TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/22 G305 2178353-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.06.2018
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Entscheidungsdatum

22.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2178095-1/9E

G305 2178350-1/9E

G305 2178353-1/8E

G305 2178355-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des XXXX, geb. XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, 2.) der XXXX, geb. XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, sowie 3.) der mj. XXXX, geb. XXXX, und 4.) des mj. XXXX, geb. XXXX, alle Staatsangehörigkeit Irak, die minderjährigen Beschwerdeführer vertreten durch 1.) XXXX alias XXXX alias XXXX und durch 2.) XXXX alias XXXX als gesetzliche Vertreter, alle wohnhaft in XXXX, gegen die jeweils mit 27.10.2017 datierten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, 1.) Zl.: XXXX, 2.) Zl.: XXXX, 3.) Zl.: XXXX, sowie 4.) Zl.: XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.06.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 23.09.2015, 10:00 Uhr, stellten XXXX, geb. , alias XXXX, geb. XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, (in der Folge: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1) und XXXX, geb. XXXX, alias XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführerin oder kurz: BF2) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes.

1.1. Am 19.01.2016 stellte die von der Kindesmutter, der BF2, vertretene mj. XXXX, geb. XXXX in Österreich, gemäß § 34 Abs. 4 AsylG einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes (im Folgenden: mj. Drittbeschwerdeführerin oder kurz: mj. BF3).

1.2. Am 22.09.2017 stellte der von der Kindesmutter, der BF2, vertretene mj. XXXX, geb. XXXX in Österreich, gemäß § 34 Abs. 4 AsylG einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes (im Folgenden: mj. Viertbeschwerdeführer oder kurz: mj. BF4).

2. Am 23.09.2015 fand vor einem Organ der Landespolizeidirektion Oberösterreich eine niederschriftliche Erstbefragung des BF1 statt, anlässlich der er angab, dass er aus Bagdad (Irak) stamme, die Reiseroute beschrieb und zu seinen Fluchtgründen befragt angab, dass sein Vater Chef eines staatlichen Senders unter dem damaligen Regime des Saddam HUSSEIN gewesen sei. Er sei bedroht worden und auf Grund des "Ärgers" verstorben. Er habe auch eine Zeitung geleitet. Nach dem Tod des Vaters hätten der BF1 und dessen Bruder die Zeitung weitergeführt. Vor ca. drei Jahren sei er von unbekannten Milizen entführt und nach Bezahlung eines Lösegeldes nach einer Woche entlassen worden. Im Rahmen seiner Entführung sei er misshandelt und gefoltert worden. Danach habe er noch laufend schriftliche Drohungen erhalten, wobei ihm mit dem Tod gedroht worden sei. Auch hätten sie ihm gedroht, dass sie seine Frau vergewaltigen würden. Die Drohbriefe habe er zerrissen [BF1, AS 9].

3. Anlässlich ihrer am 23.09.2015 durch ein Organ der Landespolizeidirektion XXXX stattgehabten Erstbefragung gab die BF2 zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass ihr Mann wegen seiner Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Journalisten bedroht worden sei. Auch sie sei bedroht worden, da sie sich nicht ans "Verschleierungsgebot" gehalten hätte. Ihr Mann sei bereits einmal entführt und gefoltert worden und nach Bezahlung eines Lösegeldes in unbekannter Höhe frei gelassen worden [BF2, AS 9].

4. Anlässlich seiner am 10.10.2017, ab 08:00 Uhr, vor der belangten Behörde durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er im Herkunftsstaat eine Zeitung mit drei Mitarbeitern und einem Fotografen geleitet hätte. Zu seinem letzten Arbeitstag im Herkunftsstaat befragt, gab er an, dass dieser im Jahr 2007 gewesen sei. Dann sei er nach Syrien ausgereist [BF1, AS 70]. Über Nachfragen durch ein Organ der belangten Behörde gab er an, dass er die Zeitung im Jahr 2007 eingestellt hätte und diese seither nicht mehr aktiv sei. Die Zeitung hätte er deshalb eingestellt, da er von Milizen bedroht worden sei [BF1, AS 71]. Im Jahr 2009 sei er wieder in den Irak zurückgekehrt. Im selben Jahr habe er eine Karte für Immigranten erhalten und wieder nach Syrien zurückgekehrt. Sein Vater habe in Syrien als Journalist gearbeitet. Nachdem sich die Lage in Syrien verschlechtert hätte, sei er im Jahr 2012 nach XXXX zurückgekehrt. Das Büro seiner Zeitung sei vor seiner Rückkehr in den Irak zerstört worden und habe er es wieder aufbauen wollen. Aber er sei entführt worden [BF1, AS 75].

