Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag WienNorm
AVG §8Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. A A, 2. M R, 3. Mag. Y Y F, 4. D F und 5. Dkfm. E P, alle in W, alle vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. November 2017, Zlen. VGW-111/V/077/540/2017-4, VGW-111/V/077/545/2017, VGW-111/V/077/541/2017, VGW-111/V/077/546/2017, VGW-111/V/077/542/2017, VGW-111/V/077/547/2017, VGW-111/V/077/543/2017, VGW-111/V/077/548/2017, VGW-111/V/077/544/2017 und VGW-111/V/077/549/2017, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörden vor dem Verwaltungsgericht: 1. Magistrat der Stadt Wien, 2. Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk; weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. T S und 2. Mag. K L, beide in W, beide vertreten durch die Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die im angefochtenen Erkenntnis ausgesprochene Abweisung der Beschwerden gegen den Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk vom 5. September 2016 richtet, zurückgewiesen;
2. zu Recht erkannt:
Im Übrigen (Abweisung der Beschwerden gegen den Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 22. November 2016) wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Revisionswerbern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 15. Oktober 2014 stellten die mitbeteiligten Parteien den verfahrenseinleitenden Bauantrag, betreffend vor allem den Ausbau des Dachgeschoßes des Gebäudes auf dem Grundstück G-Gasse 34 für Wohnzwecke.
2 Die Revisionswerber sind (Mit-)Eigentümer der unmittelbar an die Bauliegenschaft angrenzenden Liegenschaften mit den Anschriften G-Gasse 32, G-Gasse 36 bzw. F-Straße 43. Die Revisionswerber (bzw. der Rechtsvorgänger der dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien) erhoben im Rahmen der mündlichen Bauverhandlung am 25. März 2015 Einwendungen, soweit noch revisionsrelevant vor allem in Bezug auf die Nichteinhaltung der zulässigen Gebäudehöhe.
3 Mit Eingabe vom 7. September 2015 übermittelten die mitbeteiligten Parteien einen geänderten Einreichplan.
4 Am 14. Dezember 2015 wurde eine weitere mündliche Bauverhandlung durchgeführt, in der von den Revisionswerbern (bzw. dem Rechtsvorgänger der dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien) wiederum Einwendungen betreffend die Gebäudehöhe erhoben wurden.
5 Mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk (im Folgenden: Bauausschuss) vom 5. September 2016 wurde gemäß § 69 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) für das Bauvorhaben eine Abweichung von den Vorschriften des Bebauungsplanes für zulässig erklärt: Die Dachneigung dürfe durch die Ausbildung einer Dachterrasse weniger als 35 Grad betragen.
6 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 22. November 2016 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt. Das Bauvorhaben wurde im Spruch dahingehend beschrieben, dass nach Abtragen der bestehenden Dachkonstruktion und nach Durchführung statischer Kompensationsmaßnahmen sowie Ansteilen eines Teiles des Daches auf 45 Grad ein zweigeschossiger Dachgeschoßzubau zur Schaffung einer Wohnung Top Nr. 4 und in Verbindung damit eine straßenseitige Gaube und eine gartenseitige Dachterrasse errichtet würden, wobei im 2. Dachgeschoß ausschließlich ein Abstellraum geschaffen werde. Im Keller würden durch Änderungen der Raumwidmungen und Raumeinteilungen Einlagerungsräume für sämtliche Wohnungen geschaffen. Im 2. Stock werde durch bauliche Änderungen der Wohnungseingang zu Top Nr. 3 versetzt und ein Wohnungseingang für die neue Wohnung Top Nr. 4 geschaffen. An der südseitigen Fassade werde ein Rauchfangkehreraufstieg hergestellt.
7 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass - unter Anwendung des Art. V Abs. 6 BO - durch Aufklappung des Daches unter Beibehaltung der bestehenden Gebäudehöhe ein Dachgeschoßzubau errichtet werde. Die bestehende Gebäudehöhe betrage 77,65 m über Wiener Null (ü.WN); ausgehend von dieser Bestandshöhe werde an der Ost- und Westseite des Gebäudes ein auf 45 Grad angesteiltes Dach errichtet. An der Nord- und Südseite betrage die Neigung der den Baukörper nach außen begrenzenden Konstruktion mehr als 45 Grad. Auf Grund des § 81 Abs. 2 BO, wonach Giebelflächen bis 50 m² bzw. je Gebäude bis 100 m² außer Betracht blieben, widerspreche die Ausbildung dieser geneigten Flächen (anstelle senkrechter Giebelflächen) nicht den Vorgaben der BO.
