Entscheidungsdatum
18.07.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2178381-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX, vom 25.10.2017, Zl.: XXXX, vertreten durch XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 26.06.2015, 08:05 Uhr, stellte der im Bundesgebiet nicht zum Aufenthalt berechtigte XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Noch am selben Tag, wurde er ab 16:05 Uhr durch ein Organ der Landespolizeidirektion XXXX einer Erstbefragung unterzogen, anlässlich welcher der unverheiratete und kinderlose BF zu seinen Fluchtgründen befragt, angab, dass er Sunnite sei und von schiitischen Bewegungen mit dem Tod bedroht werde. Drei Tage vor seiner großen Abschlussprüfung hätten sie ihn erneut bedroht, weshalb er den Entschluss gefasst habe, sein Land zu verlassen. Im Irak gebe es keine Sicherheit [Angaben des BF im Erstbefragungsprotokoll der öffentlichen Sicherheitsbehörde vom 26.06.2015, AS 9]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht. Weiter erteilte er eine detaillierte Auskunft zu seiner Fluchtroute.
3. Am 06.06.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, XXXX, (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen und gab dort zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er an einem nicht festgestellten Tag, an dem er sich auf dem Weg zur Universität machen wollte, auf der Windschutzscheibe seines Autos ein Schreiben mit einer Patrone gefunden hätte. Er habe angefangen, zu zittern und sei vor lauter Angst nach Hause gegangen. Zu Hause habe er seine Mutter angetroffen und ihr das Kuvert gezeigt. Als diese das Schreiben gelesen und die Patrone gesehen habe, habe sie gesagt, dass er zu seiner Schwester fahren solle, bis sie eine Lösung gefunden hätten. Als sein Vater von dieser Sache erfuhr, habe er ihn angerufen und ihm empfohlen, schnell eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten und zu berichten, dass er bedroht worden sei. Auch habe er ihm geraten, das Schreiben zu kopieren und es ihnen zu geben. Die Polizei habe einen Zeugen verlangt. Das sei in diesem Fall seine Mutter gewesen. Am nächsten Tag habe man festgestellt, dass das ganze Geschehen von einem Nachbarn des BF mit der Videokamera aufgenommen wurde. Es hieß, dass ein Motorrad vorbeigefahren wäre und das Schreiben auf die Windschutzscheibe des Autos des BF gelegt worden sei. Als seine Mutter dies bei der Polizei angegeben hatte, hätte sich der Polizeibeamte uninteressiert gezeigt und den Fall ignoriert. Als der BF sah, dass die Anzeigeerstattung nichts bringe, habe er sich an seine Freunde gewandt; diese hätten ihm die Sinnlosigkeit einer Anzeige vor Augen führen wollen und ihm gesagt, dass die Polizei mit den Terroristen zusammenarbeite. Bis zu seiner Ausreise sei er immer wieder von seinen Freunden angerufen worden und hätten ihm diese gesagt, dass er nicht zu Hause auftauchen dürfe. Nach seiner Abreise habe sich auch seine Familie gezwungen gefühlt, den Bezirk zu verlassen und in einen anderen Bezirk zu übersiedeln [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom06.06.2017, AS 68 f]. Über Nachfrage gab er an, dass es keine weiteren Gründe gebe, das Herkunftsland zu verlassen. Im Fall seiner Rückkehr fürchte er sich davor, getötet zu werden. Bedroht werde er von der Miliz ASA'IB AHL AL-HAQQ. Er sei ein einziges Mal mit dem Drohbrief bedroht worden, und zwar am 17.05.2015 [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom 06.06.2017, AS 69].
4. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 25.10.2017, Zl. XXXX, dem BF am 30.10.2017 durch Hinterlegung zugestellt, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF vom 26.06.2017 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt IV.) und sprach aus, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF die zum 24.11.2017 datierte, am 27.11.2017 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde, die er mit der Erklärung verband, dass er den bekämpften Bescheid in seinem gesamten Umfang wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Rechtswidrigkei infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften anfechte und die er mit den Anträgen verband, das Bundesverwaltungsgericht wolle eine mündliche Verhandlung anberaumen, gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG über den Antrag des BF in der Sache selbst entscheiden und dem BF gemäß § 3 AsylG den Status eines Asylberechtigten zuerkennen, in eventu gemäß § 28 Abs. 2 leg. cit. über seinen Antrag in der Sache selbst entscheiden und ihm gemäß § 8 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu in der Sache selbst entscheiden, die Rückkehrentscheidung beheben und für auf Dauer unzulässig erklären du dem BF in weiterer Folge einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen, in eventu den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Bescheiderlassung an die Behörde zurückverweisen.
6. Am 30.11.2017 brachte die belangte Behörde die gegen den oben näher bezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde des BF samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz: BVwG) zur Vorlage und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.
7. Am 25.05.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF und eines Dolmetschers für die Muttersprache des BF durchgeführt.
Anlässlich dieser Verhandlung gab er zu seiner Identität an, dass die von der belangten Behörde zu seinem Namen, zu seinem Geburtsdatum und zu seiner Staatsangehörigkeit getroffenen Feststellungen korrekt seien und dass er seinen Namen XXXX seit seiner Geburt führe [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 4).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der Glaubensrichtung Al Hanafi, die Teil der sunnitischen Glaubensrichtung ist [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 5]. Seine Muttersprache ist arabisch.
Er ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.
Er ist unverheiratet und lebt im Bundesgebiet mit niemandem zusammen. Er hat weder leibliche, noch an Kindesstatt angenommene Kinder [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 5].
Im Herkunftsstaat besuchte er von 2001 bis 2007 die Grundschule und von 2007 bis 2013 eine Allgemeinbildende Höhere Schule in seiner Heimatstadt XXXX, wobei er letztere mit der Reifeprüfung abschloss. Von 2013 bis 2015 belegte für die Dauer von zwei Jahren ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität XXXX [AS 1; PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 6].
Neben seiner Ausbildung ging er im Herkunftsstaat keiner Erwerbstätigkeit nach. Vielmehr kamen sein Vater, XXXX, und seine Mutter, XXXX, für seinen Lebensunterhalt auf [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 6 unten]. Der BF selbst lebte in einem Haus mit 600 m², das im Eigentum seines Vaters steht [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 11].
1.2. Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie des BF besteht aus dessen Vater, XXXX, und dessen Mutter, XXXX, seinem zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborenen Bruder, XXXX, und aus seinen beiden Schwestern, der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXX geborenen XXXX und der zu einem ebenfalls nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres XXXXgeborenen Schwester XXXX. Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte der BF mit seiner Kernfamilie in XXXX. Er hat auch Tanten und Onkel, die mit deren Familien verstreut im Irak leben [AS 5; AS 67]. Die Kernfamilie des BF ist sehr wohlhabend. Sie besitzt drei Häuser und zwei Autos im Herkunftsstaat [AS 67]. Der Vater ist Pensionist. Dass er aktiver Rechtsanwalt wäre, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [vgl. AS 70 f]. Eine Schwester des BF ist Rechtsanwältin. Eine Schwester des BF ist Ärztin [AS 67]. Die Schwestern des BF sind jeweils mit Schiiten verheiratet und leben ebenfalls in XXXX. Die beiden Ehegatten der Schwestern sind in einer Telekommunikationsgesellschaft beschäftigt, wobei einer der beiden Ehegatten der Direktor dieser Telekommunikationsgesellschaft ist [PV des BG in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 13]. Der Bruder des BF, der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1986 geborene Ahmed, ging im Zeitpunkt der Ausreise des BF aus dem Herkunftsstaat einem Studium in Weißrussland nach. Am 12.11.2017 kehrte der Bruder des BF nach XXXX zurück, hält sich jedoch wieder in Weißrussland auf [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 7 oben].
