TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/30 W209 2182359-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.08.2018

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W209 2182359-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, XXXX, XXXX, vertreten durch Mag. Robert IGÁLI-IGÁLFFY, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 34, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom 24.05.2017, GZ: 11-2017-BE-VER10-00046, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG für auf dem Betragskonto der XXXX GmbH mit Sitz in XXXX unberichtigt aushaftende Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren in Höhe von €

6.698,73 zuzüglich der ab 17.05.2017 auflaufenden Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % p.a. aus € 6.467,73 nach Beschwerdevorentscheidung vom 01.09.2017 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 22.02.2017, rechtswirksam zugestellt am 24.02.2017, teilte die belangte Behörde (im Folgenden die Gebietskrankenkasse) dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX GmbH mit Sitz in XXXX aus den Beiträgen Dezember 2015, Oktober 2016, November 2016, Dezember 2016 und Jänner 2017 ein Beitragsrückstand in Höhe von € 9.594,55 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen aushafte. Da der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei und der offene Betrag trotz Fälligkeit bisher nicht eingebracht werden habe können, hafte er dafür, wenn die Uneinbringlichkeit auf einer schuldhaften Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten beruhe. Der Beschwerdeführer werde ersucht, den erwähnten Rückstand bis spätestens 01.04.2017 zu begleichen bzw. innerhalb dieser Frist alle Tatsachen vorzubringen, die seiner Ansicht nach gegen eine Haftung sprächen. Beigelegt war dem Schreiben ein Rückstandsausweis vom 22.02.2017, in dem der oben angeführte Beitragsrückstand näher aufgeschlüsselt wurde.

2. Mit Schriftsatz vom 04.04.2017 gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt, dass er vom Beschwerdeführer mit dessen rechtsfreundlicher Vertretung beauftragt worden sei. Gleichzeitig wurde um Erstreckung der Frist zur Stellungnahme bis 18.04.2017 ersucht. Auch binnen dieser Frist langte jedoch keine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.

3. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 24.05.2017 wurde der Beschwerdeführer sodann als Geschäftsführer der Firma XXXX GmbH gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG verpflichtet, binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides die zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren aus den Beitragszeiträumen Dezember 2015, Oktober 2016, November 2016, Dezember 2016, Jänner 2017, Februar 2017 und März 2017 in Höhe von € 6.698,73 zuzüglich der ab 17.05.2017 auflaufenden Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % p.a. aus € 6.467,58 an die belangte Gebietskrankenkasse zu bezahlen. Begründend führte die Gebietskrankenkasse sinngemäß aus, dass die Firma XXXX GmbH aus den genannten Beitragszeiträumen Beiträge in genannter Höhe zuzüglich Verzugszinsen schulde. Ein Insolvenzantrag der Primärschuldnerin sei mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen worden. Damit seien die Beitragsschulden der Gesellschaft uneinbringlich und der für die Vertreterhaftung erforderliche Schaden eingetreten. Gemäß §§ 67 Abs. 10 und 58 Abs. 5 ASVG hätten die Vertreter juristischer Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie hätten insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Behörde eine schuldhafte Verletzung anzunehmen habe. Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers, wieso ihn am Beitragsrückstand kein Verschulden treffe, sei nicht eingelangt, weshalb nunmehr die Haftung auszusprechen gewesen sei.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer seitens seines bevollmächtigten Rechtsvertreters mit Schriftsatz vom 27.06.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er vor, dass der angefochtene Bescheid an einem Begründungsmangel leide. Den Beschwerdeführer treffe keine Schuld an der Nichterfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft, da es aufgrund stockender Zahlungen der Kunden zu Zahlungsschwierigkeiten gekommen sei. Die im angefochtenen Bescheid angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei veraltet. Die Umkehr der Beweislast widerspreche der zur Menschenrechtskonvention ergangenen neueren Rechtsprechung zur Unschuldsvermutung und zum Recht auf ein faires Verfahren. Hätte die belangte Behörde tatsächlich den Sachverhalt geprüft, den Beschwerdeführer einvernommen und parallel dazu den Sachverhalt des Aktes des zuständigen Finanzamtes ordnungsgemäß geprüft, dann hätte die Behörde festgestellt, dass eine schuldhafte Verletzung des Beschwerdeführers nicht vorliege.