8 Nach den Bestimmungen des Plandokumentes Nr. 7569 dürfe der höchste Punkt der im Bauland zur Errichtung gelangenden Dächer nicht höher als 4,5 m über der ausgeführten Gebäudehöhe liegen. Im gegenständlichen Projekt liege der höchste Punkt des Daches auf einer Höhe von 82,15 m ü.WN und somit 4,5 m über der derzeit ausgeführten Gebäudehöhe von 77,65 m ü.WN. Im Plan zur Erbauung des Wohnhauses vom 25. Juli 1903 sei die Gebäudehöhe mit 14,55 m angegeben. Im verfahrensgegenständlichen Einreichplan variiere die Gebäudehöhe bezogen auf das - nunmehr vorhandene - anschließende Gelände zwischen 14,45 und 14,74 m. Da die Geschoßhöhen laut Einreichplan exakt mit dem Konsens der Erbauung übereinstimmten und das Gebäude im Dachbereich seit seiner Erbauung augenscheinlich nicht mehr verändert worden sei, sei davon auszugehen, dass die Gebäudehöhe im Einreichplan korrekt angegeben sei.
9 Gegen diesen Bescheid erhoben sämtliche Revisionswerber Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht Wien.
10 Das Verwaltungsgericht holte das bautechnische Gutachten des Dipl.-Ing. W vom 28. April 2017 ein. Darin wurde, soweit noch revisionsrelevant, im Wesentlichen ausgeführt, dass für die gegenständliche Liegenschaft im Bebauungsplan die Bauklasse II festgelegt sei, wobei die Gebäudehöhe maximal 10,5 m betragen dürfe. Des Weiteren dürften der höchste Punkt der im Bauland zur Errichtung gelangenden Dächer nicht höher als 4,5 m über der ausgeführten Gebäudehöhe liegen sowie die Dächer eine Dachneigung von 35 Grad nicht unter- bzw. 50 Grad nicht überschreiten.
11 Die im Bebauungsplan festgelegte Gebäudehöhe sei nicht maßgebend, weil es zu keiner Erhöhung des Bestandsgebäudes komme, sondern lediglich zu einer Erhöhung der Dachneigung. Es werde zwar die Dachkonstruktion entfernt, jedoch die bestehende konsensgemäße Gebäudehöhe nicht verändert. Das neue Dach sei als „fiktives Satteldach“ anzusehen, wobei die Dachflächen an der Ost- und Westseite unter 45 Grad angesetzt würden; die Gebäudeseiten an der Nord- und Südseite seien als Giebelflächen, welche unter 26 Grad zur Gebäudeinnenseite geneigt seien, angesetzt. Die Giebelflächen hielten das Flächenausmaß von maximal 50 m² ein. Die ausgeführte bestehende Gebäudehöhe sei in den Plänen mit 77,65 m ü.WN eingetragen; in Anbetracht der maximalen Firsthöhe von 4,5 m dürfe der höchste Punkt des Daches die Kote 82,15 m ü.WN nicht überschreiten. Dies werde eingehalten.
12 Hierzu gaben die Zweit- bis Fünftrevisionswerber mit Schriftsatz vom 12. Juni 2017 eine Stellungnahme ab. Sie führten im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Entfernung des Daches nicht von einer „bestehenden“ Gebäudehöhe gesprochen werden könne. Ferner sei die bestehende Gebäudehöhe mit 77,495 m ü.WN anzusetzen und nicht mit 77,65 m ü.WN. Im Übrigen sei es nicht Zweck des Art. V Abs. 6 BO, eine „vollkommen neue Veränderung“ der Lage und Form des Gebäudeumrisses, etwa durch Errichtung neuer Giebel und Gauben zu legitimieren. Das Bauvorhaben ziele nicht auf die Aufklappung des Daches, sondern auf den Abriss der bestehenden Konstruktion sowie die völlige Neuerrichtung des gesamten Dachgeschoßes, ab. Dies sei nicht zulässig.
13 Die Erstrevisionswerberin legte ein Gutachten des Dipl.-Ing. S vom 8. Juni 2017 vor. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Änderungen in Bezug auf den bestehenden Konsens gemäß Art. V Abs. 6 BO explizit auf eine Erhöhung der Dachneigung beschränkt seien. Eine Veränderung der Lage und Form des zulässigen Umrisses selbst werde damit nicht legitimiert. Giebelflächen müssten in den aktuellen Bebauungsbestimmungen Deckung finden, was hier nicht gegeben sei.
14 Nach weiteren Stellungnahmen des Dipl.-Ing. W und der revisionswerbenden Parteien sowie einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen.