1.3. Im Herkunftsstaat gehörte der BF keiner politischen Organisation oder bewaffneten Gruppierung an.
Mit den Behörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates hatte er keine Probleme.
Dass er mit der Polizei des Herkunftsstaates oder mit den im Herkunftsstaat aktiven Milizen, insbesondere aus religiösen Gründen Probleme gehabt hätte, oder dass er im Herkunftsstaat vorbestraft wäre, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 7]
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat politisch tätig gewesen wäre. Auch hat er nie an bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen. Er war auch nie Mitglied einer radikalen extremistischen Gruppierung oder einer verbotenen Organisation.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass er auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner Religionszugehörigkeit im Herkunftsstaat Probleme gehabt hätte.
Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er bei seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat, die er am 24.05.2015 am Flughafen XXXX antrat, Probleme gehabt hätte.
1.4. Es steht fest, dass der BF am 24.05.2015 den Herkunftsstaat von XXXX ausgehend mit dem Flugzeug nach ISTANBUL verließ [AS 5]. Von dort aus setzte er seine Reise nach IZMIR (Türkei) fort und gelangte von hier aus - schlepperunterstützt - mit einem Boot auf die griechische Insel SAMOS, von wo aus er mit einer Fähre nach ATHEN übersetzte und anschließend seine Weiterreise nach THESSALONIKI fortsetzte. Von hier aus gelangte er über die sog. "Balkanroute" nach Ungarn, wo er - ebenfalls schlepperunterstützt - zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt mit einem Kastenwagen illegal nach Österreich gelangte [AS 7].
Am 26.06.2015 wurde er von Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde aufgegriffen. Am 26.06.2015, 08:05 Uhr, stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG und wurde er noch am selben Tag, ab 16:05 Uhr, einer Erstbefragung unterzogen [AS 3].
Für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat verwendete er einen Reisepass, den er bei seiner Einreise ins Bundesgebiet jedoch nicht mehr bei sich hatte [AS 5]. Es ist nicht feststellbar, wo der Reisepass verblieben ist.
1.5. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.6. Er hat keine im Bundesgebiet lebenden bzw. hier aufhältigen Verwandten bzw. hier lebende bzw. aufhältige nahe Angehörige [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 5].
Der BF beherrscht zwar geringe Grundkenntnisse der deutschen Sprache und belegte er an der Universität XXXX einen Vorstudienlehrgang, den er mittlerweile abbrach.
Am 02.05.2018 begann er mit einer dreijährigen Lehre zum Fliesenleger bei der XXXX in XXXX.
Er gehört weder einem Verein an, noch liegen Anhaltspunkte für ein besonderes soziales Engagement des BF vor [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 18 f]. Doch konnten darüber hinaus keine maßgeblichen Anhaltspunkte in Hinblick auf eine soziale Aufenthaltsverfestigung des BF im Bundesgebiet festgestellt werden.
1.7. Ab einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2013 bis zu einem ebenfalls nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 belegte er an der Universität XXXX das Studium der Rechtswissenschaften.
Beschwerdegegenständlich konnte nicht festgestellt werden, dass er bzw. seine Familie bis zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Mai des Jahres 2015 Berührungspunkte mit Angehörigen einer schiitischen Miliz gehabt hätte bzw. er bis dahin solche mit der Miliz ASA¿IB AHL AL-HAQQ gehabt hätte.
Es kann daher nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat einer Verfolgung oder Bedrohung durch (schiitische) Milizen ausgesetzt gewesen wäre.
Als er am 17.05.2015 das Haus verließ, um auf die Universität zu fahren, fand er auf der Windschutzscheibe seines Autos ein Schreiben, dem eine Patrone beigefügt war.