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass er den Irak auf Grund einer Bedrohung im Jahr 2007 verlassen hätte. Er sei nach Syrien gegangen und im Jahr 2009 wieder in den Irak zurückgekehrt, um eine Karte für Immigranten erstellen zu lassen. Danach sei er wieder nach Syrien zurückgekehrt. Als sich die Lage in Syrien verschlechterte, seien er und sein Vater im Jahr 2012 wieder in den Irak zurückgekehrt. Er hätte die Absicht gehabt, die Zeitung zu erneuern, doch dann sei er entführt und gefoltert worden. Die Entführer hätten von seinem Vater 20.000,00 US-Dollar verlangt. Dieser habe ihnen die Summe gegeben. Trotzdem sei er nicht frei gelassen worden. Auf Grund der Folter seien seine Lippe, sein Fuß und sein Hinterkopf genäht worden. Er sei von den Milizen geflüchtet und ins Krankenhaus gegangen. Von dort aus sei er nach Hause gegangen und habe er erfahren, dass sein Vater auf Grund seiner Entführung einen Herzinfarkt gehabt hätte und gestorben sei. Er habe nicht im Familienhaus bleiben können und sei in die Ortschaft XXXX gegangen. Dort habe er eine Wohnung gemietet und eingerichtet. Dort habe er auch seine Frau kennengelernt und sie hätten geheiratet. Seine Frau habe keinen Schleier getragen. Eines Tages hätten sie einen Drohbrief erhalten, worin gestanden habe, dass sich seine Frau anständig verhüllen solle. Sie hätten diese Bedrohung ignoriert und seine Frau sei weiter ohne Schleier gegangen. Danach sei die zweite Drohung gekommen. Darin habe gestanden, dass, wenn sie sich nicht verschleiere, würde sie vergewaltigt werden. Sie seien auch zu ihm nach Hause gekommen. Sie hätte Angst gehabt und sei über die Hintertür geflüchtet und hätte sich an der Hand verletzt. Danach habe sie den BF1 angerufen und das Erlebte erzählt. Sie hätten sich entschlossen, zu fliehen [BF1, AS 76].

Dazu befragt, wann diese Leute zu ihnen nach Hause gekommen wären, gab der BF1 an, dass dies drei Monate vor der Flucht gewesen sei. An diesem Tag sei er (als aktives Mitglied) bei der Gewerkschaft gewesen und habe er Informationen und Ratschläge erteilt. An einer anderen Stelle gab er an, dass er nicht bei der Zeitung tätig gewesen sei, sondern für die Gewerkschaft [BF1, AS 77].

5. Anlässlich ihrer am 13.10.2017 vor der belangten Behörde stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme gab die Zweitbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass sie wegen ihrer Bekleidungsart zwei Drohbriefe erhalten hätte. Dann habe es eines Tages an der Tür geklingelt und habe sie gesehen, dass bewaffnete Männer aus zwei Autos ausgestiegen seien. Sie sei über die Rückseite des Hauses geflüchtet [BF2, AS 49]. In den letzten drei Monaten vor der Ausreise sei sie zu ihren Eltern gegangen. Das sei im Mai 2015 gewesen. Im Juni 2015 sei ihre Mutter gestorben und sie sei nur zur Universität gegangen und sei dorthin zurückgekehrt, um Prüfungen zu machen [BF2, AS 51].

Zur Entführung ihres Mannes gab die BF2 an, dass diese stattgefunden hätte, bevor sie sich kennengelernt hätten [BF2, AS 51]. Details zur Entführung ihres Ehegatten, des BF1, vermochte sie jedoch nicht anzugeben [BF2, AS 52]. Der BF1 sei in den letzten drei Monaten vor der Ausreise nur zur Gewerkschaft gegangen, um dort Sitzungen zu machen. Das Journalbüro ihres Ehegatten sei geschlossen gewesen [BF2, AS 52].

