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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 2005 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Hainz-Sator und Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, BSc, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen Spruchpunkt A) 1. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Mai 2018, I417 2128297-2/5E, betreffend Erlassung eines Einreiseverbotes nach dem FPG (Mitbeteiligter: O I G alias O J, dzt. unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Edward W Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt A) 1. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der aus Nigeria stammende Mitbeteiligte stellte am 15. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Mai 2016 ab und verband dies (ua.) mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG). Die Frist für die freiwillige Ausreise des Mitbeteiligten wurde mit "2/14 Wochen/Tage(n)" ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 9. März 2017 (mit einer hier nicht weiter wesentlichen Abänderung eines Spruchteiles) als unbegründet abgewiesen.
3 In der Folge suchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei der nigerianischen Botschaft um Rückübernahme des Mitbeteiligten durch seinen Heimatstaat an.
4 Mit Schreiben vom 14. Oktober 2017 erstattete die Landespolizeidirektion Salzburg eine Meldung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wonach der Mitbeteiligte an diesem Tag in Salzburg einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden sei. Er habe sich mit der für ihn im Asylverfahren ausgestellten Aufenthaltsberechtigungskarte ausgewiesen. Da gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei, sei ihm die Aufenthaltsberechtigungskarte nach Rücksprache mit dem Journaldienst des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl abgenommen worden.
5 Am 17. Oktober 2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Schreiben des Mitbeteiligten ein, in dem er ausführte, den für die Identitätsprüfung vorgesehenen Termin am 18. Oktober 2017 wegen einer Erkrankung nicht wahrnehmen zu können. Er ersuche daher um die Vergabe eines neuen Termins.
6 Am 19. Oktober 2017 stellte der Mitbeteiligte bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Wien einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Diesen Antrag begründete er damit, zuckerkrank zu sein und Leberprobleme zu haben. Die Versorgung in Nigeria würde nicht ausreichen. Sein Arzt habe ihm gesagt, dass er zu jung sei, um zuckerkrank zu sein.
7 Im Rahmen seiner Vernehmung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 7. November 2017 erstattete der Mitbeteiligte zur Begründung seines Folgeantrages ein im Wesentlichen gleichlautendes Vorbringen. Er ergänzte, dass er sich in Nigeria die medizinische Behandlung nicht leisten könne und daher sterben werde, wenn er nach Nigeria zurückkehren würde. Zudem trage er wegen einer seit seiner Kindheit bestehenden Behinderung an den Füßen medizinisch verordnete Schuhe. Das sei in seinem ersten Asylverfahren nicht ernst genommen worden. Der damalige Referent der Behörde habe gemeint, der Mitbeteiligte könnte ohnedies gehen. Auch seien jene Probleme, die er im ersten Asylverfahren angegeben habe, noch immer aufrecht. Die Fulani brächten immer noch Leute um.
8 Nach einer weiteren am 28. Dezember 2017 erfolgten Vernehmung des Mitbeteiligten, in der er geltend machte, dass er nunmehr wegen Rückenproblemen auch eine Physiotherapie absolviere, sein Blutdruck zu hoch sei und eine Operation wegen seines Fußes angesetzt worden sei, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Mitbeteiligten, soweit er sich auf den Status des Asylberechtigten bezog, mit Bescheid vom 28. Februar 2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. In Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wies die Behörde den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab. Unter einem sprach sie aus, dass dem Mitbeteiligten kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 erteilt werde, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 und § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Weiters erließ die Behörde gegen den Mitbeteiligten gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und sprach aus, dass nach § 55a Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
9 Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - soweit für das Revisionsverfahren betreffend die Erlassung des Einreiseverbotes von Interesse - aus, dass gegen den Mitbeteiligten bereits eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei. Er sei aber seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Von einer geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung könne hier nicht mehr gesprochen werden. Auch falle der Mitbeteiligte unter den Anwendungsbereich des Art. 11 der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einherzugehen hätten, wenn der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen worden sei.