Das auf dem Auto vorgefundene Schreiben und die diesem beigefügte Patrone brachte er noch am selben Tag zur Polizei des Herkunftsstaates und erstattete Anzeige. Noch am selben Tag wurde er von Beamten der Polizeiinspektion XXXX und XXXX einvernommen [AS 129] und wurde in der Folge von der Polizei des Herkunftsstaates ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zu diesem Zweck wurde mit dem Untersuchungsrichter von AL BAJAA Kontakt aufgenommen [AS 131].
Ob es sich bei dem Schreiben, das er auf der Windschutzscheibe seines Autos fand, um jenes Schreiben handelte, das er in Kopie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [AS 133] vorlegte, konnte anlassbezogen ebenso wenig festgestellt werden, wie dessen Echtheit und Richtigkeit. Ebenso wenig konnte die Echtheit und Richtigkeit des ebenfalls in Kopie zur Vorlage gebrachten Polizeiprotokolls [AS 129] und des ebenfalls in Kopie vorgelegten Schreibens der Polizeiinspektion XXXX und XXXX festgestellt werden.
Bei Wahrunterstellung dieses Sachverhalts und unter der Prämisse der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Kopien konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden, dass sich sowohl die Polizei, als auch die Staatsanwaltschaft des Herkunftsstaates desinteressiert gezeigt und sich dem BF gegenüber als schutzunwillig bzw. als schutzunfähigkeit erwiesen hätten.
Selbst bei Wahrunterstellung, dass dem BF ein Schreiben auf der Windschutzscheibe seines Autos abgelegt wurde, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Miliz ASA¿IB AHL AL-HAQQ nach diesem Vorfall nach ihm gesucht hätten.
Insgesamt vermochte der BF nicht glaubhaft zu machen, dass er aus religiösen Gründen einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung durch (schiitische) Milizen ausgesetzt war.
1.8. Am Dienstag, den 10.06.2014, eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt Mossul (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von Mossul gelegenen Provinz Anbar konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In Mossul wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.
Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben. In den Länderinformationen scheint nicht auf, dass muslimische Araber, darunter solche sunnitischer Glaubensrichtung, von den Angehörigen des IS unter Druck gesetzt oder gar vertrieben worden wären
(https://zavd.de/wp-content/uploads/2015/12/ZAVD-Dokumentation-Ereignisse-Irak-2014.pdf).
Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert.
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass der BF einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihm - selbst bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.
1.8.1. Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet und mit großer Gewalttätigkeit vorgeht. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.
Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht.
Obwohl die sunnitische Glaubensgemeinschaft in BAGDAD gegenüber der schiitischen Gemeinschaft die Minderheit darstellt, ist sie nach wie vor in der Gesellschaft und in der Regierung präsent.
In BAGDAD gibt es Bezirke und Stadtteile, in denen überwiegend Sunniten leben. Als solche werden in den Länderberichten insbesondere ADHAMIYA, MANSOUR und ABU GHRAIB genannt.
Quellen:
Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,
http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017
https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)
UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,
https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)
BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 18.07.2018)
1.8.2. Zu den innerstaatlichen Fluchtalternativen des BF als arabischer Sunnit im Irak:
Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.
Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.
Der BF hätte auch die Möglichkeit in anderen mehrheitlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter die Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR. Ihm wäre es auch möglich, in einer der mehrheitlich sunnitisch bewohnten Stadtteile Bagdads oder bei der Familie einer seiner beiden Schwestern, die sich in Bagdad aufhalten, wovon beide Familien sehr wohlhabend sind, zu wohnen. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihm nicht möglich wäre, dorthin zu ziehen und zu leben.
Es ist ihm überdies möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich nach den vorliegenden Länderinformationen z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.
Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.
Quellen:
IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,
http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (Letzter Zugriff am 17.07.2018)
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)
1.9. Der BF (ein Student) hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses noch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme. Weder er, noch Angehörige seiner Kernfamilie waren politisch aktiv oder Mitglieder einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates.
