TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/25 G305 2178344-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.05.2018
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Entscheidungsdatum

25.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2178348-1/7E

G305 2178344-1/7E

G305 2178342-1/7E

G305 2178343-1/7E

G305 2178345-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die jeweils zum 20.11.2017 datierten Beschwerden 1.) des XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, 2.) der XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, 3.) des mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak,

4.) der mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, und 5.) der mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, alle vertreten durch die XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX jeweils vom 23.10.2017, Zl.XXXX und Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die gegen die Spruchpunkte I., II., III. und IV. der angefochtenen Bescheide gerichteten Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, 1.) XXXX (im Folgenden: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1), 2.) XXXX (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführerin oder kurz: BF2), 3.) mj.XXXX (im Folgenden: Drittbeschwerdeführer oder kurz: BF3), 4.) mj. XXXX(im Folgenden: Viertbeschwerdeführerin oder kurz: BF4) und 5.) mj. XXXX (im Folgenden: Fünftbeschwerdeführerin oder kurz: BF5) sind Staatsangehörige der Republik Irak und stellten am 28.12.2015, um 14:10 Uhr, einen Antrag auf internationalen Schutz. Am darauffolgenden Tag (29.12.2015, ab 09:10 Uhr) fand eine Erstbefragung des BF1 und der BF2 vor Organen der LPD XXXX statt.

Anlässlich seiner Erstbefragung sagte der BF1 im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er und die übrigen Beschwerdeführer 15 Tage vor der Antragstellung mit dem Flugzeug aus dem Herkunftsstaat ausgereist seien. Die Reiseroute habe sie mit dem PKW von XXXX nach BAGDAD geführt, wo sie ein Flugzeug nach ISTANBUL bestiegen hätten. Mit dem Schlauchboot sei es auf die griechische Insel MYTILINI weiter gegangen, wo sie sich einen Tag lang aufgehalten hätten. Von dort aus sei es mit dem Schiff nach ATHEN weitergegangen und von hier aus über die Balkanroute bis zur österreichischen Grenze, die sie letztlich zu Fuß überquert hätten [BF1, AS 13].

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF1 an, dass er im Jahr 2007 ungefähr ein Monat als Dolmetsch für die amerikanische Armee gearbeitet hätte. Daraufhin sei er von der Miliz AL MAHDI bedroht worden, da er nicht für die Amerikaner arbeiten dürfe. Zwar habe er sofort aufgehört, doch sei er weiterhin bedroht worden und habe als Verräter gegolten. Eines Tages sei er mit seinem Bruder die Straße entlang gegangen und sie seien von der Miliz beschossen worden, wobei sein Bruder getötet worden sei. Am 13.11.2015 sei er mit seinem PKW nach Hause gefahren, als er von einem unbekannten PKW verfolgt und beschossen wurde. Da sei für ihn der Grund gewesen, das Land zu verlassen, da er um sein Leben fürchtete. Zwar habe er diesen Vorfall der Polizei angezeigt, doch sei die Polizei gegen die Miliz machtlos [BF1, AS 15]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht.

Zu den Gründen für ihre Ausreise befragt, nannte die BF2 die Fluchtgründe des BF1 und führte dazu aus, dass diese auch ihre wären [BF2, AS 15]. Weitere Fluchtgründe nannte auch sie nicht.

Die minderjährigen Beschwerdeführer stützten ihre Fluchtgründe im Wesentlichen kurz zusammengefasst auf jene des BF1, bezeichneten jedoch keine eigenen Fluchtgründe.

