Entscheidungsdatum
23.07.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G305 2178204-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak,XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 13.10.2017, Zl.: XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3
und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 15.09.2015, 18:15 Uhr, stellte der im Bundesgebiet nicht zum Aufenthalt berechtigte XXXX, geb. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF) vor Organen der LPD XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 25.09.2015, wurde er ab 09:49 Uhr durch ein Organ der LPD XXXX einer Erstbefragung unterzogen, anlässlich der der unverheiratete und kinderlose Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt, angab, dass er von verschiedenen Miliztruppen bedroht worden sei, weil er alkoholische Getränke verkauft habe. Aus Angst habe er seine Heimat verlassen [Angaben des BF in Erstbefragungsprotokoll vom 25.05.2017, AS 5]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht. Im Rahmen seiner Erstbefragung erteilte er überdies eine detaillierte Auskunft zu seiner Fluchtroute.
3. Am 14.09.2017 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Zu seinen Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates gab er im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass sein Vater Gruppenführer der BAATH-Partei gewesen sei und die Milizen nach dem Umsturz damit begonnen hätten, diese Leute umzubringen. 2005 sei es sehr gefährlich gewesen, da viele Mitglieder dieser Partei umgebracht worden seien. Sie seien nach Syrien geflohen, wo sie sich bis 2012 aufgehalten hätten. Dann hätten sie wieder in den Irak zurückgemusst und hätten zu arbeiten versucht. 2012 habe er ein Geschäft für Frauenbekleidung eröffnet und davon gelebt. Bis Mittwoch, 29.07.2015, habe er jedes Monat 20.000 irakische Dinar an einen Mann gezahlt; dann sei eine Gruppe zu ihnen gekommen und habe 500.000 irakische Dinar verlangt, dies auch von anderen Geschäften. Als er sie nach dem Grund für die Zahlung fragte, habe man sich als Gruppe XXXX vorgestellt, die zur Miliz ALHAQ, gehöre und dass das Geld eine Spende für ihre Kämpfer sei. Er habe ihnen gesagt, nicht zahlen zu wolle. Am nächsten Tag seien sei wiedergekommen und hätten ihm mitgeteilt, dass er die Sache nicht schwierig machen solle. In der Folge sei er angeschrien und gestoßen worden und hätten sie versucht, das Geld zu nehmen. Im Gehen hätten sie ihm noch gesagt, dass sie mit ihm künftig anders umgehen würden. Daraufhin hätte er sein Geschäft gleich zugesperrt und sei nach Hause gegangen. Als er seinem Vater den Vorfall berichtete, hätte ihm dieser empfohlen, das Geschäft wieder aufzusperren. Als 02.08. an die Garagentür geklopft wurde, habe ihm sein Vater gesagt, dass er sich verstecken solle. Als sein Vater die Tür öffnete, sei die Tür gestürmt worden. Er selbst habe sich am Dach aufgehalten und sei in der Folge zu den Nachbarn geflüchtet; dabei habe er sich am Bein verletzt. Von einem Cousin sei er in weiterer Folge zu einer Tante gebracht worden. Bei seiner Tante habe er erfahren, dass sein Vater bei diesem Vorfall getötet wurde. Er sei in der Folge ins Krankenhaus gebracht worden; als die Polizei eine Anzeigenerstattung verlangte, hätten sie darauf verzichtet. Sein Cousin habe ihn dann nach Hause mitgenommen und in seinem Haus behandelt. Am 04.09. habe er das Land verlassen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht [AS 87 f]. Über Vorhalt seiner zu seinen vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde gemachten Angaben, das Land deshalb verlassen zu haben, da er von Milizen bedroht worden sei, weil er alkoholische Getränke verkauft hätte und dies sein Asylgrund sei, gab er an, dies nichts mit ihm zu tun hätte und er nie Alkohol verkauft hätte [AS 88].
