Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Holzer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ilker Y***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 und 2 erster Fall StGB idF BGBl I 2009/40 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Mai 2018, GZ 35 Hv 63/17i-87, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Strafverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – Ilker Y***** jeweils eines Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 2 StGB (A/I) und nach § 205 Abs 1 und 2 erster Fall StGB idF BGBl I 2009/40 (A/II/1) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
A/ wehrlose Personen unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er
I/ am 30. August 2017 an der mittelgradig alkoholisierten und tief schlafenden Desiree D***** geschlechtliche Handlungen vornahm, indem er ihre Scheide und ihre Brust oberhalb der Kleidung intensiv betastete;
II/1/ am 4. April 2010 die stark alkoholisierte und schlafende Jasmin F***** vaginal und anal penetrierte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung mit Krankheitswert, zur Folge hatte:
B/ am 30. August 2017 Desiree D***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 350 Euro Bargeld, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Indem die Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch A/II/1 Feststellungen dazu, wie der Beschwerdeführer die Wohnung des Opfers betreten und dass er vor der Tat den Akku aus dessen Mobiltelefon entfernt habe (US 6), bekämpft, spricht sie keine entscheidenden Tatsachen an. Nur solche sind aber Gegenstand des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0117499). Mit der Behauptung, diese Feststellungen stünden „im Widerspruch zu dem Akteninhalt“ wird im Übrigen kein Begründungsmangel dargetan.
Die zu den Schuldsprüchen A/I und B geäußerte Kritik bloßer „Scheinbegründung“ (Z 5 vierter Fall) legt nicht dar, weshalb die auf die belastende Aussage des Opfers gestützten Erwägungen der Tatrichter (US 14 f) den Kriterien logischen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widersprächen (RIS-Justiz RS0118317). Den Umstand, dass auf der Unterhose des Opfers keine verwertbare DNA-Spur sichergestellt werden konnte, hat das Erstgericht ohnehin erörtert und mit mängelfreier Begründung als unerheblich abgetan (US 15). Dazu angestellte eigene Beweiswerterwägungen des Beschwerdeführers und seine weitere Argumentation bekämpfen bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass der Schuldspruch A/II/1 einen – nicht geltend gemachten – Subsumtionsfehler (Z 10) aufweist, der sich jedoch in concreto nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkt und daher nicht amtswegig aufzugreifen war (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23). Nach § 61 zweiter Satz StGB ist grundsätzlich das im Urteilszeitpunkt geltende Recht anzuwenden, es sei denn das Tatzeitrecht wäre günstiger. Der Vergleich ist anhand des konkreten Urteilssachverhalts vorzunehmen (RIS-Justiz RS0112939). Von diesem ausgehend zeigt sich, dass – zufolge Annahme schwerer Körperverletzung als Tatfolge – die vom Erstgericht angewendete Fassung (BGBl I 2009/40) des § 205 Abs 1 und 2 StGB zufolge gleicher Strafdrohung (von fünf bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe [vgl auch US 19]) nicht günstiger war als die im Urteilszeitpunkt geltende des § 205 Abs 1 und 3 StGB. Das Oberlandesgericht ist bei der Entscheidung über die Berufungen angesichts dieser Klarstellung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122941European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00092.18P.1009.000Im RIS seit
19.10.2018Zuletzt aktualisiert am
19.10.2018