TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/27 G305 2179913-1

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Veröffentlicht am 27.07.2018
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Entscheidungsdatum

27.07.2018

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G305 2179920-1/8E

G305 2179918-1/7E

G305 2179913-1/7E

G305 2179916-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS, als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) der XXXX, geb. am XXXX, 2.) der mj. XXXX, geb. am XXXX, 3.) des mj. XXXX, geb. am XXXX sowie 4.) des mj. XXXX, geb. am XXXX, alle Staatsangehörigkeit IRAK, letztere vertreten durch XXXX als gesetzliche Vertreterin, alle vertreten durch den XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, vom 20.11.2017 zu 1.) Zlen.: XXXX, 2.) XXXX, 3.) XXXX und 4.) XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A) Die gegen die oben näher bezeichneten Bescheide gerichteten

Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: so oder kurz: BF1) und die durch die BF1 als Mutter gesetzlich vertretenen minderjährigen Kinder, die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: so der kurz: mj. BF2), der minderjährige Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: so der kurz: mj. BF3) und der minderjährige Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: so der kurz: mj. BF4) stellten am 03.11.2015 gemeinsam mit XXXX (im Folgenden: so oder kurz: KA), welcher zu diesem Zeitpunkt noch ihr Ehegatte war und Vater der minderjährigen BF2, BF3 und BF4 ist, Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz. Am 04.11.2015 fand eine Erstbefragung der BF1 und des XXXX vor Organen des Stadtpolizeikommandos XXXX statt.

Anlässlich dieser Erstbefragung führte die BF1 zu ihren Fluchtgründen befragt im Wesentlichen aus, sie habe mit ihrer Familie (gemeint: XXXX sowie die BF2, der BF3 und der BF4) in XXXX gelebt, als Islamisten gekommen seien und es heftige Kriege zwischen den irakischen Truppen und den islamischen Extremisten gegeben hätte. Ihr Haus sei zerstört worden und sie hätten sowohl XXXX, als auch den Irak verlassen müssen. Sie fürchte sich vor islamischen Extremisten und vor schiitischen Gruppierungen. Diese Fluchtgründe würden auch die mj. BF2, den mj. BF3 und den mj. BF4 betreffen.

2. Am 27.09.2017 wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen. Anlässlich dieser Einvernahme brachte sie ihren Personalausweis, sowie die Personalausweise der minderjährigen Mitbeschwerdeführer in Vorlage und gab sie zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen zusammengefasst an, dass sie sowohl mit ihrer eigenen Familie als auch mit der Familie ihres Ehegatten, des KA, große Probleme gehabt habe. Nach der Hochzeit mit KA habe sie bei dessen Familie gelebt. Dort sei sie gegen ihren Willen dazu gezwungen worden, eine Burka zu tragen. Die BF1 führte in diesem Zusammenhang aus, dass sie von der Familie ihres Gatten sehr schlecht behandelt, beschimpft und geschlagen worden sei. Nach vier Jahren, im Jahr 2013, sei sie mit ihrem Mann und den Kindern in ein eigenes Haus gezogen. KA habe als Bauarbeiter in einem Gefängnis gearbeitet und die Familie habe bis August 2015 in XXXX gelebt. Eines Tages habe KA eine Drohung auf sein Handy bekommen und man habe ihn aufgefordert, die Arbeit im Gefängnis niederzulegen. Im September 2015 sei sie mit ihrem Gatten und den Kindern wieder zur Familie des Ehegatten gezogen. Die Familie der BF1 habe die Scheidung der BF1 von KA gefordert und habe vorgeschlagen, die Kinder bei KA zu belassen. Aus diesem Grund hätten sie und KA beschlossen, nach Europa zu flüchten. In Österreich habe sich ihre Lage allerdings stark verschlechtert, da der KA viel Alkohol getrunken, sie geschlagen und beschimpft hätte. Nachdem sich der KA ihr gegenüber immer gewalttätiger verhalten hätte, habe sie die Polizei gerufen. Daraufhin habe der KA ihre Familie kontaktiert und sie des Ehebruches bezichtigt. Die Familie habe ihm geglaubt und ihr mit dem Tod gedroht.

3. Mit E-Mail vom 03.10.2017 übermittelte die BF1 eine Kopie des von ihr und von ihrem Gatten beim Bezirksgericht XXXX eingebrachten Antrages auf Scheidung der Ehe im Einvernehmen.