4. Mit Bescheid vom 13.10.2017, Zl.: XXXX, dem BF am 19.10.2017 durch Hinterlegung zugestellt, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF vom 15.09.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die zum 14.11.2017 datierte, am selben Tag im Postweg an die belangte Behörde übermittelte Beschwerde des BF, die er mit den Anträgen verband, das Bundesverwaltungsgericht wolle eine mündliche Verhandlung anberaumen (1.), "nicht alle zu Lasten des BF gehenden Rechtswidrigkeiten" amtswegig aufgreifen (2.), dem Antrag auf internationalen Schutz stattgeben und dem BF den Status eines Asylberechtigten zuerkennen (3.), den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich des Spruchpunktes II.) abändern und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG zuerkennen (4.), den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt III. aufheben bzw. dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde und feststellen, dass seine Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise ersatzlos aufheben (5.), in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde 1. Instanz zurückverweisen.
6. Am 29.11.2017 legte die belangte Behörde die gegen den oben näher bezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde des BF samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz: BVwG) vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.
7. Am 25.05.2018 wurde vor dem BVwG infolge Nichterscheinens des ordnungsgemäß geladenen BF eine mündliche Verhandlung in dessen Abwesenheit geführt. Der mündlichen Verhandlung wohnten eine Dolmetscherin für die Muttersprache des BF und dessen Rechtsvertreterin bei.
8. Mit Schriftsatz vom 30.05.2018 gab die Rechtsvertreterin des BF dem Bundesverwaltungsgericht bekannt, dass dieser das zu ihr bestandene Vollmachtsverhältnis aufgelöst hätte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft schiitischer Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist arabisch.
Er ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Dass er im Bundesgebiet bzw. im Unionsgebiet Verwandte oder nahe Angehörige hätte, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [AS 85 und AS 92].
Im Herkunftsstaat besuchte er die Grund- und Mittelschule bis zur
12. Schulstufe in XXXX. Seine Schulausbildung schloss er ab [AS 85].
Ab einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2012 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat ging er nach eigenen Angaben mit dem Betrieb eines Textilhandels einer selbständigen Erwerbstätigkeit nach [AS 85].
1.2. Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie des BF lebt in XXXX und besteht aus der Mutter des BF, der zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt ungefähr im Jahr XXXX geborenen XXXX, seinen Brüdern XXXX, XXXX, XXXX und XXXX und den Schwestern XXXX, XXXX, XXXX und XXXX [AS 41 ff]. Der Vater des BF ist verstorben [AS 45]. In XXXX leben auch Onkel und Tanten mütterlicherseits [AS 86].
Bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte auch der BF in XXXX an der Anschrift XXXX [AS 43 und Niederschrift des BFA vom 14.09.2017, AS 86].
Der BF ist unverheiratet, kinderlos und hat keine Sorgepflichten [Angaben des BF in Niederschrift des BFA vom 14.09.2017, AS 85].
1.3. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Herkunftsstaat einer politischen Organisation oder bewaffneten Gruppierung angehört hätte, oder dass er mit den Behörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates Probleme gehabt hätte.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat politisch tätig gewesen wäre, oder an bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen hätte, oder dass er Mitglied einer radikalen extremistischen Gruppierung oder einer verbotenen Organisation gewesen wäre.
Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat vorbestraft wäre.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder auf Grund seiner Religionszugehörigkeit (Muslim schiitischer Glaubensrichtung), der im Herkunftsstaat die Mehrheitsbevölkerung angehört, Probleme gehabt hätte.
Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat, die er nach eigenen Angaben am 04.09.2015 von XXXX aus mit dem Flugzeug nach ISTANBUL (Türkei) angetreten haben will [AS 43 ff und AS 86], Probleme gehabt hätte.
1.4. Am 04.09.2015 ist er ausgehend von XXXX mit dem Flugzeug nach ISTANBUL (Türkei) ausgereist, von wo aus er die Stadt BODRUM erreichte und in der Folge schlepperunterstützt mit dem Schlauchboot zu einer ihm namentlich nicht bekannten griechischen Insel gelangte. Von hier aus setzte er seine Reise nach ATHEN fort und gelangte in der Folge (ebenfalls schlepperunterstützt) mit verschiedenen Fahrzeugen über die sogenannte "Balkanroute" nach Österreich, wo er ohne Reisedokument (sohin illegal) bei NICKELSDORF auf das österreichische Bundesgebiet gelangte.
Bei seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat war er noch im Besitz seines irakischen Reisepasses, dessen Verbleib jedoch unbekannt ist. Bei seiner Einreise ins Bundesgebiet hatte er den Reisepass nicht mehr bei sich [Angaben des BF in der Erstbefragung vom 25.09.2015, AS 43 und AS 45].
