Index
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
KStG 1988 §8 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Kufstein Schwaz in 6130 Schwaz, Archengasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Juni 2016, Zl. RV/4100315/2011, betreffend
u. a. Körperschaftsteuer 2003 und 2004 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer 2002 (mitbeteiligte Partei: M GmbH in S, vertreten durch die Wirtschaftstreuhand Hager Steuerberatungsgesellschaft mbH in 6300 Wörgl, Bahnhofstraße 21), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, somit hinsichtlich Körperschaftsteuer 2003 und 2004 sowie Kapitalertragsteuer 2002, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die M KG schloss mit einer Leasinggesellschaft einen Leasingvertrag (sale and lease back) über eine Betriebsliegenschaft (bebautes Grundstück). Der Vertrag wurde am
14. bzw. 21. Dezember 1989 unterschrieben und konnte von der Leasingnehmerin frühestens nach Ablauf von 12 Jahren gekündigt werden. Im Leasingvertrag war vereinbart, dass die Leasingnehmerin berechtigt sei, den Leasinggegenstand nach Ablauf dieser 12 Jahre zum kalkulierten Restwert zu erwerben.
2 Mit Schreiben vom "90-02-08" teilte die M KG der Leasinggeberin mit, dass "sie" in eine GmbH (die mitbeteiligte Partei) eingebracht worden sei und Marcus S "die Haftung für den gesamten Leasingvertrag übernommen hat und daher die Option auf Erwerb der Liegenschaft auf Marcus (S ...) übertragen wurde."
3 Im Zuge einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass Marcus S im Jahr 2002 sein Optionsrecht an der zwischenzeitlich parifizierten (bebauten) Liegenschaft, ausgenommen das von ihm selbst bewohnte Top 12, an die Leasingnehmerin (zurück)abgetreten habe. Als Abtretungspreis seien 414.235,15 EUR vereinbart und von der mitbeteiligten GmbH an Marcus S bezahlt worden. Mit Kaufvertrag vom 7. Mai 2002 habe die Leasinggeberin 778/1021 Miteigentumsanteile an die mitbeteiligte Partei (Kaufpreis 163.062,98 EUR) und 243/1021 Miteigentumsanteile (Top 12) an Marcus S (Kaufpreis 50.931,05 EUR) verkauft. Durch diesen Kauf sei die mitbeteiligte Partei (als Rechtsnachfolgerin der M KG) - wie vor dem Abschluss des Leasingvertrages - wieder (mit Ausnahme von Top 12) Eigentümerin der Liegenschaft geworden.
4 Marcus S und seine Mutter Margit S seien Gesellschafter der mitbeteiligten Partei. Es könne nicht angenommen werden, dass ein Vertrag, mit dem die Haftung für einen Leasingvertrag gegen Übertragung eines Optionsrechts an einer Liegenschaft mit einem Verkehrswert von rund 980.000 EUR (im Jahr 2002) auch zwischen Fremden nur mündlich abgeschlossen worden wäre. Aus der Mitteilung vom "90-02-08" an die Leasinggeberin gehe nicht hervor, ob das Optionsrecht jedenfalls übertragen worden sei oder nur für den Fall der tatsächlichen Haftungsübernahme. Es sei auch nicht geregelt, ob bei Ausübung des Optionsrechts nach erfolgter Haftungsübernahme von der Leasingnehmerin bereits bezahlte Leasingraten mit dem Optionsberechtigten gegenverrechnet würden. Insoweit entbehre die vertragliche Optionsabtretung eines klaren, eindeutigen, jeden Zweifel ausschließenden Inhalts. Nach Ansicht des Prüfers hätte ein fremder Dritter ein derartiges Geschäft nicht abgeschlossen. Daher sei die von