Bis zu dem behaupteten Vorfall am 17.05.2015 hatte er keinen Kontakt zu Angehörigen einer Miliz, namentlich der Miliz ASA¿IB AHL AL-HAQQ. Es sind auch keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass er nach dem behaupteten Vorfall Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätte.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er mit Angehörigen der schiitischen Glaubensrichtung Probleme gehabt hätte. Vielmehr sind seine beiden, in XXXX aufhältigen Schwestern, wovon eine Ärztin und die andere Rechtsanwältin ist, mit je einem schiitischen Ehegatten verheiratet, wovon beide in einer Telekommunikationsfirma arbeiten [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 13].
Den in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben, dass in Hinblick auf die Erkenntnisse des VwGH vom 13.12.2017, Zl. Ra 2017/19/0166 und vom 18.10.2017, Zl. Ra 2017/19/0141 nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Gruppenverfolgung der sunnitischen Bevölkerung durch schiitische Milizen stattfinde, ist entgegen zu halten, dass die Revisionswerber in beiden Fällen nicht aus Bagdad bzw. aus der Umgebung von Bagdad stammen. Aus den dem BVwG vorliegenden Länderinformationen ergeben sich keine Anhaltspunkte dahin, dass die in Bagdad lebenden Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung eine Gruppenverfolgung befürchten müssten.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wäre oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF sowie auf den niederschriftlich dokumentierten Angaben der Zeugin, XXXX, anlässlich der hg. am 25.05.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und die amtswegig eingeholten Auskünfte.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität (XXXX, geb. XXXX), Staatsangehörigkeit (Irak), Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim sunnitischer Glaubensrichtung) des BF Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, sowie auf seinen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gemachten - diese Angaben bestätigenden - Angaben zu seiner Identität [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 4] und auf dessen Kenntnis und Verwendung der arabischen Sprache und auf den Kenntnissen der geografischen Gegebenheiten des Irak. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.
Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zu seiner weiteren Reiseroute und zu seiner Einreise in Österreich getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörden, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten [AS 6 f].
2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und zu seiner Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf seinen Angaben vor den Vernehmungsorganen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben, auf seinen Angaben in der Beschwerdeschrift und auf den vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Parteienvernehmung (in der Folge kurz: PV) gemachten Angaben.
So hatte der BF anlässlich seiner Erstbefragung vor einem Organ der Sicherheitsbehörde zu seinen Fluchtgründen befragt, am 26.06.2015 einsilbig angegeben, dass er den Herkunftsstaat deshalb verlassen hätte, weil er als Sunnit von schiitischen Milizen, wobei er hier mehrere und nicht eine bestimmte Miliz meinte, mit dem Tod bedroht werde. Drei Tage vor seiner großen Abschlussprüfung hätten sie ihn erneut bedroht, weshalb er sich entschlossen habe, sein Land zu verlassen. Im Irak gebe es keine Sicherheit [AS 9].
Anlässlich seiner niederschriftlich dokumentierten Befragung vor der belangten Behörde gab er am 06.06.2017 an, lediglich ein einziges Mal bedroht worden zu sein. So habe er am 17.05.2015 von der schiitischen Miliz ASA'IB AHL AL-HAQQ einen Drohbrief erhalten [AS 69]. Schon mit diesen Angaben setzte er sich in Widerspruch zu seinen in der Erstbefragung vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde gemachten Angaben, denen zu Folge er von namentlich nicht genannten "schiitischen Bewegungen" mehrmals bedroht worden sein will. Das ergibt sich unter anderen aus seiner - in der Folge nicht weiter aufrecht erhaltenen - Aussage, dass er drei Tage vor seiner Abschlussprüfung "erneut bedroht" worden sei. Diese erneute Bedrohung habe er schließlich zum Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates genommen [AS 9].
