Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §57 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/18/0156 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2000/18/0080 E 9. Mai 2003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des VS, (geboren am 26. Mai 1972), vertreten durch Dr. Alexander Wanke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 12, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, jeweils vom 26. Jänner 1998, jeweils Zl. SD 1064/97, betreffend
1. Aufenthaltsverbot (hg. Zl. 98/18/0155), und 2. Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes (hg. Zl. 98/18/0156), zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid richtet, als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von
S 2.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. Der Bescheid betreffend die Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 6.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Jänner 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer (einen armenischen Staatsangehörigen) gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen. Der Beschwerdeführer sei am 17. Oktober 1993 illegal mit Hilfe eines Schleppers in das Bundesgebiet eingereist und habe am 19. Oktober 1993 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. November 1993 und im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Dezember 1993 abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer, der nie im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung gewesen sei, halte sich somit unerlaubt im Bundesgebiet auf.
Am 23. Februar 1995 sei er von Organen des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten in einer Bäckerei in Wien bei der Tätigkeit als Bäckergehilfe betreten worden, ohne dass er im Besitz einer dafür erforderlichen behördlichen Bewilligung (Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe in seinem Schreiben vom 30. Juni 1995 zugegeben, dass er am 23. Februar 1995 von Beamten des Arbeitsinspektorates bei einer "Beschäftigung" betreten worden sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Geschäftsführer der Bäckerei hätte ihn am 23. Februar 1995 lediglich um eine unentgeltliche Gefälligkeit gebeten, zu der er sich bereit erklärt und einen Arbeitsmantel übergezogen hätte, stehe der Umstand entgegen, dass der Arbeitgeber vom Magistratischen Bezirksamt für den 3. Bezirk mit Straferkenntnis vom 19. Juli 1995 bestraft worden sei (rechtskräftig seit 1. September 1995), weil er den Beschwerdeführer als Bäckergehilfen beschäftigt habe, obwohl für ihn weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ihm ein Befreiungsschein oder eine gültige Arbeitserlaubnis ausgestellt worden seien. Demnach sei der Beschwerdeführer am 23. Februar 1995 von Organen des Arbeitsinspektorates bei einer Beschäftigung betreten worden, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen. Damit sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG erfüllt.
Im Hinblick darauf, dass dem öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zukomme, sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer, der dieses maßgebliche öffentliche Interesse durch sein Fehlverhalten erheblich beeinträchtigt habe, auch im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - gerechtfertigt. Die im § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme werde dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Strafbezirksgerichtes Wien vom 27. April 1995 wegen Entwendung und Diebstahls gemäß "§§ 15, 141/1, 15, 127 StGB" zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sei; hinzu komme noch, dass der Beschwerdeführer vom Bezirkspolizeikommissariat Neubau wegen Übertretung des Meldegesetzes und von der Erstbehörde wegen seines illegalen Aufenthalts rechtskräftig bestraft worden sei.
Aufgrund des vierjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und im Hinblick darauf, dass sich auch seine Familie im Bundesgebiet aufhalte "(Gattin, Tochter)" liege zweifellos ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier im Interesse einer geordneten Arbeitsmarktverwaltung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten und daher zulässig. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder willens sei, die verwaltungs- und die strafrechtlichen Normen seines Gastlandes einzuhalten. Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung falle neben der unrechtmäßigen Beschäftigung des Beschwerdeführers weiters zu seinen Ungunsten ins Gewicht, dass er bislang nicht in den Besitz einer behördlichen Bewilligung für seinen Aufenthalt im Bundesgebiet gelangt sei. Von einer relevanten Integration seiner Person könne daher keine Rede sein. Auch die Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehegattin und seinem Kind erführen insofern eine Relativierung, als seine Angehörigen ebenfalls nicht zum Aufenthalt berechtigt seien. Diesen - ohnehin nicht sehr ausgeprägten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers seien die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüberzustellen gewesen. Die belangte Behörde gelange dabei zur Auffassung, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen weiteren Bescheid der der belangten Behörde vom 26. Jänner 1998 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1994 festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass er in Armenien gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag vom 9. Dezember 1994 damit begründet, dass er sich dem Wehrdienst in Armenien entzogen hätte, wobei ein Sicherheitsorgan verletzt worden wäre. Im Fall seiner Rückkehr würde ihm eine harte Bestrafung und Zwangsrekrutierung bzw. standrechtliche Erschießung drohen. Er befürchte, dass er nicht nur strafrechtlich wegen der Verletzung des Sicherheitsorgans und der Wehrdienstentziehung verfolgt würde, sondern einer solchen Bestrafung in erster Linie politischer Charakter innewohnen würde. Anlässlich seines Asylantrags, der sich mittlerweile als unbegründet erwiesen habe, habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er seit Mai 1992 Mitglied der "Armenischen Nationalen Armee" wäre. Diese Gruppierung hätte 1991 versucht, mit Waffengewalt einen Umsturz herbeizuführen. Deswegen wäre die Partei verboten worden. Der Beschwerdeführer hätte innerhalb dieser Organisation Flugblätter, die sich gegen den Präsidenten gerichtet hätten, verteilt. Im Mai 1993 hätte ihm der Anführer der Armenischen Nationalen Armee seines Bezirks ein Schreiben übergeben, das er nach Jerewan hätte bringen sollen. Als er am Bahnhof von einem Milizionär zur Ausweisleistung angehalten worden wäre, hätte er aus Angst, dieser würde das Schreiben, das in einer eingenähten Tasche im Hemd unter der Achsel versteckt gewesen wäre, finden können, eine Glasscherbe vom Boden aufgehoben und dem uniformierten Mann in die rechte Körperseite gestoßen. Als sich dieser zusammengekrümmt und um Hilfe geschrien hätte, wäre er davongelaufen. Zwei andere Uniformierte hätten ihn verfolgt und unmittelbar nach dem Vorfall festgenommen. Er wäre durchsucht und der Brief gefunden worden. Er wäre danach befragt worden, welche Personen der Gruppierung angehören würden, er hätte jedoch vorerst niemanden verraten. Im "Laufe der Zeit" wäre er häufig geschlagen worden und hätte nichts zu essen bekommen. Unter diesem Druck hätte er am 45. Tag seiner Inhaftierung den Anführer seiner Partei bekannt gegeben. Die Milizionäre hätten ihm daraufhin mitgeteilt, dass er wegen der Mitgliedschaft zur "Organisation zur Nationalen Armee" mit zwei bis drei Jahren Haftstrafe zu rechnen und wegen des Niederstechens des Milizionärs zehn Jahre Freiheitsstrafe zu erwarten hätte. Der Beschwerdeführer hätte jedoch Angst gehabt, im Gefängnis von Angehörigen der Armenischen Nationalen Armee umgebracht zu werden, zumal es üblich wäre, Verräter zu töten. Die Milizionäre würden die Kontrahenten in dieselbe Zelle sperren und sich nicht mehr darum kümmern, was passiere. Es wäre ihnen vielmehr Recht, wenn sich Anhänger dieser Partei gegenseitig umbrächten. Der Vater des Beschwerdeführers hätte deshalb die Flucht organisiert.
Die belangte Behörde habe dazu Folgendes erwogen: Die derzeitige Regierung und der derzeitige Präsident in Armenien seien demokratisch gewählt und ließen die Bildung oppositioneller politischer Gruppierungen zu. Im Allgemeinen seien Personen, die einer oppositionellen Bewegung angehörten, keiner Verfolgung ausgesetzt. Die verbotene Armenische Nationale Armee habe einen politischen Umsturz durch Waffengewalt herbeizuführen gewollt. Organisationen, die in dieser Art und Weise gegen eine demokratisch gewählte Regierung vorgingen, würden auch in westlichen Demokratien verboten. Setze ein Staat Handlungen oder verfolge er Personen aus Motiven, die in freiheitlichen demokratischen Rechtsordnungen als legitim angesehen würden, könne von einer "politischen Verfolgung" keine Rede sein. Terrorismus und sonstiges "politisches Bandenunwesen" würde aber in allen Demokratien mit den Mitteln des Strafrechts als eine der gefährlichsten Varianten des gemeinen Verbrechens scharf bekämpft. Die Bekämpfung richte sich nicht nur gegen die Deliktsbegehungsform der unmittelbaren Täterschaft, sondern auch gegen flankierende Handlungen wie Propaganda und Begünstigung, deren sich der Beschwerdeführer seinen eigenen Angaben zufolge schuldig gemacht habe. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung bewege sich von der staatlichen Motivation her im Rahmen eines legitimen hoheitlichen Strafanspruchs. Es sei das Recht eines jeden Staates, Ermittlungen gegen Organisationen zu führen, die die innere Sicherheit und Stabilität bedrohten. Kurzfristige Festnahmen und Verhöre über allfällige Verbindungen zu terroristischen Untergrundorganisationen seien durchaus rechtmäßig und in allen Staaten üblich. Im Übrigen erachte die belangte Behörde die Haft des Beschwerdeführers, die bereits vier Jahre zurückliege, als nicht ausreichend, um eine aktuelle (also im Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung) bestehende Gefährdung oder Bedrohung seiner Person im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG in Armenien glaubhaft zu machen.