15 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den um 74 Grad geneigten Dachflächen um Giebelflächen handle. Der Bestimmung des Bebauungsplanes, wonach Dächer eine Neigung von 35 Grad nicht unter- bzw. 50 Grad nicht übersteigen dürften, könne nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass Giebelflächen ausgeschlossen seien. Auch müssten Giebelflächen nicht immer senkrecht sein, sondern könnten auch geneigt ausgeführt werden. Ferner werde durch das Vorhaben die bestehende Gebäudehöhe nicht erhöht. Das Bauvorhaben finde in der Bestimmung des Art. V Abs. 6 BO Deckung. Es bezwecke die Errichtung von Wohnungen. Die Dachneigungen würden innerhalb des gemäß § 81 BO zulässigen Umrisses erhöht. Die Möglichkeit, Giebelflächen zu schaffen, habe bereits unabhängig von der „Schaffung“ des Art. V Abs. 6 BO bestanden. Es würde den Zweck von Art. V Abs. 6 BO (nachträgliche Schaffung von Wohnraum durch Dachgeschoßausbau) in sein Gegenteil verkehren, würde man bestehende Rechte, Giebel auszugestalten, einschränken. Die kumulative Ausnutzung der Möglichkeiten von Art. V Abs. 6 BO einerseits sowie der Ausgestaltung von Giebelflächen andererseits sei daher zulässig.
16 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
17 Die mitbeteiligten Parteien sowie die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung und beantragten, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden unter einem sowohl die Beschwerden gegen den Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 22. November 2016 als auch die Beschwerden gegen den Bescheid des Bauausschusses vom 5. September 2016, mit welchem eine Abweichung vom Bebauungsplan für zulässig erklärt wurde, abgewiesen.
Zu Spruchpunkt 1.:
19 Soweit sich die Revision gegen die im Erkenntnis ausgesprochene Abweisung der Beschwerden gegen den Bescheid des Bauausschusses vom 5. September 2016 richtet, erweist sie sich als unzulässig:
20 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
21 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
22 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
23 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird ausschließlich vorgebracht, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. V Abs. 6 BO fehle. Dieser Umstand bildet jedoch von vornherein keine im Zusammenhang mit der Bewilligung von Abweichungen vom Bebauungsplan gemäß § 69 BO relevante Rechtsfrage.
24 Insoweit war die Revision daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Zu Spruchpunkt 2.:
25 Soweit sich die Revision gegen die im angefochtenen Erkenntnis ausgesprochene Abweisung der Beschwerden gegen den Baubewilligungsbescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 22. November 2016 richtet, ist sie in Anbetracht der Frage der Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Baumaßnahmen auf Grund des Art. V Abs. 6 BO zulässig.
26 In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, dass Art. V Abs. 6 BO keine Bauführungen umfasse, die die komplette Abtragung und anschließende Neuerrichtung des Daches zum Gegenstand hätten, und es - in Anbetracht des derzeitigen „allseits mit geneigten Dachflächen ausgebildeten Dachkörpers“ - nach der genannten Bestimmung nicht zulässig sei, Giebel und Gauben zusätzlich auszubilden.
27 Art. V Abs. 6 BO in der Fassung der Bauordnungsnovelle 2014, LGBl. Nr. 25, lautet:
„(6) Bei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bauordnungsnovelle 2014 bereits bestehenden Gebäuden sind, soweit städtebauliche Rücksichten nicht entgegenstehen, Bauführungen zur Schaffung oder Erweiterung eines Dachraumes für die Errichtung von Wohnungen durch Erhöhung der Dachneigung bis zum Erreichen des Gebäudeumrisses gemäß § 81 Abs. 4 auch dann zulässig, wenn dadurch die zulässige Gebäudehöhe, Bestimmungen des Bebauungsplanes über die gärtnerische Ausgestaltung der Grundfläche oder Baufluchtlinien nicht eingehalten werden; die bestehende Gebäudehöhe darf durch solche Bauführungen unbeschadet des Abs. 5 nicht überschritten werden.“
28 § 81 BO in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lautet auszugsweise:
„Gebäudehöhe und Gebäudeumrisse; Bemessung
§ 81. (1) Bei Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie gilt bis zu einer Gebäudetiefe von 15 m als Gebäudehöhe der lotrechte Abstand von der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche bis zur obersten Schnittlinie der zulässigen Außenwandfläche der Straßenfront ohne Berücksichtigung vorspringender Gebäudeteile wie Gesimse, Erker und dergleichen mit der Oberfläche des Daches; nichtraumbildende Gebäudeteile und raumbildende Dachaufbauten gemäß Abs. 6 bleiben dabei außer Betracht. Giebelflächen zählen bei dieser Ermittlung mit; sind sie nicht zur Straßenfront gerichtet, bleiben jedoch je einzelner Giebelfläche höchstens 50 m2, je Gebäude höchstens 100 m2 außer Betracht. In diesen Fällen ist auch innerhalb einer Gebäudetiefe von 15 m für die Ermittlung der Gebäudehöhe die Giebelfläche gemäß Abs. 2 zu berücksichtigen. Weiters darf die zulässige Gebäudehöhe um höchstens 1,50 m überschritten werden, wenn diese Überschreitung innerhalb derselben Front flächenmäßig ausgeglichen wird; § 75 Abs. 4 ist einzuhalten. Dasselbe gilt für Gebäude an Verkehrsflächen, deren festgesetzte Höhenlage an der Gebäudefront nicht einheitlich ist. Der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.