2. Anlässlich einer von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) am 12.10.2017 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme sagte der BF1 im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass er mit der Polizei oder anderen staatlichen Stellen des Herkunftsstaates, darunter insbesondere den Gerichten, keine Probleme gehabt hätte. Er habe insgesamt 15 Jahre die Schule besucht und habe seit seinem 18. Lebensjahr "in verschiedenen Bereichen" gearbeitet [BF1, AS 49]. Sein Vater, seine beiden Stiefmütter, ein Bruder, zwei Schwestern, drei Halbbrüder und drei Halbschwestern würden noch im Herkunftsstaat leben. Zu seiner Familie habe er ungefähr einmal pro Woche Kontakt und gehe es seinen Verwandten gut [BF1, AS 49]. Zu seiner Fluchtgeschichte befragt, gab er im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass ihm im Jahr 2007 ein Freund das Angebot unterbreitet hätte, für die Amerikaner als Dolmetscher zu arbeiten. Er habe zwei Monate für sie als Dolmetscher gearbeitet, als die Milizen anfingen, ihn zu bedrohen. Als sie gesehen hätten, dass er ständig zu den Amerikanern ging, hätten sie ihn vor die Wahl gestellt, entweder die Arbeit sein zu lassen, oder zu sterben. Da er mittlerweile eine gute Beziehung zum Vorgesetzten der Dolmetscher gehabt hätte, hätten sie vereinbart, dass er über E-Mail und Telefonate mit ihnen arbeite. Von der Arbeit her sei er zehn Tage bei den Amerikanern gewesen, 10 Tage sei er zu Hause gewesen. Da er nur noch zu Hause war, hätte auch seine Familie gedacht, dass er nicht mehr mit den Amerikanern arbeite. Dann hätten die Amerikaner von ihm verlangt, dass er zusätzlich zu seiner Arbeit als Dolmetscher eine weitere Aufgabe übernehmen solle. So sollte er für die Amerikaner bzw. für die irakischen Behörden nach Personen suchen und über ein GPS-Gerät Bescheid geben, sollte sich die gesuchte Person in seiner Nähe befinden. Die Amerikaner hätten auch gewollt, dass er ihnen die Wege der Milizen mitteile. Er habe mit ihnen bis zu deren Rückzug im Jahr 2010 gearbeitet. Durch ihn und seine Informanten hätten die Amerikaner an einem Tag 27 Personen verhaftet. In der Folge hätten die Milizen die Namen der Dolmetscher herausgefunden und diese für den Tod einer Person verantwortlich gemacht [BF1, AS 51]. Über hochrangige Milizoffiziere habe er herausgefunden, dass die Milizen mit ihm persönlich kein Problem hätten. Er habe wieder mit dem An- und Verkauf von Autos zu arbeiten begonnen. Im Jahr 2012 sei er mit seinem Bruder zu Fuß unterwegs zum Geschäft seines Bruders gewesen, als ein Auto gekommen wäre und das Feuer auf sie eröffnet hätte. Bei diesem Vorfall sei sein Bruder gestorben. Fünf bis sechs Monate später sei er aus Angst um sein Leben in einen anderen Bezirk XXXX südlich von XXXXumgezogen. Auch hätten ihm seine Freunde und Verwandten dazu geraten. Dort habe er ca. eineinhalb Jahre lang ohne Probleme gelebt. Dann seien ältere Männer dieser Ortschaft zu ihm gekommen und hätten ihm gesagt, dass sie mit ihm persönlich keine Probleme hätten, aber dass ihre Freunde aus einem anderen Bezirk ihn suchen würden und zwischen ihnen Blut sei. Als er zu seiner Familie zurückging, habe auch sein Stamm damit begonnen, ihm Probleme zu machen. Sie hätten von ihm verlangt, dass er für seinen Bruder Blutrache übe und den Mörder seines Bruders ebenfalls töte. Da er der Meinung war, dass er niemanden töten könne, sei er aus dem Stamm geworfen worden. Daraufhin habe er sich mit seiner Familie auf die Suche nach einem anderen Stamm begeben, der sie beschützen könnte. Er habe keinen gefunden. Er habe gewusst, dass er ohne Stamm den Milizen frei ausgeliefert sei. Im November 2015 sei noch einmal ein Mordversuch auf ihn verübt worden. Er sei mit seinem Auto gefahren und ein weiteres hinter ihm, das ihn überholen wollte. Beim Überholmanöver sei auf ihn geschossen worden, doch habe er glücklicherweise entkommen können, da er ein stärkeres Auto hatte. Diesen Vorfall habe er der Polizei angezeigt, doch habe diese nichts für ihn gemacht [BF1, AS 53].

Die BF2 stützte ihre Fluchtgründe anlässlich ihrer am 12.10.2017 vor der belangten Behörde durchgeführten Einvernahme auch auf die Fluchtgründe des BF1 [BF2, AS 55 ff].

3. Anlässlich einer am 19.10.2017 vor Organen der belangten Behörde durchgeführten ergänzenden Einvernahme gab der BF1 zum Beginn seiner Arbeit für die Amerikaner den "August oder September 2007" an. Weiter gab er an, dass ca. 50 Iraker als Dolmetscher für die Amerikaner gearbeitet hätten und dass auch Personen von anderen Nationen für diese als Dolmetscher tätig gewesen seien. Als Zeitpunkt des Beginns der gegen ihn gerichteten Drohungen durch die Milizen bezeichnete er den März 2012. Als er in der Folge nochmals dazu befragt wurde, wann er begonnen habe, verdeckt für die Amerikaner zu arbeiten, habe er den November 2007 angegeben. Sodann gab er über Befragen an, dass er bis zum ersten Halbjahr 2011 verdeckt für die Amerikaner gearbeitet hätte. Da habe er seine Arbeit endgültig für die Amerikaner beendet. Im Jahr 2001/2002 habe er begonnen, wieder im An- und Verkauf von Autos zu arbeiten und habe er diese Arbeit auch während seiner Tätigkeit für die Amerikaner ausgeübt. Über weitere Befragung bezeichnete er den August 2012 als jenen Zeitraum, währenddessen der todbringende Anschlag auf seinen Bruder verübt wurde. Ca. sechs bis sieben Monate später sei er in den Bezirk XXXX gezogen. Weiter gab der BF1 an, dass in der Zeit zwischen dem Anschlag, bei dem sein Bruder starb und des Umzuges keine weiteren Vorfälle mehr lagen. Kurz bevor er wieder in seine alte Ortschaft gezogen sei, habe ihn sein alter Stamm gezwungen, Blutrache für den Bruder auszuüben. Seine alte Ortschaft habe er Ende November/Anfang Dezember 2015 endgültig verlassen [BF1, AS 129 ff].