Der Beschwerdeführer habe nie behauptet, dass die Aufforderung des Milizionärs als Maßnahme wegen seiner Mitgliedschaft zu einer verbotenen Organisation gesetzt worden sei. Der Beschwerdeführer sei vielmehr festgenommen worden, weil er sich eines strafrechtlichen Delikts schuldig gemacht habe. Der Beschwerdeführer habe immerhin ein Sicherheitsorgan des armenischen Staates, welches ohne Zwangsmaßnahmen eine Amtshandlung durchgeführt habe, mit einer Glasscheibe niedergestochen. Auch in westlichen Demokratien würden Delikte wie Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwere Körperverletzung mit strengen Strafen bedroht. Die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung sei somit wegen Begehung eines strafrechtlichen Delikts und wegen Unterstützung krimineller Handlungen und nicht wegen seiner Gesinnung erfolgt. Die Furcht des Beschwerdeführers, dass er als Verräter von anderen Mitgliedern der Armenischen Nationalen Armee getötet würde, sei nicht als eine vom Staat initiierte Verfolgungshandlung anzusehen. Es handle sich vielmehr um Übergriffe und Racheakte von Privatpersonen.
Der Beschwerdeführer habe es auch unterlassen, die näheren Umstände und Gründe, die ihn dazu bewogen hätten, dem Einberufungsbefehl des armenischen Militärs keine Folge zu leisten, nachvollziehbar und stichhaltig darzulegen. Tatsache sei jedoch, dass die Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls zum Militär fast in allen Staaten (auch in Österreich) strafrechtlich verfolgt werde. Daraus lasse sich eine Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht ableiten. Die Pflicht zur Militärdienstleistung stelle keine Verfolgung dar, da die erforderliche Verfolgungsmotivation nicht gegeben sei, wenn staatliche Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten dienten. In diesem Sinne stelle die Militärdienstpflicht und deren Sicherstellung durch Strafandrohung eine auf einem originären und souveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme dar, weshalb unter Umständen auch strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung als solche keine Verfolgung darstelle.
Es hätten daher keine stichhaltigen Gründe für die Annahme objektiviert werden können, dass der Beschwerdeführer im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG bedroht wäre.
3. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, die angefochtenen Bescheide aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
A. Zum Aufenthaltsverbotsbescheid:
1.1. Nach Auffassung des Beschwerdeführers habe er weder den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG verwirklicht noch sei in seinem Fall die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Der Bäcker, bei welchem ihn die Arbeitsinspektoren am 23. Februar 1995 gesehen hätten, überlasse ihm täglich gratis Brot. An diesem 23. Februar 1995 wäre ein Angestellter des Bäckers nicht gekommen, weshalb dieser den Beschwerdeführer gebeten habe, ihm auszuhelfen. Diese Beschäftigung sei unentgeltlich und lediglich aushilfsweise gewesen. Wenn festgestellt werde, dass der Beschwerdeführer in seinem Schreiben vom 30. Juni 1995 zugegeben hätte, er wäre bei einer "Beschäftigung" betreten worden, so müsse festgehalten werden, dass ein "Gratis-Aushelfen" von einer halben Stunde als Beschäftigung im Sinn von "etwas tun" verstanden werden könne, jedoch nicht unbedingt ein Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz sein müsse. Rein menschlich gesehen habe der Beschwerdeführer auch überhaupt keine andere Wahl gehabt, als zu helfen, wenn ihn jemand, der ihn gratis unterstütze, darum bitte. Aus der Tatsache, dass der Bäcker die Verwaltungsstrafe bezahlt habe, könne nicht geschlossen werden, dass er irgendetwas habe zugeben wollen, er habe nur dem Beschwerdeführer "Schwierigkeiten ersparen" wollen. Auch die Geldstrafe aufgrund des Urteils des Strafbezirksgerichts Wien vom 27. April 1995 wegen Entwendung und Diebstahls habe der Beschwerdeführer bezahlt, "um nicht weiteres Aufsehen zu erregen oder Schwierigkeiten mit den Behörden zu bekommen"; diesbezüglich habe es sich so verhalten, dass "ein Russe" dem Beschwerdeführer einen Fotoapparat billig habe verkaufen wollen und der Beschwerdeführer dann wegen versuchter Entwendung und Diebstahls verurteilt worden sei, weil man angenommen habe, es habe sich um einen Komplizen gehandelt. Zur von der Behörde herangezogenen Übertretung des Meldegesetzes sei auszuführen, dass der damalige Vermieter des Beschwerdeführers Letzteren ohne sein Wissen abgemeldet habe, als er von der "Meiselstraße 6/16" in die "Meiselstraße 6/23" übersiedelt sei.
1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Die Beurteilung der belangten Behörde, auf den Fall des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG anzuwenden, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dies schon deswegen, weil der besagte Bäcker - unbestritten - dafür rechtskräftig bestraft wurde, dass er den Beschwerdeführer am 23. Februar 1995 "als Bäckergehilfen beschäftigt hat, obwohl er für diesen Ausländer weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch ihm ein Befreiungsschein oder eine gültige Arbeitserlaubnis ausgestellt wurde" (vgl. Aktenblatt 147), und von daher auch die belangte Behörde - ohne insoweit gebunden zu sein - annehmen durfte, dass es sich bei der in Rede stehenden Beschäftigung im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG um eine Beschäftigung gehandelt habe, die der Beschwerdeführer nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen, zumal der vom Beschwerdeführer - unbestritten - verwendete Arbeitsmantel für eine organisatorische Eingliederung in den Betrieb des besagten Bäckers spricht und das vom Beschwerdeführer von diesem bezogene Brot als Gegenleistung für seine Tätigkeit angesehen werden kann.
Mit seinem (erkennbar) gegen das Gerechtfertigtsein der Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerichteten Vorbringen betreffend die genannte rechtskräftige Verurteilung durch das Strafbezirksgericht Wien und die besagten rechtskräftigen verwaltungsbehördlichen Bestrafungen vermag der Beschwerdeführer an der Rechtskraft dieser behördlichen Entscheidungen nichts zu ändern, weshalb er mit diesem Vorbringen nicht aufzeigt, dass auf seinen Fall § 36 Abs. 1 FrG nicht anwendbar wäre. Vielmehr ist es angesichts des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere der ihm anzulastenden Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von entgegen den Regelungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erbrachter Arbeit ("Schwarzarbeit", vgl in diesem Sinn das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, infolge der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 95/18/1147, mwH), nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde die im § 36 Abs. 1 umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtete.
2. Die von der Behörde im Grunde des § 37 FrG getroffene Beurteilung lässt die Beschwerde unbekämpft. Auf der Grundlage der unbestrittenen maßgeblichen Feststellungen besteht gegen das Ergebnis der diesbezüglich angestellten Überlegungen im angefochtenen Bescheid kein Einwand.
B. Zum Bescheid betreffend die Feststellung gemäß § 75 FrG:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0080, mwH).