10 Auch wenn dieses Fehlverhalten des Mitbeteiligten unter keine der Ziffern des § 53 Abs. 2 FPG subsumiert werden könne, sei aufgrund seines Verhaltens davon auszugehen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei und es auch den in Art. 8 EMRK genannten Interessen zuwiderlaufe. Umgehungen und Missachtungen der Vorschriften des FPG und der darauf gestützten Bescheide seien keinesfalls als minderes oder geringfügiges Fehlverhalten einzustufen.
11 Bei einem Fremden, dem bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt zur Last zu legen sei, könne die Erlassung eines Einreiseverbotes im Einzelfall unterbleiben. Im vorliegenden Fall liege aber nicht bloß ein illegaler Aufenthalt vor, sondern es sei der Ausreisebefehl nach Abschluss des (ersten) Asylverfahrens missachtet worden. Dies könne "in Zeiten eines Migrationsstromes nach Mitteleuropa unter Missbrauch des Asylrechts als Einwanderungsrecht niemals als nur geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen gewertet" werden. Der Mitbeteiligte sei offenkundig nicht bereit, die österreichische Rechtsordnung und die nach den Gesetzen ergangenen rechtskräftigen Entscheidungen zu beachten. Da er schon bisher gezeigt habe, dass er sich nicht rechtskonform verhalte, lasse dies "für die Zukunft nichts Gutes vermuten". Es könne somit betreffend den Mitbeteiligten nur eine "negative Zukunftsprognose" erfolgen.
12 Es sei aber auch der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt. Der Mitbeteiligte sei nicht in der Lage, aus Eigenem die Mittel für seinen Unterhalt aufzubringen. Sein Unterhalt werde nur durch staatliche Unterstützung, nämlich durch Leistungen aus der Grundversorgung, gewährleistet. Somit dürfe vom Fehlen der Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden. Die Mittellosigkeit eines Fremden rechtfertige wegen der daraus resultierenden Gefahr der illegalen Beschaffung von Unterhaltsmitteln die Annahme, dass der weitere Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Die aktuellen Leistungen aus der Grundversorgung stünden dieser Beurteilung nicht entgegen. Der Mitbeteiligte werde nämlich auch künftig nicht in der Lage sein, die Mittel für seinen Unterhalt aus Eigenem aufzubringen. Das ergebe sich schon daraus, dass er in Österreich über kein Aufenthaltsrecht verfüge und keiner legalen Beschäftigung nachgehen könne. Er habe auch nichts vorgebracht, was zur Annahme führen könnte, er werde künftig die Mittel für seinen Unterhalt selbst erwirtschaften können.
13 Im Weiteren legte die Behörde noch dar, weshalb auch Art. 8 EMRK der Erlassung des Einreiseverbotes nicht entgegenstehe.
14 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Soweit es die Erlassung des Einreiseverbotes betrifft, brachte er vor, keinen der Tatbestände des § 53 Abs. 2 Z 1 bis Z 9 FPG verwirklicht zu haben. Er sei nie verurteilt oder bestraft worden. Die Behörde könne nicht damit argumentieren, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, nur weil er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Er sei "gleichgeschlechtlich veranlagt". Die Gefahren, die ihm bei einer Rückkehr nach Nigeria drohten, seien "derart gravierend", dass das Unterbleiben der Ausreise "wohl auch menschlich verständlich sein" müsse.
15 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis hob das Bundesverwaltungsgericht den behördlichen Ausspruch über die Erlassung eines Einreiseverbotes ersatzlos auf. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Die in der Beschwerde beantragte Verhandlung führte es, gestützt darauf, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG für die Abstandnahme von der Verhandlung gegeben gewesen seien, nicht durch. Die Revision erklärte es für nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
16 Das Bundesverwaltungsgericht traf keine Feststellungen zu jenem Verhalten des Mitbeteiligten, das das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seiner Beurteilung, ein Einreiseverbot sei zu erlassen, zugrunde gelegt hat.