4. Mit den in Beschwerde gezogenen Bescheiden der belangten Behörde vom 20.11.2017, der BF1 am 23.11.2017zugestellt, wurden die auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom 03.11.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), den beschwerdeführenden Parteien jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nach § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ausgesprochen, dass die befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 19.11.2018 gewährt werde (Spruchpunkt III.).

5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die durch die Rechtsvertreterin der beschwerdeführenden Parteien mit Schreiben vom 12.12.2017 übermittelte Beschwerdeschrift, die sich im Wesentlichen auf die Beschwerdegründe "Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und der Beweiswürdigung" und "fehlerhafte rechtliche Beurteilung" stützt. Die Beschwerde wurde mit den Anträgen verbunden, die "Rechtsmittelbehörde" möge die angefochtene Entscheidung dahingehend abändern, dass den beschwerdeführenden Parteien in Österreich internationaler Schutz nach § 3 AsylG 2005 gewährt und ihnen der Status der Asylberechtigten zuerkannt werde. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, in eventu den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu beheben und die Asylsache zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens an die belangte Behörde zurückverweisen.

6. Mit Schreiben vom 13.12.2017, eingelangt am 18.12.2017, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die gegen die bezeichneten Bescheide gerichteten Beschwerden samt den Bezug habenden Verwaltungsakten vor. Hier wurde die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

7. Am 29.06.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung im Beisein der beschwerdeführenden Parteien und deren rechtsfreundlichen Vertretung sowie einer Dolmetscherin für die Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien durchgeführt. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zur Person der beschwerdeführenden Parteien:

1.1. Die beschwerdeführenden Parteien führen die im Spruch genannten Identitäten und sind Staatsangehörige der Republik Irak. Sie sind Angehörige der arabischen Volksgruppe und sind Muslime sunnitischer Glaubensrichtung. Die BF1 ist die Mutter der minderjährigen Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Die Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien ist arabisch. Die beschwerdeführenden Parteien sind gesund, haben aus medizinischer Sicht keine Leiden und nehmen keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung ein. Die BF1 war mit dem am XXXX geborenen XXXX verheiratet, welcher der Vater der minderjährigen Zweit-, Dritt- und Viertbeschwerdeführer ist und sich ebenfalls in Österreich aufhält. Die BF1 ist arbeitsfähig und gibt sich arbeitswillig.

Die BF1 und XXXX haben zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt beim Bezirksgericht XXXX einen Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung eingebracht und ist die Ehe geschieden. Die beschwerdeführenden Parteien leben mit XXXX seit 12.12.2016 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt.

1.2. Zu den Reisebewegungen der beschwerdeführenden Parteien:

Die beschwerdeführenden Parteien sind zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt gemeinsam mit XXXX Ende des Jahres 2015 ausgehend von XXXX auf dem Luftweg nach XXXX gereist und von dort aus mit dem Bus in die Türkei gefahren. Von der Türkei aus begaben sich die Familie und eine weitere Person gemeinsam über Griechenland und Mazedonien nach Serbien. Von Serbien aus führte die Reiseroute der beschwerdeführenden Parteien über Kroatien und Slowenien nach Österreich. Der Zeitpunkt, zudem die beschwerdeführenden Parteien in das Bundesgebiet eingereist sind, konnte nicht festgestellt werden. Die beschwerdeführenden Parteien befinden sich jedenfalls seit 03.11.2015 im Bundesgebiet.

1.3. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Irak:

Die BF1 ist in XXXX geboren und aufgewachsen und hat von 1995 bis zum Jahr 2000 die Grundschule besucht. Die BF1 besitzt keinen Mittelschulabschluss. Sie war im Irak zu keinem Zeitpunkt erwerbstätig. Die BF1 hat am XXXX.2009 XXXX geheiratet und lebte daraufhin bei seiner Familie in XXXX. Mit ihm hatte sie drei Kinder, und zwar die mj. BF2, den mj. BF3 und den mj. BF4. Während die BF1 bei der Familie des KA lebte, wurde sie dazu gezwungen, sich religiös-konservativ zu kleiden. Auf ihren Wunsch verließen die beschwerdeführenden Parteien und XXXX den Hausstand der Familie des KA zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem Jahr 2015, um in XXXX in einem Mietshaus zu leben. Dort widmete sie sich der Erziehung der gemeinsamen Kinder, während KA als Bauarbeiter, unter anderem in einem Gefängnis, tätig war.