2. Nach dem angefochtenen Bescheid hat der Beschwerdeführer - worauf sich auch die Beschwerde bezieht - seinen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in sein Heimatland u. a. damit begründet, dass ihm im Fall seiner Rückkehr dort standrechtliche Erschießung drohen würde, weil er sich dem Wehrdienst entzogen habe, wobei ein Sicherheitsorgan verletzt worden sei (vgl auch den Antrag, AB 77 ff). Der Beschwerdeführer hat damit schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass er im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG in diesem Land Gefahr liefe, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid zwar festgehalten, dass auch in westlichen Demokratien Delikte wie Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwere Körperverletzung mit strengen Strafen bedroht seien, und eine unter Umständen auch strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung keine Verfolgung im Sinn des des § 57 FrG darstelle, es im angefochtenen Bescheid aber unterlassen, das besagte Vorbringen betreffend die dem Beschwerdeführer behauptetermaßen drohende Todesstrafe zu prüfen, darüber Feststellungen zu treffen und diese ihrer rechtlichen Beurteilung nach § 75 FrG zugrunde zu legen. Die Relevanz dieses Verfahrensmangels ist gegeben, weil auf dem Boden des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die von ihm behauptete Gefahr einer Verfolgung im Sinn des § 57 Abs. 1 tatsächlich gegeben ist. Da die belangte Behörde somit bei Unterbleiben dieses Mangels zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel im Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG belastet.
3. Mit ihrer Auffassung, die vom Beschwerdeführer ("als Verräter") seitens anderer Mitglieder der Armenischen Nationalen Armee befürchtete Tötung sei nicht als eine vom Staat initiierte Verfolgungshandlung anzusehen, vielmehr handle es sich dabei um Übergriffe und Racheakte von "Privatpersonen", verkennt die belangte Behörde, dass nach der hg. Rechtsprechung (vgl. oben II.B.1.) eine Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG nicht bloß dann vorliegt, wenn sie von staatlichen Stellen selbst ausgeht, sondern auch dann, wenn eine solche Gefahr durch staatliche Stellen zumindest gebilligt oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbar ist. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich - wie sich dem angefochtenen Bescheid entnehmen lässt - vorgebracht, dass er Angst gehabt habe, im Gefängnis von Angehörigen der Armenischen Nationalen Armee umgebracht zu werden, da es üblich wäre, Verräter zu töten, und die "Milizionäre" - denen es Recht wäre, wenn sich die Anhänger der genannten Gruppierung gegenseitig umbrächten - "die Kontrahenten" in dieselbe Zelle sperrten und sich nicht mehr darum kümmern würden, was passiere.
4. Mit ihrer Auffassung, der Beschwerdeführer sei nicht wegen seiner Mitgliedschaft zu einer verbotenen Organisation, sondern vielmehr deswegen festgenommen worden, weil er sich eines strafrechtlichen Deliktes schuldig gemacht habe, und auch in westlichen Demokratien Delikte wie Widerstand gegen die Staatsgewalt und schwere Körperverletzung mit strengen Strafen bedroht seien, weshalb die vom Beschwerdeführer behauptete Verfolgung wegen Begehung eines strafrechtlichen Delikts und wegen Unterstützung krimineller Handlungen und nicht wegen seiner Gesinnung erfolgt sei, verkennt die Behörde, dass nach der hg. Rechtsprechung Strafverfahren wegen absolut politischer Delikte, aber auch solche wegen relativ politischer Delikte - d.h. anderer als politischer Delikte, die aus politischen Motiven und zu politischen Zwecken begangen werden - eine Bedrohung der Freiheit des Fremden aus Gründen seiner politischen Ansichten gemäß § 37 Abs. 2 FrG darstellen können (vgl. das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, aber auch für die insoweit nicht geänderte Rechtslage nach dem FrG einschlägige hg. Erkenntnis vom 12. November 1998, Zl. 95/18/1299, mwH).
C. Nach dem Gesagten war einerseits die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Aufenthaltsverbotsbescheid richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen und andererseits der auf § 75 FrG gegründete Feststellungsbescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit - dieser Aufhebungsgrund drängt den der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in den Hintergrund - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
D. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die belangte Behörde haben vorliegend - obwohl sich die Beschwerde gegen zwei Bescheide richtet - Aufwandersatz lediglich einmal begehrt, weshalb ihnen im Rahmen ihres Begehrens - trotz der Bestimmung des § 52 Abs. 1 VwGG - für das
Obsiegen betreffend jeweils einen Bescheid nur je die Hälfte des geltend gemachten Aufwandersatzes zugesprochen werden kann.
Wien, am 15. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998180155.X00Im RIS seit
03.04.2001