PPP-Partei zu fürchten, ohne dass es zu einem konkreten Angriff gekommen sei. Zudem habe es seit dem 18.02.2008 bis zur Ausreise des BF keine Verfolgungen oder persönlichen Auseinandersetzungen weder von der Polizei noch von Mitgliedern der gegnerischen Partei gegeben. Des Weiteren sei das Vorbringen des BF widersprüchlich gewesen. So habe der BF in seiner Einvernahme am 29.01.2009 zunächst angegeben, er habe sich vom 18.02.2008 bis zur Ausreise bei einem Freund in Rawalpindi aufgehalten, später habe er behauptet, er sei zwei Tage bei seiner Schwester gewesen und erst danach nach Rawalpindi gegangen. Zudem habe der BF bei seiner Befragung am 09.10.2008 angegeben, dass die Polizei bei dem Raufhandel eingeschritten wäre, bei der Einvernahme am 29.01.2009 habe er dazu angegeben, dass die Polizei gekommen wäre, er die Polizei aber nicht gesehen hätte. Weiters sei es nicht nachvollziehbar, dass sich der BF unverzüglich nach dem Vorfall bei seiner Schwester versteckt habe, da er gar nicht wissen habe können, dass die Polizei ihn suchen würde. Auch sei - bei Wahrunterstellung des Vorbringens der Partei - das Vorbringen des BF nicht geeignet, eine Asylgewährung zu erwirken, da dieses mangels konkreter Verfolgung aus asylrechtsrelevanten Gründen keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention finden würde. Zudem gäbe es für den BF eine innerstaatliche Fluchtalternative.

4.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde Feststellungen.

4.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF dar.

5. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhaltes Beschwerde erhoben.

6. Im Zuge einer fremdenpolizeilichen Überprüfung am 01.02.2012 wurden an der Wohnadresse des BF die pakistanische Geburtsurkunde und die beglaubigte Beurkundung eines pakistanischen Führerscheines sichergestellt und dem Asylgerichtshof am 20.03.2012 übermittelt.

7. Vom in der Folge zuständigen Bundesverwaltungsgericht wurde am 19.02.2014 eine Anfrage an die österreichische Botschaft in Islamabad mit dem Ersuchen um Überprüfung der vorgelegten polizeilichen Anzeige, der Geburtsurkunde und des pakistanischen Führerscheins des BF gestellt.

8. Dem Erhebungsbericht der österreichischen Botschaft in Islamabad bzw. des Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft in Islamabad zufolge sei die Geburtsurkunde eingetragen worden, jedoch erscheine sie aufgrund der unterschiedlichen Schriftart und Farbe als zweifelhaft. Auch könne eine Manipulation bei der Seriennummer erkannt werden. Der pakistanische Führerschein sei als authentisch verifiziert worden. Die vorgelegte polizeiliche Anzeige sei gefälscht. Der vom BF vorgebrachte Vorfall habe am 18.02.2008 tatsächlich stattgefunden, das Anzeigeoriginal enthalte jedoch nicht den Namen des BF.

9. Für den 19.08.2014 lud das Bundesverwaltungsgericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.

10. Mit Schreiben vom 25.07.2014 wurde dem BF eine Aufforderung zur Mitwirkung im Beschwerdeverfahren und zur Vorlage von Dokumenten und Beweismitteln übermittelt. Den Verfahrensparteien wurden zudem mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.2014 aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan sowie die Anfragebeantwortung der österreichischen Botschaft in Islamabad zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

11. Mit Schreiben vom 29.07.2014 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend BFA) mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Ungeachtet dessen wurde aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung der Beschwerde beantragt und um Übersendung des aufgenommenen Verhandlungsprotokolls ersucht.

12. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigte der BF seine dem bisherigen Verfahren zugrunde gelegte Identität und dass er verhandlungsfähig sei.

Zu den Einvernahmesituationen im bisherigen Verfahren führte der BF an, es sei alles in Ordnung gewesen. Er habe immer die Wahrheit gesagt und möchte nichts richtigstellen. Seit Asylantragstellung bzw. seit Erhalt des angefochtenen Bescheides habe sich nichts geändert. Er könne nicht nach Pakistan zurückkehren, da er in Lebensgefahr sei.

Die Ehefrau, drei Töchter und ein Sohn des BF würden mit der Mutter des BF im Heimatdorf leben und er habe regelmäßig Kontakt mit ihnen. Er habe in Pakistan auch noch weitere Verwandte. In Österreich lebe er mit fünf oder sechs Pakistani zusammen in einer Mietwohnung und verdiene seinen Lebensunterhalt als Zeitungsausträger. Er erhalte keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er sei in Österreich nicht straffällig geworden, sei kein Mitglied in einem Verein und spreche auch kaum Deutsch.

