Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** L*****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgit Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei O***** L*****, derzeit unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Dr. Peter Strele, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen einstweiligen Unterhalts und Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 12. Juni 2018, GZ 2 R 131/18g-57, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Streitteile schlossen am 3. 12. 2015 die Ehe, der die zweijährige Tochter entstammt. Die Beklagte war mehrfach gewalttätig und unterhielt ehewidrige Beziehungen. Am 9. 3. 2018 verließ sie entgegen einer gerichtlichen Verfügung gemeinsam mit der Tochter Österreich und erklärte, nicht mehr nach Österreich zurückkehren zu wollen. Ende März 2018 kündigte der verfügungsberechtigte Kläger aufgrund seiner wirtschaftlichen Zwangslage die – damals bereits leerstehende – Ehewohnung mit Ende Juni 2018 auf.
Im Rahmen des vom Kläger eingeleiteten Scheidungsverfahrens stellte die Beklagte am 18. 1. 2018 einen Antrag nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO, den sie in der Verhandlung vom 13. 4. 2018 modifizierte. Damit begehrte sie, den Kläger vom 1. 1. 2018 bis 1. 3. 2018 zu einem einstweiligen Unterhaltsbeitrag von monatlich 150 EUR und ab 1. 3. 2018 zu einem solchen von monatlich 650 EUR zu verpflichten. Am 26. 2. 2018 beantragte die Beklagte, dem Kläger zu verbieten, innerhalb der nächsten drei Monate das Mietverhältnis betreffend die Ehewohnung aufzukündigen. Der Kläger habe erklärt, das Mietverhältnis aufzukündigen und keine Zahlungen an die Beklagte mehr zu leisten.
Die Vorinstanzen wiesen die Sicherungsanträge ab. Voraussetzung für den Zuspruch von einstweiligem Unterhalt sei eine Verletzung der Unterhaltspflicht. Ein Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB sei verwirkt, wenn das Begehren rechtsmissbräuchlich gestellt werde. Dies sei aufgrund der schwerwiegenden Eheverfehlungen der Beklagten hier der Fall. Die Beklagte könne auch nicht mehr in ihrem dringenden Wohnbedürfnis an der früheren Ehewohnung verletzt sein, weil sie die häusliche Gemeinschaft aufgehoben habe und aus der Ehewohnung ausgezogen sei.
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts ist in dritter Instanz ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0043371). Der im Zusammenhang mit der Erledigung der Beweisrüge behauptete Mangel des Rekursverfahrens liegt nicht vor. Das Rekursgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Sicherungsverfahren die Überprüfung der Beweiswürdigung durch das Rekursgericht insoweit ausgeschlossen ist, als das Erstgericht den Sachverhalt aufgrund vor ihm abgelegter Zeugen- oder Parteienaussagen als bescheinigt angenommen hat (RIS-Justiz RS0012391). Dies gilt auch dann, wenn für eine bestimmte Feststellung darüber hinaus auch mittelbar aufgenommene Bescheinigungen verwertet wurden (RIS-Justiz RS0012391).
Bei der Vernehmung des Klägers handelt es sich um eine solche unmittelbare Beweisaufnahme. Das Rekursgericht ist von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gerade nicht abgewichen.
2.1 Voraussetzung für die Bewilligung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit a EO ist die Verletzung der Unterhaltspflicht im Antragszeitpunkt oder doch zumindest bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Sicherungsantrag (RIS-Justiz RS0114824). Die gefährdete Partei hat daher den Unterhaltsanspruch und die Unterhaltsverletzung zu bescheinigen. Dementsprechend hat sie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit und das Fehlen von Vermögenserträgnissen nach Scheidung der Ehe bzw die Unterhaltsgrundlagen des § 94 Abs 2 ABGB bei aufrechter Ehe darzutun. Die materiell-rechtlichen Grundlagen des Unterhaltsanspruchs sind im Haupt- und im Provisorialverfahren gleich (RIS-Justiz RS0127789; 1 Ob 235/11g).
2.2 Da die Beklagte vorläufigen Unterhalt während aufrechter Ehe begehrt, richtet sich die Beurteilung ihres Anspruchs nach § 94 ABGB. Nach Abs 2 Satz 2 leg cit bleibt der Unterhaltsanspruch des den gemeinsamen Haushalt führenden Ehegatten auch nach Aufhebung der Haushaltsgemeinschaft bestehen, sofern nicht seine Geltendmachung besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts geführt haben, ein Missbrauch wäre. Ein solcher Rechtsmissbrauch erfordert nach der Rechtsprechung eine schwerwiegende Verletzung der ehelichen Verhaltenspflichten, die die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs grob unbillig erscheinen lässt (RIS-Justiz RS0009759). Dies ist etwa dann anzunehmen, wenn das vorgeworfene Verhalten auf eine dauerhafte Aufgabe des Ehewillens schließen lässt (RIS-Justiz RS0009766).
2.3 Das Rekursgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Ob das konkrete Verhalten eines Ehegatten als Rechtsmissbrauch im Sinn des § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB zu qualifizieren ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls und begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0009759).
Ausgehend vom bescheinigten Sachverhalt hält sich die Beurteilung des Rekursgerichts, die von der Beklagten mit falschen Angaben veranlasste Wegweisung des Klägers aus der Ehewohnung und ihre eigenmächtige und nicht nur vorübergehende Verbringung des Kindes ins Ausland begründeten Verhaltensweisen, die sich gegen das Wesen der Ehe richteten und Rechtsmissbräuchlichkeit des Unterhaltsbegehrens bewirkten, im Rahmen der Rechtsprechung. Das Gleiche gilt für die Schlussfolgerung des Rekursgerichts, dass für ein vorangegangenes, die Ehewidrigkeiten der Beklagten auslösendes Fehlverhalten des Klägers keine Anhaltspunkte bestünden. Im Rahmen ihrer gegenteiligen Rechtsmittelausführungen weicht die Beklagte vom bescheinigten Sachverhalt ab.
3. Zur Sicherung des Wohnungserhaltungs-anspruchs nach § 382h EO iVm § 97 ABGB führt die Beklagte die Rechtsrüge nicht aus.
4. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Textnummer
E122953European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00172.18Z.0925.000Im RIS seit
19.10.2018Zuletzt aktualisiert am
16.01.2019