6. Die mj. BF3 und der mj. BF4 sind in Österreich geboren und haben keine eigenen Fluchtgründe.

7. Mit den im Spruch näher bezeichneten Bescheiden der belangten Behörde, den beschwerdeführenden Parteien durch direkte Ausfolgung am Mittwoch, 08.11.2017, persönlich zugestellt, wurden die auf die Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gerichteten Anträge abgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiter sprach die belangte Behörde aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass gemäß § 46 FPG die Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Herkunftsstaat zulässig sei (Spruchpunkt III.). Auch wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

8. Mit Schriftsatz vom 24.11.2017 erhoben die Beschwerdeführer durch ihre Rechtsvertretung Beschwerde gegen die im Spruch näher bezeichneten Bescheide der belangten Behörde.

Ihre Beschwerde verbanden sie mit den Anträgen, 1.) auf Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, 2.) auf Behebung der angefochtenen Bescheide auf Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, in eventu auf Behebung der angefochtenen Bescheide bezüglich des Spruchpunktes II.) und Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, in eventu auf ersatzlose Behebung der angefochtenen Bescheide im angefochtenen Umfang und auf Zurückweisung zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA.

9. Am 15.06.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, der die ordnungsgemäß geladenen Beschwerdeführer unentschuldigt fernblieben. Aus diesem Grunde wurde die Verhandlung in Abwesenheit der beschwerdeführenden Parteien durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die beschwerdeführenden Parteien führen die im Spruch genannten Identitäten (XXXX, geb. XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, geb. XXXX, 2.) XXXX, geb. XXXX alias XXXX, geb. XXXX, 3.) mj. XXXX, geb. XXXX und 4.) mj. XXXX, geb. XXXX) und sind Staatsangehörige der Republik Irak. Sie sind Angehörige der arabischen Volksgruppe und sind Muslime, wobei sich der BF1 zur schiitischen Glaubensrichtung bekennt [BF1, AS 70] und die BF2 zur sunnitischen Glaubensrichtung [BF2, AS 44].

Der BF1 und die BF2 sind verheiratet und haben sie am 06.02.2014 in XXXX die Ehe geschlossen [BF1, AS 73 und BF2, AS 45]. Sie lernten einander zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2013 kennen, als die BF2 gerade von der Universität auf dem Nachhauseweg war [BF1, AS 73]. Bis zu ihrer am 14.09.2015 erfolgten gemeinsamen Ausreise aus dem Herkunftsstaat [BF1, AS 5 und BF2, AS 7] lebten der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam [BF2, AS 47].

Die mj. BF3 und der mj. BF4 sind in Österreich geboren.

Die Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien ist arabisch. Die BF2 hat auch Kenntnisse der englischen Sprache [BF1, AS 1 und BF2, AS 1].

Der BF1 und die BF2 sind grundsätzlich arbeitsfähig. Zwar hat der BF1 anlässlich seiner Einvernahme vor der belangten Behörde darüber geklagt, dass er unter einem "schlechten psychischen Zustand" leiden würde und dass er sehr schlecht schlafe und Angst habe und auch Medikamente erhalte. Allerdings konnte (in Ermangelung eines Arztbefundes) nicht festgestellt werden, dass er tatsächlich an einer psychischen Erkrankung leidet und wenn ja, an welcher [BF1, AS 68].

1.2. Zu den Reisebewegungen und zur Einreise der beschwerdeführenden Parteien ins Bundesgebiet:

Am 14.09.2015 verließen der BF1 und die BF2 gemeinsam den Herkunftsstaat vom Flughafen XXXX aus nach ISTANBUL. Von hier setzten sie ihre Reise nach XXXX fort, von wo aus sie mit dem Schlauchboot auf die griechische Insel XXXX übersetzten. Von hier aus setzten sie ihre Reise mit der Fähre nach XXXX fort und gelangten sodann mit dem Bus nach Mazedonien, von wo aus sie ihre Reise nach Österreich fortsetzten und am 23.09.2015 illegal ins Bundesgebiet einreisten [BF1, AS 7 und BF2, AS 7].

Die mj. BF3 ist am XXXX in Österreich geboren und stellte die BF2 als gesetzliche Vertreterin am 19.01.2016 gemäß § 34 Abs. 4 AsylG einen Antrag im Familienverfahren ohne Vorbringen von eigenen Fluchtgründen [mj. BF3, AS 1].

Der mj. BF4 ist am XXXX in Österreich geboren und stellte die BF2 am 22.09.2017 gemäß § 34 Abs. 4 AsylG einen Antrag im Familienverfahren ohne Vorbringen von eigenen Fluchtgründen [mj. BF4, AS 7].

1.3. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Irak:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind in XXXX geboren.