5. Mit an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gerichtetem Schreiben vom 21.07.2017 forderte die Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer auf, betreffend die im Beitragszeitraum Dezember 2015 nachträglich vorgeschriebenen und bis dato aushaftenden Beiträge darzulegen, wieso ihm eine ordnungsgemäße Meldung nicht möglich gewesen sei, und betreffend die Beitragszeiträume Oktober 2016 bis März 2017 zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung binnen Monatsfrist eine Aufstellung vorzulegen, aus der sämtliche Verbindlichkeiten und Zahlungen der Primärschuldnerin in den o.a. Fälligkeitszeiträumen hervorgehen. Eine entsprechende Stellungnahme und Aufstellung sind bislang weder bei der Gebietskrankenkasse noch beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 01.09.2017 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und dies damit begründet, dass der Verwaltungsgerichtshof auch in neueren Erkenntnissen festgestellt habe, dass der Vertreter des Dienstgebers darzutun habe, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Behörde eine schuldhafte Verletzung anzunehmen habe. Dem Beschwerdeführer sei bereits mit Schreiben vom 22.02.2017 die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die damit einhergehende Stellungnahmefrist sei auf Ersuchen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers verlängert worden. Auch die erstreckte Frist sei jedoch ohne entsprechende Stellungnahme des Beschwerdeführers oder seines rechtsfreundlichen Vertreters verstrichen. Schließlich sei der Beschwerdeführer im Beschwerdevorverfahren neuerlich aufgefordert worden, (hinsichtlich der Beitragszeiträume Oktober 2016 bis März 2017) die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit anderen Verbindlichkeiten nachzuweisen und (hinsichtlich der im Beitragszeitraum Dezember 2015 nachträglich vorgeschriebenen Beiträge) darzulegen, dass ihm eine ordnungsgemäße Meldung nicht möglich gewesen sei. Die dafür eingeräumte Frist sei ebenfalls fruchtlos verstrichen.

7. Aufgrund des rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages legte die Gebietskrankenkasse die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten am 10.01.2018 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Der am XXXX geborene Beschwerdeführer war seit der Errichtung der Gesellschaft am 18.11.2011 selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der XXXX GmbH mit Sitz in XXXX, XXXX (Primärschuldnerin).

Am 13.06.2017 wurde die Primärschuldnerin infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst.

Die Primärschuldnerin schuldet aus dem Beitragszeitraum Dezember 2015 infolge Meldepflichtverletzungen nachträglich vorgeschriebene Beiträge in Höhe von € 942,43 und aus den Beitragszeiträumen Oktober 2016 bis März 2017 Beiträge in Höhe von € 5.756,3, somit insgesamt Beiträge in Höhe von € 6.698,73 samt Verzugszinsen und Nebengebühren, zuzüglich der ab 17.05.2017 auflaufenden Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % p.a. aus € 6.467,58.

Bis dato wurde trotz mehrmaliger Aufforderung weder ein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung erbracht noch eine Stellungnahme zu den angeschuldigten Meldepflichtverletzungen erstattet.

2. Beweiswürdigung:

Die Organstellung des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin ist einem von Amts wegen eingeholten Firmenbuchauszug (FN XXXX) zu entnehmen.

Die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin ergibt sich aus der Insolvenzdatei.

Der Haftungsbetrag wurde lediglich dem Grunde nach, nicht jedoch der Höhe nach bestritten. Es kann somit auf die im Rückstandsausweis vom 24.05.2017 dargelegte Aufschlüsselung der aushaftenden Beiträge samt Nebengebühren und Verzugszinsen verwiesen werden.

Dass bislang weder eine Stellungnahme zu den angeschuldigten Meldepflichtverletzungen erstattet noch ein Nachweis der Gläubigergleichbehandlung erbracht wurde, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.

Da über eine Sache nach § 410 Abs. 1 Z 4 (Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 ASVG) entschieden wird und auch nicht eine Angelegenheit gemäß § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG als Vorfrage zu beurteilen ist, liegt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

Die im beschwerdegegenständlichen Zeitraum anzuwendenden maßgebenden Rechtsvorschriften lauten:

§ 58 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2010:

"Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge; Beitragsvorauszahlung

§ 58. (1) bis (4) ...

(5) Die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(6) bis (8) ..."

§ 59 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 79/2015:

"Verzugszinsen

§ 59. (1) Werden Beiträge nicht innerhalb von 15 Tagen

1. nach der Fälligkeit,

2. in den Fällen des § 4 Abs. 4 nach dem Ende des Monats, in dem der Dienstgeber Entgelt leistet,

eingezahlt, so sind von diesen rückständigen Beiträgen, wenn nicht gemäß § 113 Abs. 1 ein Beitragszuschlag vorgeschrieben wird, Verzugszinsen in einem Hundertsatz der rückständigen Beiträge zu entrichten. Erfolgt die Einzahlung zwar verspätet, aber noch innerhalb von drei Tagen nach Ablauf der 15-Tage-Frist, so bleibt diese Verspätung ohne Rechtsfolgen. Der Hundertsatz berechnet sich jeweils für ein Kalenderjahr aus dem Basiszinssatz (Art. I § 1 Abs. 1 des 1. Euro-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl. I Nr. 125/1998) zuzüglich vier Prozentpunkten; dabei ist der Basiszinssatz, der am 31. Oktober eines Kalenderjahres gilt, für das nächste Kalenderjahr maßgebend. Für rückständige Beiträge aus Beitragszeiträumen, die vor dem Zeitpunkt einer Änderung dieses Hundertsatzes liegen, sind die Verzugszinsen, soweit sie zu diesem Zeitpunkt nicht bereits vorgeschrieben sind, mit dem jeweils geänderten Hundertsatz zu berechnen. § 108 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, gilt entsprechend. Für die Berechnung der Verzugszinsen können die rückständigen Beiträge auf den vollen Eurobetrag abgerundet werden.

