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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des A H M in R, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Mai 2018, Zl. W251 2158856- 2/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein aus Mogadischu stammender Staatsangehöriger Somalias, stellte am 17. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Als Begründung brachte er zusammengefasst vor, dass er Probleme auf Grund seiner Clanzugehörigkeit gehabt habe. Auch sei er von der Al Shabaab entführt worden, die ihn habe zwingen wollen, für sie zu kämpfen.
3 Am 20. Februar 2017 brachte der Revisionswerber eine Säumnisbeschwerde ein.
4 Mit Bescheid vom 22. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Somalia zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
5 Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber am 29. Mai 2017 durch Hinterlegung zugestellt. Der Revisionswerber erhob dagegen mit Schriftsatz vom 12. Juni 2017 eine Beschwerde.
6 Mit dem gegenständlichen Erkenntnis vom 15. Mai 2018 hob das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde auf und wies den Antrag auf internationalen Schutz - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Somalia zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, die Beweiswürdigung im Hinblick auf die Frage der Zugehörigkeit des Revisionswerbers zum Clan der Gabooye bzw. Madhiban sei unschlüssig und in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 24.5.2018, Ra 2018/19/0199, mwN).
12 Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich - unter Zugrundelegung von Feststellungen zur Clanstruktur in Somalia - mit der Frage der Clanzugehörigkeit des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist - in nicht unschlüssiger Weise - zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Zugehörigkeit des Revisionswerbers zu dem von ihm behaupteten Clan nicht festgestellt werden könne.
13 Der Revisionswerber bringt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung weiters vor, das Bundesverwaltungsgericht hätte seine behauptete Clanzugehörigkeit im Rahmen der amtswegigen Erhebungspflichten durch Feststellung seines Dialektes erheben müssen. Dazu hätte es sich "zumindest angeboten", die in der Verhandlung anwesende Dolmetscherin zu befragen. Damit wäre "der entscheidungswesentliche Sachverhalt möglicherweise eindeutig geklärt" worden.
14 Die Frage, ob amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, weil es sich dabei um eine einzelfallbezogene Beurteilung handelt (vgl. VwGH 28.6.2018, Ra 2018/18/0358; 22.11.2017, Ra 2017/19/0474, jeweils mwN). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 1.8.2017, Ra 2017/06/0072, mwN).
15 Derartiges legt die Revision nicht dar. Der Revisionswerber lässt selbst offen, ob durch Erhebungen zu seinem Dialekt - gegebenenfalls welcher Art - eine Klärung seiner Clanzugehörigkeit erreicht hätte werden können. Auch vermag er nicht darzustellen, aufgrund welcher Umstände dem Bundesverwaltungsgericht ein allfälliges Erfordernis solcher amtswegiger Erhebungen - ohne entsprechenden Beweisantrag - erkennbar gewesen wäre.
16 Die Revision begründet ihre Zulässigkeit auch damit, dass das Bundesverwaltungsgericht den Revisionswerber durch die Feststellung, der Revisionswerber gehöre nicht dem von ihm behaupteten Clan an, "überrascht" habe; das Bundesverwaltungsgericht hätte dem Revisionswerber zu dieser Frage Parteiengehör gewähren müssen.
17 Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Frage der Clanzugehörigkeit des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - unter Bezugnahme auf die Erstbefragung und die Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - erörtert wurde. Dem Revisionswerber ist daher sehr wohl Parteiengehör zu dieser Frage gewährt worden.
18 Mit diesem Vorbringen rügt die Revision überdies gar nicht die Einbeziehung von Sachverhaltselementen in die rechtliche Würdigung, die dem Revisionswerber nicht bekannt waren, sondern wendet sich vielmehr dagegen, dass dem Revisionswerber zur Beweiswürdigung kein Parteiengehör eingeräumt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zählt jedoch die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens, zu denen im Rahmen des Parteiengehörs zwingend eine Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen gewesen wäre (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089).
19 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Gabooye festgestellt wurde, übersieht sie, dass dieser Bescheid, weil er nicht innerhalb der in § 16 Abs. 1 VwGVG vorgesehenen Nachholfrist erlassen wurde, mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts unter Berufung auf die hg. Rechtsprechung (vgl. VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001) wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben wurde. Dass das Bundesverwaltungsgericht es verabsäumt hätte, konkrete - für die Zugehörigkeit des Revisionswerbers zur genannten Volksgruppe relevante - aus dem genannten Bescheid hervorgehende Umstände zu würdigen, wird in der Zulassungsbegründung nicht dargelegt.
20 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. September 2018
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190390.L00Im RIS seit
19.10.2018Zuletzt aktualisiert am
22.10.2018