Der BF1 besuchte zwölf Jahre die Schule in XXXX [BF1, AS 1]. Die BF2 besuchte ebenfalls zwölf Jahre die Schule, legte eine Reifeprüfung ab und studierte von 2003 bis 2007 zunächst das Studium der Geographie, das sie zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Zeitraum 2006 bis 2007 abschloss [BF2, AS 65], und von 2010 bis zu Ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat im Jahr 2015 das Studium Wirtschaft und Administration [BF2, AS 48] an der Universität XXXX. Das zuletzt genannte Studium brachte sie jedoch nicht zum Abschluss.

Während die BF2 bis zu ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat durchgehend dort lebte, verließ der BF1 den Herkunftsstaat bereits zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2007, um nach Syrien zu gehen. Ob eine Bedrohung durch Milizen den Grund dafür bildete, wie es der BF1 darzustellen versuchte, konnte nicht festgestellt werden. Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2009 kehrte er wieder in den Herkunftsstaat zurück, um sich eine Karte für Immigranten ausstellen zu lassen. Kaum war diese ausgestellt, kehrte er wieder nach Syrien zurück. Erst nachdem sich die Lage in Syrien verschlechterte, kehrte er zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2012 in den Herkunftsstaat - konkret in seine Heimatstadt XXXX - zurück [BF1, AS 75].

Die BF2 dagegen hielt sich durchgehend bis zur gemeinsamen Ausreise in BAGDAD auf, zuletzt im Stadtteil XXXX im Zentrum von BAGDAD [BF1, AS 71 und BF2, AS 47]. Dass sie drei Monate vor ihrer Ausreise mit dem BF1 zu ihrer Mutter gegangen wäre und dort gewohnt hätte, konnte nicht festgestellt werden.

Der familiäre und private Lebensmittelpunkt des BF1 liegt im Irak. Dort leben seine Schwestern, die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX, die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX, die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX, die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX und die zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX, sowie sein Bruder XXXX. Der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene Bruder XXXX lebte im Zeitpunkt der Einreise des BF1 und der BF2 in Belgien. Der Vater des BF1, XXXX, ist mittlerweile verstorben [BF1, AS 5 und AS 75]. Die Mutter des BF1 ist entgegen seinen zuerst gemachten Angaben, die er später zurücknahm, nicht verstorben [vgl. BF1, AS 81].

Wie beim BF1 liegt auch für die BF2 der familiäre und private Lebensmittelpunkt im Irak. Dort leben noch ihr Vater, der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX, und ihr zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene Bruder, XXXX [BF2, AS 48]. Der Vater ging einer Unterrichtstätigkeit als Lehrer für Mathematik nach und sorgte dafür, dass die finanzielle Lage der Kernfamilie der BF2 sehr gut war [BF2, AS 48].

Im Bundesgebiet leben weder Angehörige bzw. Verwandte des BF1, noch Angehörige bzw. Verwandte der BF2 [BF2, AS 5].

Der BF1 hat zumindest Kontakt zu seiner in XXXX aufhältigen Schwester [BF1, AS 75].

Im Herkunftsstaat besitzt er zumindest ein großes Haus und vier Geschäfte, die jedoch geschlossen sind, und mehrere Autos [BF1, AS 82].

Bis zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2007 arbeitete der BF1 als Direktor einer Zeitung mit der Bezeichnung "XXXX". Bis zu diesem Zeitpunkt arbeiteten drei Mitarbeiter und ein Fotograf für diese Zeitung. Als er zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2007 nach Syrien ausreiste, schloss er den Betrieb des die Zeitung herausgebenden Printmedienunternehmens, dessen Betrieb er bis heute nicht wieder aufnahm [BF1, AS 70 f]. Als er im Jahr 2012 von Syrien nach XXXX zurückkehrte, fand er das Büro, in dem die Zeitung betrieben wurde, zerstört vor [BF1, AS 71].

Nach der Schließung des Printmedienunternehmens hatte der BF1 im Herkunftsstaat weder auf selbständiger, noch auf nichtselbständiger Basis als Journalist gearbeitet. Seit seiner Rückkehr aus Syrien in den Herkunftsstaat war er bei der irakischen Gewerkschaft für Journalismus tätig und brachte mit dieser Tätigkeit 800,00 US-Dollar ins Verdienen [BF 1, AS 70].

Parallel dazu handelte er im Herkunftsstaat bis zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt mit Bekleidung [BF1, AS 75] und betrieb insgesamt vier Geschäfte unbekannter Größe [BF1, AS 84].