Am 15.09.2015, 18:15 Uhr, stellte er vor Organen der österreichischen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz [Angaben des BF in der Erstbefragung vom 25.09.2015, AS 39]. Am 25.09.2015 wurde er ab 09:49 Uhr einer Erstbefragung durch Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde unterzogen.
1.5. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.
1.6. Er hat keine im Bundesgebiet lebenden bzw. hier aufhältigen Verwandten bzw. hier lebende bzw. aufhältige nahe Angehörige [Angaben des BF in der Erstbefragung vom 25.09.2015, AS 43; Angaben des BF vor dem BFA am 14.09.2017, AS 92].
Es konnten keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine berufliche oder soziale Aufenthaltsverfestigung des BF im Bundesgebiet festgestellt werden. Er geht im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nach und lebt von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [Angaben des BF vor dem BFA am 14.09.2017, AS 93]. Anlassbezogen konnte weder festgestellt werden, dass er Kenntnisse der deutschen Sprache hätte, noch auf welchem Niveau allfällig vorhandene Kenntnisse der deutschen Sprache angesiedelt sind.
1.7. Es konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat einer Verfolgung oder Bedrohung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wäre.
Er ist im Herkunftsstaat einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Händler nachgegangen [Angaben des BF vor dem BFA am 14.09.2017, AS 87]. Mit welchen Gütern er handelte (sohin mit alkoholischen Getränken [AS 47] oder mit Frauenbekleidung [AS 87]), konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.
Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er wegen des Handels mit alkoholischen Getränken "von verschiedenen Miliztruppen" bedroht worden sei [AS 47].
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er von einer schiitischen Gruppe mit der Bezeichnung "XXXX", die wiederum der Miliz ALHAQ angehören soll, bedroht worden wäre, weil er sich geweigert hätte, dieser Gruppe einen Geldbetrag in Höhe von 500.000 irakischen Dinar als Spende für deren Kämpfer zu zahlen [AS 87].
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass sein Vater während eines nicht feststellbaren Zeitraumes Mitglied bzw. Gruppenführer der BAATH-Partei gewesen wäre und dass er und die Familie des BF wegen des Umstandes, dass ab 2005 viele Mitglieder der BAATH-Partei umgebracht worden seien, zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt nach Syrien geflohen und von dort zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2012 in den Herkunftsstaat zurückgekehrt wären [AS 87].
Dass am 02.08.2015 ein zielgerichteter Angriff auf die Familie des BF, namentlich auf ihn selbst und auf seinen Vater, stattgefunden hätte und der dabei eine Schussverletzung am Bein erlitten haben soll bzw. der Vater getötet worden sein soll, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden [AS 87 f].
Der BF hat den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde des Herkunftsstaates den behaupteten Angriff vom 02.08.2015 nicht zur Anzeige gebracht.
1.8. Am Dienstag, den 10.06.2014, eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt Mossul (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von Mossul gelegenen Provinz Anbar konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In Mossul wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.
Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben.
Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert.
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, um damit Stärke zu demonstrieren.
Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordirak, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.
Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen durch die genannten Ereignisse ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.
1.8.1. Schiitische Milizen im Irak:
Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" bzw. Al-Hashd al-Shaabi, englisch: Popular Mobilization Units (PMU) oder Popular Mobilization Forces bzw. Front (PMF)) bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig fast ausschließlich schiitische Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Schätzungen zufolge haben die Volksmobilisierungseinheiten zwischen 60.000 und 140.000 Mann unter Waffen. Die Entstehung des Milizenbündnisses kann als Reaktion auf die irakische Offensive des sog. "Islamischen Staates" (IS) verstanden werden und ist somit eng mit dessen militärischen Erfolgen und territorialen Gewinnen verquickt: Im Sommer 2014 drang die Terrororganisation in den Irak ein und nahm am 10. Juni erst Mossul und danach weite Teile der Provinzen Ninewah, Salahuddin, Anbar, Diyala und Kirkuk ein; wenig später waren auch die Städte Erbil und Bagdad in Gefahr (Süß 21.8.2017).