Während in der Erstbefragung vor der öffentlichen Sicherheitsbehörde noch gar keine Rede von einem Drohbrief war, behauptete er vor der belangten Behörde, dass er bei seiner einmaligen Bedrohung einen Drohbrief gefunden hätte. Dazu führte er aus, dass er, als er die im Drohbrief abgedruckte Metapher gesehen hatte, zu zittern begann und gewusst hätte, dass es sich wieder mal um einen Drohbrief handeln würde, den schon sein Bruder erhalten hätte [AS 69]. Hinsichtlich des Zeitpunktes, wann sein Bruder eine Drohung erhalten hätte, gab er an, dass dies "etwa im April 2015" gewesen sei und dass es - abgesehen davon - weitere Drohungen gegen ihn nicht gegeben hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 14]. Dass der Bruder des BF, der in der Zeit des angeblich an ihn ergangenen Drohschreibens in Weißrussland studierte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 7], ein solches bekommen haben soll, erscheint weder nachvollziehbar, noch den Denkgesetzen entsprechend. Auch verstrickte sich der BF hinsichtlich der Entführung seines Bruders in einen unauflöslichen Widerspruch, der im Wesentlichen darin besteht, dass sein Bruder im Irak zu einem Zeitpunkt entführt worden sein soll, als sich dieser noch in Weißrussland aufgehalten hatte. So hatte der BF anlässlich seiner PV vor dem BVwG angegeben, dass sein Bruder am 12.11.2017 von XXXX kommend nach XXXX zurückgekehrt sei, um sein Haus und sein Auto zu verkaufen; dann sagte er wieder aus, dass dieser am 09.11.2017 in den Irak zurückgekehrt und am 12.11.2017 entführt worden sei [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 7]. Auch mit der Angabe, dass sein Bruder in Weißrussland studiere, setzte sich der BF mit seinen eigenen, vor dem BVwG gemachten Angaben in Widerspruch. So hatte er an einer anderen Stelle seiner Befragung noch angegeben, dass dieser Rechtsanwalt sei, was sich mit einem in Weißrussland angeblich betriebenen Studium insgesamt nicht in Einklang bringen lässt.
Auch im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit seines Vaters verstrickte er sich in einen eklatanten Widerspruch. Schon vor der belangten Behörde hatte er angegeben, dass sein Vater schon "sehr lange" Pensionist sei [AS 71], womit er diesem unterstellte, dass dieser keiner Berufstätigkeit mehr nachgehe. An einer anderen Stelle gab er auf die Frage "Wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt?" an, dass sein Vater Rechtsanwalt sei und arbeite [AS 67]; damit unterstellte er, dass sein Vater zumindest noch im Jahr 2017 einer Berufstätigkeit nachgegangen war.
In Anbetracht der aufgezeigten, eklatanten Widersprüche erscheint der BF dem erkennenden Verwaltungsgericht daher insgesamt nicht als glaubwürdig. Diesen Eindruck vermögen selbst die in Kopie vorgelegten Urkunden nicht zu zerstreuen, zumal nicht festgestellt werden konnte, dass diese Urkunden echt und richtig sind.
Aus der Sicht des erkennenden Bundesverwaltungsgericht vermochte der BF insgesamt eine aus religiösen Gründen gegen ihn gerichtete Verfolgung nicht glaubhaft zu machen. Daran ändern auch die in der Beschwerdeschrift geäußerten Bedenken gegen die von der belangten Behörde im Zusammenhang mit den vorgelegten Urkunden vorgenommene Beweiswürdigung nichts, zumal die belangte Behörde im Zusammenhang mit den vorgelegten Urkunden, darunter dem zur Vorlage gebrachten Drohbrief in Zusammenschau mit dem in sich widersprüchlichen Vorbringen des BF vor der belangten Behörde sehr genaue - beweiswürdigende - Überlegungen angestellt hat, die auch beim erkennenden BVwG Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit der in Kopie vorgelegten Urkunden aufkommen haben lassen. Diese von der belangten Behörde an der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Urkunden getragenen Zweifel, konnte der BF weder mit seinen (diesbezüglich) unsubstantiiert gebliebenen Ausführungen in der Beschwerdeschrift, noch im Rahmen seiner PV vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht ausräumen. Dagegen begründete die belangte Behörde nachvollziehbar gestützt auf eine schriftliche Übersetzung der in arabischer Sprache gehaltenen (in Kopie vorgelegten) Urkunden durch einen als vertrauenswürdig eingeschätzten Dolmetscher damit, dass der Inhalt des vorgelegten Drohbriefes mit den Angaben des BF, die dieser anlässlich seiner niederschriftlich dokumentierten Einvernahme vor der belangten Behörde gemacht hatte, nicht in Einklang zu bringen seien [AS 123].
