Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. F*****, vertreten durch Dr. Burghard Seyr, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeits-pension, über den (richtig:) Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als (richtig:) Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Mai 2018, GZ 25 Rs 27/18h-24, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Innsbruck mit dem Auftrag zurückgestellt, den Beschluss vom 30. Mai 2018, GZ 10 Rs 27/18h-24, durch den kurz zu begründenden Ausspruch zu ergänzen, ob der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig ist oder nicht.
Text
Begründung:
Der vor dem 1. 1. 1964 geborene Kläger beantragte am 24. 7. 2017 bei der beklagten Pensionsversicherungsanstalt die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension, wobei er hervorhob, dass der Antrag vorrangig auf Zuerkennung von Leistungen der Rehabilitation (inklusive Rehabilitationsgeld) gelte.
Mit Bescheid vom 28. 8. 2017 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension vom 24. 7. 2017 ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei.
Mit seiner fristgerecht gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension sowie von Übergangsgeld bzw Rehabilitationsgeld.
Die Beklagte wandte dagegen ein, dass die Wartezeit nicht erfüllt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Urteil ab. Mangels Erfüllung der Wartezeit habe der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Pension und daher auch keinen Anspruch auf berufliche Rehabilitation gemäß § 253e ASVG aF.
Die „Abweisung“ des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs auf Übergangsgeld begründete das Erstgericht damit, dass dieser Anspruch von der Antragsfiktion des § 361 Abs 1 letzter Satz ASVG nicht erfasst werde. Mangels Bescheids sei der Rechtsweg für diesen Anspruch unzulässig.
Das Berufungsgericht verwarf mit dem angefochtenen Beschluss die vom Kläger gegen die Entscheidung des Erstgerichts erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und unterbrach in der Hauptsache das Verfahren über die Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension, und von Leistungen aus dem Titel der medizinischen Rehabilitation, weil die Frage der Erfüllung der Wartezeit in einem noch anhängigen Verfahren des Klägers gemäß § 247 Abs 1 ASVG geprüft werde.
Im Umfang des Anspruchs auf Übergangsgeld gab das Berufungsgericht der „Berufung“ des Klägers mit der Maßgabe nicht Folge, dass es das Klagebegehren auf Zuerkennung eines Übergangsgeldes zurückwies. Der Rechtsweg für die Geltendmachung dieses Anspruchs sei unzulässig, weil der Kläger entgegen seinen Angaben keinen Antrag auf Zuerkennung von Übergangsgeld gestellt habe, sodass dieser Anspruch auch nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 28. 8. 2017 gewesen sei. Das Berufungsgericht sprach aus, dass gegen seine Entscheidung im Umfang der Zurückweisung des Begehrens auf Übergangsgeld der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig sei, weil es das Begehren des Klägers auf Zuerkennung von Übergangsgeld ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen habe.
Gegen die Zurückweisung seines Begehrens auf Übergangsgeld durch den angefochtenen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der als Rekurs bezeichnete Revisionsrekurs des Klägers, mit dem er eine inhaltliche Entscheidung über seinen Anspruch auf Übergangsgeld anstrebt. Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, dass er am 24. 7. 2017 auch einen Antrag auf Übergangsgeld gestellt habe. Er legt ein Beiblatt zu seinem Antrag vom 24. 7. 2017 vor, wonach er einen „Antrag auf Gewährung der Rehabilitation gemäß §§ 270a, 253e ASVG, auf sofortige Krankenversicherung sowie Rehabilitations- und Übergangsgeld im gesetzlichen Ausmaß“ gestellt habe.
Rechtliche Beurteilung
Über das Rechtsmittel des Klägers kann derzeit noch nicht entschieden werden.
1.1 Das Vergreifen in der Entscheidungsform beeinflusst weder die Zulässigkeit noch die Behandlung des Rechtsmittels (RIS-Justiz RS0036324). Dies gilt namentlich auch für den vorliegenden Fall der fälschlichen Abweisung eines Klagebegehrens mit Urteil, welches richtigerweise mit Beschluss hätte zurückgewiesen werden müssen (7 Ob 64/18i mwH). Die Entscheidung des Erstgerichts über den Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld ist ungeachtet der Bezeichnung als „Urteil“ ein Beschluss, mit dem das Erstgericht die Klage in diesem Umfang mangels Zulässigkeit des Rechtswegs teilweise (richtig:) zurückwies.
1.2 Vom Vorliegen eines Beschlusses in diesem Umfang ging auch das Berufungsgericht aus. Entgegen seiner Rechtsansicht war dieser Beschluss jedoch nicht mit Berufung bekämpfbar. Die Bekämpfung eines über eine Prozesseinrede – oder über die von Amts wegen aufgeworfene Frage des Fehlens einer Prozessvoraussetzung (§ 261 Abs 5 ZPO) – gefassten, aber in die Entscheidung über die Hauptsache aufgenommenen Beschlusses (§ 261 Abs 1 Satz 2 ZPO, G. Kodek in Fasching/Konecny III/1³ § 261 ZPO Rz 52) ist nur unter den Voraussetzungen des § 261 ZPO möglich. Diese liegen hier allerdings nicht vor: Denn weder hat die Beklagte die Prozesseinrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs im Umfang des Klagebegehrens auf Zuerkennung von Übergangsgeld erhoben (§ 261 Abs 3 ZPO), noch hat das Erstgericht dieses Prozesshindernis mit den Parteien erörtert, sodass auch die von § 261 Abs 5 ZPO geforderten kumulativen Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 261 Abs 1 bis 4 ZPO – die amtswegige Prüfung des Prozesshindernisses und seine Erörterung mit den Parteien – nicht vorliegen (G. Kodek in Fasching/Konecny § 261 Rz 93). Abweichend von den Regelungen der ZPO ist im Verfahren in Sozialrechtssachen die Klage bei Fehlen einer der in den §§ 67 bis 70 und 72 Z 2 lit d ASGG genannten Prozessvoraussetzungen mangels Zulässigkeit des Rechtswegs in jeder Lage des Verfahrens gemäß § 73 ASGG von Amts wegen – mit Beschluss – zurückzuweisen.
1.3 Im Umfang der Bekämpfung der (richtig:) Zurückweisung des Klagebegehrens auf Zuerkennung von Übergangsgeld war die „Berufung“ des Klägers daher als Rekurs anzusehen. Die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels hindert nicht seine Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RIS-Justiz RS0036258). Da der Rekurs in einem Schriftsatz mit der Berufung innerhalb der für die Berufung zur Verfügung stehenden Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, ist er rechtzeitig gewesen (RIS-Justiz RS0041696).
1.4 Das (richtig:) Rekursgericht hat mit seiner „Maßgabebestätigung“ inhaltlich die Entscheidung des Erstgerichts, die Klage im Umfang des Begehrens auf Zuerkennung von Übergangsgeld zurückzuweisen, bestätigt. Ungeachtet der von ihm gewählten Bezeichnung als „Berufungsgericht“ und des sprachlichen Ausdrucks der „Maßgabebestätigung“ hat es daher dem Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Erstgerichts im Umfang der Zurückweisung des Klagebegehrens auf Zuerkennung von Übergangsgeld mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge gegeben.
2.1 Die Anfechtbarkeit einer Entscheidung richtet sich ungeachtet des Vergreifens in der Entscheidungsform und des sprachlichen Ausdrucks immer nach der gebotenen Entscheidungsform (Zechner in Fasching/Konecny IV/1² § 528 Rz 124). Wurde – wie hier: teilweise – eine Klage aus formellen Gründen ohne Sachentscheidung zurückgewiesen, dann ist der diese Zurückweisung bestätigende Beschluss des Rekursgerichts nicht mit Rekurs, sondern gemäß § 528 ZPO mit Revisionsrekurs anfechtbar. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht jedenfalls unzulässig, vielmehr hängt seine Zulässigkeit vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO ab (vgl RIS-Justiz RS0044535).
2.2 Im vorliegenden Fall einer Rechtsstreitigkeit gemäß § 502 Abs 5 Z 4 ZPO kann gemäß § 528 Abs 3 iVm § 505 Abs 4 ZPO ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden. Richtigerweise hätte daher das Rekursgericht gemäß § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO aussprechen müssen, ob der Revisionsrekurs wegen Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zulässig ist oder nicht (Zechner in Fasching/Konecny IV/1² § 528 Rz 13). Das Rekursgericht wird diesen Ausspruch im Weg der Entscheidungsberichtigung (§§ 430, 419 ZPO) nachzutragen haben (RIS-Justiz RS0002488 ua; vgl OGH 14. 11. 2017, 10 ObS 138/17t mwN).
2.3 Sollte das Rekursgericht aussprechen, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig ist, wird dem Kläger Gelegenheit zu geben sein, sein Rechtsmittel durch die Gründe, warum entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts der Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird, zu ergänzen.
Textnummer
E122907European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00087.18V.0913.000Im RIS seit
17.10.2018Zuletzt aktualisiert am
04.07.2019