Die reguläre irakische Armee war dem IS nicht gewachsen, weshalb der damalige Ministerpräsident Nuri al-Maliki am 11. Juni zur Mobilisierung einer "Reservearmee" aufrief. Außerdem ließ der führende irakische schiitische Gelehrte Ayatollah Ali Sistani am 13. Juni ein islamisches Rechtsgutachten (fatwa) verlautbaren, in dem er alle jungen Männer dazu aufrief, sich den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten des Irak anzuschließen. Infolge der Fatwa schrieben sich tausende junge schiitische Männer auf Freiwilligenlisten ein, schlossen sich jedoch nicht Armee oder Polizei, sondern bereits existierenden oder neu formierten schiitischen Milizen an. Zwei Tage später bildete die irakische Regierung ein Komitee der Volksmobilisierung, das dem Ministerpräsident Haidar al-Abadi untersteht und vom Nationalen Sicherheitsberater Falih al-Fayyad geleitet wird. Die wahren Kräfteverhältnisse sind allerdings schon daran abzusehen, dass die Gründung durch das irakische Innenministerium verkündet wurde:
Dieses unterstand bis Juli 2016 der Führung des "Badr-Politikers" Muhammad al-Ghabban, die dominante Kraft im Innenministerium und damit der eigentliche irakische Führer des Milizenbündnisses ist jedoch Hadi al-Amiri. Mehrere Milizen stehen außerdem politischen Parteien nahe.
Innerhalb der zahlreichen, meist lokal organisierten Gruppen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten können im Wesentlichen drei Gruppen ausgemacht werden: Erstens schon länger aktive Milizen, die infolge der Fatwa tausende neue Rekruten hinzugewannen (Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haqq, Kata'ib Hizbullah und Saraya as-Salam). Zweitens gibt es solche schiitischen Formationen, die ab Juni 2014 entstanden (bspw. Kata'ib al-Imam Ali) und drittens einige kleinere sunnitische Milizen (Süß 21.8.2017).
1.8.1.1. Die wichtigsten Milizen innerhalb der PMF:
Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Sie orientiert sich an der Tradition Khomeinis und der Staatsdoktrin Irans. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Hohen Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war. Mit der Namensänderung in Badr-Organisation wurde das Korps zum politischen Akteur. Als sich der Rat in "Irakischer Islamischer Hoher Rat" umbenannte und sich gleichzeitig vom Iran distanzierte, gelang es Badr, sich als wichtigster Verbündeter Irans im Irak zu etablieren und trennte sich 2009 schließlich vom Hohen Rat. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft des Milizenbündnisses. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und arbeitet mit Kata'ib Hizbullah zusammen. Unklar ist jedoch, ob die genannten Zahlen ausschließlich Kämpfer oder auch sonstiges Personal umfassen, denn die Badr-Organisation ist Miliz und politische Partei in einem. Badr war bisher an allen wichtigen militärischen Auseinandersetzungen in den Provinzen Diyala, Salah ad-Din, Anbar und Ninewah beteiligt; ihr militärisches Hauptquartier befindet sich im Militärlager Camp Ashraf nördlich von Bagdad. In Diyala verfügt Badr außerdem über ein Territorium, das sich zu einer eigenständigen Machtbasis im Sinne eines "Staates im Staate" ausbauen lässt (Süß 21.8.2017).
Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) entstanden im Zuge der Umbenennung des Badr-Korps in Badr-Organisation und bekämpften im Gegensatz zu diesem die US-Truppen. Sie wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der Volksmobilisierungseinheiten. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).
Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der Volksmobilisierungseinheiten (Süß 21.8.2017).
Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa Sistanis auf Anweisung von Muqtada as-Sadr gegründet und sollten möglichst viele der Freiwilligen vereinigen. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).
Auch Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl az-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr-Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feld-kommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).