1.4. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

Die beschwerdeführenden Parteien weisen (bis aufeinander) keine (sonstigen) familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet auf.

Die beschwerdeführenden Parteien sind strafrechtlich unbescholten.

Vereinsmitgliedschaften, ein längerfristiges und tiefergehendes soziales Engagement oder intensive Bekanntschaften oder Freundschaften konnten nicht festgestellt werden. Eine Verpflichtungserklärung wurde nicht abgegeben.

Anhaltspunkte für die Annahme einer besonders maßgeblichen Integration der beschwerdeführenden Parteien in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

Die beschwerdeführenden Parteien leben von der staatlichen Grundversorgung.

Am 13.05.2016 ist der BF1 unter Gewährung von Rückkehrhilfe allein aus dem Bundesgebiet in den Herkunftsstaat ausgereist und hält er sich seit dem 21.12.2016 wieder im Bundesgebiet auf. In dieser Zeit seines Aufenthaltes im Herkunftsstaat hielten sich seine Ehegattin, die BF2, und die mj. BF3 im Bundesgebiet auf [BF1, AS 74].

1.5. Zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien in Zusammenhang mit ihren Fluchtgründen:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Stadt MOSSUL, Hauptstadt der Provinz NINAVA, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF) und mit der Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mossul.

Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht. Im Westteil der Stadt wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt.

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister HAIDER AL-ABADI die Stadt MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Aktuell richten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie eine Enklave südlich von KIRKUK. So gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS besiegt sei.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUL, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen.

Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zur Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und regierungsnahen Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in den Jahren 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum BAGDAD ist im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu dienen solle, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Offiziell ist nach wie vor das ca. 70.000 Mitglieder umfassende und sich aus Soldaten aus der regulären Armee, der Militärpolizei, der normalen Polizei und den Geheimdiensten zusammensetzende "Baghdad Operations Command" (BOC) für die Sicherheit in der Stadt zuständig. Seitdem der IS im Juli 2017 zurückgedrängt wurde, nahmen die auf BAGDAD gerichteten Anschläge kontinuierlich ab. Dennoch kommt es immer wieder zu Selbstmordanschlägen, vor allem in schiitisch dominierten Viertel, wie SADR CITY, SHULA und HAY AL-AMEL als auch an Checkpoints und bei militärischen Einrichtungen. BAGDAD erlebte im Jahr 2017 einen Rückgang der Gewalt. Diese Entwicklung wird vor allem der BOC zugeschrieben.

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von durch ethnische oder religiöse Gruppierungen bewohnten Gebiete.

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks sowie in und um BAGDAD und im Umkreis von KIRKUK. Wesentlich ist dabei die Befriedigung elementaren Lebensbedürfnisse sowie die Dokumentation und Relokation der Binnenvertriebenen (IDP). Ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Insgesamt wurden seit 2014 über drei Millionen Binnenvertriebene sowie über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert. Für das Jahr 2017 wurden erstmals mehr Rückkehrer als Vertriebene registriert.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 26.02.2018).

1.6. Zur Lage der beschwerdeführenden Parteien in ihrem Herkunftsstaat:

Weder der BF1, noch die BF2 waren Mitglied einer politischen Partei oder einer bewaffneten Gruppierung ihres Herkunftsstaates.

Sie hatten weder mit den staatlichen Behörden, noch mit der Polizei, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates Probleme.

Es steht fest, dass der BF1 seinen letzten Arbeitstag als Leiter einer Zeitung vor seiner Ausreise vom Herkunftsstaat nach Syrien im Jahr 2007 verrichtete. Unmittelbar vor seiner Ausreise schloss er den Medienbetrieb und ist dieser seit seiner Schließung im Jahr 2007 nicht mehr aktiv [BF1, AS 70 f]. Seither ist er im Herkunftsstaat keiner Tätigkeit als Journalist mehr nachgegangen.

Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass er den Herkunftsstaat zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2007 wegen "einer Bedrohung" durch Milizen nach Syrien verlassen hätte. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er nach seiner im Jahr 2012 erfolgten Rückkehr in den Herkunftsstaat entführt und gefoltert worden wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass seine angeblichen Entführer von seinem Vater ein Lösegeld in Höhe von 20.000,00 US-Dollar verlangt hätten und er trotz angeblich erfolgter Zahlung des Lösegeldbetrages nicht frei gelassen worden wäre und dass er erst auf Grund von Flucht "vor den Milizen" freigekommen und ins Krankenhaus gegangen wäre. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass sein Vater auf Grund der angeblichen Entführung des BF1 einen Herzinfarkt erlitten hätte und daran gestorben wäre [BF1, AS 76].

