Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §59;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der KD, (geboren am 25. Juli 1955), in Wien, vertreten durch Dr. Gunther Gahleithner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. September 1999, Zl. SD 310/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. September 1999 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine polnische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin, die seit März 1995 über Aufenthaltstitel für Österreich verfüge, sei am 28. Jänner 1998 vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien wegen des versuchten Diebstahls zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Daraufhin sei sie von der erstinstanzlichen Behörde am 13. Juli 1998 ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie bei einem neuerlichen Verstoss gegen die österreichischen Rechtsvorschriften mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu rechnen hätte. Am 13. Oktober 1998 sei die Beschwerdeführerin wegen des Verdachtes des Betruges festgenommen und in weiterer Folge vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 10. Dezember 1998 wegen der Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung und des versuchten schweren Betruges als Beteiligte zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass sie am 14. Juli 1998 im Wachzimmer Juchgasse (gemeint: der erstinstanzlichen Behörde) eine fingierte Diebstahlsanzeige betreffend einen Pkw erstattet habe. Auf Grund dieses Tatbeitrages habe der Zulassungsbesitzer J. K. am 28. August 1998 unter Vorlage der inhaltlich unrichtigen Anzeigebestätigung versucht, ein Versicherungsunternehmen mit der Behauptung, der Pkw wäre in Wien gestohlen worden, zur Ausbezahlung einer Versicherungssumme von S 479.900,-- zu verleiten.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, bei genauem Studium des Urteils und der Protokolle zeigte sich, dass sie lediglich "hineingeschlittert", in untergeordneter Weise und teilweise aus Gutgläubigkeit und Naivität an der Tat beteiligt gewesen sowie durch schlechten Umgang und psychische Druckausübung dazu motiviert worden wäre, stehe entgegen, dass durch das rechtskräftige Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ihre volle Verantwortung für die Tat klargestellt sei.
Bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens der Beschwerdeführerin falle zusätzlich folgender Umstand zu ihren Ungunsten ins Gewicht: Nach der rechtskräftigen Verurteilung wegen des versuchten Diebstahls sei sie am 13. Juli 1998 von der erstinstanzlichen Behörde ausdrücklich davor gewarnt worden, die österreichischen Rechtsvorschriften zu missachten, und ihr mitgeteilt worden, im Fall der Nichteinhaltung der Rechtsvorschriften ihres Gastlandes mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechnen zu müssen. Auch das habe sie nicht davon abhalten können, nur einen Tag später, am 14. Juli 1998, die inkriminierte Tat zu setzen. Die Straftaten der Beschwerdeführerin zeigten eine krasse Geringschätzung fremden Eigentums, die eine positive "Zukunftsprognose" für sie nicht zulasse. Auf Grund ihres dokumentierten Fehlverhaltens und der dadurch bewirkten Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 37 und 38 FrG - gerechtfertigt.
Die Beschwerdeführerin sei seit März 1995 in Österreich rechtmäßig niedergelassen und seither in einem Wiener Pflegeheim als diplomierte Krankenschwester aufrecht beschäftigt. Sie lebe mit ihrem österreichischen Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei die gegen sie gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter - dringend geboten. Ihr bisheriges Verhalten habe gezeigt, dass sie offenbar nicht in der Lage oder Willens sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen einzuhalten. Eine "Zukunftsprognose" könne für die Beschwerdeführerin insofern nicht positiv ausfallen, zumal sie trotz Ermahnung durch die erstinstanzliche Behörde, die Rechtsvorschriften ihres Gastlandes einzuhalten, unverzüglich neuerlich straffällig geworden sei. Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen sie, insbesondere zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz der Rechte Dritter, sei daher im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.
Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 leg. cit. erforderlichen Interessenabwägung sei auf den noch nicht fünfjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei jedoch zu berücksichtigen gewesen, dass die daraus ableitbare Integration vermindert sei, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin nicht unerheblich beeinträchtigt werde. Diesen - solcherart geminderten - privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes für die Beschwerdeführerin wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände vorlägen, habe die belangte Behörde auch keinen Grund gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen, zumal das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sie sich rührend der Altenpflege widme, keine Entschuldigung dafür sein könne, die Strafgesetze ihres Gastlandes zu missachten.
