TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/29 I414 2185749-1

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Veröffentlicht am 29.08.2018
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Entscheidungsdatum

29.08.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I414 2185749-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und die Richterin MMag. Alexandra JUNKER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS), vom 22.12.2017, Zl. OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass befristet bis 01.09.2021 vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 30.11.2017 beantragte Frau XXXX (in der Folge als Beschwerdeführerin bezeichnet) unter Vorlage medizinischer Beweismittel die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

In weitere Folge wurde Seiten des Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) ein Sachverständigengutachten von Dr. T., Facharzt für Psychiatrie und Arzt für Allgemeinmedizin eingeholt. Dieses Gutachten wurde aufgrund der Aktenlage am 10.12.2017 erstellt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung wurde vom Sachverständigen verneint. Zusammenfassend wurde im Gutachten ausgeführt, dass die Befundlage uneinheitlich sei und aus der Befundlage weder die Neigung zu Panikattacken noch eine posttraumatische Symptomatik erwähnt werde.

Mit Bescheid vom 22.12.2017 wies die belangte Behörde schließlich die beantragte Zusatzeintragung ab und begründete dies damit, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung nicht vorlägen. Das Gutachten vom 10.12.2017 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein sichererer Transport in öffentlichen Verkehrsmittel aufgrund ihrer Panikattacken nicht möglich sei, weil während einer Panikattacke sei es ihr nicht möglich selbständig zu handeln. Als Beilage der Beschwerde wurde ein aktueller Befund von Dr. G., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie und ein aktueller Befund eines Arztes für Allgemeinmedizin beigelegt.

Mit Schreiben vom 26.02.2018 wurde Dr. T., Facharzt für Psychiatrie beauftragt unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens sowie der ärztlichen Befunde ein Gutachten zu erstellen.

Im Gutachten des Dr. T. vom 06.03.2018 wurde auszugsweise wie folgt ausgeführt:

[...]

"Fr. O. leidet neben einer wiederkehrenden Depression, möglicherweise auch einer posttraumatischen Belastungsstörung und sozialen Rückzugstendenzen auch- durch Befunde nun wesentlich besser untermauert- an einer Panikstörung, wobei die Diagnose einer Agoraphobie mit Panikstörung angemessen ist, da die Panikattacken mehr oder weniger situationsabhängig auftreten. Durch diesen Umstand ist nach den Befunden eine Benützung von stark frequentierten Räumen oder die Toleranz von Menschenansammlungen in umschlossenen Räumen insgesamt deutlich erschwert und mit psychischem Leiden verbunden".

[...]

"Dass eine Agoraphobie mit Panikstörung vorliegt, welche auch regelmäßig in angstauslösenden Situationen zu Panikattacken führt, ist nun durch Befunde besser und ausreichend untermauert; da die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durchwegs zu den angstauslösenden Situationen gehört, ist hier eine erhebliche Einschränkung der psychischen Belastbarkeit in diesen Situationen gegeben, so dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel derzeit sicherlich nicht ausreichend zumutbar ist".

"Offen ist die Frage, ob diesbezüglich alle therapeutischen Maßnahmen bereits ausgeschöpft worden sind - in Hinblick auf eine psychologische/psychotherapeutische Behandlung vor ausreichender Dauer ist dies jedenfalls anzuzweifeln".

Seitens des Bundesverwaltungsgericht wurde Dr. T. mit Schreiben vom 12.03.2018 ersucht nachfolgende Fragen zu beantworten, hiezu führte der Sachverständige aus:

[...]

1) Handelt es sich bei der Funktionseinschränkung um einen Dauerzustand?

Erfahrungsgemäß sind Panikstörungen, insbesondere wenn sie in Kombination mit Persönlichkeitsstörungen oder depressiven Erkrankungen sein längerer Zeit bestehen, häufig chronisch verlaufend bzw. unter Therapie nicht regelmäßig vollständig besserungsfähig (heilbar). Dennoch ist eine deutliche Besserungsfähigkeit unter Behandlung zu erreichen, weshalb die Frage nach dem Vorliegen eines Dauerzustandes in Hinblick auf die Angsterkrankung aus heutiger Sicht noch verneint werden muss.

2) Kann sich der Zustand der Beschwerdeführerin verbessern?