Anlassbezogen konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF1 nach seiner angeblichen Entführung im Jahr 2012 weiteren Bedrohungen auf Grund des von ihm ausgeübten Berufes ausgesetzt gewesen wäre [BF1, AS 76].

Dass seine Ehegattin, die dieser am 06.02.2014 heiratete, (Anm.: die BF2) einen Drohbrief erhalten hätte, weil sie keinen Schleier getragen hätte, und in dem gestanden hätte, dass sie sich anständig verhüllen solle, konnte nicht festgestellt werden. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass sie, als sie sich weiterhin nicht verhüllte, ein weiteres Schreiben erhalten hätte, worin gestanden wäre, dass sie, wenn sie sich nicht verschleiere, vergewaltigt würde [vgl. BF1, AS 76 und BF2, AS 49].

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass an einem nicht festgestellten Tag im Jahr 2015 (drei Monate vor der Ausreise des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin) Personen in Militäruniform und Militärfahrzeugen vor dem Haus gestanden wären, in dem der BF1 und die BF2 zuletzt im Herkunftsstaat gelebt hatten, [BF1, AS 76]. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass sich die BF2 bei ihrer Flucht an der Hand verletzt hätte und dass sie und ihr Ehegatte, der BF1 anschließend zu einer kleinen Krankenstation gefahren wären [vgl. BF1, AS 76; BF2, AS 50].

Es steht jedoch fest, dass der BF1 und die BF2 die von ihm behauptete Entführung im Jahr 2012, noch die angebliche Folterung des BF1, sowie die an seine Ehegattin, die BF2, gerichteten Drohbriefe der Polizei des Herkunftsstaates nicht zur Anzeige gebracht haben.

In den letzten drei Monaten vor ihrer Ausreise ging die BF2 noch zur Universität, um Prüfungen zu machen [BF2, AS 51].

Die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer haben keine eigenen Fluchtgründe.

1.6.1. Zur Lage Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft in der Stadt Bagdad:

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch kommt es vor, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen werden.

Seit dem Jahr 2003 nahm die Dominanz der schiitischen Gemeinschaft in Bagdad stets zu. Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert. Im Hinblick auf BAGDAD kam es seitdem verstärkt zur Spaltung BAGDADS in konfessionelle Linien, zu interkonfessioneller Gewalt und Vertreibungen und schließlich zur Bildung von separaten sunnitischen und schiitischen Vierteln. In BAGDAD kommt es immer wieder zu Übergriffen und gewaltsamen Akten von schiitischen Milizen an Sunniten. Laut Berichten begehen die PMF-Milizen in BAGDAD immer wieder Kidnappings und Morde an der sunnitischen Bevölkerung, die nicht untersucht werden. Oftmals kommt es auch zu Drohungen gegenüber Sunniten.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet und mit großer Gewalttätigkeit vorgeht. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensrichtung bzw. der schiitischen Glaubensrichtung besteht nicht.

Obwohl die sunnitische Glaubensgemeinschaft in BAGDAD gegenüber der schiitischen Gemeinschaft die Minderheit darstellt, sie sie nach wie vor in der Gesellschaft und in der Regierung präsent.

In BAGDAD gibt es Bezirke und Stadtteile, in denen überwiegend Sunniten leben. Als solche werden in den Länderberichten insbesondere ADHAMIYA, MANSOUR und ABU GHRAIB genannt.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens von Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden. Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

1.6.1.1. Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats zählen im Irak zur gefährdeten Berufsgruppe. Es wird auch berichtet, dass Extremisten und bewaffnete Gruppen Angriffe auf Künstler, Poeten, Schriftsteller und Musiker verübt hätten (USDOS 3.3.2017). Dass in BAGDAD gezielt Angriffe auf Schauspieler und Journalisten verübt bzw. die angeführten Angehörigen dieser Berufsgruppen gezielt bedroht worden wären, ist den Länderberichten nicht zu entnehmen.

Nach der Verfassung des Irak ist das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet, sofern die Äußerung nicht die öffentliche Ordnung oder die Moral verletzt, Unterstützung für die Baath-Partei ausdrückt oder das gewaltsame Verändern der Staatsgrenzen befürwortet. Der größte Teil der Einschränkungen dieses Rechts kommt durch Selbstzensur auf Grund von glaubhafter Furcht vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionelle Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden zustande (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, (letzter Zugriff am 20.06.2018)

1.6.2. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten bzw. arabische Schiiten im Irak:

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

Die beschwerdeführenden Parteien sind in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat. Sie selbst kommen aus einem sunnitisch besiedelten (von der schiitischen Mehrheitsbevölkerung BAGDADS abgeschirmten) Stadtteil des Herkunftsstaates. Dor lebt auch ein Teil ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihnen nicht möglich wäre, dort zu leben. Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit in anderen - ihnen bekannten - sunnitisch mehrheitlich bzw. ausschließlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 20.06.2018).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 20.06.2018)

1.6.3. Zur Lage von Frauen und Kindern im Irak

1.6.3.1. Zur Lage von Frauen, insbesondere im Hinblick auf Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25% im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30%) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen.

Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Im Hinblick auf die Situation der Frau herrschen in schiitisch dominierten Bereichen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt. Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO¿s und andere internationale Akteure, z. B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irak mit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen. So hat die irakische Regierung gegenüber der UNDAF die Zusage zur Förderung von Frauen und Mädchen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auch für den Zeitraum von 2015 bis 2019 wiederholt.

Im Jahr 2014 lag die Erwerbsquote von Frauen im Irak bei ca. 14%, stieg allerdings in den letzten Jahren an und lag im Jahr 2016 bei 17,8%. Die Anzahl möglicher Betätigungsfelder für Frauen im Irak steigt stetig an, so sind Frauen nicht nur im öffentlichen Sektor tätig sondern etablieren sich, trotz der nach wie vor vorherrschenden gesellschaftlichen Ressentiments und Widerständen, zunehmend als Unternehmerinnen bzw. Eigentümerinnen von Geschäftigen (z.B. Buchgeschäften oder Kaffeehäusern) etc.

In den Jahren 2014 und 2015 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Cafés und Restaurants in BAGDAD und BASRA, wobei der Umstand, dass dort Frauen beschäftig werden bzw. waren, oftmals als Motiv genannt wurde, jedoch auch als Vorwand gesehen wird, ein unliebsames Lokal zu schließen. Gegen die Zahlung von Schutzgeld war es Lokalbesitzern in BASRA möglich, auch Kellnerinnen einzustellen, die freizügiger angezogen waren. Grundsätzlich schützen die irakischen Gesetze Frauen, die in Kaffeehäusern oder Casinos arbeiten, es besteht seitens der irakischen Regierung ein Problembewusstsein für diese Thematik. Dennoch kommt es bei Frauen, die als Kellnerinnen arbeiten, oftmals zu Übergriffen.

Quellen:

Adnan Abu Zeed, Nightclubs, cafes still risky business for Iraqi women, 05.12.2017,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/12/nightclub-girls-club-baghdad-iraq-harassment.html#ixzz56XBcW5nl (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Ergänzende Informationen zu Vorschriften zur Frauenbekleidung durch Gesellschaft und Milizen sowie Ergänzungen zur Lage von Kellnerinnen, 13.11.2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1418160/5209_1511256710_irak-mr-sog-bekleidungsvorschriften-fuer-frauen-lage-von-kellnerinnen-ergaenzende-afb-2017-11-10ke.doc (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

Mustafa Saadoun, Iraq's female booksellers turn the page on gender roles, 19.10.2017,

https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/10/iraqi-women-take-another-male-profession-in-bookstores.html (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

UN-Women, Humanitarian actors highlight women's role in recovery and peacebuilding in Iraq, 20.09.2017, http://www.unwomen.org/en/news/stories/2017/9/news-humanitarian-actors-highlight-womens-role-in-recovery-and-peacebuilding-in-iraq (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

UN-Women, Iraq [Stand: 2016],

http://arabstates.unwomen.org/en/countries/iraq (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

UN-Women, UN Women meets with Women Leaders and Civil Society Organizations in Baghdad [EN/AR/KU], 02.08.2017 https://reliefweb.int/report/iraq/un-women-meets-women-leaders-and-civil-society-organizations-baghdad-enarku (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

WKO Länderprofile, 10/2017,

http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-irak.pdf (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

Zahra Ali, Women's rights are under threat in Iraq, 20.11.2017, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/11/20/womens-rights-are-under-threat-in-iraq/?utm_term=.781f3d0fb747, (Letzter Zugriff am 08.02.2018)