17 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, die Behörde habe sich im Spruch ihrer Entscheidung auf § 53 Abs. 1 und Abs. 2 FPG gestützt, ohne eine konkrete Ziffer anzuführen. Die Behörde sei davon ausgegangen, der Aufenthalt des Mitbeteiligten im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Das habe sie mit seiner Mittellosigkeit und dem Umstand, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, begründet. Die Behörde habe aber überhaupt nicht dargelegt, weshalb "aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles eine (besondere) ¿Schwere des Fehlverhaltens' des (Mitbeteiligten) anzunehmen gewesen wäre". Auch seien jene Umstände, die die Behörde ihrer Beurteilung zugrundegelegt habe, gar nicht "dargelegt" worden. Die Behörde habe ihre Begründung auf das Fehlen der Unterhaltsmittel und das Nichtnachkommen der Ausreiseverpflichtung reduziert. Umstände, die für die konkrete Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den Mitbeteiligten sprechen würden, seien aber nicht ersichtlich. Es sei zu berücksichtigen, dass der Mitbeteiligte unbescholten sei.
18 Zudem werfe der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG "prinzipiell Fragen hinsichtlich der sachlichen Rechtfertigung und eigenständigen Relevanz seines Regelungsgehaltes auf, zumal in der bloßen zum Zeitpunkt der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bestehenden ¿Mittellosigkeit' eines Fremden kein Grund erblickt werden" könne, "diesem eine künftige legale Wiedereinreise unter Berufung auf eine Gefährdung öffentlicher Interessen zu ermöglichen". Es sei fraglich, "aufgrund welcher Parameter die in diesem Falle durchzuführende Gefährdungsprognose zu erfolgen" habe, "zumal allfällige in Zusammenhang mit einer Mittellosigkeit befürchtete mögliche ¿Gefährdung' öffentlicher Interessen in den in anderen Tatbeständen des § 53 angeführten Verwaltungsübertretungen und strafrechtliche Verurteilungen ihre Abdeckung" fänden.
19 Auch lasse die Begründung der Behörde "jegliche Kriterien" vermissen, die herangezogen worden seien, um die Dauer des Einreiseverbotes mit zwei Jahren festzulegen. Die Behörde habe insgesamt "die für die Begründung des Bescheides erforderliche Sorgfalt vermissen" lassen. Ihre Begründung entspreche nicht "den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer behördlichen Entscheidung".
20 Da sich aus dem Aufenthalt des Mitbeteiligten in Österreich keine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ergebe, sei der Beschwerde gegen die Erlassung des Einreiseverbotes stattzugeben und dieses zu beheben gewesen.
21 Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht bloß mit der Verneinung der in Art. 133 Abs. 4 B-VG enthaltenen Tatbestände und dem Verweis darauf, dass es keinen Hinweis für das Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinn dieser Bestimmung gegeben habe.
22 Allein gegen jenen Spruchpunkt, mit dem der Beschwerde gegen die Erlassung des Einreiseverbotes stattgegeben wurde, richtet sich die vorliegende Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt. Dieser hat das Vorverfahren eingeleitet. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
24 Die revisionswerbende Behörde bringt zunächst zur Zulässigkeit der Revision vor, schon aus Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) ergebe sich, dass in einer Konstellation, wie sie hier vorliege, kein Ermessen betreffend die Erlassung eines Einreiseverbotes eingeräumt sei, und daher das innerstaatlich in § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen richtlinienkonform nur so gehandhabt werden könne, dass die Behörde nach Art. 11 Abs. 1 lit. b Rückführungsrichtlinie bei Nichtbeachtung einer Rückkehrverpflichtung ein Einreiseverbot zu erlassen habe. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsprechung zu Ermessensentscheidungen nicht beachtet. Wenn die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen im Sinn des Gesetzes geübt habe, was hier zutreffe, sei der Bescheid nicht rechtswidrig und die Beschwerde abzuweisen.
25 Von dieser Frage hängt indes die Revision nicht ab, weil das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung nicht darauf gestützt hat, dass im Rahmen der Übung von Ermessen von der Erlassung des Einreiseverbotes Abstand zu nehmen wäre. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, die von der Behörde ins Treffen geführten Gründe könnten von vornherein nicht geeignet sein, zu der Annahme zu führen, der Aufenthalt des Mitbeteiligten werde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufen. Mit dem auf die Ermessensübung abstellenden Revisionsvorbringen wird somit die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
26 Die Revision ist allerdings im Hinblick darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht - was die revisionswerbende Behörde (auch) im Rahmen der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit ihrer Revision darlegt - in entscheidungsmaßgeblicher Weise von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die nach § 53 Abs. 2 FPG vorzunehmende Beurteilung, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft, abgewichen ist, zulässig und auch begründet.