1.8.1.2. Generell kann innerhalb der Volksmobilisierung eine Dominanz der älteren Milizen und ihrer Anführer Amiri, Muhandis und Khaz'ali ausgemacht werden. Die personelle Führung des Milizenbündnisses übernimmt dabei eine Trias: Anführer ist Abu Mahdi al-Muhandis, Kommandeur der Kata'ib Hizbullah und enger Verbündeter Badrs und der iranischen Revolutionsgarden. Als eigentlicher starker Mann hinter Muhandis gilt allerdings Hadi al-Amiri, Anführer der Badr-Organisation. Einfluss übt außerdem Qasim Suleimani aus, umstrittener Kommandeur der zu den iranischen Revolutionsgarden gehörigen Quds-Brigaden. Der Iran versorgt die irakischen Milizen mit Geld und Waffen und bildet ihre Kämpfer gemeinsam mit der libanesischen Hizbullah im Iran, im Irak und im Libanon aus. Viele der Milizen vertreten deshalb folgerichtig eine islamistische Ideologie, die sich an jener des Irans orientiert. Der Iran nutzte die Gründung der Volksmobilisierung 2014 auf diese Weise dafür, ihren Einfluss im Irak erheblich zu steigern. Die größten Milizen innerhalb der Volksmobilisierung hängen dabei so stark vom Iran bzw. den iranischen Revolutionsgarden ab, dass sie als Instrument des Nachbarstaates bezeichnet werden können. Auch eine personelle Verbundenheit ist vorhanden: Muhandis und Amiri haben ihre engen Beziehungen zum Iran mehrmals selbst bestätigt. Allerdings gibt es neben besonders eng an den Iran angebundenen Milizen (Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah) auch solche, die zwar ressourcenmäßig vom Iran abhängig sind, aber eine gewisse Distanz zum Iran aufweisen (Saraya as-Salam).
Obwohl das Milizenbündnis unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die Volksmobilisierung dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Ministerpräsidenten als Oberkommandierendem unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017).
In der Tat scheint es sich so zu verhalten, dass innerhalb der PMF die radikal-schiitischen Gruppen mit Bindungen zum Iran die dominierenden Kräfte sind (Posch 8.2017).
1.8.1.3. Konfessionelle Zusammensetzung der PMF-Milizen:
Der absolute Großteil der PMF- Milizen besteht aus Schiiten, es gibt jedoch durchaus auch Sunniten, Christen oder sogar Jesiden in den Reihen der schiitischen Milizen [abhängig von der jeweiligen Miliz], bzw. gibt es auch gemischte Milizen, oder auch eigene Sunniten- oder Christen-Milizen (Lattimer 26.4.2017; Al-Monitor 21.8.2017) (Letzter Zugriff am 22.07.2018).
Quellen:
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Al-Monitor (21.8.2017):Turkey fumes as Sinjar Yazidis declare 'democratic autonomy',
http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/08/independence-iraqi-kurdistan-referendum-opposition.html#ixzz4qlVEYvfy, (Letzter Zugriff am 22.07.2018)
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Lattimer, Mark - Director of the Ceasefire Cetre for Civilian Rights (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting 25.- 26. April, Brussels, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_Report.pdf, (Letzter Zugriff am 22.07.2018)
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Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1504517740_bfa-staatendokumentation-ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31.pdf (Letzter Zugriff am 22.07.2018)
1.8.2. Nach den vorliegenden Länderinformationen stellt sich die Sicherheitslage in den Provinzen im schiitisch dominierten Süden des Landes relativ entspannt dar. Dort, wo allfällig Gewalt stattfindet, ist diese nicht terroristischer, sondern krimineller, politischer und "tribaler" (stammesbezogener) Natur. Die Provinz Basra war nicht direkt von der Offensive der Gruppe Islamischer Staat (IS) im Juni 2014 betroffen, und es gab dort keine direkten Auseinandersetzungen zwischen IS-Kämpfern und irakischen Truppen (CGRS-CEDOCA 29.5.2015). Allerdings wurden seit Beginn der Kämpfe gegen den IS irakische Sicherheitskräfte aus Basra und weiteren südlichen Provinzen abgezogen und zum Kampf gegen den IS an die Front versetzt. Das hat im Süden zu einem Anstieg von Stammesauseinandersetzungen geführt.
1.9. Beschwerdegegenständlich hat der BF weder eine asylrelevante Bedrohung durch den IS, noch durch die Polizei des Herkunftsstaates des Herkunftsstaates, noch durch eine (oder mehrere) schiitische Miliz(en) behauptet bzw. glaubhaft gemacht.