(2) Der zur Entgegennahme der Zahlung berufene Versicherungsträger kann die Verzugszinsen herabsetzen oder nachsehen, wenn durch ihre Einhebung in voller Höhe die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners gefährdet wären. Die Verzugszinsen können überdies nachgesehen werden, wenn es sich um einen kurzfristigen Zahlungsverzug handelt und der Beitragsschuldner ansonsten regelmäßig seine Beitragspflicht erfüllt hat.

(3) Der im Abs. 1 vorgesehene Zeitraum von 15 Tagen beginnt in den Fällen, in denen die Beiträge vom Träger der Krankenversicherung nach § 58 Abs. 4 oder § 68a Abs. 1 dem Beitragsschuldner vorgeschrieben werden, erst mit Ablauf des zweiten Werktages nach Aufgabe der Beitragsvorschreibung (sie gilt als Zahlungsaufforderung) zur Post; wird die Beitragsvorschreibung durch Organe des Trägers der Krankenversicherung zugestellt, so beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt der Zustellung.

(4) Die vom Träger der Krankenversicherung eingehobenen Verzugszinsen sind auf die beteiligten Versicherungsträger und sonstigen Stellen schlüsselmäßig nach Maßgabe des auf den einzelnen Versicherungsträger entfallenden Gesamtbeitragsrückstandes am Ende des Vormonates aufzuteilen."

§ 67 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 86/2013:

"Haftung für Beitragsschuldigkeiten

§ 67. (1) bis (9) [...]

(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend."

§ 83 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 588/1991:

"Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze

§ 83. Die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen gelten entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung."

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

§ 67 Abs. 10 ASVG zufolge haften u.a. die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Voraussetzung für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist, dass die betreffenden Sozialversicherungsbeiträge beim Primärschuldner uneinbringlich sind. Erst wenn dies feststeht, ist auf die Prüfung der für die Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (VwGH 16.09.1991, 91/15/0028; 09.02.1982, 81/14/0072).

Die Primärschuldnerin wurde infolge rechtskräftiger Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens und Zahlungsunfähigkeit aufgelöst. Damit sind die Beitragsschulden der Gesellschaft uneinbringlich.

Der rezenten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038) wurde durch das SRÄG 2010, BGBl. I Nr. 62, der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 10 ASVG dahingehend erweitert (vgl. zur vorangehenden Rechtslage VwGH (verstärkter Senat) 12.12.2000, 98/08/0191, VwSlg. 15528A), dass durch die Einfügung des § 58 Abs. 5 ASVG den dort angeführten Vertretern (u.a. von juristischen Personen) die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen wurde. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflichten ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001). Eine solche die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insbesondere darin bestehen, dass der Vertreter die fälligen Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt (vgl. VwGH 7.10.2015, Ra 2015/08/0040). In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, trifft ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat (vgl. VwGH 26.5.2004, 2001/08/0043; 26.1.2005, 2002/08/0213; 25.5.2011, 2008/08/0169). Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (vgl. VwGH 21.9.1999, 99/08/0065).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte der Beschwerdeführer die im Beurteilungszeitraum Oktober 2016 bis März 2017 fälligen unberichtigten Beitragsschulden und die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten sowie die darauf jeweils geleisteten Zahlungen darlegen müssen (vgl. abermals VwGH 2002/08/0213; Ra 2015/08/0040). Ebenso hätte er darlegen müssen, wieso ihm an den angeschuldigten Meldepflichtverletzungen kein Verschulden trifft.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer machte jedoch - obwohl er dazu im Verfahren vor der Gebietskrankenkasse wiederholt aufgefordert wurde - keinerlei diesbezügliche Angaben.

Davon ausgehend ist der Beschwerdeführer seiner besonderen Mitwirkungspflicht im Verfahren trotz Aufforderung nicht nachgekommen. Im Hinblick darauf können nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung ohne weitere Ermittlungen schuldhafte (fahrlässige) Pflichtverletzungen angenommen werden.

Die Haftung des Mitbeteiligten erstreckt sich nach dem oben Gesagten auf die Beitragsschulden zur Gänze. Sie umfasst im Hinblick auf die §§ 58 Abs. 5, 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Abs. 1 ASVG.

Somit ist die Beschwerdevorentscheidung vom 01.09.2017 zu bestätigen und die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die vorliegende Entscheidung folgt in allen wesentlichen Rechtsfragen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die in den rechtlichen Erwägungen zu Spruchpunkt A) an der jeweiligen Stelle zitiert wird (s. dazu insbesondere das Erkenntnis des VwGH vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beitragsrückstand, Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung,
Nachweismangel, Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W209.2182359.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten