Index
90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des C B in A, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 5. März 2018, Zl. LVwG-651070/12/WP, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis entzog das Verwaltungsgericht, den Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 2017 bestätigend, die Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab Zustellung dieses Erkenntnisses, im Grunde des § 26 Abs. 3 Z 1 FSG.
2 Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
3 In der Begründung wurde, hier auf das Wesentliche zusammengefasst, ausgeführt, der Revisionswerber sei mit rechtskräftigem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 12. Juli 2017 wegen Übertretung des § 99 Abs. 2e StVO 1960 (qualifizierte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebietes am 29. März 2017) bestraft worden und habe damit eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs. 3 Z 4 FSG verwirklicht, sodass seine Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 3 Z 1 FSG für die fixe Dauer von zwei Wochen zu entziehen gewesen sei.
4 Dieser Entziehung stehe nicht entgegen, dass die Lenkberechtigung des Revisionswerbers überdies mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. August 2017 für die Dauer von sechs Monaten (beginnend ab 6. August 2017) wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges am zuletzt genannten Tag mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 1,04 mg/l entzogen worden sei. Denn in jenen Fällen, in denen der Gesetzgeber (wie im Falle des § 26 Abs. 3 Z 1 FSG) eine fixe Entziehungsdauer festgelegt habe, habe nach der Judikatur einerseits eine Wertung des Fehlverhaltens zu unterbleiben und es finde andererseits auch der Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens keine Anwendung. In den Fällen der fixen Entziehungsdauer komme eine Wahrnehmung von Umständen wie weiterer bestimmter Tatsachen iSd § 7 Abs. 3 FSG, die seit der erstbehördlichen Entscheidung hinzugetreten seien, nicht in Betracht. Wenn daher Fälle des § 26 FSG eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens bildeten, dann gelte dies unabhängig davon, in welcher zeitlichen Reihenfolge die jeweiligen Entziehungsverfahren durchgeführt würden.
5 Im Übrigen liege der vom Revisionswerber behauptete "kalte Entzug" der Lenkberechtigung nicht vor, weil der Beschwerde gegen den eingangs erwähnten Entziehungsbescheid vom 12. Dezember 2017 aufschiebende Wirkung zugekommen sei. Das Verwaltungsgericht habe daher den Beginn der gegenständlichen Entziehungsdauer von zwei Wochen mit der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses präzisiert.
6 Abschließend merkte das Verwaltungsgericht im Hinblick auf eine - neuerliche - Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 99 Abs. 2e StVO (Tatzeitpunkt: 2. August 2017) an, dass diese gegenständlich nicht zu berücksichtigen gewesen sei und dass vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Rechtsansicht (Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens) auch diesbezüglich ein Entziehungsverfahren einzuleiten sein werde.
7 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision wurde damit begründet, dass, soweit ersichtlich, Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens in Fällen mit fixer Entziehungsdauer wie in der vorliegenden Fallkonstellation fehle.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, welcher das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
12 Die Revision führt aus, ihre Zulässigkeit sei, anders als das Verwaltungsgericht meine, vielmehr deshalb zu bejahen, weil das Verwaltungsgericht von jener Rechtsprechung (Hinweis auf u. a. VwGH 22.3.2002, 2001/11/0342) abgewichen sei, nach der "ein weiterer (zweiter) Entzug der Lenkberechtigung wiederum wegen Verkehrsunzuverlässigkeit wegen einer bereits vor Ausspruch des ersten Entzugs verwirklichten bestimmten Tatsache nicht zulässig" sei, allenfalls aber zur Wiederaufnahme des (ersten) Entziehungsverfahrens führen könne.
13 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt unstrittig zugrunde, dass die Lenkberechtigung des Revisionswerbers mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. August 2017 wegen eines am 6. August 2017 begangenen Alkoholdeliktes (Lenken eines Kraftfahrzeuges mit 1,04 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft; Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960) für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab dem 6. August 2017, gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG entzogen wurde.
14 Umstritten ist die Frage, ob das vom Revisionswerber am 29. März 2017 begangene qualifizierte Geschwindigkeitsdelikt - das vor dem soeben erwähnten Entziehungsbescheid vom 22. August 2017 verwirklicht wurde (und für das er rechtskräftig bestraft wurde) - zu einer neuerlichen Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers führen durfte, oder ob die dafür gemäß § 26 Abs. 3 Z 1 FSG zwingend vorgesehene Entziehung der Lenkberechtigung für die fixe Dauer von zwei Wochen nur im Wege der Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 22. August 2017 abgeschlossenen Entziehungsverfahrens erfolgen durfte.
15 Anders als das Verwaltungsgericht meint, wurde die zur Begründung der Zulässigkeit der Revision aufgeworfene Rechtsfrage durch die Rechtsprechung bereits (wiederholt) beantwortet. Anders als der Revisionswerber meint, ist das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen:
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich bereits im zitierten Erkenntnis VwGH 22.3.2002, 2001/11/0342, wie folgt ausgeführt:
"Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 75 Abs. 1 KFG 1967 in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass Gegenstand eines nach dieser Gesetzesstelle eingeleiteten Ermittlungsverfahrens der seit der Erteilung der Lenkerberechtigung eingetretene Wegfall jeder einzelnen der maßgebenden Eignungsvoraussetzungen (§ 64 Abs. 2 KFG 1967) ist. Daraus folgt, dass bis zur Erlassung des Entziehungsbescheides verwirklichte Tatsachen, die eine der Eignungsvoraussetzungen betreffen, im Bescheid bereits zu berücksichtigen sind. Die wiederholte Ergreifung von Maßnahmen nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 jeweils nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einzelner Erteilungsvoraussetzungen ist daher ebenso wenig zulässig wie die wiederholte Entziehung der Lenkerberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit auf Grund mehrerer nacheinander (aber vor Bescheiderlassung) begangener strafbarer Handlungen. Erlangt die Behörde erst nach der Rechtskraft eines Entziehungsbescheides von Tatsachen Kenntnis, die sie ohne ihr Verschulden im rechtskräftig abgeschlossenen Entziehungsverfahren nicht verwenden konnte, so stellt dies gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 3 AVG einen Grund für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens dar (siehe dazu u.a. die Erkenntnisse vom 3. Juli 1990, Zl. 89/11/0224, vom 29. Oktober 1991, Zl. 91/11/0054, vom 30. Juni 1992, Zl. 91/11/0177, vom 12. Jänner 1993, Zl. 92/11/0205, vom 23. November 1993, Zl. 93/11/0048, und vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/11/0178). Ausnahmen von diesem Grundsatz wurden wegen der Besonderheit der im Gesetz gesondert geregelten Entziehungsmaßnahmen nur in jenen Fällen gemacht, in denen schon vom Gesetzgeber zwingend die Entziehung mit einer bestimmten Entziehungszeit festgesetzt wurde (siehe dazu die Erkenntnisse vom 17. November 1992, Zl. 91/11/0140, und vom 19. April 1994, Zl. 92/11/0272).
Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Rechtsprechung auch im Geltungsbereich des FSG fortgeführt. Auch das Entziehungsverfahren nach dem FSG ist ein einheitliches im oben beschriebenen Sinn (siehe dazu die Erkenntnisse vom 1. Juli 1999, Zl. 99/11/0004, und vom 23. Oktober 2001, Zl. 2001/11/0185). Ausgenommen davon sind nur jene Fälle, in denen schon vom Gesetz eine bestimmte Entziehungszeit festgesetzt wurde (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/11/0019). ..."
17 Da die rechtskräftige (und somit Bindungswirkung entfaltende) Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 99 Abs. 2 lit. e StVO 1960 aufgrund des § 26 Abs. 3 Z 1 FSG - zwingend - zur Entziehung seiner Lenkberechtigung für die fixe Dauer von zwei Wochen führen musste (vgl. VwGH 17.11.2009, 2009/11/0023, mwN), liegt nach der zitierten Rechtsprechung (vgl. ebenso VwGH 28.5.2002, 2001/11/0284) insofern eine Ausnahme vom Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens vor (Gleiches gilt im Übrigen für Fälle der zwingenden Entziehung der Lenkberechtigung für eine im Gesetz vorgesehene Mindestentziehungsdauer; vgl. VwGH 26.2.2002, 2000/11/0019).
18 Die (vom Revisionswerber vertretene) gegenteilige Rechtsansicht würde dazu führen, dass ein vor der Entziehung der Lenkberechtigung verwirklichtes, aber dieser nicht zugrunde gelegtes Delikt, das in § 26 FSG aufgezählt ist, nur unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme zu einer zusätzlichen Entziehungsdauer führen könnte, was aber mit dem - zwingenden - Charakter der Sonderfälle der Entziehung des § 26 FSG nicht vereinbar wäre.
19 Das Verwaltungsgericht ist somit gegenständlich nicht von der zuvor zitierten hg. Rechtsprechung abgewichen.
20 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit ausführt, es fehle Judikatur zur Frage, ob das Verwaltungsgericht in der Begründung mit seinem abschließenden Hinweis auf ein vom Revisionswerber neuerlich (am 2. August 2017) begangenes qualifiziertes Geschwindigkeitsdelikts, das gegenständlich aber nicht Sache war, die Durchführung eines neuerlichen Entziehungsverfahren anordnen könne, so ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem diesbezüglichen Hinweis um ein (das angefochtene Erkenntnis nicht tragendes) obiter dictum handelt, von dessen Rechtmäßigkeit das Schicksal der vorliegenden Revision nicht iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt (dass dieses obiter dictum im Übrigen keine Bindungswirkung zu entfalten vermag, ergibt sich nicht zuletzt schon aus § 28 Abs. 5 VwGVG).
21 Weder im angefochtenen Erkenntnis noch in der Revision werden daher Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
22 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018110006.J00Im RIS seit
16.10.2018Zuletzt aktualisiert am
22.10.2018