Abgesehen davon hatte der BF zum Motiv für die Bedrohung seiner Person angegeben, dass es sich eigentlich um eine Erpressung handeln sollte, um von seinem Vater Kopfgeld zu erpressen [AS 69]; diese Angaben lassen sich jedoch mit dem Inhalt des angeblich auf die Windschutzscheibe seines Autos nicht in Einklang bringen [AS 133].
Die belangte Behörde begründete ihren Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit des Drohbriefes im Wesentlichen damit, dass daraus nicht ersehen werden könne, dass es sich hierbei um eine Erpressung mit Lösegeld handle. Die belangte Behörde hat sich entgegen dem Beschwerdevorhalt des BF dagegen mit den Widersprüchen im Versuch der Darstellung, dass die Polizei des Herkunftsstaates weder schutzwillig, noch schutzfähig wäre und dem anderslautenden Inhalt der vorgelegten Niederschriften der Polizeiwachstube des Herkunftsstaates des BF konkret auseinandergesetzt und auch hier - nachvollziehbar - Bedenken am Wahrheitsgehalt der Schilderungen des BF geäußert.
Die mangelnde Glaubwürdigkeit des BF manifestiert sich weiter darin, dass er dem erkennenden BVwG glaubhaft machen wollte, dass die Polizei des Herkunftsstaates nicht schutzwillig und auch nicht schutzfähig gewesen wäre [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 25.05.2018, S. 9]. Diese Behauptungen des BF werden schon durch die vom BF vorgelegten Urkundenabschriften, sofern diese überhaupt echt und richtig sind, widerlegt. So lässt sich aus einer der vorliegenden Urkunden entnehmen, dass der BF von der Polizei des Herkunftsstaates einvernommen wurde und dass diese auf Grund der vom BF eingebrachten Anzeige Ermittlungen eingeleitet hat [AS 129 ff]. Gerade diese Umstände machen die vom BF in Abrede gestellte Schutzwilligkeit der öffentlichen Sicherheitskräfte des Herkunftsstaates deutlich. Ebensowenig ergeben sich aus den zur Vorlage gebrachten Urkunden Anhaltspunkte dahin, dass die öffentlichen Sicherheitskräfte nicht bereit gewesen wären, dem BF aus religiösen oder sonstigen politischen Motiven heraus nicht zu helfen. Auch zeigt ein Vergleich seiner Angaben vor dem BVwG mit den Angaben vor der belangten Behörde und den Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde eine unverkennbare, seine eigene Glaubwürdigkeit BF in den Grundfesten erschütternde Tendenz zur Steigerung, was in der Zusammenschau mit den zahlreichen Widersprüchen, die sich in seinem Vorbringen zeigten, eine Erschütterung der Glaubwürdigkeit des BF bewirkte.
Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen dem BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 25.10.2017 (dem BF am 31.10.2017 durch Hinterlegung zugestellt) erhobene Beschwerde des BF wurde bei dieser fristgerecht eingebracht und langte diese mit dem angefochtenen Bescheid und den Bezug habenden Verwaltungsakten am 30.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Eine gegen die Person gerichtete Verfolgun