TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/29 G314 2185710-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.2018
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Entscheidungsdatum

29.08.2018

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2185710-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, deutscher Staatsangehöriger, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

C)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde in Österreich seit Oktober 2014 insgesamt vier Mal wegen Vermögens- und Suchtgiftdelikten strafgerichtlich verurteilt. Zuletzt wurde er im Februar 2017 wegen Suchtgifthandels zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 10.05.2017 wurde er aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen, und erstattete am 19.05.2017 eine entsprechende Stellungnahme.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein achtjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit seiner Delinquenz und dem Fehlen ausreichender privater und familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich begründet.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben, in eventu, ihn zu beheben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückzuverweisen, in eventu, das Aufenthaltsverbot herabzusetzen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass das BFA kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt habe und der Bescheid nicht ausreichend nachvollziehbar begründet und daher rechtswidrig sei. Er lebe seit August 2008 in Österreich, habe die Volks- und die Hauptschule in Oberösterreich besucht und hole derzeit den Hauptschulabschluss nach, wobei er bereits vier Prüfungen absolviert habe. Er arbeite während der Haft und habe nach seiner Entlassung die Möglichkeit, in einem Kfz-Betrieb oder im Gastgewerbe zu arbeiten. Er habe Freundschaften im Bundesgebiet, wo auch seine Mutter und seine Schwester lebten, zu denen er ein gutes Verhältnis habe. Bei einer Rückkehr nach Deutschland wäre er ganz auf sich allein gestellt. Er stelle keine aktuelle, gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Er habe während der Haft genug Zeit gehabt, sich Gedanken über seine Taten zu machen, und bereue diese zutiefst.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 09.02.2018 einlangten.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX in Deutschland geboren, ist deutscher Staatsangehöriger und spricht Deutsch. In seinem Herkunftsstaat besuchte er vier Jahre lang die Grundschule.

Anfang August 2008 übersiedelte der damals 10-jährige BF mit seiner Mutter und seiner Schwester nach Österreich, wo er die Volksschule abschloss und zwei Klassen der Hauptschule absolvierte. Am 10.03.2009 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung für "sonstige Angehörige" ausgestellt.

Ab Mai 2011 wurden der BF und seine Familie von der Kinder- und Jugendhilfe des Landes Oberösterreich betreut. Am XXXX.2011 übertrug die Mutter des BF die Ausübung der Pflege und Erziehung (inklusive der gesetzlichen Vertretung in diesen Bereichen) an das Land Oberösterreich. Der BF wurde ab 01.10.2011 in verschiedenen sozialpädagogischen Betreuungsformen betreut.

Der BF weist in Österreich insgesamt vier rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX, XXXX, vom 21.10.2014, wurde der zum Tatzeitpunkt 16-jährige BF wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 vierter Fall, 15 StGB (idF vor BGBl I Nr. 112/2015) - unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG - zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 13 Monaten verurteilt (Probezeit drei Jahre) und die Bewährungshilfe angeordnet. Der Verurteilung liegt zugrunde, dass er gemeinsam mit vier Komplizen im Juni 2014 in einer Vielzahl von Angriffen Bargeld und diverse Gegenstände (ua Kleidung, Sportzubehör, Zigaretten, Getränke, Süßigkeiten, Rubbellose, Mobiltelefone, Laptops, Sonnenbrillen, Reisetaschen) stahl. Die Gruppe brach durch Aufzwängen oder Aufbrechen von Lagerräumen und von Eingangstüren, durch Einschlagen von Glastüren und Fensterscheiben sowie durch Aufzwängen von Rollläden in Gewerbeobjekte, Geschäftsräume und Lagerräume ein, um sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu sicheren. Der Wert der Beute überstieg EUR 3.000. Als mildernd wurden die geständige Verantwortung des BF, die teilweise Schadensgutmachung, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, sowie die Unbescholtenheit, als erschwerend hingegen das Vorliegen mehrerer Deliktsqualifikationen gewertet.