Zur fremdenpolizeilichen Kontrolle und Sicherstellung der Geburtsurkunde und beglaubigten Urkunde des pakistanischen Führerscheins befragt führte der BF an, dies seien nur Kopien gewesen und er habe diese beim Interview bei der belangten Behörde noch nicht gehabt.

Nach Übersetzung des Erhebungsberichtes der Staatendokumentation und zum Ergebnis, dass demzufolge die polizeiliche Anzeige gefälscht sei, gab der BF an, dass dies nicht stimme, wie könne er auf den FIR seinen Namen hinzufügen und dass der FIR nicht gefälscht sei. Bei Rückkehr in sein Heimatland habe er Angst, dass er von der Polizei getötet werden würde, er sei dort in Lebensgefahr.

Zu den Länderfeststellungen zu Pakistan nahm der BF nicht Stellung.

13. In Erledigung der gegen den Bescheid des BAA am 13.02.2009 erhobenen Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht folglich mit Erkenntnis vom 10.09.2014 Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG rechtskräftig als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG wurde das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs 4. B-VG für nicht zulässig erklärt.

In der Entscheidung wurde festgestellt, dass der BF in seinem Herkunftsstaat keiner Verfolgungsgefahr iSd GFK unterliegt. Ebenso wurde festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Pakistan keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es wurde auch festgehalten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des BF in Österreich darstellen.

14. Im fortgesetzten Verfahren übermittelte das BFA dem BF eine Verfahrensanordnung.

Dem BF wurde die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer zweiwöchigen Frist dazu Stellung zu nehmen und Fragen zum Privat- und Familienleben bzw. zur Integration in Österreich zu beantworten.

15. Die damalige rechtsfreundliche Vertretung des BF beantragte in der Stellungnahme vom 06.10.2014 die Gewährung der Akteneinsicht. Die damalige rechtsfreundliche Vertretung wurde mit E-Mail vom 08.10.2014 über die derartige Möglichkeit informiert.

16. Die damalige rechtsfreundliche Vertretung führte im Rahmen einer Stellungnahme vom 13.10.2014 aus, der BF befinde sich seit dem Jahr 2008 durchgehend und bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes rechtmäßig im Bundesgebiet, er habe im Asylverfahren sämtliche Mitwirkungspflichten erfüllt und keine Folgeanträge gestellt. Er habe die lange Verfahrensdauer nicht zu vertreten. Der BF sei unbescholten, integriert, selbsterhaltungsfähig und aufrecht sozial- und krankenversichert. Er verfüge über einen großen Bekanntenkreis und spreche gut Deutsch. Der BF legte einen Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2012 sowie eine Versicherungsbestätigung der SVA vom 30.09.2014 vor.

17. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Burgenland, vom 03.11.2014, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

17.1. Das BFA stellte zur Person des BF fest, dass die Identität und Nationalität des BF feststehe. Der BF sei illegal nach Österreich eingereist und wurde sein Aufenthalt lediglich durch die Asylantragstellung legalisiert. Der BF sei unbescholten, habe bisher keinen Deutschkurs absolviert und spreche die deutsche Sprache nicht. Er habe bisher keine Ausbildung gemacht. Der BF befinde sich nicht in Grundversorgung, arbeite als Zeitungszusteller und sei kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Weitere soziale Integrationsbemühungen würden sich nicht erkennen lassen. Die Ehefrau, vier Kinder, die Mutter und die Schwester des BF würden nach wie vor in Pakistan leben. Der BF habe keine Verwandten in Österreich.

17.2. Beweiswürdigend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus:

Die Feststellungen zur Person des BF würden auf den Angaben des BF, seines pakistanischen Führerscheins und den vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Erhebungen beruhen. Die Feststellungen zur Integration und zum Privat- und Familienleben des BF würden sich aus der Aktenlage und dem Vorbringen des BF ergeben.

17.3. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 05.11.2014.

18. Mit Schriftsatz vom 19.11.2014 wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und es wurden die Anträge gestellt,

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eine mündliche Verhandlung durchzuführen,

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den angefochtenen Bescheid zu beheben und dahingehend abzuändern, dass die dauerhafte Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung festgestellt werde,

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in eventu festzustellen, dass eine Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG nicht zulässig sei und

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in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückzuverweisen.

19. Die gegen den Bescheid des BFA vom 03.11.2014 erhobene Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis vom 11.02.2015 gem. §§ 55 und 57 AsylG 2005, § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52, 46 und § 55 FPG 2005 abgewiesen.

20. Am 21.07.2015 brachte der Beschwerdeführer den nunmehr gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gem. § 56 Abs. 2 AsylG ein.