27 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit einem ähnlichen Begründungsduktus des Bundesverwaltungsgerichts bereits in seinem Erkenntnis vom 24. Mai 2018, Ra 2018/19/0125, auseinandergesetzt. Es kann daher hinsichtlich der diesbezüglichen Rechtslage und der für die Anwendung der entsprechenden Bestimmungen maßgeblichen Leitlinien gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
28 Auch für den hier gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid zur Begründung des Einreiseverbotes nicht allein darauf gestützt hat, dass der Mitbeteiligte unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei. Insofern trifft der pauschale Vorwurf des Bundesverwaltungsgerichts, die Behörde habe es unterlassen aufzuzeigen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit in irgendeiner Form gefährdet wäre, nicht zu.
29 Die Behörde führte nämlich aus, dass der Mitbeteiligte entgegen der ihn aufgrund der - infolge des negativen Ausgangs des ersten Asylverfahrens - gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung treffenden Verpflichtung das Bundesgebiet nicht verlassen, sondern einen weiteren unbegründeten Asylantrag gestellt habe. Damit habe er für ihn maßgebliche fremdenrechtliche Bestimmungen grob missachtet. Weiters legte die revisionswerbende Behörde in ihrem Bescheid mit näherer Begründung dar, weshalb sie davon ausgehe, dass der ebenfalls die Erlassung eines Einreiseverbotes rechtfertigende Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG erfüllt sei.
30 Das Bundesverwaltungsgericht hat demgegenüber infolge Verkennung der Rechtslage überhaupt keine Feststellungen zu jenem (Fehl-)Verhalten des Mitbeteiligten getroffen, das die Verwaltungsbehörde dem Einreiseverbot zugrunde gelegt hat. Der Ansicht, dass sich dieses fallbezogen auf einen bloß unrechtmäßigen Aufenthalt reduzieren ließe, kann vor dem Hintergrund der Ausführungen im angefochtenen Bescheid nicht ohne Weiteres beigetreten werden. Ausgehend von jenen Umständen, die die belangte Behörde in ihrem Bescheid ins Treffen geführt hat, könnte nicht davon gesprochen werden, dass fallbezogen die öffentliche Ordnung und Sicherheit nur als bloß derart geringfügig beeinträchtigt anzusehen wäre, sodass die Erlassung eines Einreiseverbotes ausgeschlossen wäre.
31 Zudem hat das Verwaltungsgericht in rechtswidriger Weise verneint, dass sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für die Erlassung des Einreiseverbotes (auch) auf einen der in § 53 Abs. 2 FPG (demonstrativ) aufgezählten Tatbestände gestützt hätte. Infolgedessen hat es sich in rechtswidriger Weise auch nicht näher damit befasst, ob aufgrund den von der Behörde ins Treffen geführten - aber vom Verwaltungsgericht wegen seiner Fehleinschätzung keinen Feststellungen unterworfenen - Umständen von der Erfüllung des in § 53 Abs. 2 Z 6 FPG angeführten Tatbestandes auszugehen ist. Darauf, dass die Z 6 im Spruch des Bescheides keine Erwähnung gefunden hat, kommt es nicht entscheidungswesentlich an (vgl. VwGH 19.1.2011, 2008/08/0020, mwN).
32 Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung die Ansicht vertritt, § 53 Abs. 2 Z 6 FPG weise keinen eigenständigen Regelungsgehalt auf, ist es auf die - schon zu sämtlichen gleichgelagerten Vorläuferbestimmungen ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbare - ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen. In dieser wurde festgehalten, dass ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen hat, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FPG etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12). Wenn das Bundesverwaltungsgericht anklingen lässt, dass die fragliche Bestimmung einer sachlichen Rechtfertigung entbehren könnte, ist anzumerken, dass beim Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung Bedenken gegen die Verfassungskonformität dieser Bestimmung nicht hervorgekommen sind.