Kurz nach dieser Verurteilung, am XXXX.2014, wurde der BF verhaftet und in Folge in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX, XXXX, vom 16.12.2014, wurde er wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15 Abs 1, 127, 129 Z 1 StGB (idF vor BGBl I Nr. 112/2015) - unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG - zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die Probezeit der zuvor gewährten bedingten Strafnachsicht wurde auf fünf Jahre verlängert. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF gemeinsam mit vier Komplizen im Oktober 2014 mit Bereicherungsvorsatz versuchte, die Eingangstüren eines Fitnessstudios und einer Tankstelle mit einem Brecheisen aufzuzwängen, um dort Gegenstände zu stehlen. Als mildernd wertete das Strafgericht den Versuch, das Geständnis und den Umstand, dass der BF teilweise Beitragshandlungen tätigte, als erschwerend hingegen die Tatwiederholung, den raschen Rückfall und die einschlägige Vorstrafe.

Mit Schreiben des BFA vom 22.01.2015 wurde dem BF die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angedroht, wenn er wieder zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden sollte.

Der BF war von XXXX.2014 bis XXXX.2015 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Am XXXX.2015 wurde er unter Anordnung von Bewährungshilfe und Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX, XXXX, vom 01.09.2015 wurde der im Tatzeitraum 17-jährige BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und achter Fall, Abs 2 SMG - unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG - zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt. Gleichzeitig wurde die Probezeit hinsichtlich der bedingten Entlassung auf fünf Jahre verlängert. Der Verurteilung liegt zugrunde, dass der BF im Zeitraum Anfang März bis Anfang Mai 2015 zwei Personen Cannabiskraut (teils unentgeltlich, teils entgeltlich) weitergab und von Anfang 2014 bis Mai 2015 Cannabiskraut zum Eigenkonsum besaß. Als mildernd wurde das Geständnis, als erschwerend hingegen der rasche Rückfall, der lange Tatzeitraum und das Vorliegen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art gewertet. Einer diversionellen Erledigung standen spezialpräventive Erwägungen entgegen.

Der BF verbüßte diese Strafe zwischen XXXX.2015 und XXXX.2015. Er wurde - neben der Bewährungshilfe - weiterhin im Rahmen der Erziehungshilfe von einem Verein für verhaltensauffällige Jugendliche sozialpädagogisch betreut. Ab Oktober 2015 war er in einer Krisenwohnung dieses Vereins in XXXX untergebracht und nahm stundenweise an einem Arbeitstraining teil.

Mit dem Bescheid des BFA vom 10.11.2015 wurde gegen den BF ein dreijähriges Aufenthaltsverbot erlassen, das aufgrund der Beschwerde des BF mit der Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2015 ersatzlos behoben wurde.