(2) Bei den über eine Gebäudetiefe von 15 m hinausragenden Teilen von Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie sowie bei allen nicht an diesen Fluchtlinien gelegenen Gebäuden darf die Summe der Flächeninhalte aller Gebäudefronten nicht größer als das Produkt aus der Summe der Längen aller Gebäudefronten und der höchsten zulässigen Gebäudehöhe sein. Hierbei darf die höchste zulässige Gebäudehöhe an nicht an Verkehrsflächen liegenden Grundgrenzen und bis zu einem Abstand von 3 m von diesen Grundgrenzen überhaupt nicht und an den übrigen Fronten an keiner Stelle um mehr als 3 m überschritten werden; im Gartensiedlungsgebiet tritt an die Stelle dieser Maße jeweils ein Maß von 2 m. Bei dieser Ermittlung sind die Wände an der Bauplatz- oder Baulosgrenze (Feuermauern) ab 15 m hinter der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie wie Fronten in Rechnung zu stellen. Giebelflächen zählen bei dieser Ermittlung mit, jedoch bleiben je einzelner Giebelfläche höchstens 50 m2, je Gebäude höchstens 100 m2 außer Betracht. Der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.
(3) Ist im Bebauungsplan die Gebäudehöhe als absolute Höhe über Wiener Null festgesetzt, darf keine oberste Schnittlinie einer Außenwandfläche mit der Oberfläche des Daches über dieser absoluten Höhe liegen. Giebelflächen zählen bei dieser Ermittlung mit, jedoch bleiben je einzelner Giebelfläche höchstens 50 m2, je Gebäude höchstens 100 m2 außer Betracht. Der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nicht anderes bestimmt.
(4) Durch das Gebäude darf jener Umriss nicht überschritten werden, der sich daraus ergibt, dass in dem nach Abs. 1 bis 3 für die Bemessung der Gebäudehöhe maßgeblichen oberen Anschluss der Gebäudefront ein Winkel von 45°, im Gartensiedlungsgebiet von 25°, von der Waagrechten gegen das Gebäudeinnere ansteigend, angesetzt wird. Dies gilt auch für den Fall, dass im Bebauungsplan eine besondere Bestimmung über die Höhe der Dächer festgesetzt ist. Ist im Bebauungsplan eine besondere Bestimmung über die Neigung der Dächer festgesetzt, ist der dieser Festsetzung entsprechende Winkel für die Bildung des Gebäudeumrisses maßgebend.
...“
29 § 134a BO in der Fassung LGBl. Nr. 25/2014 lautet auszugsweise:
„Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte
§ 134 a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
...
b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
...“
30 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 23. Jänner 2018, Ra 2017/05/0210, ausgeführt hat, kommt den Nachbarn gemäß § 134a Abs. 1 BO ein Recht zu, dass alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des Art. V Abs. 6 BO erfüllt sind. Hierzu kann im Näheren gemäß § 43 Abs. 2 2. Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
31 Die Bestimmung des Art. V Abs. 6 BO hat „Bauführungen“ mit dem Zweck der Errichtung von Wohnungen zum Gegenstand. Der auf „Bauführungen“ abstellende Gesetzeswortlaut enthält keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Art oder des Umfanges der beabsichtigten baulichen Maßnahmen. Es ist daher nach Art. V Abs. 6 BO zulässig, das bestehende Dach abzutragen und in weiterer Folge den Dachbereich neu zu errichten (vgl. hingegen Art. V Abs. 5 BO, der nach seinem Wortlaut ausschließlich die Anhebung der Dachhaut zum Gegenstand hat; siehe hierzu das bereits angesprochene Erkenntnis vom 23.1.2018).