33 Der Mitbeteiligte vertritt in der Revisionsbeantwortung die Auffassung, seine Mittellosigkeit dürfe nicht zur Erlassung eines Einreiseverbotes führen. Nach der bisherigen Rechtsprechung sei nämlich "Mittellosigkeit eines auf Grundversorgungsleistung Anspruch habenden Fremden (...) nicht geeignet", ein Einreiseverbot zu rechtfertigen.
34 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass der Umstand, dass einem Fremden Grundversorgung gewährt wird, geradezu die Beurteilung bestätigt, dass der auf die Mittellosigkeit abstellende Tatbestand erfüllt ist (vgl. etwa VwGH 21.6.2012, 2011/23/0305; 23.10.2008, 2007/21/0245, jeweils mwN).
35 Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 FPG ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs. 2 FPG anzunehmen. Die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziert, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährdet (vgl. etwa VwGH 24.5.2018, Ra 2017/19/0311, Rn. 12 und 19, mwN).
36 Der Sache nach bezieht sich der Mitbeteiligte auf jene auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 2004, 2004/21/0083, zurückzuführende Rechtsprechung, in der darauf abgestellt wurde, dass § 36 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) der Behörde insofern Ermessen einräume, als diese ermächtigt werde, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes trotz Vorliegens der in den § 36 bis § 38 FrG normierten Tatbestandsvoraussetzungen abzusehen. Vor dem Hintergrund der fremden- und asylrechtlichen Bestimmungen und deren Zusammenhalt könne es nicht als rechtmäßig angesehen werden, wenn die Fremdenpolizeibehörde von ihrer Ermächtigung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 7 FrG gegen einen Asylwerber Gebrauch mache, dem andererseits mit Hilfe der Bundesbetreuung eine Grundversorgung in Österreich ermöglicht werde. In diesem Fall sei - so nicht andere Gründe als die Mittellosigkeit des Asylwerbers für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechen - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht als im Sinn des Gesetzes gelegen zu werten.
37 Diese Überlegungen waren aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf jene Fremden zu übertragen, deren Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ beendet war, die über keinen Aufenthaltstitel verfügten und gegen die aufenthaltsbeendende Maßnahmen zulässig waren; dies galt umso mehr, wenn ihnen bereits eine Ausreiseverpflichtung auferlegt worden war. In Bezug auf die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes wegen Mittellosigkeit unterscheide sich diese Situation nämlich nicht von der eines anderen unrechtmäßig aufhältigen Fremden, dem von der öffentlichen Hand Unterstützungsleistungen (wie etwa Sozialhilfe) gewährt werden. Unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung komme daher dem vormals durchgeführten Asylverfahren und der Art der Unterstützungsleistung in Form der Grundversorgung keine ausschlaggebende Bedeutung zu (vgl. VwGH 23.10.2008, 2007/21/0245).
38 Damit wird deutlich, dass diese Rechtsprechung maßgeblich darauf Bedacht nahm, dass nach der damaligen Rechtslage fremdenpolizeiliche und asylrechtliche Verfahren nebeneinander von unterschiedlichen Behörden zu führen waren. Diese Rechtslage ließ es zu, dass, obwohl das Asylverfahren noch nicht beendet war, die Fremdenpolizeibehörde gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot bzw. ab Inkrafttreten des FPG (in der jeweiligen letztlich bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) ein Rückkehrverbot erlassen werden konnte.
39 Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) wurde allerdings die Zuständigkeit für das Führen von Asylverfahren und von Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung bei einer einzigen Behörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, gebündelt. Die Regelungen betreffend das Rückkehrverbot gegen Asylwerber wurden aus verwaltungsökonomischen Gründen aufgehoben (vgl. die Erläuterungen zum FNG, die ausdrücklich diesen Zweck für die Aufhebung der diesbezüglichen Bestimmungen anführen, RV 1803 BlgNR 24. GP, 52 und 63), und - wenngleich in etlichen Bereichen aufbauend auf der davor geltenden Rechtslage - die Systematik der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen neu geregelt.