Am XXXX.2016 wurde der BF wieder festgenommen; über ihn wurde neuerlich die Untersuchungshaft verhängt. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX, XXXX, vom 16.02.2017, in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichts XXXX vom 07.09.2017, XXXX, wurde der im Tatzeitraum 17-jährige BF wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG - unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG - zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass er gemeinsam mit mehreren Komplizen von Jänner bis Ende März 2016 Suchtgiftdelikte im Rahmen einer kriminellen Vereinigung verübte, die auf die Aus- und Einfuhr von die Grenzmenge übersteigenden Mengen von Cannabisprodukten aus Tschechien und den anschließenden Verkauf des importierten und in einem gemeinsamen Bunker zwischengelagerten Suchtgifts ausgerichtet war. Der BF war an den Verbrechen als die "rechte Hand" des Kopfs der Vereinigung führend beteiligt. Bei sieben grenzüberschreitenden Suchtgiftfahrten von Österreich nach Tschechien und retour kam ihm die Aufgabe zu, zunächst den Kaufpreis für das Suchtgift zu verwahren und dann das angekaufte Suchtgift in Empfang zu nehmen und im Schmuggelfahrzeug zu verstauen, dieses als Beifahrer eines weiteren Fahrzeugs zu begleiten und das Suchtgift nach der Zwischenlagerung in einer Bunkerwohnung umzupacken. Dadurch trug er dazu bei, insgesamt 28 kg Cannabisblüten, mithin eine die Grenzmenge 111-fach übersteigende Suchtgiftmenge, nach Österreich einzuführen. Außerdem gab er 6,8 kg Suchtgift, mithin eine die Grenzmenge 26-fach übersteigende Menge, durch gewinnbringenden Verkauf an andere weiter. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht das Geständnis des BF und die Sicherstellung eines Teils des Suchtgifts als mildernd, als erschwerend hingegen das Vorliegen zweier einschlägiger Vorstrafen, den äußerst raschen Rückfall, das Vorliegen mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art sowie das Vorliegen mehrerer Qualifikationen. Aufgrund des Alters des BF und der damit einhergehenden Anwendung des JGG betrug der Strafrahmen bis zu sieben Jahre und 6 Monate. Die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten wurde vom Oberlandesgericht XXXX aufgrund einer Berufung des BF unter Berücksichtigung seiner krisenhaften Entwicklung und einer höheren Gewichtung seines Geständnisses trotz eines weit überdurchschnittlichen Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwerts (unter Beibehaltung der bereits vom Erstgericht berücksichtigten Reduktion um drei Monate wegen verzögerter Anklageerhebung) auf drei Jahre und neun Monate herabgesetzt. Im Tatzeitraum war der BF an Suchtgift gewöhnt, doch beging er die Taten vorwiegend, um sich eine Einnahmequelle zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes zu verschaffen, und nicht, um sich Suchtmittel für seinen persönlichen Gebrauch oder Mittel für deren Erwerb zu verschaffen. Der Gewöhnung des BF an Suchtgift kam angesichts des Überschreitens der 25-fachen Grenzmenge im Rahmen einer kriminellen Vereinigung keine strafmildernde Wirkung zu. Die für die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens wurde vom Strafgericht angesichts der einschlägigen Vorstrafen und der fortgesetzten Delinquenz nicht angenommen. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht und der bedingten Entlassung wurde abgesehen.

Die Drogenbeschaffungsfahrten und der Suchtgifthandel endeten erst mit den Festnahmen des BF und seiner Komplizen im April 2016. In der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht XXXX erklärte er, seine bisherigen Haften als Hotelaufenthalt anzusehen.

Der BF verbüßt die über ihn verhängte Freiheitsstrafe seit XXXX.2016 in verschiedenen österreichischen Justizanstalten; derzeit wird er in der Justizanstalt XXXX angehalten. Während der Haft beging er mehrere Ordnungswidrigkeiten; so wurde er positiv auf illegale Drogen getestet und ließ sich bis November 2016 Suchtgift in die Justizanstalt schmuggeln. Er möchte in der Haft den Hauptschulabschluss nachholen und legte bereits in mehreren Fächern die dafür erforderliche Prüfung erfolgreich ab.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig, ledig und hat keine Sorgepflichten. Seine Mutter und seine Schwester, die beide deutsche Staatsangehörige sind, leben in Österreich und besuchen ihn während der Haft. In Österreich leben auch Freunde des BF. Er hat weder zu seinen Verwandten noch zu seinen im Bundesgebiet lebenden Freunden ein besonderes Naheverhältnis.

Der BF verfügt weder über einen Pflichtschulabschluss noch über eine Berufsausbildung. Er war im Bundesgebiet (abgesehen von Zeiten des Strafvollzugs) nie legal erwerbstätig. Er hat weder Vermögen noch Schulden und war vor seiner Inhaftierung beschäftigungslos.

In Deutschland hat der BF keine Bezugspersonen. Eine Tante und eine Cousine, zu denen kein besonderes Naheverhältnis besteht, leben in Spanien.

Weitere wesentliche familiäre oder soziale Bindungen des BF in Österreich können nicht festgestellt werden, ebenso wenig eine berufliche oder gesellschaftliche Integration.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.

Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen und finanziellen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Feststellungen in den vorliegenden Strafurteilen.

Die Deutschkenntnisse des BF folgen aus seiner Herkunft und Staatsangehörigkeit sowie aus dem Schulbesuch in Deutschland und Österreich, der in den Stellungnahmen an das BFA, insbesondere in der vom 22.01.2015, plausibel und nachvollziehbar geschildert wird. Der durchgehend angegebene Aufenthalt des BF im Bundesgebiet ab August 2008 wird durch durchgehende Hauptwohnsitzmeldungen seit damals untermauert. Die Anmeldebescheinigung geht aus dem Zentralen Fremdenregister hervor.

Die Betreuung des BF durch die Kinder- und Jugendhilfe ergibt sich aus den Stellungnahmen vom 22.01.2015 und vom 13.10.2015.

Die festgestellten familiären Verhältnisse des BF stimmen mit den Angaben in seinen Stellungnahmen und in der Beschwerde überein. Anhaltspunkte für ein besonderes Naheverhältnis des BF zu seiner Mutter und seiner Schwester bestehen nicht, zumal seit 2011 kein gemeinsamer Haushalt mehr bestand. Der fehlende enge Kontakt lässt sich auch daraus schließen, dass der BF keine näheren Angaben zu seinem Verhältnis zu Mutter und Schwester machte und lediglich angab, dass er von ihnen in der Justizanstalt besucht werde.

Aufgrund des langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet ist davon auszugehen, dass der BF hier auch Freundschaften geknüpft hat, wobei Anhaltspunkte für ein besonderes Naheverhältnis zu konkreten Personen fehlen. Es gibt keine Hinweise für in Deutschland lebende Bezugspersonen des BF. Die Beschwerdebehauptung zu seinen in Spanien lebenden Angehörigen ist plausibel und nachvollziehbar, sodass ihr gefolgt werden kann. Eine enge Beziehung zu diesen Verwandten bringt auch der BF selbst nicht vor.

Der Bescheid über das Aufenthaltsverbot vom 10.11.2015 und die Beschwerdevorentscheidung vom 01.12.2015 liegen vor.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF und die zugrundeliegenden strafbaren Handlungen sowie die Strafzumessungsgründe können anhand der vorliegenden (erstinstanzlichen) Strafurteile und des vom BVwG beigeschafften Berufungsurteils, der Vollzugsinformation und des Strafregisters festgestellt werden. Aus letzterem ergibt sich - übereinstimmend mit den Wohnsitzmeldungen des BF in Justizanstalten - auch der Vollzug der Freiheitsstrafen. Die Feststellung der Gewöhnung an Suchtgift beruht auf den Strafurteilen vom 16.02.2017 und vom 07.09.2017. Die Ordnungswidrigkeiten des BF in der Justizanstalt und seine Bezeichnung "Hotelaufenthalt" für die Haft ergeben sich aus dem Strafurteil vom 16.02.2017 (Urteilseite 61, dritter Absatz).

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass er während des Strafvollzugs arbeitet, in den Stellungnahmen als gesund bezeichnet wird und keine Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen hervorgekommen sind. Die Gewöhnung an Suchtmittel stellt für sich genommen keine Gesundheitsschädigung dar.

Aus dem Versicherungsdatenauszug gehen keine Beschäftigungszeiten des BF im Inland hervor. In den Strafurteilen und in der Vollzugsinformation wird er demgemäß als beschäftigungslos bezeichnet. Der fehlende Pflichtschulabschluss und die fehlende Berufsausbildung ergeben sich zwanglos aus dem Umstand, dass der BF gerade den Hauptschulabschluss nachholt. Mit der Beschwerde legte er Nachweise für die dabei bereits erfolgreich abgelegten Prüfungen vor.

Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich ergeben.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Der BF ist als Staatsangehöriger von Deutschland EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa, wenn der EWR-Bürger zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

§ 67 FPG setzt Art 28 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl § 2 Abs 4 Z 18 FPG) um. Diese mit "Schutz vor Ausweisung" betitelte Bestimmung lautet:

"(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Nach dem 24. Erwägungsgrund der Freizügigkeitsrichtlinie soll der Schutz vor Ausweisung in dem Maße zunehmen, wie Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in den Aufnahmemitgliedstaat stärker integriert sind.

Der auch in Art 83 Abs 1 AEUV angeführte illegale Drogenhandel ist als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen, und kann damit unter den Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit fallen, mit denen nach der Freizügigkeitsrichtlinie eine Ausweisung gerechtfertigt werden kann, sofern die Art und Weise der Begehung besonders schwerwiegende Merkmale aufweist. Dies ist aufgrund einer individuellen Prüfung des konkreten Falls zu klären. Auch Straftaten, die die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar bedrohen, führen nicht zwangsläufig zur Ausweisung des Betroffenen. Eine Ausweisungsverfügung setzt voraus, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Im Allgemeinen muss daher eine Neigung des Betroffenen bestehen, sein Verhalten in Zukunft beizubehalten (EuGH Rs C-348/09).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Da die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des BF im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde und daher der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG erfüllt ist, kann dahingestellt bleiben, ob es durch den Vollzug der mehrjährigen Freiheitsstrafe zum Abreißen der hier geknüpften Integrationsbande und damit zur Unterbrechung seines inzwischen bereits knapp über zehnjährigen Aufenthalts gekommen ist (vgl EuGH 17.04.2018, C-316/16, C-424/16).

Die Erfüllung des Gefährdungsmaßstabs des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG ergibt sich aus der hohen Sozialschädlichkeit des Verhaltens des BF, zumal er sich weder durch bedingte noch unbedingte Freiheitsstrafen noch durch eine bedingte Entlassung von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ, sondern nach mehreren Vorverurteilungen zuletzt große Suchtgiftmengen nach Österreich einführte und hier gewinnbringend verkaufte. Seine beträchtliche kriminelle Energie zeigt sich schon daran, dass er trotz seines jungen Alters eine führende Position in einer auf grenzüberschreitenden Suchtgifthandel ausgerichteten kriminellen Vereinigung einnahm. Nach der Rechtsprechung des VwGH handelt es sich bei Suchtgiftdelinquenz um ein besonders verpöntes Fehlverhalten, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist (vgl VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014), zumal es sich bei Delikten iSd § 28a SMG, auf denen die letzte Verurteilung des BF beruht, um qualifizierte Formen der Suchtgiftdelinquenz handelt.

Aufgrund der besorgniserregenden kriminellen Laufbahn des erst 20-jährigen BF, des raschen Rückfalls nach einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilung während offener Probezeit und der Wirkungslosigkeit der bisherigen strafrechtlichen Sanktionen, der Androhung fremdenpolizeilicher Maßnahmen und der Unterstützung durch die Bewährungshilfe in Zusammenschau mit dem getrübten Vollzugsverhalten des BF, der die Haft als Hotelaufenthalt ansah und in die Justizanstalt geschmuggeltes Suchtgift konsumierte, ist davon auszugehen, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde und ein Aufenthaltsverbot aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit notwendig ist.

Die nunmehr in der Stellungnahme vom Mai 2017 und in der Beschwerde bekundete Reue führt nicht zu einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom BF ausgehenden Gefährlichkeit, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe z.B. VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Er wird den Wegfall der durch seine strafgerichtlichen Verurteilungen indizierten Gefährlichkeit erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit nach dem Strafvollzug unter Beweis stellen müssen.

Dem in der Beschwerde hervorgehobenen Umstand, dass der BF während der Haft einer Arbeit nachging, kommt angesichts der in § 44 StVG normierten Arbeitspflicht von Strafgefangenen keine für die Gefährdungsprognose entscheidende Bedeutung zu, sodass dazu keine Feststellungen zu treffen sind. Seine Bemühungen um die Nachholung eines Pflichtschulabschlusses sind zwar ein erstes positives Anzeichen für Resozialisierungsbemühungen, reichen aber angesichts der schwerwiegenden Delinquenz des BF nicht für eine positive Zukunftsprognose aus.

Es ist angesichts der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen und der raschen Rückfälle konkret zu befürchten, dass der BF sein sozialschädliches Verhalten in Zukunft beibehalten wird. Dabei sind auch die generell hohe Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten und die bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Allgemeinen höhere Rückfallquote (vgl RZ 2014, 91) zu berücksichtigen. Aufgrund des Fehlens einer abgeschlossenen Ausbildung und der mangelnden Berufserfahrung des BF besteht nach seiner Haftentlassung eine signifikante Gefahr neuerlicher Arbeitslosigkeit und damit verbundener finanzieller Schwierigkeiten, was ebenfalls befürchten lässt, dass er sich in Freiheit wieder zu Vermögens- oder Suchtgiftdelikten hinreißen lassen wird, zumal keine Anhaltspunkte für eine Stabilisierung seiner Einkommenssituation nach dem Strafvollzug vorliegen. An dieser Einschätzung ändert sich auch dann nichts, wenn es dem BF gelingt, während der Haft den Pflichtschulabschluss nachzuholen und sich eine gewisse Berufserfahrung anzueignen, zumal bei einem über 20-jährigen durchaus ein höherer Bildungsabschluss und Berufserfahrung außerhalb des geschützten Umfelds des Strafvollzugs zu erwarten wären.

Die Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, ist angesichts der massiven negativen Konsequenzen des Konsums illegaler Drogen ein Grundinteresse der Gesellschaft, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot ist daher zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit und der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten. Aufgrund des persönlichen Verhaltens des BF, das bereits wiederholt die Verhängung einer unbedingten Freiheitstrafe notwendig machte, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots unerlässlich, zumal ihm die Gefährlichkeit von Suchtgift aufgrund seiner Vorverurteilung wegen eines SMG-Delikts und der eigenen Gewöhnung daran bekannt sein musste. Der BF wurde zuletzt wegen zunehmend schwerwiegenderer Delikte im raschen Rückfall verurteilt, weshalb diese Maßnahme angesichts der Schwere seiner Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und seiner Gefährlichkeit zur Verwirklichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend notwendig ist.

Das Aufenthaltsverbot greift in das Privat- und Familienleben des BF ein. Bei der nach § 9 BFA-VG gebotenen Interessensabwägung sind neben seinem langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, wo er einen großen Teil der prägenden Jahre seiner Kindheit und Jugend verbrachte, auch die Beziehungen zu seinen in Österreich lebenden nahen Verwandten (Mutter und Schwester), die zum Teil hier absolvierte Schulausbildung und die im Inland geknüpften Freundschaften zu berücksichtigen. Das daraus resultierende erhebliche Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich wird allerdings dadurch relativiert, dass er seit 2011 nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt mit Mutter und Schwester zusammenlebte und ab Juni 2014 wiederholt straffällig wurde. Der BF ist zwar sprachlich integriert, verfügt aber weder über einen Bildungsabschluss noch über eine Berufsausbildung oder -erfahrung; er ist nicht selbsterhaltungsfähig und war nie auch nur ansatzweise am österreichischen Arbeitsmarkt integriert. Dem Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich steht das Fehlen der strafgerichtlichen Unbescholtenheit und das große öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Vermögens- und Suchtgiftdelikten wie den vom BF begangenen, gegenüber.

Es bestehen auch noch Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat. Er hat dort zwar keine nahen Bezugspersonen, lebte aber bis zu seinem elften Lebensjahr in Deutschland, kennt die Gepflogenheiten, absolvierte dort einen Teil seiner Schulbildung und spricht die übliche Sprache. Es wird ihm daher ohne unüberwindliche Probleme möglich sein, sich wieder in die dortige Gesellschaft zu integrieren, auch wenn er seit 2008 nicht mehr in Deutschland lebte. Eine Aufenthaltsverfestigung iSd § 9 Abs 4 BFA-VG liegt nicht vor, zumal der BF schon über zehn Jahre alt war, als er nach Österreich kam, und daher nicht als von klein auf hier aufgewachsen anzusehen ist.

Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten des BF und auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, insbesondere der Steigerung seiner kriminellen Energie und der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen, überwiegt trotz der starken Verankerung des BF in Österreich und seines geringen Alters das öffentliche Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung sein persönliches Interesse an einem Verbleib. Allfällige damit verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen. Es ist dem mittlerweile volljährigen BF zumutbar, während der Dauer des Aufenthaltsverbots die Kontakte zu seiner Mutter und Schwester und zu in Österreich lebenden Freunden durch Besuche in Deutschland, Treffen in anderen Staaten, Telefonate und andere Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail) zu pflegen.

Es bedarf in Hinblick auf die schwerwiegende Delinquenz des BF eines angemessenen Zeitraumes der Beobachtung seines Wohlverhaltens, um sicherzustellen, dass er im Bundesgebiet keine Straftaten mehr begehen wird. Aufgrund seiner Vermögens- und Suchtmitteldelinquenz, der zuletzt über ihn verhängten mehrjährigen Haftstrafe, der großen Wiederholungsgefahr, die mit gewerbsmäßiger Vermögens- und Suchtgiftkriminalität, dem eigenen Suchtgiftkonsum des BF und seiner aufgrund fehlender Ausbildung und Berufserfahrung schlechten Beschäftigungschancen verbunden ist, und der raschen Rückfälle innerhalb offener Probezeit kommt unter Berücksichtigung der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen in einer Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die in § 67 Abs 1 FPG iVm § 9 BFA-VG und Art 28 Abs 1 RL 2004/38/EG festgelegten Kriterien weder eine Aufhebung des Aufenthaltsverbots noch eine Reduktion der Dauer in Betracht, zumal dem BF vom BFA schon Anfang 2015 die Erlassung eines Aufenthaltsverbots bei Verurteilung zu einer weiteren Freiheitsstrafe angekündigt wurde und er trotzdem - sogar in gesteigerter Intensität - weiter delinquierte. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots von weniger als acht Jahren scheidet vor allem angesichts der Gefahren von bandenmäßig organisiertem grenzüberschreitenden Suchtgifthandel trotz der privaten und familiären Anknüpfungspunkte des BF nicht möglich. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Da der BF mehrfach im raschen Rückfall während offener Probezeiten straffällig wurde, frühere Sanktionen keine Wirkung zeigten, sein Vollzugsverhalten durch Suchtgiftkonsum getrübt ist und er weder über ein legales Einkommen noch über ein stabiles soziales Umfeld nach der Haftentlassung verfügt, ist seine sofortige Ausreise nach dem Strafvollzug im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit notwendig. Weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG ist vor diesem Hintergrund korrekturbedürftig, sodass die Beschwerde auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet ist.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung, und zwar selbst dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Eine Beschwerdeverhandlung muss daher nur dann durchgeführt werden, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt zwar der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen wie hier, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des BF sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (vgl VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Da hier der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, konnte eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal von der Richtigkeit der ergänzenden Tatsachenbehauptungen des BF ausgegangen wird bzw. auch bei deren Zutreffen keine andere, für ihn günstigere Entscheidung möglich wäre.

Zu Spruchteil C):

Die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung ist im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0033). Das gilt sinngemäß auch für die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose (VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0022; 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Antragsbegehren, Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung,
aufschiebende Wirkung - Entfall, Diebstahl, EU-Bürger,
Gefährdungsprognose, Gewerbsmäßigkeit, mangelnder Anknüpfungspunkt,
öffentliches Interesse, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtmitteldelikt, Verbrechen, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2185710.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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