der M KG mit Marcus S vereinbarte Abtretung der Kaufoption steuerlich nicht anzuerkennen. Das Optionsrecht sei damit weiterhin im Betriebsvermögen der Leasingnehmerin verblieben. Die tatsächlich im Jahr 2002 an Marcus S erfolgten Zahlungen seien auf Grund des gesellschaftsrechtlichen Naheverhältnisses geleistet worden. Einerseits sei der Gesellschafter in Höhe von 414.235,15 EUR bereichert worden, andererseits sei dieser Betrag aus dem Betriebsvermögen abgeflossen. In diesem Vorgang liege eine verdeckte Ausschüttung. Eine steuerliche Auswirkung bei der mitbeteiligten Partei ergebe sich in Höhe der zu korrigierenden Abschreibungen der Liegenschaft. Auch hinsichtlich Top 12 hätte nur die mitbeteiligte Partei das Optionsrecht ausüben können, sodass steuerlich von einer Veräußerung des Top 12 von der mitbeteiligten Partei an Marcus S auszugehen sei. Dieser Verkauf hätte im Fremdvergleich zum Verkehrswert abgewickelt werden müssen. Daher sei der Gesellschafter, der für Top 12 nur 50.931,05 EUR (anteiliger Restwert laut Leasingvertrag) bezahlt habe, aber dafür eine Wohnung mit ca. 189 m2 mit einem anteiligen Verkehrswert von 226.388,77 EUR erhalten habe, um den Differenzbetrag zwischen anteiligem Verkehrswert und anteiligem Restwert (das seien 175.457,72 EUR) bereichert. Da die mitbeteiligte Partei auf diesen Erlös verzichtet habe, liege auch diesbezüglich eine verdeckte Ausschüttung vor. Der Anlagezugang der mitbeteiligten Partei (Gebäude und Grund und Boden) sei um den anteiligen Optionskaufpreis (an Marcus S bezahlten "Abtretungspreis") zu kürzen, woraus in den Folgejahren entsprechend niedrige Abschreibungen resultierten. Der Verkehrswert des Liegenschaftsanteils Top 12 von 226.388,77 EUR abzüglich des Restwertes laut Leasingvertrag von 50.931,05 EUR sei als Betriebseinnahme anzusetzen.
5 Das Finanzamt schloss sich den Feststellungen des Prüfers an und zog die mitbeteiligte Partei zur Haftung für die auf die verdeckten Ausschüttungen des Jahres 2002 entfallende Kapitalertragsteuer heran. Weiters wurden die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2003 und 2004 wiederaufgenommen und geänderte Körperschaftsteuerbescheide erlassen.
6 In ihrer gegen die genannten Bescheide gerichteten Berufung brachte die mitbeteiligte Partei vor, dass das an die Leasinggeberin gerichtete Schreiben vom "90-02-08" Bezug nehme auf Gespräche, die die geplante und zu diesem Zeitpunkt zwischen den Gesellschaftern der M KG bereits vereinbarte Einbringung des Betriebes der M KG in die mitbeteiligte GmbH zum Stichtag 31. Jänner 1990 betroffen hätten. Das Optionsrecht habe daher nicht mehr Teil des am 8. August 1990 abgeschlossenen Sacheinbringungsvertrages zwischen der mitbeteiligten GmbH und der M KG sein können. Die zivilrechtlich nicht mehr vorhandenen Rechte hätten nicht auf die übernehmende Körperschaft übertragen werden können. Da das Optionsrecht nie Teil des Vermögens der übernehmenden Körperschaft geworden sei, habe es bezüglich des Optionsrechts auch zu keiner verdeckten Ausschüttung kommen können. Auf Grund der Tatsache, dass die Übertragung des Optionsrechts auf Marcus S sehr zeitnah zum Abschluss des Leasingvertrages erfolgt sei, sei angenommen worden, dass dieses Optionsrecht keine Werthaltigkeit besessen habe.
7 Nach Ergehen von abweisenden Berufungsvorentscheidungen beantragte die mitbeteiligte Partei die Vorlage ihrer Berufungen an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
8 Das gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG mit Ablauf des 31. Dezember 2013 an die Stelle des unabhängigen Finanzsenates getretene Bundesfinanzgericht forderte die mitbeteiligte Partei auf, den genauen Inhalt der Vereinbarung betreffend die behauptete Übernahme der Haftung für den gesamten Leasingvertrag durch Marcus S und die Übertragung des Optionsrechts bekannt zu geben.
9 In ihrer Vorhaltsbeantwortung erklärte die mitbeteiligte Partei, dass Marcus S das der Leasingnehmerin zustehende Optionsrecht laut Leasingvertrag übertragen erhalten habe und er dafür die Haftung für sämtliche ausstehende Leasingraten übernommen habe. Nach 25 Jahren sei es nicht mehr möglich, den genauen Tag des Abschlusses der Vereinbarung festzustellen. Da die Leasinggeberin in einem Schreiben sowohl über den Abschluss des Sacheinlagevertrages als auch über die Optionsübertragung samt Haftungsübernahme unterrichtet worden sei, sei davon auszugehen, dass die Vereinbarung zeitnah zu dieser Mitteilung erfolgt sei. Nachdem der Sacheinlagevertrag am 27. Juli 1990 abgeschlossen worden sei, werde die Mitteilung an die Leasinggeberin wohl am 2.8.1990 erfolgt sein und es sich bei dem angegebenen Datum "90-02- 08" wohl um einen Ziffernsturz handeln. Der innere Wert der Option im Jahr 1990 habe Null betragen. Es habe aber die Chance auf eine Wertsteigerung bestanden. Umgekehrt sei ein Großteil der Raten noch offen gewesen. Rechne man eine entsprechende Haftungsprovision, so erkenne man, dass das Entgelt für die Übernahme der Haftung und der Zeitwert der Option im Wesentlichen übereingestimmt haben könnten, wie es den Intentionen der Vertragsparteien entsprochen habe.
10 Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte die mitbeteiligte Partei, man habe seinerzeit eine schlechte Geschäftsentwicklung erwartet, die dann aber nicht eingetreten sei. Es sei zu befürchten gewesen, dass ein Großkunde verloren gehe. Der Wert der Option im Jahr 2002, der mit einem Gutachten ermittelt worden sei, sei im Jahr 1990 noch nicht bekannt gewesen. Sei Marcus S ein Wert zugeflossen, dann allenfalls im Jahr 1990. Die Wertsteigerungen der Option bis zum Jahr 2002 seien im Privatvermögen des Marcus S eingetreten und daher nicht steuerbar.
11 Der Vertreter des Finanzamtes wies darauf hin, dass der genaue Inhalt der Vereinbarung nach wie vor unklar sei. Es sei z. B. unklar, was bei Schlagendwerdung der Haftung hätte geschehen sollen. Dem Amtsvertreter sei kein Fall bekannt, in dem ein Optionsrecht gegen Übernahme einer Haftung unter Fremden übereignet worden wäre. 1990 sei nur eine steuerlich unerhebliche Chance eingeräumt worden. Die Wertigkeit der Option sei erst durch die Zahlung der Leasingraten entstanden.
12 Die mitbeteiligte Partei entgegnete, dass sich Marcus S im Falle der Schlagendwerdung der Haftung an der GmbH hätte regressieren können. Die im Jahr 1990 eingeräumte Option sei handelbar gewesen.
13 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Berufungen (nunmehr Beschwerden) im Umfang der Anfechtung (somit hinsichtlich Körperschaftsteuer 2003 und 2004 und Kapitalertragsteuer 2002) Folge.
14 Begründend wurde zum revisionsgegenständlichen Punkt ausgeführt, durch das Schreiben aus dem Jahr 1990, mit dem der Leasinggeberin angezeigt worden sei, dass Marcus S die Haftung aus dem Leasingvertrag übernehme und ihm daher die Option auf den Erwerb der geleasten Liegenschaft übertragen worden sei, sei ausreichend bewiesen, dass die Übertragung der Option tatsächlich erfolgt sei. Aus diesem Grund erscheine die Annahme einer verdeckten Ausschüttung mit dem Argument, Marcus S habe gar keine Option besessen, die er im Jahr 2002 habe ausüben können, unrichtig. Auch lasse sich nicht mit der notwendigen Sicherheit sagen, dass zwischen der Haftungsübernahme und der Übertragung der Option im Jahr 1990 eine erhebliche Divergenz bestanden habe. Die mitbeteiligte Partei habe dargestellt, dass der Wert der Option aus der Sicht des Jahres 1990 mit Null zu bemessen sei, weil der mit einem Fremden abgeschlossene Leasingvertrag den Restwert mit dem voraussichtlichem Verkehrswert der Liegenschaft bemessen habe. Dem Wert der Haftungsübernahme sei aber die Chance auf Wertsteigerung der Option gegenüberzustellen gewesen.
15 In der mündlichen Verhandlung sei der Versuch unternommen worden, den Wert der Haftung im Jahr 1990 im Schätzungswege zu ermitteln. Der Ansatz einer Haftungsprämie von 1,5% unter Berücksichtigung einer Summe der Leasingraten von rund 5 Mio. S und des Umstandes, dass die Leasingraten durch Bezahlung laufend gesunken seien, habe einen Betrag von 35.000 S ergeben. Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine Chance auf Wertsteigerung im Jahr 1990 in etwa diesem Betrag entsprochen habe. Dass dem Leasingvertrag der Buchwert der Liegenschaft zum Zeitpunkt des Ablaufes des Leasingvertrages zu Grunde gelegt worden sei, stelle sich als fremdübliche Kalkulation dar, zumal es nach den Gewinnermittlungsvorschriften zulässig sei, bis zum Beweis des Gegenteils zu vermuten, dass der Buchwert eines Wirtschaftsgutes seinem Verkehrswert entspreche. Es springe zwar ins Auge, dass die Option zwölf Jahre nach ihrer Einräumung einen unstrittigen Wert von rund 590.000 EUR gehabt habe. Daraus nun einen Wert der Option auf das Jahr 1990 zurückzurechnen, erscheine aber problematisch und sei auch vom Finanzamt nicht vorgenommen worden. Maßgeblich könnten nur die Verhältnisse im Jahr 1990 sein. Im Jahr 1990 sei der Optionseinräumung jedenfalls dem Grunde nach eine Gegenleistung in Form der Haftungsübernahme gegenübergestanden.
16 Auch der Einwand des Finanzamtes, dass ein fremder Dritter dieses Geschäft nicht abgeschlossen hätte, erscheine letztlich unbegründet, weil ein für die Mutter des Marcus S bestehendes Vorkaufsrecht nach der unbestrittenen Aktenlage bis zum 31. Jänner 2002 befristet gewesen sei, sodass zumindest eine Ausübung der unbefristeten Option nach Ablauf der Grundmietzeit (Ende 2001) offenbar nicht behindert gewesen sei.
17 Soweit das Finanzamt ausführe, die Vereinbarung des Jahres 1990 habe auch keinen klaren Inhalt gehabt, weil nicht geregelt worden sei, was bei Schlagendwerdung der Haftung geschehen wäre, sei dem entgegenzuhalten, dass diesfalls wohl die gesetzlich vorgesehenen Folgen eingetreten wären und sich Marcus S bei der mitbeteiligten Partei hätte regressieren können.
18 Nach all dem erschienen die Fakten nicht ausreichend, die Vereinbarung aus dem Jahr 1990 steuerlich nicht anzuerkennen. Auch gebe es keine ausreichende Handhabe dafür, die Übertragung der Option im Jahr 1990 als rein gesellschaftsrechtlich veranlasst zu beurteilen.
19 Sei die Übertragung der Option an Marcus S im Jahr 1990 tatsächlich erfolgt, könne der maßgebliche Akt einer allfälligen Vorteilszuwendung nur in der Übertragung der Option im Jahr 1990 gelegen sein. Diese Übertragung sei "nach der Aktenlage" aber nicht von einer Körperschaft, sondern von der der mitbeteiligten Partei rechtlich vorangegangenen KG vorgenommen worden. Als verdeckte Ausschüttungen könnten aber nur Zuwendungen von Körperschaften angesehen werden. Zwar stehe der genaue Zeitpunkt der Übertragung der Option im Jahr 1990 nicht fest, doch sei für das Bundesfinanzgericht angesichts des weiten zeitlichen Zurückliegens der maßgeblichen Vorgänge entscheidend, dass das Schreiben an die Leasinggesellschaft noch von der KG verfasst worden sei. Der vorliegende Sacheinbringungsvertrag und die entsprechende Einbringungsbilanz stünden dem nicht entgegen. Obgleich im Sacheinbringungsvertrag dargelegt werde, dass die Einbringung mit allen Rechten und Pflichten auf Basis der Schlussbilanz zum 31. Jänner 1990 erfolgt sei und dass auch in der Einbringungsbilanz mangels Anschaffungskosten nicht erfasste Rechte und Pflichten des Unternehmens der KG übertragen würden, stehe dies mangels eindeutiger Anführung der Rechte und Pflichten nicht dem Umstand entgegen, dass das Optionsrecht bereits vorher bzw. im Zuge dessen von der KG an Marcus S übertragen worden sei.
20 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei zulässig, weil es zu der vorliegenden Fallkonstellation noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe.
21 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, zu der die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
23 Das Finanzamt bringt zum einen vor, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen abgewichen. Der mündlich abgeschlossene Vertrag über die Abtretung des Optionsrechts habe keinen eindeutigen und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt, zumal nicht einmal gesagt werden könne, wann und von wem dieser Vertrag abgeschlossen worden sei.
24 Zum anderen macht die Amtsrevision geltend, das Bundesfinanzgericht habe die Bestimmungen des Strukturverbesserungsgesetzes über die Wirkungen des Einbringungsstichtages außer Acht gelassen. Die Einbringung sei rückwirkend zum 31. Jänner 1990 erfolgt. Gehe man davon aus, dass die Verständigung über die Optionseinräumung unmittelbar nach der mündlichen Vereinbarung erfolgt sei, sei die Vereinbarung bereits der GmbH zuzurechnen.
25 § 8 Abs. 4 StruktVG idF BGBl. Nr. 570/1982 lautete:
"Die einer Einbringung gemäß Abs. 1 zugrunde zu legende Bilanz des Einbringenden muß für einen Zeitpunkt aufgestellt sein, der höchstens neun Monate vor der Anmeldung der Kapitalgesellschaft bzw. der Kapitalerhöhung liegt und zu dem ein Jahresabschluß (Bilanz) aufgestellt wurde. Das Einkommen und das Vermögen des einzubringenden Betriebes oder Teilbetriebes und der aufnehmenden Kapitalgesellschaft sind so zu ermitteln, als ob der Vermögensübergang und die Auflösung des eingebrachten Betriebes oder Teilbetriebes bereits mit Ablauf des Tages erfolgt wäre, zu dem diese Bilanz aufgestellt ist. Das gleiche gilt für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen bei der Gewerbesteuer."
26 Aus § 8 Abs. 4 StruktVG ergibt sich, dass alle Geschäftsvorfälle des Einbringenden in der Neunmonatsfrist bereits als Geschäftsvorfälle der Nachfolgekapitalgesellschaft gelten. Vom Einbringenden nach dem Einbringungsstichtag abgeschlossene Rechtsgeschäfte sind daher in ertragsteuerlicher Hinsicht bereits der übernehmenden Körperschaft zuzurechnen (vgl. Quantschnigg, Bauer-FS 277f). Im Rückwirkungszeitraum getroffene Vereinbarungen zwischen den Einbringenden und den Gesellschaftern der Nachfolgegesellschaft stellen demnach grundsätzlich solche der Nachfolgegesellschaft dar und können verdeckte Ausschüttungen iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 begründen.