Vielmehr behauptete er im Rahmen der Erstbefragung, dass er wegen des Verkaufs von alkoholischen Getränken von "verschiedenen Miliztruppen bedroht" worden sei und dass er aus Angst die Heimat verlassen hätte.
Dagegen gab er vor der belangten Behörde an, dass er von der Gruppe XXXX, die zur Miliz ALHAQ gehören soll, zur Zahlung von 500.000 irakischen Dinar als Spende für deren Kämpfer aufgefordert worden sei. Am 02.08.2015 soll ein Angriff bei ihm zu Hause stattgefunden haben, bei dem er am Bein eine Schusswunde davongetragen haben und sein Vater ums Leben gekommen sein soll. Diesen Angriff versuchte der BF mit seiner mangelnden Zahlungsbereitschaft zu verbinden. Selbst bei Wahrunterstellung seiner vor der belangten Behörde erhobenen Behauptungen lässt sich in der Aufforderung zur Zahlung eines Geldbetrages mit der Zweckbestimmung "Spende für die Kämpfer einer bestimmten Miliz" keine kriminelle Handlung erblicken, wie sie nach den Länderinformationen teils in den südlichen Provinzen des Herkunftsstaates des BF beobachtet wurde. Vielmehr handelt es sich um eine Form der Geldbeschaffung, die sich jedoch nicht unter die in den Länderberichten genannten Formen der kriminellen bzw. gewaltsamen Form der Geldbeschaffung subsumieren lässt. Dass er persönlich von den Angehörigen der von ihm genannten Miliz (aslyrelevant) bedroht worden wäre, wurde vom BF jedoch nicht behauptet. In der Andeutung, dass sie mit ihm "künftig anders umgehen werden" [AS 87] lässt sich jedenfalls keine aslyrelevante Bedrohung (etwa mit dem Umgebrachtwerden) erblicken.
Auch sind in den vorliegenden Länderinformationen zum Herkunftsstaat des BF keine Hinweise enthalten, aus denen sich entnehmen ließe, dass schiitische Milizen systematisch gegen Angehörige der schiitischen Glaubensrichtung vorgingen bzw. vorgegangen wären. Selbst die Fluchtgeschichten des BF lassen einen Schluss dahin nicht zu.
Während sich die Angehörigen seiner Kernfamilie weiterhin in XXXX aufgehalten haben [AS 42 f], floh er Anfang September 2015 ausgehend vom Flughafen XXXX über die Türkei nach Europa. Es ist nicht hervorgekommen, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.
1.9.1. Zu den möglichen Fluchtalternativen als schiitischer Araber:
Als aus den südlichen Provinzen des Irak stammendem Araber sunnitischer Glaubensrichtung steht ihm de facto sämtliche im Süden des Irak gelegenen Provinzen, einschließlich der mehrheitlich von Schiiten bewohnten Stadtteile Bagdads als mögliche Fluchtalternative offen, darunter insbesondere die Städte bzw. Provinzen Al Nasiriya, Al Amara, Najaf, Hilla, Al Kut.
Quellen:
IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,
http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (Letzter Zugriff am 22.07.2018)
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 22.07.2018)
1.9.2. Es konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden, dass der BF mit den Behörden des Herkunftsstaates auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder auf Grund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt hätte.
Beschwerdegegenständlich konnte nicht festgestellt werden, dass er vor seiner Ausreise einer individuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt gewesen wäre, oder er im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnte.
Auch konnte nicht festgestellt werden, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wäre, oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.
Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und den amtswegig eingeholten Auskünften.
2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität (XXXX), Staatsangehörigkeit Irak, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim schiitischer Glaubensrichtung) des BF Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, sowie auf seinen diesbezüglichen Angaben, die er anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gemacht hatte [AS 84 f] und den damit übereinstimmenden Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde in der Erstbefragung [AS 37]. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.
Die zu seiner Ausreise aus dem Irak, zu seiner weiteren Reiseroute und zu seiner Einreise in Österreich getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus seinen Angaben anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörden, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten [ AS 45].
2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:
Die zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates getroffenen Konstatierungen beruhen auf den widersprüchlichen Angaben des BF vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde [AS 47] und seinen eine deutliche Tendenz zur Steigerung gezeigt habenden Angaben vor der belangten Behörde anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde [AS 87 ff].