32 Gemäß Art. V Abs. 6 BO darf die Dachneigung bis zum Erreichen des Gebäudeumrisses nach § 81 Abs. 4 BO erhöht werden. Zu letzterer Bestimmung spricht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus, dass eine Verletzung von Nachbarrechten dann nicht eintreten kann, wenn nur der maximal zulässige Umriss (oder weniger) verbaut wird (vgl. VwGH 22.9.1998, 95/05/0068, VwSlg 14975 A; siehe ferner VwGH 18.3.2013, 2010/05/0070, mwN; VwGH 29.1.2013, 2012/05/0160, mwN).
33 Entgegen dem Revisionsvorbringen kann sich aus dem bloßen Umstand, dass die neue Dachkonstruktion eine andere Form als das alte Dach aufweist, keine Rechtswidrigkeit ergeben. Sofern sich nämlich die neue Dachkonstruktion innerhalb jenes Bereiches befindet, der sich durch die „Ansteilung“ des alten Daches innerhalb des zulässigen Ausmaßes ergibt, kann eine Verletzung von Rechten der Nachbarn nicht erfolgen.
34 Soweit im Übrigen das Vorbringen der Revisionswerber auf das Erscheinungsbild des Gebäudes bzw. die Erhaltung des Stadtbildes abzielen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass Nachbarn im Baubewilligungsverfahren diesbezüglich kein Mitspracherecht zukommt (vgl. etwa VwGH 29.9.2015, 2013/05/0171, mwN; VwGH 29.3.2017, Ra 2017/05/0036).
35 In Bezug auf die monierten Giebelflächen erweist sich die Revision jedoch als berechtigt:
36 Bei Art. V Abs. 6 BO handelt es sich um eine Ausnahmebestimmung, die im Zweifel restriktiv auszulegen ist (vgl. das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 23.1.2018); dies eben in Anbetracht des Umstandes, dass mit Art. V Abs. 6 BO Bauführungen ermöglicht werden sollen, die ansonsten auf Grundlage der aktuell geltenden baurechtlichen Bestimmungen nicht zulässig wären.
37 Art. V Abs. 6 BO erlaubt ausdrücklich nur eine „Erhöhung der Dachneigung“ und beschränkt diese (und damit die zulässige Erweiterung des Dachbereiches) insofern, als deren Ausmaß durch den Verweis auf § 81 Abs. 4 BO mit 45 Grad bzw. mit der im Bebauungsplan festgelegten Dachneigung begrenzt wird.
38 Vor dem Hintergrund der gebotenen restriktiven Interpretation der gegenständlichen Ausnahmebestimmung kann es keinen Unterschied machen, ob eine Dachfläche, deren Neigung erhöht werden soll, auch in Hinkunft eine „Dachfläche“ bildet oder dann eine „Giebelfläche“ darstellt. Mit anderen Worten darf durch die Ansteilung gemäß Art. V Abs. 6 BO in keinem Fall eine Vergrößerung eines gegebenen Dachwinkels über das nach Art. V Abs. 6 iVm § 81 Abs. 4 BO zulässige Ausmaß stattfinden. Nur dort, wo bereits ein größerer Winkel rechtmäßig vorhanden ist (etwa bei Giebelflächen), darf dieser auch bestehen bleiben (siehe allgemein zur Ausführung von Giebelflächen VwGH 25.9.2012, 2010/05/0142; vgl. auch die in Rz 33 zitierte hg. Rechtsprechung).
39 Die gemäß Art. V Abs. 6 in Verbindung mit § 81 Abs. 4 BO vorgesehene Limitierung der Dachneigung ist daher für all jene Seiten des Dachbereiches maßgeblich, bei denen es zu einer Erhöhung der bisher bestehenden Dachneigung kommt. Eine Ansteilung auf 74 Grad ist daher im vorliegenden Fall jedenfalls unzulässig.
40 Abschließend wird im Hinblick auf die Aktenlage und das Revisionsvorbringen bemerkt, dass - wovon offenbar auch das Verwaltungsgericht ausgegangen ist - als „bestehende Gebäudehöhe“ im Sinne des Art. V Abs. 6 BO angesichts des Verweises auf § 81 Abs. 4 BO der bestehende „obere Anschluss der Gebäudefront“ anzusehen ist.
41 Das angefochtene Erkenntnis war aus den oben genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
42 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 25. September 2018
Schlagworte
Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Gebäudehöhe BauRallg5/1/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050025.L00Im RIS seit
14.06.2021Zuletzt aktualisiert am
14.06.2021