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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §696;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der Mag. D, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 17. November 1998, Zl. ZP/1240/98, betreffend Beitrag für Zusatzpension, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Die Rechtsanwaltskammer Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 24. Februar 1998 wurde der Beschwerdeführerin der Beitrag für die "Zusatzpension neu, Versorgungseinrichtung Teil B" in Höhe von S 40.000,-- für das Jahr 1998 vorgeschrieben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 18. März 1998 Vorstellung. Darin brachte sie vor, die von der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien am 6. Mai 1997 beschlossene Ergänzung der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien (Teil B: Zusatzpension) und die Umlagenordnung 1998 hinsichtlich Versorgungseinrichtung - Teil B, seien ohne gesetzliche Grundlage erlassen worden. Der gesetzlich normierte Wirkungskreis der Rechtsanwaltskammer sei mit der Schaffung der "Zusatzpension neu" überschritten worden. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder sei nicht ausreichend berücksichtigt. Unter Berücksichtigung der Leistungen im Rahmen der Verfahrenshilfe, durch die rund die Hälfte des Pensionsaufwandes der Rechtsanwaltskammern abgedeckt werde sowie der Beiträge zur Versorgungseinrichtung - Teil A, ergebe sich für wirtschaftlich weniger leistungsfähige Kammermitglieder eine unverhältnismäßige Kostenbelastung, wodurch die verfasssungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsfreiheit verletzt werde. Die unverhältnismäßige Kostenbelastung begründe auch die Gleichheitswidrigkeit der "Zusatzpension neu" gegenüber den Systemen der gesetzlichen Altersvorsorge, in denen die Höhe der Beiträge prozentuell vom Einkommen des Beitragspflichtigen abhängig sei. Das Recht auf Achtung des Eigentums sei verletzt. Bei verfassungskonformer Interpretation hätte der bekämpfte Bescheid nicht erlassen werden dürfen. Es werde daher die ersatzlose Aufhebung des Bescheides beantragt.
Dieser Vorstellung wurde mit Beschluss des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 14. Juli 1998 keine Folge gegeben.
Mit Schreiben vom 30. Juni 1998, also vor der Entscheidung des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) vom 14. Juli 1998 über die Vorstellung, hat die Beschwerdeführerin "eventualiter" zu ihrer Vorstellung vom 18. März 1998 gegen den Bescheid vom 24. Februar 1998 die Ermäßigung des vorgeschriebenen Beitrages zur Zusatzpension neu auf den Mindestbeitrag beantragt.
Mit Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Juli 1998 wurde unter Punkt 1. der Beschwerdeführerin auf Grund ihres "Ersuchens vom 18. März 1998" (richtig wohl: vom 30. Juni 1998) ein Beitrag zur "Zusatzpension neu" für das Jahr 1998 in Höhe von S 16.000,-- (Mindestbeitrag) vorgeschrieben.
Unter Punkt 2. dieses Bescheides wurde der Bescheid derselben Behörde vom 24. Februar 1998, mit welchem der Beschwerdeführerin für das Jahr 1998 ein Beitrag von S 40.000,-- vorgeschrieben worden war, als gegenstandslos erklärt.
Gegen Punkt 1 des Bescheides der Abteilung I des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Festsetzung des Beitrages mit S 16.000,--) erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung. Die Vorstellungsbegründung deckt sich mit jener der Vorstellung vom 18. März 1998.
Mit Bescheid vom 17. November 1998 wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Abteilung I des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Juli 1998 zurück.
Begründet wurde diese Entscheidung damit, es fehle der Beschwerdeführerin an jeglicher Beschwer und damit an einem Rechtsmittelinteresse, weil der Bescheid der Abteilung I des Ausschusses vom 14. Juli 1998, mit welchem der Beitrag zur "Zusatzpension neu" auf den Mindestbeitrag herabgesetzt worden sei, antragsgemäß in Stattgebung des von der Beschwerdeführerin gestellten Eventualantrages vom 30. Juni 1998 erlassen worden sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 14. Juni 1999, B 599/99-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf meritorische Entscheidung über ihre Vorstellung verletzt.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Auffassung der belangten Behörde, es habe ihr an der Beschwer zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid der Erstbehörde gefehlt, sei mit dem dem erstinstanzlichen Bescheid vom 14. Juli 1998 zugrunde liegenden Antrag der Beschwerdeführerin vom 30. Juni 1998 nicht vereinbar. Die Beschwerdeführerin habe bereits durch ihre Vorstellung vom 18. März 1999 gegen den Bescheid betreffend die Vorschreibung des nicht ermäßigten Beitrages zur Zusatzpension vom 9. Februar 1999 (richtig: 24. Februar 1999) unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie die Vorschreibung der Zusatzpension grundsätzlich bekämpfen wolle. Am 30. Juni 1998 als letztem Tag der Frist nach § 12 Abs. 4 der Satzung sei über diese Vorstellung noch nicht rechtskräftig entschieden gewesen. Zur Wahrung ihrer Rechte habe die Beschwerdeführerin sohin jedenfalls den Antrag auf Ermäßigung des Beitrages für das Jahr 1998 zu stellen gehabt. Aus der Stellung des Herabsetzungsantrages ableiten zu wollen, dass der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Bekämpfung der darauf folgenden Vorschreibung des ermäßigten Beitrages