So hatte er anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde zu seinen Fluchtgründen befragt, einsilbig angegeben, den Herkunftsstaat deshalb verlassen zu haben, weil er "von verschiedenen Miliztruppen bedroht" worden sei, weil er alkoholische Getränke verkauft habe. Diesen Umstand bezeichnete er als seinen (einzigen) Asylgrund [Angaben des BF in der Niederschrift über seine Erstbefragung vor der LPD XXXX vom 25.09.2015, AS 47].
Vor der belangten Behörde gab er dagegen an, dass er ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2012 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat ein Geschäft für Frauenbekleidung betrieben hätte. Bis Mittwoch, 29.07.2015, habe er jedes Monat 20.000 irakische Dinar an einen Mann namens Abo Ali gezahlt. Dann sei eine Gruppe, die sich als Gruppe XXXX vorstellte, gekommen und hätte 500.000 irakische Dinar "als Spende für ihre Kämpfer" verlangt. Er habe geantwortet, dass er nicht zahle. Am nächsten Tag sei die Gruppe noch einmal zu ihnen in die Straße gekommen und es sei wegen des Geldes zu einem Streit gekommen, was er zum Anlass nah, das Geschäft gleich zu schließen und nach Hause zu gehen. Am Freitag habe er nicht aufgesperrt; am 02.08. habe jemand an die Garagentür geklopft, was sein Vater zum Anlass nahm, ihm zu empfehlen, sich zu verstecken. Als sein Vater die Tür öffnete, sei die Wohnung gestürmt worden. Der BF habe sich zu der Zeit am Dach aufgehalten. Nachdem er Schüsse hörte, sei er von Dach zu Dach gesprungen. Ein Nachbar, namens XXXX, hatte einen Abstellraum, worin sich der BF versteckte. Plötzlich hätte er bemerkt, dass etwas Warmes aus seinem Bein kam. Von diesem Nachbarn sei er in der Folge zu seinem Cousin gebracht, der den BF wiederum zur Tante brachte. Dort habe er erfahren, dass sein Vater bei diesem Vorfall getötet worden sei. Die Schussverletzung am Bein Er habe den Vorfall der Polizei des Herkunftsstaates nicht angezeigt.
Eklatant fällt auf, dass der BF nach seinen Angaben bei der Erstbefragung nicht von einer einzigen "Miliztruppe", sondern gleich von mehreren Miliztruppen bedroht worden sein will, weil er angeblich alkoholische Getränke verkauft habe.
Seinen Angaben vor der belangten Behörde zufolge, soll nur eine einzige Gruppe mit der Bezeichnung XXXX, die zur Miliz ALHAQ gehört haben soll, einen hohen Geldbetrag von ihm erpresst haben, den er nicht zu zahlen bereit war. Seine Zahlungsunwilligkeit hätte schließlich zum behaupteten Angriff gegen ihn und seinen Vater geführt, bei dem sein Vater gewaltsam zu Tode gekommen sein und er eine Schussverletzung erlitten haben soll.
Die eklatanten Widersprüche zu seinen Schilderungen im Rahmen der Erstbefragung beruhen nicht nur in der Anzahl der beteiligten Gruppierungen, sondern auch in der Qualität des Kontaktes, den er mit den Gruppierungen gehabt haben will. So will er zuerst von verschiedenen Miliztruppen bedroht und später von einer einzigen Gruppe, die zur Miliz ALHAQ gehört haben soll, angegriffen worden sein. Vor der belangten Behörde hielt der BF seine in der Erstbefragung erhobene Behauptung, bedroht worden zu sein, nicht weiter aufrecht, sondern stritt diese ab. Dieser Version ließ er vor der belangten Behörde einen Angriff durch eine ihm bekannte Gruppierung einer Miliz folgen, bei dem offenbar sein Vater ums Leben gekommen sein und er eine Schussverletzung erlitten haben soll.