Dem Antrag beigelegt wurden unter anderem ein österreichischer Führerschein, eine Wohnbestätigung, zwei Empfehlungsschreiben, eine Bestätigung über eine nicht bestandene Deutschprüfung Niveau A1, ein Versicherungsdatenauszug vom 06.07.2015 und Bestätigungen bezüglich der Zustellhonorare des BF für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis 31.05.2015.

21. Im Zuge einer Stellungnahme vom 04.08.2015 führt der BF im Wege seiner damaligen rechtsfreundlichen Vertretung aus, er befinde sich seit dem Jahr 2008 durchgehend und bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.09.2014 rechtmäßig im Bundesgebiet, er habe im Asylverfahren sämtliche Mitwirkungspflichten erfüllt und keine Folgeanträge gestellt. Der BF sei unbescholten, integriert, selbsterhaltungsfähig und aufrecht sozial- und krankenversichert. Er verfüge über einen großen Bekanntenkreis und spreche gut Deutsch. Der BF legte einen Einkommenssteuerbescheid sowie eine Versicherungsbestätigung der SVA vom 30.09.2014 vor.

22. Mit Schreiben vom 05.12.2016 teilte die nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung des BF mit, dass der BF eine Deutschprüfung Niveau A2 erfolgreich bestanden habe.

23. Seitens des BFA erging mit Schreiben vom 20.07.2017 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, in der der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, ein gültiges Reisedokument samt aktueller vollständiger Kopie sowie das Original seiner von der ÖB Islamabad beglaubigten Geburtsurkunde samt Kopie vorzulegen. Auf die Heilungsmöglichkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV wurde hingewiesen. Der Beschwerdeführer wurde darüber belehrt, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen sei, wenn er seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nachkomme.

Des Weiteren wurde dem Beschwerdeführer eine Liste von Fragen gestellt und wurde er aufgefordert, hinsichtlich seiner Lebensumstände Nachweise zu erbringen.

24. Im Wege einer Stellungnahme durch die nunmehrige rechtsfreundliche Vertretung des BF vom 07.08.2017 teilte dieser mit, dass er weder über einen gültigen Reisepass noch eine Geburtsurkunde verfüge, weshalb er diese der belangten Behörde nicht vorgelegt habe. Der BF habe in Bezug auf seine Identität im bisherigen Verfahren immer die Wahrheit gesagt. Er sei im Besitz eines österreichischen Führerscheins.

Der BF lebe mit seinem Bruder XXXX in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF halte sich nun seit beinahe neun Jahren im Bundesgebiet auf und habe große Schritte in Richtung Integration geleistet. Er spreche Deutsch auf Niveau A2, arbeite seit mehreren Jahren als Zeitungszusteller und sei selbsterhaltungsfähig. Er sei bisher auch niemals strafrechtlich in Erscheinung getreten, respektiere die Gesetze in Österreich und leiste seit mehreren Jahren auch durch freiwillige Spenden an das Rote Kreuz Österreich einen gemeinnützigen Beitrag an die Gesellschaft. Aufgrund des langen Aufenthalts in Österreich bestünde auch zu seinem Heimatland Pakistan keinerlei Naheverhältnis bzw. Bindung mehr.

Diesem Schriftsatz sind unter anderem diverse Meldezettel, Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2016 und Rechnungen zum Nachweis eines gesicherten Lebensunterhalts, eine Versicherungsbestätigung der SVA, ein Miet- und Untermietvertrag, ein Sprachzeugnis Niveau A2, ein Arbeitsvertrag, ein Strafregisterauszug, eine Mitgliedskarte des Roten Kreuzes 2015 bis 2017, eine Kopie des österreichischen Führerscheins und diverse Kontoauszüge über Ersparnisse angeschlossen.

25. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.04.2018 wurde der Erstantrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung" in besonders berücksichtigungswürdigenden Fällen gemäß § 56 Absatz 2 Asylgesetz gemäß § 58 Absatz 11 Ziffer 2 Asylgesetz zurückgewiesen.

Begründend führte das BFA nach der Wiedergabe des Verfahrensgangs und der Feststellungen zu dessen Person sowie zu seinem Privat- und Familienleben bzw. seiner Integration in Österreich aus, dass der Beschwerdeführer trotz Belehrung und Aufforderung die erforderlichen Beweismittel über seine tatsächliche Originalidentität (Name, Vorname und Geburtsdatum), zu welcher implizit auch seine Staatsangehörigkeit zähle, nicht vorgelegt habe, weshalb der verfahrensgegenständliche Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels jedenfalls gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückzuweisen gewesen sei.

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG sowie gemäß § 52 Abs. 3 FPG sei, werde der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Werde ein solcher Antrag zurückgewiesen, gelte dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG vorliege.

Mit seit 13.02.2015 rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.02.2015 sei die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, vom 03.11.2014, mit welchem eine Rückkehrentscheidung gegen den BF verhängt worden war, gemäß den §§ 57 und 55 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idgF, § 10 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie §§ 52, 46 und § 55 FPG 2005 BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen worden.