die Beschwer fehle, heiße das Wesen des Bescheides bezüglich der Vorschreibung des ermäßigten Beitrages vom 14. Juli 1998 zu verkennen. Auch dieser sei ein belastender Bescheid, der der Beschwerdeführerin eine Zahlungsverpflichtung auferlege. Die Auferlegung der Zahlungspflicht zur Zusatzpension neu selbst sei jedoch kein antragsbedürftiger Verwaltungsakt, sondern werde vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien auf Grund der Satzung vom Amts wegen vorgenommen. Damit versage das Rechtsinstitut der formellen Beschwer. Auch materielle Beschwer sei gegeben, weil die Beschwerdeführerin durch die Vorschreibung des Mindestbeitrages belastet sei. Durch die unter Punkt 2 des Bescheides vom 14. Juli 1998 erfolgte Gegenstandsloserklärung der Vorschreibung des nicht ermäßigten Beitrages sei der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen worden, dem Beschluss des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Juli 1998, mit dem die Vorstellung gegen die Vorschreibung des nicht ermäßigten Beitrages abgewiesen worden sei, durch die Höchstgerichte überprüfen zu lassen. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsmeinung führe dazu, dass für die Beschwerdeführerin eine Anfechtung der Vorschreibung des Beitrages zur Zusatzpension vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts nicht möglich sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt:
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Vorstellung gegen den Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 24. Februar 1998, mit welchem ihr ein Beitrag in Höhe von S 40.000,-- vorgeschrieben wurde, die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides begehrt, weil sie der Auffassung war, eine Beitragsvorschreibung sei schon dem Grunde nach rechtswidrig und ein entsprechender Bescheid hätte gar nicht erlassen werden dürfen.
Vor der Entscheidung über diese Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin bei der Erstbehörde einen Antrag auf Ermäßigung des Beitrages zur Zusatzpension auf den Mindestbeitrag ein. Dieser Antrag wurde nach den von der belangten Behörde nicht bestrittenen Beschwerdeausführungen deshalb eingebracht, um die Frist für einen derartigen Herabsetzungsantrag zu wahren. Ohne Einbringung dieses Antrages hätte die Beschwerdeführerin für den Fall, dass sie in der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Beitragsvorschreibung unterläge, auch nicht mehr die Möglichkeit gehabt, eine Herabsetzung des Beitrages zu begehren.
Der Antrag auf Herabsetzung des Beitrages auf den Mindestbeitrag wurde "eventualiter" gestellt. Damit brachte die Beschwerdeführerin zum Ausdruck, dass dieser Antrag nur für den Fall gestellt wurde, dass sie mit ihrer Auffassung, ein Beitrag dürfe schon dem Grunde nach nicht vorgeschrieben werden, nicht durchdringen sollte.
Mit Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 14. Juli 1998 wurde unter Punkt 1. der Beschwerdeführerin für das Jahr 1998 ein Beitrag zur Zusatzpension neu in Höhe von S 16.000,-- vorgeschrieben. Unter Punkt 2. wurde der Bescheid derselben Behörde vom 24. Februar 1998, der eine Beitragsvorschreibung für das Jahr 1998 in Höhe von S 40.000,-- beinhaltet hatte und der mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. Juli 1998 bestätigt worden war, für gegenstandslos erklärt. Damit aber war der Beschwerdeführerin die Möglichkeit entzogen, die Rechtmäßigkeit einer Beitragsvorschreibung dem Grunde nach im Wege einer Bekämpfung des Bescheides der belangten Behörde vom 14. Juli 1998 (Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides, mit welchem ein Beitrag von S 40.000,-- vorgeschrieben worden war) vor den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts überprüfen zu lassen, weil die Beitragsvorschreibung von S 40.000,--, die mit diesem Bescheid bestätigt worden war, am selben Tag für gegenstandslos erklärt und durch eine Beitragsvorschreibung von S 16.000,-- ersetzt worden war. Daraus folgt aber, dass die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 14. Juli 1998, mit welchem ihr ein Beitrag von S 16.000,-- vorgeschrieben wurde, nicht wegen mangelnder Beschwer zurückgewiesen werden durfte. Die Bekämpfung dieses Bescheides war nämlich angesichts der dargestellten Konstellation ihre einzige Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit einer Beitragsvorschreibung auch dem Grunde nach zu bekämpfen. Der Bescheid der Erstbehörde vom 14. Juli 1998 stellt auch keine Entscheidung dar, die einem Antrag der Beschwerdeführerin zur Gänze Rechnung trägt. Die Beschwerdeführerin hat nämlich nicht einen unbedingten Antrag auf Vorschreibung eines Beitrages von S 16.000,-- gestellt, sondern lediglich - zur Vermeidung einer Fristversäumnis - einen Eventualantrag, also einen Antrag, der unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wurde, dass die Bekämpfung einer Beitragsvorschreibung dem Grunde nach erfolglos blieb (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1993, 92/17/0184, u.v.a.). Diese Bedingung kann aber nicht als erfüllt angesehen werden, da es bei der dargestellten Fallkonstellation der Beschwerdeführerin verwehrt war, alle in Betracht kommenden Rechtsbehelfe auszuschöpfen, um die Frage der Rechtmäßigkeit einer Beitragsvorschreibung (auch) dem Grunde nach klären zu lassen.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 1999
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999100160.X00Im RIS seit
11.07.2001