1.4. Mit den hier verfahrensgegenständlichen, jeweils zum 23.10.2017 datierten Bescheiden, Zl. XXXX wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführer (BF1 bis mj. BF5) auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines/einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und auf Zuerkennung des Status eines/einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG vom 28.12.2015 ab (Spruchpunkt II.) und sprach weiter aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen die Beschwerdeführer erlassen werde und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Darüber hinaus sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

5. Gegen diese, den Beschwerdeführern am 27.10.2017 durch persönliche Ausfolgung direkt zugestellten Bescheide richteten sich deren, jeweils zum 20.11.2017 datierten, der belangten Behörde am 24.11.2017 im Wege ihrer Rechtsvertretung übermittelten Beschwerden, die sie mit den Anträgen verbanden 1.) die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass ihren Anträgen auf Gewährung von internationalem Schutz Folge gegeben und ihnen der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG zuerkannt werden möge, 2.) in eventu die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen, 3.) für den Fall der Abweisung dieses Beschwerdeantrages gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat zukommen, sowie festzustellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 AsylG vorliegen und den BF eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen ist, sowie 4.) festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegt und den Beschwerdeführern eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz von Amts wegen zu erteilen sei, 5.) jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

6. Am 30.11.2017 legte die belangte Behörde die gegen die vorbezeichneten Bescheide gerichteten Beschwerden, die angefochtenen Bescheide und die Bezug habenden, jeden einzelnen Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor; hier wurden die Beschwerdesachen der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugewiesen.

7. Am 18.05.2018 wurde vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich der die einzelnen Beschwerdesachen gemäß § 39 Abs. 1 AVG iVm. § 17 VwGVG zur gemeinsamen Verhandlung miteinander verbunden wurden und anlässlich der die Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen wurden.

Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme legten die Beschwerdeführer mehrere Länderberichte zum Herkunftsstaat vor. Zu den Gründen für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat befragt, gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass sein Leben dort mit dem Tod bedroht gewesen sei. 2007 sei er als Dolmetsch für die US-amerikanischen Streitkräfte tätig gewesen. Da er einer indirekten Bedrohung durch die MAHDI-Miliz ausgesetzt war, habe er deswegen die Arbeit verlassen. Dennoch habe er den Amerikanern bis zu deren Abzug Ende 2010 als Informationsquelle gedient. Für die Amerikaner habe er deshalb zu arbeiten begonnen, da schiitische Milizen viele "unserer jungen Burschen und Männer getötet" hätten. [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 13 f]. Seine konkrete Aufgabe als Dolmetscher habe darin bestanden, Personal- und Identitätsnachweise zu lesen und Fragen nach dem Namen und Wohnort von irakischen Bürgern zu klären [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 16]. Sodann äußerte er sich ausführlich zu den damals an der Macht gewesenen schiitischen Milizen, vor allem die Miliz JEISH AL-MAHDI. Auch ihn hätten die Milizen nach dem Fall Saddam HUSSEINS, in den Jahren 2004 bis 2006, rekrutieren wollen. Der Rekrutierungsversuch sei von seinen Arbeitskollegen auf der Arbeitsstelle vorgenommen worden. Über Befragung, was die Milizen konkret von ihm gewollt hätten, gab er zur Antwort: "Wie soll ich Ihnen das erklären? Wenn man ihnen beitritt, muss man die Befehle ausführen, die einem aufgetragen werden. Soweit ich gehört habe, beginnt das mit kleinen Aufträgen und werden diese Aufträge immer größer". Details wisse er nicht; aber das wisse man vom "Hörensagen". Der Versuch, ihn zu rekrutieren, sei über einen Zeitraum von zwei Monaten erfolgt, danach nicht mehr. Allerdings vermochte der BF1 nicht anzugeben, ob und in welchem Umfang er für eine allfällige Tätigkeit für eine der Milizen entlohnt würde (PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.5.2018, S. 15 f). Vor 2007 habe er seine eigene Arbeit als Autohändler verrichtet und hätte er einen Ausstellungsraum für Gebrauchtwagen gehabt. Seine Arbeit habe geblüht und habe er mit dieser zwischen 1.000,00 und 1.500,00 US-Dollar an Einkünften monatlich verdient. Während seiner Freizeit sei er seiner Tätigkeit als Gebrauchtwagenhändler nachgegangen. Als Gebrauchtwagenhändler habe er keine Probleme [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 18 f]. Im Herkunftsstaat wohnte er mit seiner Familie in einem Haus mit einer Wohnnutzfläche im Ausmaß von 300 m². Dieses Haus existiere noch [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 17]. Im letzten Jahr vor seiner Ausreise habe er mit seiner Schwester XXXX zusammengearbeitet. Sie habe eine Wechselstube betrieben und habe er aus dieser Tätigkeit (Durchführung von Geldtransporten oder Begleitung von Geldtransportfahrzeugen) Provisionen bezogen. Seine Arbeit sei insofern gefährlich gewesen, als er von morgens bis abends tätig gewesen sei und den Herkunftsstaat von Nord nach Süd bereist habe. Allerdings habe es keinen Vorfall gegeben, in den er persönlich verwickelt gewesen sei. Im letzten Jahr vor seiner Ausreise habe er Einkünfte zwischen 2.000,00 und 2.500,00 US-Dollar bezogen und hätten er und die Mitbeschwerdeführer im Herkunftsstaat sehr gut gelebt [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 17 f]. Auch bei seiner Arbeit als Geldtransporteur habe er keine Schwierigkeiten gehabt [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 19]. Allerdings gab er an, familiäre Schwierigkeiten gehabt zu haben, die darin bestanden hätten, dass er vor ein Ultimatum gestellt wurde, entweder eine Person zu töten oder er fliege aus dem Clan; er konkretisierte dies im Wesentlichen damit, dass er, als sein Bruder ermordet wurde, vor zwei Möglichkeiten gestellt worden sei, entweder sich an der Person zu rächen und sie zu töten, oder den Schutz des Clans zu verlieren. Sein Bruder sei im Jahr 2012 getötet worden; die Person, die ihn getötet habe, sei unbekannt geblieben. Jedoch wisse man seit dem Jahr 2014, dass die Tötung von einem Clan XXXXoderXXXX ausgeführt worden sei; in der Folge gab er auf Grund von Nachfragen an, dass es sich dabei um einen Clan gehandelt hätte [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 19]. Er selbst hätte mit keinem der von ihm genannten Clans ein Problem gehabt. Als Grund für den Ausschluss seiner Person aus seinem eigenen Clan bezeichnete er den Umstand, dass ein Dolmetscher vom Clan XXXX getötet worden sei, woraufhin seine Familie diesen Clan beschuldigt hätte, den Bruder des BF1 getötet zu haben. Deshalb sei er vor die Wahl gestellt worden, entweder Rache zu nehmen, oder er werde aus dem Clan geworfen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 20]. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte er sich vor dem Clan XXXX, was noch dadurch genährt werde, dass ihn sein Clan nicht schütze. Er fürchte sich um seine Familie, da ein geistig Abnormer auch seinen Sohn töten könnte [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 20]. Ihm sei der Vorschlag unterbreitet worden, dass sein Stamm einen Betrag gebe und zwei Frauen des anderen Stammes würden in seinen Stamm einheiraten. Auch der andere Clan würde einen Geldbetrag zahlen und sie müssten diesem Clan zwei Frauen zur Verfügung stellen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 21].

Im Rahmen ihrer PV sagte die BF2 vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass sie wegen der Probleme ausgereist sei, die ihren Mann beträfen. Sie wisse es aber nicht genau, um welche Probleme es sich dabei konkret handelte. Später führte sie aus, dass das Problem darin bestanden habe, dass ihr Ehegatte als Dolmetscher gearbeitet und man ihn aus dem Clan geworfen hätte [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 23]. In der Folge gab sie Auskünfte zu ihrem Leben und zum allgemeinen Tagesablauf in Österreich.

Im Rahmen ihrer PV gab die mj. Viertbeschwerdeführerin an, dass sie und ihre Familie wegen eines von ihr nicht näher bezeichneten Problems aus dem Herkunftsstaat ausgereist seien. Auch erteilte sie zu ihrem Tagesablauf in Österreich Auskunft [PV der mj. BF4 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 25].

Zum Motiv für das Verlassen des Herkunftsstaates gab der mj. Drittbeschwerdeführer an, dass er und die Mitbeschwerdeführer wegen des Krieges und seines Onkels XXXX ausgereist seien. Er sei gestorben. Er wisse nicht, woran er gestorben sei [PV des mj. BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 26].

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der im Spruch genannte BF1 (XXXX, geb. am XXXX) ist Staatsangehöriger der Republik Irak. Er gehört der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zum muslimisch-schiitischen Glauben. Seine Muttersprache ist arabisch.

Die im Spruch genannte BF2 (XXXX, geb. am XXXX) ist ebenfalls Staatsangehörige der Republik Irak. Sie ist Araberin und gehört ebenfalls der arabischen Volksgruppe an. Sie ist Muslima schiitischer Glaubensrichtung.

Sie ist eine Cousine ersten Grades des BF1 und mit ihm verheiratet [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 9].

Die minderjährigen Beschwerdeführer, der mj. BF3 (XXXX, geb. am XXXX), die mj. BF4 (XXXX, geb. am XXXX) und die mj. BF5 (XXXX, geb. am XXXX) sind ebenfalls Staatsangehörige der Republik Irak. Sie sind ebenfalls der arabischen Sprache mächtig und gehören der muslimischen Religionsgemeinschaft schiitischer Glaubensrichtung an.

Die minderjährigen Beschwerdeführer sind allesamt unverheiratet und leben in keiner eheähnlichen Lebensgemeinschaft.

1.2. Zur Einreise der Beschwerdeführer ins Bundesgebiet und zu deren persönlichen Situation im Irak:

Die beschwerdeführenden Parteien sind gesund und nehmen keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.

Der BF1 besuchte sechs Jahre die Grundschule XXXX, weiter drei Jahre die Mittelschule, drei Jahre das Gymnasium und zwei Jahre eine Fachschule für Elektrik [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 13].

Die BF2 besuchte im Herkunftsstaat (ebenfalls in XXXX) sechs Jahre lang die Grundschule und anschließend zwei Jahre lang die Mittelschule, die sie jedoch beendete. In der Folge betätigte sie sich als Hausfrau [BF2, AS 7 ff].

Der mj. BF3 besuchte durch sieben Jahre hindurch die Schule im Herkunftsstaat. Hievon entfielen sechs Jahre auf den Besuch der Grundschule und ein Jahr auf den Besuch der Mittelschule.

Die mj. BF4 besuchte im Herkunftsstaat die Grundschule bis zur 4. Klasse und brach die Grundschule infolge der Ausreise der beschwerdeführenden Parteien ab [PV des BF1, der BF2, des mj.BF3 und der mj. BF4 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 7].

Im Zeitpunkt der Ausreise aus dem Herkunftsstaat war die mj. BF5 noch nicht schulpflichtig.

Für den Lebensunterhalt der mitbeschwerdeführenden Parteien kam der BF1 mit seiner Erwerbstätigkeit als Autohändler für Gebrauchtwagen auf. Die angeführte Erwerbsttätigkeit übte er auf selbständiger Basis aus und hatte nach eigenen Angaben keinen Vorgesetzten über ihm [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 7 und 18]. Er verdiente gut und lebte mit seiner Familie in einem eigenen, von ihm Haus mit einer Wohnnutzfläche von 300 m². Dieses Haus der beschwerdeführenden Parteien besteht noch immer [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 13].

Ab einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2007 war der BF1 als Dolmetscher für die US-Streitkräfte tätig und endete diese Tätigkeit, für die er ebenfalls ein Gehalt bezog, nach zwei Monaten [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 13]. Dass er nach Beendigung dieser Tätigkeit weiter für die US-amerikanischen Streitkräfte bis zu deren Abzug zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2010 für sie als Dolmetscher oder als Informant gearbeitet hätte, konnte nicht festgestellt werden. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er noch weitere sechs Monate als Angehöriger einer irakischen Einheit gearbeitet hätte.

Ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2010 arbeitete er für den Ehegatten seiner Schwester XXXX als Fahrer eines Geldtransportfahrzeuges bzw. als Fahrer eines den Geldtransporter begleitenden Fahrzeuges. Wie lange er diese Tätigkeit tatsächlich ausübte, konnte nicht festgestellt werden [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 18].

Der BF1 und die BF2 sind grundsätzlich arbeitsfähig. Der die Altersvoraussetzungen erfüllende Teil der minderjährigen Beschwerdeführer ist schulpflichtig.

Die beschwerdeführenden Parteien lebten bis zu ihrer, zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat in XXXX.

Ihre Reiseroute führte sie mit dem PKW ausgehend von XXXX nach BAGDAD, wo sie ein Flugzeug nach ISTANBUL bestiegen. Anschließend setzten sie ihre Reise von ISTANBUL nach IZMIR fort und landeten mit dem Schlauchboot auf der griechischen Insel MYTILINI, auf der sie sich einen Tag lang aufhielten, ehe es mit dem Schiff nach ATHEN weiterging. Von ATHEN reisten sie zur Grenze nach MAKEDONIEN und setzten von hier aus ihre Reise über die Balkanroute nach Österreich fort, wo sie zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt ankamen und ohne Reisedokument (sohin illegal) ins Bundesgebiet einreisten [BF1, AS 9 und 13; BF2, AS 11 und 13].

Am 28.12.2015, 14:10 Uhr stellten der BF1 und die BF2 für sich und deren minderjährige Kinder vor einem Organ der Sicherheitsbehörde den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz [BF1, AS 9; BF2, AS 9].

Der BF1 hat noch im Herkunftsstaat lebende Verwandte im Irak, und zwar dessen zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt geborenen Vater XXXX, sowie dessen zu einem ebenfalls nicht festgestellten Zeitpunkt geborenen Brüder XXXX, sowie dessen zu einem ebenfalls nicht festgestellten Zeitpunkt geborenen Schwestern, XXXX [BF1, AS 11]. Die Mutter des BF1, XXXX, ist zu einem unbekannten Zeitpunkt verstorben. Zu seinen im Herkunftsstaat lebenden Geschwistern hat er über die sozialen Medien Kontakt [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 8].

Auch die BF2 hat im Herkunftsstaat lebende Verwandte, darunter ihre zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt geborenen Eltern, XXXX und XXXX. Sie leben ebenfalls in XXXX. Sie drei - ebenfalls im Herkunftsstaat lebende - Geschwister, und zwar ihren XXXX lebenden Bruder, XXXX, ihre ebenfalls in XXXX lebende Schwester XXXX und ihre inXXXX lebende Schwester XXXX. Ihre Geschwister sind verheiratet und haben teils mehrere Kinder. Die BF2 hat mit der Schwester des BF1 bzw. ihrer Cousine väterlicherseits, XXXX, Kontakt [PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 9 f].

Die schulpflichtigen minderjährigen Beschwerdeführer besuchten im Herkunftsstaat die Schule.

1.3. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

Sowohl der BF1, als auch die BF2 haben mit Ausnahme ihrer Kinder (den mitbeschwerdeführenden Parteien) keine im Bundesgebiet lebenden Verwandten [PV des BF1 und PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 11].

Sowohl der BF1, als auch die BF2 sind im Bundesgebiet ohne Beschäftigung bzw. befinden sich die beschwerdeführenden Parteien in der Grundversorgung des Bundes [PV des BF1 und PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 12].

Die beschwerdeführenden Parteien sind - soweit ersichtlich - strafrechtlich unbescholten und weisen sie gegenwärtig eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

Der BF1 leistete für den Vermieter, bei dem die beschwerdeführenden Parteien wohnen, Hilfstätigkeiten, in dem er im Elektrizitätsbereich Kleinigkeiten richtete, die Werkstatt des Vermieters ordnete und im Garten des Vermieters mithalf. Er engagiert sich jedoch weder in einem Verein, noch in einer karitativen Organisation. In Österreich besucht er weder bestimmte Kurse, noch eine Schule, noch eine Universität [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 12].

Sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der BF2, der mj. BF 4 und der mj. BF5 in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden [PV der PF2 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 12].

Lediglich der mj. BF3 ist seit einem Jahr bei der freiwilligen Feuerwehr der Hauptwohnsitzgemeinde der beschwerdeführenden Parteien engagiert [PV des mj. BF3 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 13].

Die beschwerdeführenden Parteien sind strafrechtlich unbescholten [PV des BF1 und PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 12].

1.4. Zur allgemeinen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat:

1.4.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier ABADI MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt TALLAFAR durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie eine Enklave um HAWIJA südwestlich von KIRKUK.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass die beschwerdeführenden Parteien einer asylrelevanten Bedrohung durch den IS nach der erfolgten Übernahme der Stadt am 10.06.2014 ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es den beschwerdeführenden Parteien - selbst bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - verwehrt gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 23.05.2018).

1.4.2. Zu den innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Schiiten im Irak:

Gemessen an der Gesamtzahl verfügt der Irak über die drittgrößte Flüchtlingspopulation der Welt (UNHCR 14.11.2016). Im Jahr 2014 waren über 2,5 Millionen Menschen vertrieben worden, im Jahr 2015 war eine weitere Million gezwungen, zu fliehen. Während des Jahres 2016 wurden abermals fast 700.000 Menschen vertrieben (OCHA 7.3.2017). Laut der International Organization for Migration (IOM) gab es mit Stand Juli 2017 über 3,3 Millionen IDPs im Irak. Zurückgekehrt in ihre Heimatgebiete sind rund zwei Millionen (IOM 15.7.2017). Die Provinzen ANBAR, NINEWAH und SALAHUDDIN sind besonders stark von den Vertreibungen betroffen (AA 7.2.2017). Fast 1,8 Millionen Iraker und Syrer sind in die KRI geflohen, in der geschätzte 20 Prozent der Bevölkerung Vertriebene sind (UNHCR 27.4.2017). Über 10 Mio. Menschen im Irak, also knapp ein Drittel der Bevölkerung, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (AA 7.2.2017).

Auf Grund der massiven finanziellen Schwierigkeiten kämpfen die irakische Regierung und die Regionalregierung Kurdistans auch auf Grund von Ressourcenproblemen mit der Bewältigung der IDP-Krise. Die irakischen Streitkräfte und die Streitkräfte der Regionalregierung tragen zur Unsicherheit der IDPs bei, indem sie sich zu wenig um den Schutz und die Unterstützung der vom Konflikt betroffenen IDPs kümmern (MRG 22.12.2016). Die Lage der IDPs wird zum Teil ausgenützt. So werden IDPs - Vorwürfen zufolge - teilweise von Milizen zwangsrekrutiert (auch Minderjährige). Die in Flüchtlingscamps untergebrachten IDPs haben häufig das Problem, dass ihre Bewegungsfreiheit drastisch eingeschränkt ist und dass Milizen ihnen die Papiere abnehmen und für lange Zeit nicht zurückgeben. Ein zusätzliches Problem ist, dass sie nicht mit ihren Familien kommunizieren können, da ihnen die Mobiltelefone abgenommen werden (UNHCR 20.1.2017, vgl. Al-Jazeera 1.2.2017). Dadurch, dass den IDPs in bestimmten Flüchtlingslagern auch ihre Dokumente abgenommen werden, kämpfen diese mit zusätzlichen Problemen bei der Registrierung von personenstandsrechtlichen Ereignissen [z.B. Heirat, Geburt, etc.]. Viele IDPs haben auch das Problem, dass in (vormals) unter der Kontrolle des IS stehenden Gebieten zum Teil viele standesamtliche Aufzeichnungen zerstört wurden (AIO 12.6.2017). UNAMI berichtete, dass aus Konfliktzonen fliehende Zivilisten in manchen Gebieten von bewaffneten Gruppen und Milizen, die mit Unterstützung der ISF operieren, abgefangen werden und Drohungen, Einschüchterungen, physischer Gewalt, Entführungen, Zerstörung von Eigentum und Tötungen ausgesetzt sind (USDOS 3.3.2017). Anm.: S. dazu auch den folgenden Abschnitt.

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

Im Süden des Irak leben mehrheitlich Schiiten. Aus den dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Länderinformationen zum Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien sind keine Berichte dazu enthalten, dass Angehörige der Schiiten einer Drangsal durch schiitische Milizen ausgesetzt wären. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. BASRA betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

Die beschwerdeführenden Parteien sind in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat (siehe dazu die PV des BF1 und die PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 10). Sie selbst stammen aus dem mehrheitlich schiitisch besiedelten XXXX. Dort lebt auch ein Teil ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten und existiert dort auch das in ihrem Eigentum stehende, vom BF1 errichtete Einfamilienhaus mit einer Wohnnutzfläche von 300 m². Selbst bei Wahrunterstellung, dass der BF1 über seine Arbeitskollegen für eine (nicht näher genannte) Tätigkeit bei einer schiitischen Miliz angeworben wurde und er dieses Angebot ablehnte, so ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass die sich lediglich auf zwei Monate erstreckt habenden Rekrutierungsversuche ungefähr 10 Jahre vor der Ausreise der beschwerdeführenden Parteien stattfanden und der BF1 nicht darüber klagte, dass er wegen der Ablehnung der im Zeitraum 2004 bis 2006 stattgefunden habenden Rekrutierungsversuche verfolgt oder bedroht worden wäre [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 18.05.2018, S. 15 ff]. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihnen nicht möglich wäre, dort zu leben. Daran vermag selbst der Umstand nichts zu ändern, sollte er - wie er behauptet - aus dem eigenen Clan ausgeschlossen worden sein, zumal er sonst keine Angaben dazu machte, die ein aktuelles Verfolgungs- bzw. Bedrohungsszenario rechtfertigen würden.

Selbst wenn er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat XXXX nicht mehr Fuß fassen sollte, stehen den beschwerdeführenden Parteien noch BABEL, DIVANIYA, BASRA, OMARA, THI QAR, NAJAF, KERBALLAH und SAMAWA als mögliche Fluchtalternativen offen.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 23.05.2018).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

Auch wäre es den beschwerdeführenden Parteien möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und einen Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach Berichten des UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederzulassen und eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 21.05.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 21.05.2018)

1.4.3. Zur Lage von Frauen und Kindern im Irak

1.4.3.1. Zur Lage von Frauen, insbesondere im Hinblick auf Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25% im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30%) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen.

Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht, sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Diskriminierung von Frauen ist im Irak auch im sozialen und religiösen Kontext Alltag. Vor allem in schiitisch dominierten Bereichen herrschen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt. Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO¿s und andere internationale Akteure, z. B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irak mit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen. So hat die irakische Regierung gegenüber der UNDAF die Zusage zur Förderung von Frauen und Mädchen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auch für den Zeitraum von 2015 bis 2019 wiederholt.

Im Jahr 2014 lag die Erwerbsquote von Frauen im Irak bei ca. 14%, stieg allerdings in den letzten Jahren an und lag im Jahr 2016 bei 17,8%. Die Anzahl möglicher Betätigungsfelder für Frauen im Irak steigt stetig an, so sind Frauen nicht nur im öffentlichen Sektor tätig, sondern etablieren sich, trotz der nach wie vor vorherrschenden gesellschaftlichen Ressentiments und Widerständen, zunehmend als Unternehmerinnen bzw. Eigentümerinnen von Geschäftigen (z.B. Buchgeschäften oder Kaffeehäusern) etc.

In den Jahren 2014 und 2015 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Cafés und Restaurants in BAGDAD und BASRA, wobei der Umstand, dass dort Frauen beschäftig werden bzw. waren, oftmals als Motiv genannt wurde, jedoch auch als Vorwand gesehen wird, ein unliebsames Lokal zu schließen. Gegen die Zahlung von Schutzgeld war es Lokalbesitzern in BASRA möglich, auch Kellnerinnen einzustellen, die freizügiger angezogen waren. Grundsätzlich schützen die irakischen Gesetze Frauen, die in Kaffeehäusern oder Casinos arbeiten, es besteht seitens der irakischen Regierung ein Problembewusstsein für diese Thematik. Dennoch kommt es bei Frauen, die als Kellnerinnen arbeiten, oftmals zu Übergriffen.

Quellen:

Adnan Abu Zeed, Nightclubs, cafes still risky business for Iraqi women, 05.12.2017,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/12/nightclub-girls-club-baghdad-iraq-harassment.html#ixzz56XBcW5nl (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Ergänzende Informationen zu Vorschriften zur Frauenbekleidung durch Gesellschaft und Milizen sowie Ergänzungen zur Lage von Kellnerinnen, 13.11.2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1418160/5209_1511256710_irak-mr-sog-bekleidungsvorschriften-fuer-frauen-lage-von-kellnerinnen-ergaenzende-afb-2017-11-10ke.doc (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

Mustafa Saadoun, Iraq's female booksellers turn the page on gender roles, 19.10.2017,

https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/10/iraqi-women-take-another-male-profession-in-bookstores.html (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

UN-Women, Humanitarian actors highlight women's role in recovery and peacebuilding in Iraq, 20.09.2017, http://www.unwomen.org/en/news/stories/2017/9/news-humanitarian-actors-highlight-womens-role-in-recovery-and-peacebuilding-in-iraq (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

UN-Women, Iraq [Stand: 2016],

http://arabstates.unwomen.org/en/countries/iraq (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

UN-Women, UN Women meets with Women Leaders and Civil Society Organizations in Baghdad [EN/AR/KU], 02.08.2017 https://reliefweb.int/report/iraq/un-women-meets-women-leaders-and-civil-society-organizations-baghdad-enarku (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

WKO Länderprofile, 10/2017,

http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-irak.pdf (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

Zahra Ali, Women's rights are under threat in Iraq, 20.11.2017, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/11/20/womens-rights-are-under-threat-in-iraq/?utm_term=.781f3d0fb747, (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

1.4.3.2. Zur Lage von Kindern im Irak im Hinblick auf innerstaatlich Vertriebene

Kinder sind als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten des Irak betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind entweder für sich genommen von Gewalt betroffen oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden. Vor allem Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien innerhalb des Iraks flüchten, sind von besonderer Vulnerabilität. Junge Männer laufen in Krisenherden zudem Gefahr, als Soldaten rekrutiert zu werden.