40 Nach dieser mit dem FNG geschaffenen Systematik der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung - und wie zu ergänzen ist: demnach auch die Erlassung eines Einreiseverbotes, die die Erlassung einer Rückkehrentscheidung voraussetzt (vgl. § 53 Abs. 1 erster Satz FPG: "Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden") - nicht zulässig, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen. Eine bereits von der Behörde erlassene, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 (der seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 145/2017, ebenfalls mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verbinden ist) ergangen ist (vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162).
41 Diese Neuordnung der Systematik bringt es mit sich, dass die auf das Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, 2004/21/0083, zurückzuführende Rechtsprechungslinie, auf die sich der Mitbeteiligte bezieht, für die aktuelle Rechtslage als nicht mehr maßgeblich angesehen werden kann. Anders als nach der früheren Rechtslage ist es nunmehr nämlich im Fall eines Antrages auf internationalen Schutz geradezu Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erlassung eines Einreiseverbotes, dass dem Antrag auf internationalen Schutz keine Folge gegeben (und infolgedessen eine Rückkehrentscheidung erlassen) wird. Die Behörde bzw. im Rahmen des Beschwerdeverfahrens das Bundesverwaltungsgericht hat sohin - gleich wie in jenem Fall, in dem das Verfahren über eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu einer Zeit begonnen wird, in dem das Asylverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist - jene Umstände festzustellen, auf die im Rahmen der Ermessensübung Bedacht zu nehmen ist, ohne dass davon auszugehen wäre, allein der Umstand, dass ein Fremder während des Asylverfahrens Leistungen aus der Grundversorgung beziehe, stehe im Rahmen der Ermessensübung der Erlassung eines auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützten Einreiseverbotes entgegen. Schon daraus erhellt aber, dass es andererseits - was hier ausdrücklich festzuhalten ist, um Missverständnisse zu vermeiden - nicht rechtens wäre, im Fall eines Asylwerbers, der Anspruch auf Grundversorgung hat und dessen Antrag auf internationalen Schutz keine Folge gegeben sowie gegen den eine Rückkehrentscheidung erlassen wird, ein allein auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gegründetes Einreiseverbot zu erlassen, ohne die dafür notwendige Einzelfallprüfung vorzunehmen (was im Übrigen nicht nur für die hier angesprochene Frage der Ermessensübung, sondern nach dem oben Gesagten insbesondere auch für die Beurteilung gilt, ob aufgrund des bisherigen (Fehl-)Verhaltens des Drittstaatsangehörigen davon auszugehen ist, dass durch seinen weiteren Aufenthalt eine maßgebliche Störung der in § 53 Abs. 2 FPG genannten öffentlichen Interessen zu gewärtigen ist).
42 Fallbezogen hat die Behörde ins Treffen geführt, der Mitbeteiligte komme seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und trachte, seinen Aufenthalt in Österreich mittels weiterer unberechtigter Asylbegehren zu verlängern. Erkennbar stellte die Behörde zudem darauf ab, dass der Mitbeteiligte mit seinem Verhalten auch darauf abziele, dass er infolge der wiederholten Antragstellung auf internationalen Schutz soziale Leistungen lukrieren wolle, auf die er ansonsten keinen Anspruch hätte, und dass demgemäß die Antragstellung missbräuchlich erfolgt sei. Das Bundesverwaltungsgericht wird sich sohin (auch) damit auseinanderzusetzen und Feststellungen zu treffen haben, um die Beurteilung zu ermöglichen, ob die Behörde vom ihr eingeräumten Ermessen in gesetzmäßiger Weise Gebrauch gemacht hat, bzw. um gegebenenfalls das in § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen von ihm selbst nach § 28 Abs. 3 VwGVG in einer dem Gesetz entsprechenden Weise üben zu können.
43 Sohin war das angefochtene Erkenntnis im angefochtenen Umfang, nämlich soweit das Einreiseverbot ersatzlos behoben wurde, wegen - vorrangig wahrzunehmender - inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 20. September 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018200349.L00Im RIS seit
16.10.2018Zuletzt aktualisiert am
06.02.2019