Die von der belangten Behörde vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes sei gerechtfertigt, weil angesichts des dargestellten Gesamtfehlverhaltens der Beschwerdeführerin ein Wegfall des für die Erlassung dieser Maßnahme maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen dieses Zeitraumes angenommen werden könne.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Gegen diese Beurteilung bestehen im Hinblick auf die unbestrittenen Feststellungen zu den beiden rechtskräftigen Verurteilungen der Beschwerdeführerin, denen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Straftaten zugrunde liegen, keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerdeführerin vertritt indes die Meinung, die belangte Behörde sei ohne zureichende Begründung zum Schluss gekommen, dass diese Straftaten eine krasse Geringschätzung fremden Eigentums zeigten und diese eine positive "Zukunftsprognose" nicht zulasse. So habe sich die belangte Behörde nicht damit auseinander gesetzt, dass die erste Verurteilung der Beschwerdeführerin lediglich wegen des versuchten Diebstahls von Tierfutter und Waschmitteln im Wert von ca. S 160,-- sowie Kosmetika im Wert von knapp S 30,-- erfolgt sei. Hinsichtlich der zweiten Verurteilung hätte die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin eingehen müssen, wonach sie lediglich in untergeordneter Weise und teilweise aus Gutgläubigkeit und Naivität an der Tat beteiligt gewesen sowie durch einen schlechten Umgang und heftige psychische Druckausübung zur Tat motiviert worden sei. Auch hätte die belangte Behörde darauf eingehen müssen, ob die Beschwerdeführerin irgendeinen Vorteil aus dieser Straftat gezogen oder zu ziehen beabsichtigt habe.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Obwohl die Beschwerdeführerin bereits einmal wegen einer strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen - wenn auch nur zu einer Geldstrafe - rechtskräftig verurteilt und - unbestrittenermaßen - am 13. Juli 1998 fremdenpolizeilich darauf hingewiesen worden war, dass sie bei einem neuerlichen Rechtsbruch mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme rechnen müsse, konnte sie dies nicht davon abhalten, nur einen Tag nach dieser Ermahnung an einem versuchten schweren Betrug mitzuwirken und dadurch in einschlägiger Weise neuerlich straffällig zu werden. Dem Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin habe an dieser Straftat nur aus Naivität, durch heftigen Druck veranlasst und in untergeordneter Weise teilgenommen und es wäre zu erörtern gewesen, ob sie irgendeinen Vorteil aus dieser Straftat zu ziehen beabsichtigt habe, ist zu entgegnen, dass mit ihrer rechtskräftigen Verurteilung vom 10. Dezember 1998 die Tatbestandsmäßigkeit ihres Verhaltens im Sinn des StGB, somit (u.a.) ihr Handeln mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung unrechtmäßig zu bereichern, bindend feststeht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 99/18/0022).
In Anbetracht des gesamten Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründe und somit die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei, keinem Einwand.
3.1. Weiters bekämpft die Beschwerde die Interessenabwägung der belangten Behörde im Grunde des § 37 FrG und macht geltend, dass die Beschwerdeführerin an ihrem Arbeitsplatz (in einem Wiener Pflegeheim) dringend benötigt werde, zahlreiche betagte Menschen in diesem Heim völlig auf die Pflege durch sie und den Umgang mit ihr fixiert seien und sie beabsichtige, mit ihrem österreichischen Lebensgefährten die Ehe zu schließen.
3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Die belangte Behörde hat im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin seit März 1995 in Österreich rechtmäßig niedergelassen und seither in einem Wiener Pflegeheim als diplomierte Krankenschwester aufrecht beschäftigt ist sowie mit ihrem österreichischen Lebensgefährten im gemeinsamen Haushalt lebt, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privatleben iS des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Wenn sie - unter gebührender Beachtung dieser persönlichen Interessen - die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter für so gewichtig erachtet hat, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, so ist dieser Beurteilung beizupflichten, manifestiert sich doch darin, dass die Beschwerdeführerin nach ihrer ersten strafgerichtlichen Verurteilung in verhältnismäßig kurzer Zeit in einschlägiger Weise rückfällig wurde und erneut eine strafbare Handlung gegen fremdes Vermögen beging, die von ihr ausgehende Gefahr für das Vermögen anderer und ihre mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten.
Im Lichte dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Abwägung als unbedenklich. Wenngleich - mit der Behörde - die für den Verbleib der Beschwerdeführerin in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, kommt ihnen doch kein größeres Gewicht zu als dem durch ihr Fehlverhalten nachhaltig gefährdeten Allgemeininteresse. Dabei war zu berücksichtigen, dass die aus ihrem Aufenthalt und ihrer Beschäftigung resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das besagte Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt wurde.
4. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen ist dem weiteren Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe sich insbesondere nicht mit dem Berufungsvorbringen hinsichtlich der beiden Verurteilungen der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt und ein unzureichendes Ermittlungsverfahren geführt, der Boden entzogen. Ebenso kann keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid eine Scheinbegründung enthalte, ist doch klar zu erkennen, welchen Sachverhalt die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegt und wie sie diesen rechtlich beurteilt hat. Entgegen der Beschwerde ist auch kein wesentlicher Verfahrensmangel darin gelegen, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides die für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Bestimmung des § 39 FrG nicht angeführt ist, weil mit Rücksicht auf die Eindeutigkeit des Gegenstandes des Bescheides kein Zweifel darüber bestehen kann, dass die genannte Bestimmung die Grundlage für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gebildet hat (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 59 AVG E 214 zitierte hg. Judikatur).
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 15. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999180372.X00Im RIS seit
20.11.2000