Im Irak ist ein Anstieg an Kinderehen, besonders bei Binnengeflüchteten und Binnenvertriebenen, zu beobachten, da Heirat oft als Möglichkeit gesehen wird, Frauen und Mädchen zu schützen. Obwohl die gesetzlichen Regelungen einer Eheschließung vor dem Erreichen des 15. Lebensjahres entgegenstehen, werden diese Normen oftmals vor allem ländlichen und in schiitisch dominierten Gebieten oftmals nicht durchgesetzt.

Die große Zahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen im Nord- und Südirak haben die Kapazitäten der regionalen staatlichen Stellen und auch der vor Ort tätigen internationalen Hilfsorganisationen stark in Anspruch genommen und die Möglichkeiten der Unterbringung und Versorgung der Betroffenen stark beansprucht. Es gelingt diesen dennoch, wesentliche Aufgaben so zu erfüllen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. Zahlreiche Hilfsorganisationen leisten dabei vor Ort internationale Unterstützung und zeugen auch die zahlreichen Berichte internationaler staatlicher Quellen zur Lage von Binnenflüchtlingen und Binnenvertriebenen im Nord- und im Südirak von einem entsprechenden Problembewusstsein der Staatengemeinschaft in dieser Hinsicht.

Es kann festgestellt werden, dass immer mehr Binnenflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, so wird berichtet, dass, obwohl nach wie vor ca. 2,6 Millionen irakische Staatsangehörige Schutz in anderen Teilen des Irak suchen, Ende des Jahres 2017 ca. 3,2 Millionen Binnenvertriebene wieder in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt sind. Es ist auch festzustellen, dass sich in den Gebieten, die vom IS befreit wurden, das Leben auch für Kinder wieder langsam stabilisiert. Dass Kinder in Regionen, in denen derzeit keine Kriegshandlungen gesetzt werden, z.B. in BAGDAD, ERBIL oder BASRA, von einer über die allgemeine angespannte Sicherheitslage hinausgehenden humanitären Kriegs- oder Krisensituation ausgesetzt wären, konnte nicht festgestellt werden.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

IOM, Number of Returns Exceeds Number of Displaced Iraqis: UN Migration Agency, 12.01.2018,

https://www.iom.int/news/number-returns-exceeds-number-displaced-iraqis-un-migration-agency (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016-November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

1.4.4. Zur medizinischen Grundversorgung im Irak

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt, so ist im Irak zwar ein qualifiziertes Ärzte- und Krankenhauspersonal vorhanden, doch sind viele Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitssektor aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Irak geflohen oder haben ihre Arbeit niedergelegt. Das Gesundheitsministerium ist der Hauptanbieter im Gesundheitsbereich, das öffentliche Gesundheitssystem basiert auf einem Kostenteilungsmodell, bei dem die Regierung einen Teil der Kosten medizinischer Leistungen übernimmt und den Patienten eine geringe Gebühr in Rechnung gestellt wird. Der Mangel an politischer Stabilität und Staatssicherheit im Irak macht es schwierig, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Neben der öffentlichen Gesundheitsversorgung existiert ein privater Gesundheitssektor, welcher ebenfalls heilmedizinische Leistungen anbietet, diese können jedoch, wenn weitere Leistungen nötig werden (z.B. MRT, Medikamente oder operative Eingriffe) durchaus kostspielig sein.

Einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad sind Untersuchungen und Behandlungen im öffentlichen Sektor kostenfrei verfügbar. Nach einem IOM-Bericht gibt es ebenso öffentliche Gesundheitszentren. Neben Krankenhäusern in ERBIL sind dazu das Ainkawa Health Care Center, das Pirzeen Health Care Center oder das Shaqlawa Hospital Safin Health Care Center. Ebenso gibt es in AL SULAYMANIYAH eine Reihe öffentlicher Krankenhäuser, sowie weitere Gesundheitszentren im Umland, die jedoch im Allgemeinen schlecht ausgestattet sind und oftmals nur die notwendigste Versorgung gewährleisten können, z.B. das Bakrajo Health Center, das Kakamand Health Center oder das Sarchnar Health Center. Medizinische Versorgung ist auch im Südirak gegeben, so sind neben den Krankenhäusern in BASRA in diesem Zusammenhang das Hay Al-Mohandesin Typical Healthcare Centre und das Haji Khudair Healthcare Centre, die jedoch ebenfalls schlecht ausgestaltet sind.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad, 30. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423351/5209_1517480519_irak-rf-mev-diverse-medikamente-und-behandlung-in-baghdad-2018-01-30-k.odt (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 23.05.2018)

1.5. Zur Lage der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat in Zusammenhang mit den vorgebrachten Fluchtgründen:

Anlässlich seiner Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörde am 29.12.2015 gab der zu seinen Fluchtgründen befragte BF1 an, dass er ca. einen Monat als Dolmetsch für die amerikanische Armee gearbeitete hätte und als daraufhin von der Miliz XXXX bedroht worden sei und fortan als Verräter gegolten hätte. Eines Tages seien er und sein Bruder, als sie die Straße entlang gegangen waren, von der Miliz beschossen worden. Als er am 13.11.2015 mit seinem PKW nach Hause fuhr, sei er von einem unbekannten PKW verfolgt und beschossen worden. Das sei für ihn der Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates gewesen [BF1, AS 15].

Anlässlich seiner niederschriftlich dokumentierten Befragungen durch die belangte Behörde am 12.01.2017 und am 19.10.2017 sagte der BF1 im Wesentlichen kurz zusammengefasst a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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