27 Im Erkenntnis vom 3. August 2000, 96/15/0159, 0160, hat der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus eine verdeckte Ausschüttung selbst für den Fall bejaht, dass der einbringende Einzelunternehmer (und spätere Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH) die aus einem Darlehen seiner Ehefrau vereinbarte Verzinsung einige Wochen vor der Einbringung des Einzelunternehmens in fremdunüblicher Weise erhöht hatte. Die Handlungen des Einzelunternehmers sind auf Grund des zeitlichen Zusammenhanges (Änderung des Darlehensvertrages am 9. Dezember 1974 und Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH zum 1. Jänner 1975) bereits der Nachfolgegesellschaft zuzurechnen, sodass der Verwaltungsgerichtshof die Annahme verdeckter Ausschüttung in den Folgejahren bestätigt hat.
28 In der Revisionsbeantwortung räumt die mitbeteiligte Partei ein, dass das "Informationsschreiben" an die Leasinggesellschaft, welches mit "08.02.1990" datiert sei, vermutlich auf Grund eines Schreibfehlers nicht von diesem Zeitpunkt stammen könne. Der Sacheinlagevertrag, über dessen Abschluss in diesem Schreiben informiert werde, sei erst im Juli 1990 abgeschlossen worden. Es sei daher unglaubwürdig, dass bereits im Februar über den im Juli erfolgenden Abschluss berichtet werde. Das Schreiben könne vom "02.08.1990 (Zahlensturz)" oder vom "08.08.1990 (reiner Schreibfehler)" datieren. Das einzige für die Übertragung der Option auf den Gesellschafter vorhandene Beweismittel wurde damit jedenfalls im Rückwirkungszeitraum des § 8 Abs. 4 StruktVG erstellt.
29 Wenn das Bundesfinanzgericht allein auf Grund des Umstandes, dass die M KG der Leasinggeberin vom Übergang der Option auf Marcus S Mitteilung gemacht hat, das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung mit der Begründung verneint hat, dass der "maßgebliche Akt einer allfälligen Vorteilszuwendung" von der, der mitbeteiligten Partei rechtlich vorangegangenen KG vorgenommen worden sei, hat es die Rechtslage verkannt.
30 Das Bundesfinanzgericht hat das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung in einem weiteren Begründungsansatz mit der Erwägung verneint, dass der Optionseinräumung eine Gegenleistung in Form der Haftungsübernahme aus dem Leasingvertrag gegenübergestanden sei. Es könne nicht mit der notwendigen Sicherheit gesagt werden, dass zwischen der Haftungsübernahme und der Übertragung der Option im Jahr 1990 eine erhebliche Divergenz bestanden habe.
31 Diese Erwägungen gehen schon deshalb fehl, weil dabei offenbar nur die möglichen künftigen Wertsteigerungen der Liegenschaft bedacht wurden. Dass die GmbH mit den monatlichen Leasingraten auch Anzahlungen auf den künftigen Kaufpreis zu entrichten hat, wird im angefochtenen Erkenntnis hingegen keiner Würdigung unterzogen. Der nach Ablauf des Leasingvertrages (Ablauf des vom Leasingnehmer abgegebenen Kündigungsverzichtes) kalkulierte Restwert ist aber Ergebnis eben dieser im Laufe der Leasingdauer von der Leasingnehmerin vorab zu entrichtenden Anzahlungen.