1.6.4. Zur medizinischen Grundversorgung im Irak

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt, so ist im Irak zwar ein qualifiziertes Ärzte- und Krankenhauspersonal vorhanden, doch sind viele Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitssektor aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Irak geflohen oder haben ihre Arbeit niedergelegt. Das Gesundheitsministerium ist der Hauptanbieter im Gesundheitsbereich, das öffentliche Gesundheitssystem basiert auf einem Kostenteilungsmodell, bei dem die Regierung einen Teil der Kosten medizinischer Leistungen übernimmt und den Patienten eine geringe Gebühr in Rechnung gestellt wird. Der Mangel an politischer Stabilität und Staatssicherheit im Irak macht es schwierig, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Neben der öffentlichen Gesundheitsversorgung existiert ein privater Gesundheitssektor, welcher ebenfalls heilmedizinische Leistungen anbietet, diese können jedoch, wenn weitere Leistungen nötig werden (z.B. MRT, Medikamente oder operative Eingriffe) durchaus kostspielig sein.

Einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad sind Untersuchungen und Behandlungen im öffentlichen Sektor kostenfrei verfügbar. Nach einem IOM-Bericht gibt es ebenso öffentliche Gesundheitszentren. Neben Krankenhäusern in ERBIL sind dazu das Ainkawa Health Care Center, das Pirzeen Health Care Center oder das Shaqlawa Hospital Safin Health Care Center. Ebenso gibt es in AL SULAYMANIYAH eine Reihe öffentlicher Krankenhäuser, sowie weitere Gesundheitszentren im Umland, die jedoch im Allgemeinen schlecht ausgestattet sind und oftmals nur die notwendigste Versorgung gewährleisten können, z.B. das Bakrajo Health Center, das Kakamand Health Center oder das Sarchnar Health Center. Medizinische Versorgung ist auch im Südirak gegeben, so sind neben den Krankenhäusern in BASRA in diesem Zusammenhang das Hay Al-Mohandesin Typical Healthcare Centre und das Haji Khudair Healthcare Centre, die jedoch ebenfalls schlecht ausgestaltet sind.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad, 30. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423351/5209_1517480519_irak-rf-mev-diverse-medikamente-und-behandlung-in-baghdad-2018-01-30-k.odt (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 21.06.2018)

1.7. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Die beschwerdeführenden Parteien hatten mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder auf Grund des Religionsbekenntnisses, noch aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 auf Grund seiner Zugehörigkeit zur muslimischen Glaubensgemeinschaft schiitischer Glaubensrichtung oder auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit als Angestellter der irakischen Gewerkschaft für Journalisten einer individuellen und aktuellen Verfolgung durch Milizen ausgesetzt gewesen wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er als Journalist jemals einer individuellen und aktuellen Verfolgung durch Milizen ausgesetzt gewesen wäre. Das von ihm bis zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2007 betriebene und vor seiner Ausreise nach Syrien geschlossene Printmedienunternehmen wurde nie mehr in Betrieb genommen. Er arbeitete im Zeitraum ab der im Jahr 2007 erfolgten Schließung des Printmedienunternehmens bis laufend nie mehr als Journalist im Irak [BF1, AS 77].

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die BF2 als Studentin oder wegen ihres Bekleidungsstils im Irak von Milizen individuell und aktuell verfolgt worden wäre. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass sie zwei Drohbriefe erhalten hätte, weil sie sich nicht an das Verhüllungsgebot gehalten hätte.

Die mj. BF3 und der mj. BF4 haben keine eigenen Fluchtgründe.

Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte bei keiner der beschwerdeführen Parteien festgestellt werden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF1 oder die BF2 vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen und aktuellen Verfolgung aus den von ihnen genannten Gründen im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen wären bzw. sie im Falle ihrer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnten.

Am 13.05.2016 kehrte der BF1 - wenn auch allein und unter Zurücklassung der BF2 und der mj. BF3 - freiwillig in den Herkunftsstaat zurück und begab sich damit in den Schutz des Herkunftsstaates. Er ist erst seit dem 21.12.2016 wieder in Österreich aufhältig [BF1, AS 74]. Dass er sich nach dieser freiwilligen Rückkehr nur wenige Tage im Herkunftsstaat und in der Folge mehrere Monate in der Türkei aufgehalten hätte, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wären, oder dass sonstige Gründe vorlägen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihren Personen gelegenen Gründen oder auf Grund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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