Diese Frage ist folglich zu bejahen, zumindest was die Angsterkrankung bzw. Panikstörung betrifft.

3) Ist eine Nachuntersuchung aus medizinischer Sicht sinnvoll, wenn ja, wann und warum sollte eine eventuelle Nachuntersuchung stattfinden?

Eine Nachuntersuchung aus medizinsicher Sicht ist sinnvoll, wenn die Betroffene eine psychologische oder psychotherapeutische Behandlung (nochmals) beginnt und durchführt, auch eine möglicherweise ergänzende psychosoziale Betreuung zur Angstbewältigung bzw. zum Alltagstraining angenommen wird. Diese Nachuntersuchung sollte in frühestens 3 Jahren durchgeführt werden, in diesem Zeitrahmen ist eine wesentliche Besserung der Angststörung unter angemessener Behandlung zu erreichen. Der Grund für die Nachuntersuchung ist in der bislang über Befunde nicht ausreichend nachgewiesen bzw. angemessenen Behandlung der Angststörung zu sehen."

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2018 wurden die Gutachten - vom 06.03.2018 und 14.03.2018 - dem Parteiengehör unterzogen und den Verfahrensparteien die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens Stellung zu nehmen. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nahm weder der Beschwerdeführer noch die belangte Behörde Gebrauch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX geborene Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.

Der Beschwerdeführerin wurde am 07.12.2016 ein befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Die Beschwerdeführerin brachte am 30.11.2017 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Die Beschwerdeführerin leidet an Agoraphopie mit Panikstörung, welche regelmäßig zu Panikattacken führt. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gehört zu den angstauslösenden Situationen, es ist eine erhebliche Einschränkung der psychischen Belastbarkeit in diesen Situationen gegeben.

Durch psychologische oder psychotherapeutische Behandlungen kann sich die Angsterkrankung beziehungsweise Panikstörung derart verbessern, dass die Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel wieder möglich wird.

Eine Nachuntersuchung sollte im September 2021 stattfinden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, ihren Wohnsitz und dem Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

Die Feststellungen zu ihrem Gesundheitszustand ergeben sich aus dem von der belangten Behörde und dem im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. T. vom 06.03.2018 sowie vom 14.03.2018. Der Sachverständigte führte schlüssig und nachvollziehbar aus, dass eine Agoraphobie mit Panikstörung vorliege. Da die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durchwegs zu den angstauslösenden Situationen gehöre, sei eine erhebliche Einschränkung der psychischen Belastbarkeit in diesen Situationen gegeben, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.

Ebenfalls ergibt sich aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten, dass sich die Angsterkrankung beziehungsweise Panikstörung der Beschwerdeführerin durch eine psychologische oder psychotherapeutische Behandlung derart verbessern kann, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wieder möglich wird. Auch wird Seitens des Sachverständigen eine Nachuntersuchung in frühestens drei Jahren empfohlen.

Die Gutachten von Dr. T. vom 06.03.2018 sowie vom 14.03.2018 steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegen getreten. Aus diesen Gründen legte der erkennende Senat dieses medizinische Sachverständigengutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß der beim Beschwerdeführer festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt.

Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde nicht Gebrauch gemacht. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 BBG lautet wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17 und 58 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

Zu A) - Stattgebung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung lauten wie folgt:

"ABSCHNITT VI

BEHINDERTENPASS

§ 40 (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(2) Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen."

§ 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl III 2016/263, lautet wie folgt:

"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen."

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 06.03.2018 sowie vom 14.03.2018 nachvollziehbar ausgeführt, dass im Fall der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Zudem hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass bei der Beschwerdeführerin eine erhebliche Einschränkung der psychischen Belastbarkeit - Agoraphobie mit Panikstörung - vorliegt und gemäß der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist nach Antrag des Beschwerdeführers schon aus diesem Grund die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" vorzunehmen. Da sich aber aus Sicht des Sachverständigen durch psychologische oder psychotherapeutische Behandlungen die erhebliche psychische Belastbarkeit der Beschwerdeführerin derart verbessern kann, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wieder möglich sein wird, war auszusprechen, dass die Zusatzeintragung befristet bis 01.09.2021 vorliegt.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I414.2185749.1.00

Zuletzt aktualisiert am

18.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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