Hinsichtlich der hiefür maßgeblich gewesenen Gründe habe sich nach den im gegenständlichen Verfahren getroffenen Feststellungen, abgesehen vom weiteren Zeitablauf seither - insbesondere bezogen auf § 53 Abs. 2 und 3 FPG - keine entscheidungswesentliche Veränderung ergeben.

Unter Verweis auf § 59 Abs. 5 FPG führte das BFA schließlich aus, dass die seinerzeitige Rückkehrentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.02.2015 aufrecht und rechtskräftig sei. Neue Tatsachen gem. § 53 Abs. 2 und 3 FPG seien nicht hervorgekommen und habe somit die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung unterbleiben können.

26. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

27. Gegen den oben genannten Bescheid vom 11.04.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

27.1. Zunächst wurde beantragt,

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die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Antrag des BF vom 21.07.2015 Folge gegeben und dem BF eine Aufenthaltsberechtigung aus besonders berücksichtigungswürdigen Fällen antragsgemäß erteilt werde oder

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den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen; sowie

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eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen und durchzuführen.

27.2. Des Weiteren wurde Folgendes vorgebracht:

Der BF würde weder über ein gültiges Reisedokument, noch über eine Geburtsurkunde oder eine diesen Dokumenten gleichzuhaltende Urkunde verfügen. Er könne diese Dokumente daher auch nicht vorlegen. Er hätte in Bezug auf seine Identität im bisherigen Verfahren immer die Wahrheit gesagt. Er sei im Besitz eines österreichischen Führerscheins und hätte damit seine Identität hinreichend nachgewiesen. Eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht könne ihm daher nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Sowohl im Asylverfahren als auch im gegenständlichen Verfahren sei die belangte Behörde immer davon ausgegangen, dass er - XXXX - und am XXXX geboren sei. Von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht könne keine Rede sein. Über den Antrag sei daher inhaltlich zu entscheiden.

Entgegen der Rechtsansicht des BFA hätten sich auch die Verhältnisse betreffend den Zeitpunkt der Rückkehrentscheidung im Asylverfahren deutlich zu Gunsten des BF verbessert. Es wäre dazu auf die vorgelegten Urkunden, die Stellungnahme vom 07.08.2017 sowie die der Beschwerde beiliegende Jahresaufstellung, der die Einkünfte aus der Kolporteurstätigkeit im Jahr 2017 zu entnehmen seien, zu verweisen.

28. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungs- sowie Gerichtsakt.

2. Verfahrensbestimmungen

2.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

2.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

2.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu A)

3. Behebung des angefochtenen Bescheides

3.1. Gemäß § 56 Abs. 1 AsylG 2005 kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist gemäß § 56 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen (Z 1) oder der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen (Z 2). Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der AsylG-DV sind folgende Urkunden und Nachweise - unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 leg. cit. - im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen: 1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; 3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5; 4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV kann die Behörde auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen: 1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls, 2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder 3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war. Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber gemäß Abs. 2 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:

Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 58 Abs. 9 AsylG lautet:

Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt

oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

§ 52 Abs. 3 FPG lautet:

Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

§ 59 Abs. 5 FPG lautet:

Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen.

3.2. Indem das BFA im gegenständlichen Verfahren keine Rückkehrentscheidung erließ, hat es die Rechtslage verkannt. Im Erkenntnis vom 19.11.2015, Zahl Ra 2015/20/0082, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass § 59 Abs. 5 FPG 2005 der Verfahrensökonomie dienen und bewirken soll, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, es sei denn, dass neue Tatsachen iSd § 53 Abs. 2 und 3 FPG 2005 hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen. Durch den Verweis auf § 53 FPG 2005, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 67 zum FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FPG 2005 nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm.

Daraus ergibt sich, dass die Behörde im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gehabt hätte, da der Beschwerdeführer nie mit einem Einreiseverbot belegt wurde und auch kein Fall des § 58 Abs. 9 AsylG vorliegt.

Da das BFA im gegenständlichen Fall eine verfehlte Rechtsansicht vertrat, indem es keine Rückkehrentscheidung erließ, und das Bundesverwaltungsgericht schon im Hinblick darauf, dass es im gegenständlichen Verfahren nur in Beschwerdesachen tätig werden und den Beschwerdeführer nicht um eine Instanz bringen darf, sohin die seitens des BFA unterlassene Rückkehrentscheidung nicht nachholen kann, war der angefochtene Bescheid gem. §§ 27, 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben.

Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Aufgrund der Behebungsentscheidung aus den dargestellten Gründen konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zum Spruch des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Behördenpraxis, Rechtsirrtum,
Rückkehrentscheidung, Verfahrensführung, wesentlicher
Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L508.2195850.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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