TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/11 99/20/0117

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Veröffentlicht am 11.11.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des MM in Graz, geboren am 29. Oktober 1977, vertreten durch Dr. Alfred Lind, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Oktober 1998, Zl. 200.657/0-V/15/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen..

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt ) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Liberia. Er reiste am 7. Dezember 1996 in das Bundesgebiet ein und stellte am 16. Dezember 1996 einen Asylantrag, den er wie folgt begründete:

"Ich habe Liberia wegen des Bürgerkriegs verlassen. Meine Eltern wurden im April 1995 von mir nicht bekannten Bürgerkriegskämpfern in Monrovia zu Hause erschossen. Meine Schwester und ich waren anwesend. Wir wurden von diesen Personen mitgenommen und zu einer Art Camp gebracht, wo ich mit den anderen in einem Raum eingesperrt wurde. Man sagte mir, dass man mich ausbilden würde um zu kämpfen. Ich wurde zwar im Lager ausgebildet, kämpfte jedoch nie. Man sagte uns, dass wir, falls wir aus dem Camp flüchten würden, man uns umbringen würde. Nach drei bis vier Monaten gelang mir mit vielen anderen die Flucht."

Mit Bescheid vom 20. Dezember 1996 wies das Bundesasylamt diesen Antrag gemäß § 3 AsylG 1991 mit der wesentlichen Begründung ab, dass der Bürgerkrieg in Liberia und die damit verbundenen Auswirkungen (zwangsweise Anhaltungen von wehrfähigen Männern zum Zwecke der Ausbildung in einem Lager einer Bürgerkriegspartei) für sich allein die Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen vermögen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen und führte darüber hinaus aus, er sei aufgefordert worden, der Armee Johnsons beizutreten. Die asylrelevanten Fluchtgründe lägen

"in meiner Weigerung, mich den Rebellen anzuschließen und für sie zu kämpfen. Ich kann der Aufforderung zum Militärdienst auf Grund meiner politischen Überzeugung und aus Gewissensgründen nicht folgen. In meiner gewissensbegründeten und politisch motivierten Weigerung des Dienstes in der Armee liegt aber gerade der Auslöser für meine Verhaftung und Folterung.

Ich weigere mich entschieden, in die Dienste der Rebellen zu treten. Dafür müsste ich mit großer Wahrscheinlichkeit mit meinem Leben bezahlen. Auf jeden Fall aber, ist mir eine weitere Verfolgung, Verhaftung und Folterung auf Grund meiner andauernden Verweigerung des Militärdienstes gewiss.

Die Rebellen drohten mir auch, sie würden mich nach einem Fluchtversuch töten. Bei meiner Rückkehr müsste ich damit rechnen, von den Rebellen wieder erkannt zu werden, und dass diese ihre Drohungen wahr machten."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Sie schloss sich den von dem Bundesasylamt getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und dessen rechtlicher Beurteilung an. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Bürgerkriegsgeschehnisse - so wie andere männliche Jugendliche - von Rebellen zwangsrekrutiert, als Soldat ausgebildet und im Falle der Flucht mit Bestrafung bedroht worden sei, stelle für sich allein noch keine konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 7 AsylG ist Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv (in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, im gegenständlichen Fall eine andere als die von der belangten Behörde dargelegte rechtliche Beurteilung herbeizuführen.

Zwangsrekrutierungen, die nicht an andere Kriterien als an Alter und Geschlecht geknüpft sind, kommt ohne Hinzutreten weiterer konkreter Umstände im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention keine Asylrelevanz zu. In dem Umstand, dass im Heimatland des Beschwerdeführers Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 26. November 1998, Zlen. 98/20/0309, 0310).

Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung auch vorgebracht, er nehme an, nach seiner Rückkehr nach Liberia von den - ihn wieder erkennenden - Rebellen verfolgt, verhaftet, gefoltert und getötet zu werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in den - ebenfalls Liberia betreffenden - Erkenntnissen vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0399, vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0423, und vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0450, ausgesprochen, es sei bei einem Vorbringen, wegen der Entziehung vor einer Zwangsrekrutierung im Falle der Rückkehr in das Heimatland weiterhin verfolgt zu werden, zu prüfen, wie sich die Situation von zurückkehrenden Personen darstelle, die sich während des Bürgerkrieges der Zwangsrekrutierung durch die für den nunmehrigen Präsidenten Charles Taylor in den Kämpfen verwickelt gewesenen Gruppe entzogen hatten. Demnach sei ein Beschwerdevorbringen, dem Beschwerdeführer drohe ungeachtet der geänderten politischen Verhältnisse in Liberia auf Grund seiner spezifischen Fluchtgründe (wegen einer ihm nunmehr von staatlicher Seite für sein damaliges Verhalten angelasteten oppositionellen Gesinnung) weiterhin Verfolgung, relevant.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer aber nicht behauptet, die Zwangsrekrutierung sei durch eine Rebellengruppe vorgenommen worden, die nach Abschluss des Bürgerkrieges an die Macht gekommen sei. Der Beschwerdeführer hat auch im Übrigen keine konkreten Umstände vorgebracht, aus denen sich die behauptete Verfolgungsgefahr aus einem der in der FlKonv genannten Gründe wegen der Zwangsrekrutierung durch eine (ehemalige) Rebellengruppe im Falle seiner Rückkehr ableiten ließe.

In seiner Beschwerde hat sich der Beschwerdeführer schließlich nur mehr darauf berufen, er sei Verfolgungen durch seinen Heimatstaat Liberia ausgesetzt, "weil er durch seine Rekrutierung bei den Rebellen als dieser Gruppe und deren politischen Gesinnung zugehörig gehalten werde." Auf dieses Vorbringen kann als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung nicht eingegangen werden.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Soweit die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Der Anspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999200117.X00

Im RIS seit

30.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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