32 Das Bundesfinanzgericht hat lediglich auf Grund einer Mitteilung der Leasingnehmerin an die Leasinggeberin, die Option auf Erwerb der Liegenschaft sei auf Marcus S übertragen worden, angenommen, dass eine ernstlich gemeinte Übertragung des Aufgriffsrechts vorliege. Abgesehen davon, dass der konkrete Inhalt der behaupteten Vereinbarung im Dunkeln liegt (wie schon oben aufgezeigt, bleibt etwa völlig offen, ob die von der GmbH auf den Kaufpreis zu leistenden Anzahlungen durch Marcus S im Fall der Ausübung der Kaufoption durch ihn zu erstatten sind), geht die vom Bundesfinanzgericht erfolgte Beweiswürdigung an Sinn und Zweck des von der Leasingnehmerin abgeschlossenen Leasingvertrages vorbei.
33 Die Liegenschaft wurde im Wege eines sale-and-leaseback Vertrages an die Leasinggesellschaft übertragen. Die Einräumung der Kaufoption durch die Leasinggeberin diente dem Zweck, der Leasingnehmerin nach Ablauf von 12 Jahren (Zeitraum des Kündigungsverzichts) die weitere Nutzung der Betriebsliegenschaft durch deren Erwerb unter Anrechnung der im Laufe der Leasingdauer bereits geleisteten Anzahlungen zu ermöglichen. Die Leasingnehmerin hat sich mit der Einräumung einer Kaufoption somit das Recht gesichert, nicht mehr an Miete bezahlen zu müssen, als im Leasingvertrag mit der Leasinggeberin vereinbart wurde. Geht man mit dem Bundesfinanzgericht davon aus, dass die Leasingnehmerin Marcus S im Jahr 1990 eine auf andere Personen übertragbare Option auf Erwerb der Betriebsliegenschaft eingeräumt hat, würde die weitere Nutzung der Liegenschaft durch die mitbeteiligte Partei nach Vertragsablauf entweder gar nicht mehr oder nur unter Weiterbezahlung einer (in ihrer Höhe wohl gleichfalls ungewissen) Miete möglich sein. Dass derartige Vereinbarungen unter Fremden nicht vorzufinden sind - wie vom Vertreter des Finanzamtes in der mündlichen Verhandlung vorgebracht -, erscheint nachvollziehbar. Eine Auseinandersetzung mit diesem Einwand erfolgte im angefochtenen Erkenntnis nicht.
34 Aus welchem Grund eine Leasingnehmerin das kurz zuvor mit der Leasinggeberin vereinbarte Aufgriffsrecht ohne konkreten Nutzen auf einen Dritten übertragen sollte, ist nicht zu erkennen. Die in der mündlichen Verhandlung angestellten Berechnungen betreffend die Höhe einer allfälligen Haftungsprovision überzeugen nicht, ergibt sich aus dem vom Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhalt doch kein Anhaltspunkt dafür, dass sich die mitbeteiligte Partei durch die "Haftungserklärung" ihres Gesellschafters sonst aus ihrem Betriebsvermögen zu leistende Haftungsprämien erspart hätte. Insbesondere ist im Verfahren nicht hervorgekommen, dass die Leasinggeberin ein entsprechendes Verlangen nach Übernahme einer Haftung durch eine physische Person gestellt hätte, was nach der Aktenlage auch nicht naheläge, weil die Position der Leasinggeberin durch die Einbringung des Betriebes in die Komplementär-GmbH wohl keine Verschlechterung erfahren haben dürfte.
35 Gegen die vom Bundesfinanzgericht getroffene Feststellung, die Leasingnehmerin habe sich bereits im Jahr 1990 des Aufgriffsrechts begeben, spricht letztlich aber auch der Umstand, dass der Vorgang der behaupteten Rückabtretung nicht der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Z 4 Grunderwerbsteuergesetz 1987 unterzogen wurde (vgl. die im Akt erliegende Selbstanzeige vom 21. Dezember 2006).
36 Das angefochtene Erkenntnis war daher im angefochtenen Umfang, somit hinsichtlich Kapitalertragsteuer 2002 sowie Körperschaftsteuer 2003 und 2004, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 13. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016150033.J00Im RIS seit
19.10.2018Zuletzt aktualisiert am
13.12.2018