Diese eklatanten Widersprüche und der unverkennbare Hang zum gesteigerten Vorbringen, erschüttern die Glaubwürdigkeit des BF in ihren Grundfesten. Daran vermag selbst der Umstand nichts zu ändern, dass die Befragung zu den Fluchtgründen vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden nur sehr knapp gefasst ist. Ungeachtet dessen ist zu verlangen, dass selbst die bei einer Kurzbefragung gemachten Angaben zumindest in den Grundzügen mit den Angaben vor der belangten Behörde übereinstimmen. Selbst mit der Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes XXXX vom 04.09.2017 [AS 115], in der es knapp gefasst heißt: "XXXX, geb. am XXXX, hat eine Narbe am linken Oberschenkel. Laut Patient Zustand nach Schussverletzung 2015." vermag der BF ein am 02.08.2015 auf ihn verübtes Schussattentat nicht glaubhaft zu machen, zumal der untersuchende Arzt zwar eine Narbe am linken Oberschenkel konstatiert, daraus jedoch selbst keine Schlussfolgerungen zur möglichen Ursache dieser Narbe und zum Zeitpunkt ihrer Zufügung zieht, sondern lediglich sich dabei (unreflektiert) auf die Angaben des BF stützt.
Auch widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass jemand, auf den ein Schussattentat verübt wurde, dieses nicht schon in der Erstbefragung erwähnt. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Gründe, die zum Verlassen des Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden können, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Lauf des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit den tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Da sich ein Erlebnis nach der allgemeinen Lebenserfahrung in der Regel sehr tief ins Gedächtnis einprägt, gelingt es einem Opfer nach der allgemeinen Lebenserfahrung immer, das Erlebte korrekt wiederzugeben. Da der BF dazu jedoch nicht in der Lage war, das angeblich Erlebte korrekt wiederzugeben, bestehen gegründete Zweifel am Wahrheitsgehalt der unterschiedlichen Versionen seiner individuellen Bedrohungs- bzw. Verfolgungssituation. Auch geht das erkennende Verwaltungsgericht auf Grund des Umstandes, dass der BF die beim behaupteten Vorfall vom 02.08.2015 erlittene Schussverletzung und die behauptete, am selben Tag angeblich erfolgte Ermordung seines Vaters nicht schon in der Erstbefragung, sondern erst vor der belangten Behörde erwähnte, davon aus, dass es sich bei den behaupteten Vorfällen nur um Gedankenkonstrukte des Beschwerdeführers handeln kann.
Auch hat schon die belangte Behörde in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides zu den vorgelegten Urkunden nachvollziehbar festgehalten, erhalten zu haben, worin gestanden habe, dass man der Sache nachgehe. Seine Angaben widersprechen auch dem Urkundenbeweis [AS 91], hinsichtlich dessen in Anbetracht der mangelnden Übereinstimmung der Identität des BF mit jener des Anzeigers gegründete Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Urkunde ergeben.
Wenn es in der Beschwerdeschrift heißt, dass die Diskrepanz zwischen den im Erstbefragungsprotokoll dokumentierten Angaben des BF, deshalb von verschiedenen Miliztruppen bedroht worden zu sein, weil er alkoholische Getränke verkauft hätte und seinen Angaben vor der belangten Behörde auf die Situation der eingebundenen Behörde im September 2015 zurückzuführen gewesen sei, die mit der Masse von Anträgen auf internationalen Schutz zum damaligen Zeitpunkt überfordert gewesen seien, was zu einer Verwechslung von Angaben verschiedener Antragsteller geführt haben dürfte. Eine nochmalige kritische Auseinandersetzung mit den vorliegenden Niederschriften über die Erstbefragung vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde und die Befragung vor der belangten Behörde hat keinerlei Anhaltspunkte auf die in der Beschwerdeschrift angedeutete Verwechslung erbracht. Auch zeigt die vergleichende Betrachtung der vor der LPD Wien und der vor dem BFA aufgenommenen Niederschrift eine völlige Übereinstimmung bei den vom BF angegebenen Familienangehörigen auf. Schon deshalb scheint die angedeutete Verwechslung mit einer anderen Person, die mit dem BF im gemeinsamen Haushalt gewohnt haben soll und am selben Tag (erst)einvernommen worden sein soll, aus.
Es waren daher die Konstatierungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.
2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen dem BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
3.1.1. Die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 13.10.2017 erhobene Beschwerde des BF wurde bei dieser am 16.11.2017 fristgerecht eingebracht und langte diese mit dem angefochtenen Bescheid und den Bezug habenden Verwaltungsakten am 29.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.
3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine