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20/06 KonsumentenschutzNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung einer Bestimmung des VerbraucherzahlungskontoG betreffend das Verbot für Banken, Entgelte für Bargeldbehebungen bei Automaten von unabhängigen Drittanbietern zu verrechnen; keine Verletzung des Eigentumsrechts durch die Verpflichtung von Banken, Entgelte für einzelne Bargeldbehebungen mit Verbrauchern "im Einzelnen auszuhandeln"Rechtssatz
Aufhebung des §4a VerbraucherzahlungskontoG (VZKG); im Übrigen Abweisung der - zulässigen - Individualanträge auf Aufhebung des §4 Abs2 VZKG.
Die angefochtenen Regelungen sind geeignet, das - im öffentlichen Interesse gelegene - Ziel des Verbraucherschutzes (Umwandlung des sich auf einem Zahlungskonto befindlichen Buchgelds bei Bedarf in Bargeld und Sicherstellung der Versorgung mit Geldausgabeautomaten auch in ländlichen bzw touristisch nicht stark frequentierten Gebieten) zu erreichen. §4 Abs2 VZKG enthält konkrete Vorgaben für kartenausgebende Zahlungsdienstleister ("Aushandeln im Einzelnen"), wie Verträge mit Verbrauchern im Hinblick auf Entgelte für Bargeldabhebungen an Geldautomaten wirksam vereinbart werden können. §4a VZKG ermöglicht unabhängigen Drittanbietern im Hinblick auf die Pflicht der Banken, Kunden von Bargeldbehebungsgebühren an von unabhängigen Drittanbietern betriebenen Geldausgabeautomaten zu befreien, die Festsetzung von Gebühren in flexibler Höhe. Dadurch wird für unabhängige Drittanbieter ein Anreiz geschaffen, um Geldausgabeautomaten auch in strukturschwachen Gebieten zu betreiben, in denen wegen der geringeren Anzahl der Transaktionen nicht mit einem kostendeckenden Betrieb zu rechnen ist.
Kein Verstoß gegen das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums durch §4 Abs2 VZKG:
§4 Abs2 VZKG erklärt Vereinbarungen für unwirksam, denen zufolge Verbraucher ein Entgelt für einzelne Bargeldbehebungen von ihren Zahlungskonten an Geldautomaten mit einer vom kontoführenden Zahlungsdienstleister zum Zahlungskonto ausgegebenen Zahlungskarte zahlen müssen. Wirksam sind derartige Vertragsbestimmungen nur, wenn sie mit dem jeweiligen Verbraucher "im Einzelnen ausgehandelt" worden sind. Eine vertragliche Bestimmung ist im Anwendungsbereich von §6 Abs2 KSchG wirksam "im Einzelnen ausgehandelt", wenn sie zwischen den Vertragspartnern im Hinblick auf ein konkretes Rechtsgeschäft individuell erörtert und nach Abwägung ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Folgen bewusst vereinbart worden ist.
In Anlehnung an die Anforderungen des §6 Abs2 KSchG kann daher auch im Rahmen von §4 Abs2 VZKG von der Wirksamkeit von Vereinbarungen eines gesonderten Entgeltes für Bargeldbehebungen dann ausgegangen werden, wenn der Verbraucher bei Abschluss des Rahmenvertrages die Möglichkeit hat, auch einen anderen Zahlungskontotarif zu wählen, der keine gesonderten Entgelte für Bargeldabhebungen mit der Bankomatkarte vorsieht, der Verbraucher sich aber freiwillig für den Tarif mit gesonderten Entgelten entscheidet. Von einem "im Einzelnen Aushandeln" ist aber nur dann auszugehen, wenn der Verbraucher nicht nur eine scheinbare Wahlmöglichkeit hat, sondern er tatsächlich zwischen mehreren Tarifmodellen wählen kann, bei denen es vom jeweiligen Nutzungsverhalten des Verbrauchers abhängt, welches dieser Modelle für ihn letztendlich günstiger sein wird.
Die Vorgabe des §4 Abs2 VZKG, Entgelte für einzelne Bargeldbehebungen mit den Verbrauchern "im Einzelnen aushandeln" zu müssen, um die Wirksamkeit der entsprechenden Vereinbarung zu erreichen, stellt einen Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums dar, der im Hinblick auf das damit verfolgte Ziel des Verbraucherschutzes jedoch gerechtfertigt ist. Es ist nicht unverhältnismäßig, wenn kontoführenden Zahlungsdienstleistern die Pflicht auferlegt wird, Verbrauchern tatsächlich mehrere Zahlungskontotarifmodelle anzubieten, um das Erfordernis des "im Einzelnen Aushandelns" nach der Judikatur zu erfüllen. Insbesondere entfällt im Hinblick auf §4 Abs2 VZKG auch das von den antragstellenden Gesellschaften ins Treffen geführte "unkalkulierbare Kostenrisiko", zumal mit diesem Erkenntnis der Entfall der in §4a VZKG enthaltenen Verpflichtung der kontoführenden Zahlungsdienstleister, Verbraucher von Entgelten für Bargeldbehebungen an Geldausgabeautomaten von unabhängigen Drittanbietern zu befreien, bewirkt wird.
Kein Verstoß gegen das Recht auf Gleichheit durch §4 Abs2 VZKG:
Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber die wirksame Vereinbarung von Entgelten für die Bargeldbehebung an die Voraussetzung des "im Einzelnen Aushandelns" knüpft. Dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaften, dass §4 Abs2 VZKG "nicht umsetzbar wäre" bzw gegen den aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Vertrauensschutz verstoße, sofern sich die Bestimmung auch auf Verträge beziehe, die vor dem Inkrafttreten der bekämpften Regelungen geschlossen worden seien ("Altverträge"), ist entgegen zu halten, dass §4 Abs2 VZKG gemäß §5 ABGB iVm §36 Abs4 VZKG erst auf Verträge, die nach Inkrafttreten der angefochtenen Bestimmungen geschlossen wurden, anwendbar ist. Auch insofern ist die angefochtene Bestimmung des §4 Abs2 VZKG daher nicht verfassungswidrig.
Verletzung im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch §4a VZKG:
§4a VZKG normiert eine Pflicht für kartenausgebende Zahlungsdienstleister - wie die antragstellenden Gesellschaften -, "den Verbraucher von der Zahlung von Entgelten zu befreien, die ein Dienstleister gemäß §2 Abs3 Z15 ZahlungsdiensteG (ZaDiG) vom Verbraucher für Bargeldabhebungen mit der zum Zahlungskonto des Verbrauchers ausgegebenen Zahlungskarte beansprucht." Behebt ein Verbraucher mit einer zu seinem Zahlungskonto ausgegebenen Zahlungskarte Bargeld bei einem Geldausgabeautomaten, der von einem Dienstleister gemäß §2 Abs3 Z15 ZaDiG (unabhängiger Drittanbieter) betrieben wird, entsteht zunächst zwischen dem Verbraucher und dem unabhängigen Drittanbieter ein Vertragsverhältnis, das Entgeltansprüche des unabhängigen Bankomatbetreibers vorsieht. Der kartenausgebende Zahlungsdienstleister ist aus dem Rahmenvertrag gegenüber dem Verbraucher sowie aus den Lizenzvereinbarungen gegenüber dem Lizenzgeber des Bankomatkartensystems dazu verpflichtet, die Forderungen des unabhängigen Bankomatbetreibers gegen den Verbraucher zu decken. In der Folge kann der kartenausgebende Zahlungsdienstleister den behobenen Betrag auch weiterhin dem Kundenkonto als Aufwandersatz anlasten. Bezüglich des Entgeltes für die Bargeldbehebung verpflichtet die angefochtene Regelung des §4a VZKG die kartenausgebenden Zahlungsdienstleister, Verbraucher davon zu befreien. Das bedeutet ein Verbot der kartenausgebenden Zahlungsdienstleister, Aufwandersatz in der - von ihnen nicht beeinflussbaren - Höhe der von unabhängigen Drittanbietern geforderten Bargeldbehebungsentgelte geltend zu machen.
§4a VZKG enthält bezüglich der Höhe der Bargeldbehebungsentgelte, die von unabhängigen Drittanbietern gefordert und von kartenausgebenden Zahlungsdienstleistern nicht im Wege des Aufwandersatzes dem Kundenkonto des Verbrauchers angelastet werden können, keinerlei Beschränkungen. Unabhängige Drittanbieter können auf Grund dieser Bestimmung Entgelte für Bargeldbehebungen frei festsetzen, mit denen in der Folge die kartenausgebenden Zahlungsdienstleister belastet werden, ohne dass eine Vertragsbeziehung mit unabhängigen Drittanbietern besteht. Dies bedeutet ein Kostenrisiko der betroffenen Zahlungsdienstleister, zumal für diese in aller Regel nicht vorhersehbar ist, wie häufig und in welchem Umfang Verbraucher Bargeldbehebungen bei Geldausgabeautomaten von unabhängigen Drittanbietern tätigen werden. Dieses Kostenrisiko ist überdies von den kartenausgebenden Zahlungsdienstleistern zu tragen, weil unabhängige Drittanbieter die Entgelte für Bargeldbehebungen frei festsetzen können und kein Kostenrisiko tragen. Eine Änderung der Gestaltung der Verträge mit Verbrauchern ist den kartenausgebenden Zahlungsdienstleistern nicht ohne weiteres möglich, da §4a VZKG sofortige Wirkung - somit auch für bereits bestehende Zahlungskontoverträge - zeitigt. Um entsprechende Entgelte für Bargeldabhebungen an Geldautomaten im Einklang mit den Vorgaben des §4 Abs2 VZKG wirksam zu vereinbaren, müssten alle bestehenden Zahlungskontoverträge "im Einzelnen" neu "ausverhandelt" werden. Angesichts dessen stellt §4a VZKG einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht der antragstellenden Gesellschaften auf Unverletzlichkeit des Eigentums dar.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Bankwesen, Geldwesen, Gebühr, Eigentumseingriff, Verhältnismäßigkeit, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Konsumentenschutz, Vertrauensschutz, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2018:G9.2018Zuletzt aktualisiert am
09.03.2020