Der Vater der BF1, XXXX, und die Mutter der BF1, XXXX, waren im Irak wohnhaft und sind im Entscheidungszeitpunkt bereits verstorben. Die Brüder der BF1, XXXX, XXXX und XXXX sowie die Schwestern der BF1, XXXX, XXXX, XXXX, XXXX und XXXX, leben im Irak. Die Brüder der BF1 arbeiten im Irak als Bauarbeiter, die Schwestern der BF1 sind Hausfrauen. Die Familie der BF1 hatte keine Kenntnis von der Ausreise der BF1. Zu ihren Geschwistern hatte die BF1 zuletzt im Jahr 2016 telefonisch Kontakt.

Die mj. BF2, der mj. BF3 und der mj. BF4 sind im Irak geboren und haben bis zu ihrer Ausreise bei ihren Eltern im Irak gelebt.

1.4. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

Die beschwerdeführenden Parteien befinden sich jedenfalls seit dem 03.11.2015 im Bundesgebiet. Die BF1 hat am 22.06.2018 an einem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen und ist im Entscheidungszeitpunkt zu einem Deutschkurs der XXXX angemeldet, welcher am 02.08.2018 beginnen soll. Sie nimmt gemeinsam mit der mj. BF2, dem mj. BF3 und dem mj. BF4 an einem Lernprogramm für frühe Bildungsförderung, Elternbildung und Integration von Familien mit Migrations- und Fluchthintergrund und sozialer Benachteiligung teil, um die deutsche Sprache zu erlernen und die mj. BF2, den mj. BF3 und den mj. BF4 für den Schulbesuch vorzubereiten. Eine über rudimentäre Deutschkenntnisse hinausgehende, tiefergreifende sprachliche Integration der BF1 konnte nicht festgestellt werden.

Die beschwerdeführen Parteien leben von der staatlichen Grundversorgung.

Die BF1 ist im Bundesgebiet nicht erwerbstätig und hat auch keine konkreten Aussichten auf eine Erwerbstätigkeit in Österreich. Sie haben auch keine wirtschaftlichen Interessen im Bundesgebiet. Die beschwerdeführenden Parteien weisen seit dem 09.11.2015 durchgehend Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf und sind strafgerichtlich unbescholten.

Die beschwerdeführenden Parteien haben mit XXXX, welcher der leibliche Vater der BF2, des BF3 und des BF4 ist, familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. Die mj. BF2, der mj. BF3 und der mj. BF4 sind dem KA gegenüber unterhaltsberechtigt. Seit dem 12.12.2016 leben die beschwerdeführenden Parteien mit KA nicht mehr im gemeinsamen Haushalt. Die Beziehung zwischen der BF1 und KA ist aufgrund zahlreicher - mitunter gewalttätiger - Konflikte zwischen der BF1 und dem KA sowie des Fehlverhaltens des KA gegenüber der mj. BF2, dem mj. BF3 und dem mj. BF4 gegenüber stark zerrüttet. Die beschwerdeführenden Parteien stehen mit KA nicht in Kontakt.

Die BF1 hat zwar Freundschaften in Österreich schließen können, tiefgreifende und maßgebliche soziale Beziehungen bzw. Freundschaften konnten jedoch nicht festgestellt werden.

Die mj. BF2 besucht in Österreich die Volksschule. Der mj. BF3 und der mj. BF4 besuchen im Bundesgebiet den Kindergarten.

Vereinsmitgliedschaften, Hobbies, ein längerfristiges und tiefergehendes soziales bzw. ehrenamtliches Engagement oder Bekanntschaften oder Freundschaften konnten im Hinblick auf die beschwerdeführenden Parteien nicht festgestellt werden.

Es konnten keine Hinweise auf eine berufliche oder soziale Integration der beschwerdeführenden Parteien in Österreich konstatiert werden. Ebenso wenig konnten Anhaltspunkte für die Annahme einer besonders maßgeblichen Integration der beschwerdeführenden Parteien in Österreich in sprachlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht konstatiert werden.

1.5. Zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien in Zusammenhang mit ihren Fluchtgründen:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, z.B. den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung, sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite geprägt. Dabei stand vor allem die Kontrolle der Stadt MOSUL, Hauptstadt der Provinz NINAWA, im Fokus. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, gemeinsam mit schiitischen Milizen, den Popular Mobilisation Forces (PMF) sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte die Einheiten des IS sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz ANBAR als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSUL sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von MOSUL.

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt MOSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie einer Enklave südlich von KIRKUK, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS, auch in diesen Gebieten, besiegt sei. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) führt in den befreiten Provinzen ANBAR, SALAH AL-DIN oder DIYALA mehr als 1500 Projekte zum Wiederaufbau durch.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte, sowie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen, als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften. Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und seit 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Die sicherheitsrelevante Situation im Großraum BAGDAD ist im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu dienen solle, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von durch ethnische oder religiöse Gruppierungen bewohnten Gebiete.

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks sowie in und um BAGDAD und im Umkreis von KIRKUK. Wesentlich ist dabei die Befriedigung elementaren Lebensbedürfnisse sowie die Dokumentation und Relokation der Binnenvertriebenen (IDP). Ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Insgesamt wurden seit 2014 über drei Millionen Binnenvertriebene sowie über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert. Für das Jahr 2017 wurde erstmals von mehr Rückkehrern als Vertriebenen berichtet.

Quellen:

AI - Amnesty International: Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iraq, 22.02.2018, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425072.html (Zugriff am 6. März 2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Zugriff am 20. Februar 2018)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Zugriff am 08. Februar 2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Zugriff am 8. Februar 2018).

UN Security Council: Report of the Secretary - General pursuant to resolution 2367 (2017) [S/2018/42], 17. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1422752/1226_1516799216_n1800449.pdf (Zugriff am 6. März 2018)

1.7. Zur Lage Angehöriger der sunnitischen Glaubensgemeinschaft im Irak:

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch kommt es vor, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen werden.

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert, Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft werden häufig zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen. Seitens des irakischen Staates liegt jedoch keine systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft vor. Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Iraks und sind in Gesellschaft und in der Politik vertreten und treten auch zu den Parlamentswahlen im Mai 2018 auch sunnitische Parteien an.

Die Sicherheitslage im Irak hat sich gegen Ende des Jahres 2017 und Anfang des Jahres 2018 stabilisiert, doch gibt ist es diesbezügliche große Unterschiede zwischen den Regionen. So sind z.B. in ANBAR sehr wenige sicherheitsrelevante Zwischenfälle zu verzeichnen, wohingegen sich die Situation in KIRKUK verschärft darstellt. Die Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN befinden sich in sicherheitsrelevanter Hinsicht in der Mitte dieser Skala und die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle steigt und sinkt von Monat zu Monat. Erst im Februar 2018 sind Berichten zufolge die tragischen Nachwirkungen des Bürgerkrieges in Form von Massengräben zu Tage getreten, die meisten Toten waren in der Region NINEWA zu verzeichnen. Auch darüber hinaus waren nach Joel WING ("Musings on Iraq") eine Reihe von Opfern zu verzeichnet, so hat es insgesamt um die 245 relevante Vorfälle gegeben (in etwa je einen in BASRA, einen in DHI QAR und in SULAIMANIYYA, zwei in BABIL, 12 in ANBAR, 28 in DIAYLA und 42 in NINEWA). Die Situation im Irak schwankt und kann nicht für alle Provinzen einheitlich beurteilt werden. DIYALA ist weiterhin eine der instabilsten Provinzen des Iraks. Im Gegensatz dazu stellt sich die Lage in SALAH AL-DIN entsprechend stabiler dar, die Gewalt ebbt vor allem im Zusammenhang mit dem IS gegen Ende des Jahre 2017 erheblich ab:

Quellen:

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Zugriff am 8. Februar 2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Zugriff am 20. Februar 2018)

Institute of war, Final 2014 Iraqi National Elections Results by Major Political Groups (19.05.2014), http://iswiraq.blogspot.co.at/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html#!/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html (Zugriff am 09.03.2018)

Rudaw, Kurdish, Sunni MPs boycott Iraqi parliament session over budget dispute, 01.03.2018,

http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/03012018 (Zugriff am 09.03.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Zugriff am 8. Februar 2018)

WING, Joel, Musings on Iraq, 649 Deaths, 275 Wounded Feb 2018 In Iraq (UPDATED), 03.03.2018 http://musingsoniraq.blogspot.co.at/ mwN (Zugriff am 07.03.2018)

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht. Es gibt nach wie vor Regionen, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber gibt es auch in dem von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Iraks sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges Nebeneinander von Sunniten und Schiiten.

1.8. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak:

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes für Binnenflüchtlinge verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit des Vorweisens eines Bürgen, die Registrierung bei lokalen Behörden, sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch mehrere verschiedene Sicherheitsbehörden, da die Regionen fürchten, dass sich IS Kämpfer unter den Schutzsuchenden befinden.

Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person. Eine ID-Karte ist in fast allen Regionen von Nöten, doch besteht nicht in jeder Region die Notwendigkeit eines Bürgen.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Zugriff am 08. Februar 2018).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Zugriff am 20. Februar 2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (Zugriff am 08. Februar 2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Zugriff am 8. Februar 2018)

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die AUTONOME REGION KURDISTAN einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu KURDISTAN oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der AUTONOMEN REGION KURDISTAN bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region SULAIMANIYYA zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodann den Daueraufenthalt beantragen. In SULAIMANIYYA ist nach Berichten der UNHCR kein Bürge notwendig, um sich niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90 % aller Binnengeflüchteten in SULAIMANIYYA in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83 % Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in SULAIMANIYYA am Bildungssystem teilhaben. Binnengeflüchtete haben in SULAIMANIYYA die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

In BAGDAD gibt es sunnitisch geprägte Viertel. Zur Einreise von sunnitischen Arabern in das Stadtgebiet BAGDADS müssen sich diese einem Sicherheitscheck unterziehen, vor allem, wenn sie aus vom IS dominierten Gebieten kommen. Darüber hinaus kann es notwendig werden, einen Bürgen vorzuweisen. Auch um BAGDAD herum gibt es Flüchtlingslager und Aufnahmestationen.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (Zugriff am 8. Februar 2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Zugriff am 8. Februar 2018)

1.9. Zur Lage von Frauen im Irak:

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25% im Parlament (AUTONOMIEREGION KURDISTAN: 30%) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen. Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Nach Art. 41 leg cit gilt, dass im Irak Personenstandsangelegenheiten der Religion entsprechend geregelt werden dürfen.

Vor allem in schiitisch dominierten Bereichen herrschen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt.

Ehrenverbrechen an Frauen sind im Irak nach wie vor ein großes Problem. Die Gründe dafür sind u.a. schwache Strafverfolgungsbehörden, die Einflussnahme von Milizen sowie die zunehmende Verbreitung besonders strenger und konservativer religiöser Werte. Wird eine Frau einer außerehelichen Freundschaft oder Beziehung mit einem Mann verdächtigt, so kann sie in Gefahr laufen, Oper eines Ehrverbrechens zu werden, um die als solche empfundene Verletzung der Ehre der betreffenden Familie zu tilgen. Ehrverbrechen werden von den eigenen Familienangehörigen begangen. Es kommt jedoch auch vor, dass der Druck, ein solches Verbrechen zu begehen, von der Großfamilie, dem Clan, der Gemeinde, dem Stamm, einer bewaffneten Gruppe oder anderen externen Akteure ausgeübt wird. Oftmals unterbleiben Anzeigen oder werden solche nicht weiterverfolgt, wobei die Tendenz, solche Verbrechen aufzuklären, steigt. Für die AUTONOME REGION KURDISTAN gilt, dass Ehrenmorde nunmehr als Morde gelten und mit der gleichen Strafe sanktioniert werden, wie andere Verbrechen. In der AUTONOMEN REGION KURDISTAN existieren drei staatliche Frauenhäuser. Im restlichen Irak wurden von seitens des Staates keine Frauenhäuser eingerichtet, um bedrohte Frauen aufzunehmen und ihnen Schutz zu gewähren. Vereinzelt betreiben jedoch vor Ort agierende Frauenhilfsorganisationen entsprechende Unterkünfte.

Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO¿s und andere internationale Akteure, z.B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irak mit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 25.07.2018)

UN-Women, Humanitarian actors highlight women's role in recovery and peacebuilding in Iraq, 20.09.2017, http://www.unwomen.org/en/news/stories/2017/9/news-humanitarian-actors-highlight-womens-role-in-recovery-and-peacebuilding-in-iraq (Letzter Zugriff am 26.02.2018)

UN-Women, Iraq, http://arabstates.unwomen.org/en/countries/iraq (Letzter Zugriff am 25.07.2018)

UN-Women, UN Women meets with Women Leaders and Civil Society Organizations in Baghdad [EN/AR/KU], 02.08.2017 https://reliefweb.int/report/iraq/un-women-meets-women-leaders-and-civil-society-organizations-baghdad-enarku (Letzter Zugriff am 08.02.2018)

1.10. Zur Lage von Kindern im Irak im Hinblick auf innerstaatlich Vertriebene:

Kinder sind als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten Iraks betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind entweder für sich genommen von Gewalt betroffen oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden. Vor allem Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien innerhalb des Iraks flüchten, sind von besonderer Vulnerabilität. Junge Männer laufen in Krisenherden zudem in Gefahr, als Soldaten rekrutiert zu werden.

Dennoch kann festgestellt werden, dass immer mehr Binnenflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, so wird berichtet, dass, obwohl nach wie vor ca. 2,6 Millionen irakische Staatsangehörige nach wie vor Schutz in anderen Teilen des Iraks suchen, Ende des Jahres 2017 ca. 3,2 Millionen Binnenvertriebene wieder in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt sind. Es ist festzustellen, dass sich in Gebieten, die vom IS befreit wurden, das Leben auch für Kinder langsam wieder stabilisiert. Dass Kinder in Regionen, in denen derzeit keine Kriegshandlungen gesetzt werden, z.B. in BAGDAD, ERBIL oder BASRA, von einer über die allgemeine angespannte Sicherheitslage hinausgehenden humanitären Kriegs- oder Krisensituation ausgesetzt wären, konnte nicht festgestellt werden.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Zugriff am 20. Februar 2018)

IOM, Number of Returns Exceeds Number of Displaced Iraqis: UN Migration Agency, 12.01.2018,

https://www.iom.int/news/number-returns-exceeds-number-displaced-iraqis-un-migration-agency (Zugriff am 20. Februar 2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016-November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Zugriff am 8. Februar 2018)

1.11. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Die beschwerdeführenden Parteien hatten mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder aufgrund ihres Religionsbekenntnisses noch aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme. Es konnte nicht festgestellt werden, dass für die beschwerdeführenden Parteien in ihrem Herkunftsstaat ein vom IS ausgehendes Bedrohungspotential bestehen würde.

Dass die beschwerdeführenden Parteien auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur muslimischen Glaubensgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung einer individuellen und aktuellen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt wären bzw. gewesen wären, konnte nicht festgestellt werden. Eine Verfolgung oder Bedrohung der beschwerdeführenden Parteien durch Mitglieder ihrer Familien oder ihres Stammes konnte nicht festgestellt werden.

Ein konkreter Anlass für ihr (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates oder der Umstand, dass sie vor ihrer Ausreise im Irak einer individuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt gewesen wären, oder im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnten, konnten nicht festgestellt werden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wären oder dass sonstige Gründe vorliegen würden, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben der BF1 anlässlich der vom erkennenden Gericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und den von Amts wegen eingeholten Auskünften.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Parteien:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu den Lebensumständen, dem Personenstand, den verwandtschaftlichen Verhältnissen sowie zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Parteien getroffen wurden, beruhen diese auf den im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA vom 27.09.2017 in Vorlage gebrachten ID-Ausweisen der beschwerdeführenden Parteien, die jeweils als Kopien im Akt einliegen [AS 57ff [B1]]. Zudem stützen sich die dazu getroffenen Feststellungen auf die Konstatierungen in den angefochtenen Bescheiden, auf die Angaben der BF1 in der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des Stadtpolizeikommandos Linz vom 04.11.2015 [AS 19f [BF1]] und deren Angaben im niederschriftlichen Einvernahmeprotokoll der belangten Behörde vom 27.09.2017 [AS 43f [BF1]], welche in der verfahrensgegenständlichen Beschwerde nicht bestritten wurden. Darüber hinaus wurden als Beweismittel die entsprechenden Ausführungen der BF1 in der vom erkennenden Gericht durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 29.06.2018 herangezogen. Die Konstatierungen zur Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien gründen auf der Kenntnis und der Verwendung der arabischen Sprache durch die BF1 in den genannten Einvernahmen und in der vom erkennenden Gericht durchgeführten mündlichen Verhandlung.

Die zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Parteien und Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit der BF1 getroffenen Konstatierungen gründen sich auf deren Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vom 27.09.2017 (AS 44f [BF1]) und auf den Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung und sind im gegenständlichen Verfahren unstrittig.

Insoweit im Folgenden auf Aktenseiten (AS) verwiesen wird, betrifft dies den zu G305 2179920-1 geführten Akt.

2.3. Zu den Reisebewegungen der beschwerdeführenden Parteien:

Die zur Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise nach Österreich getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den unbestritten gebliebenen Angaben der BF1 anlässlich der Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörden (AS 19f).

2.4. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Irak:

Die Konstatierungen zum Schulbesuch der BF1 und dem Umstand, dass sie im Irak nicht erwerbstätig war, erschließen sich aus ihren Angaben in der Erstbefragung [AS 19] uns aus ihren Ausführungen in der niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen des BFA [AS 47f]. Dass die BF1 in XXXX geboren ist und am und nach der Eheschließung mit XXXX am 14.12.2009 für vier Jahre bei dessen Familie in XXXX lebte und danach nach XXXX zog, ergibt sich aus ihren glaubhaften Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde [AS 47]. Da sie in der niederschriftlichen Einvernahme angab, ab einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2013 bis zu einem ebenfalls nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 in XXXX gelebt zu haben [AS 49], in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG jedoch ausführte, dass sie im Jahr 2013 nach einem Raketenangriff auf XXXX für ein Jahr zu ihrer eigenen Familie gezogen wäre, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden, in welchem Zeitraum sie mit ihrer Familie tatsächlich in XXXX gelebt hatte. Die Konstatierung, dass sie von der Familie ihres Gatten zum Trage einer Burka gezwungen wurde, gründet sich auf ihre diesbezüglich glaubwürdige Schilderung, wonach sie nach einem Monat Ehe von der Familie zum Tragen der Burka gezwungen wurde. Aus diesem Vorbringen erschließt sich, dass sie vorher keine Burka tragen musste und von ihrer eigenen Familie nicht zum Tragen dieses Kleidungsstückes gezwungen wurde.

Die von der BF1 im Rahmen der Erstbefragung [AS 23], der mündlichen Einvernahme durch die belangte Behörde [AS 47f] und der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2018 gemachten Angaben belegen die weiteren, zur persönlichen und familiären Situation der BF1 im Irak getroffenen Feststellungen.

2.5. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

Die Feststellungen zum von der BF1 absolvierten Werte- und Orientierungskurs, zur Anmeldung zu einem Deutschkurs auf dem Niveau A1 des Europäischen Referenzrahmens und der Teilnahme an einem Schulvorbereitungsprogramm gründen sich auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Vorlage gebrachten Dokumente und Bestätigungen (Teilnahmebestätigung des Österreichischen Integrationsfonds, Anmeldebestätigung der XXXX Bestätigung der Teilnahme an Integrationsmaßnahmen der XXXX). Die dadurch dokumentierten Integrationsbemühungen müssen jedoch in Anbetracht des Umstandes, dass sich die BF1 seit nunmehr mehr als zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhält und sie erst am 22.06.2018 einen Werte- und Integrationskurs belegt bzw. bislang noch keinen Deutschkurs absolviert hat, eine entsprechende Relativierung hinnehmen. Eine besondere sprachliche Integration vermochte die BF1 auch durch die Verwendung der deutschen Sprache in der mündlichen Verhandlung nicht zu belegen.

Die Konstatierungen hinsichtlich des Umstandes, dass die beschwerdeführenden Parteien in Österreich über keine Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes verfügen, von Leistungen der staatlichen Grundversorgung leben und die BF1 keiner Beschäftigung nachgeht ergeben sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung des Bundes (GVS)). Dass die BF1 eine legale Erwerbstätigkeit zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes in Aussicht hätte, wurde weder behauptet noch belegt. Die zu seiner Unbescholtenheit und zu den Wohnsitzmeldungen der beschwerdeführenden Parteien getroffenen Feststellungen gründen auf Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem österreichischen Strafregister.

Die Konstatierungen zu den familiären Anknüpfungspunkten der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet, insbesondere jenen zu XXXX, ergeben sich im Wesentlichen aus den schlüssigen und glaubhaften Angaben der BF1 im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA [AS 49ff] und aus den Schilderungen der BF1 hierzu in der mündlichen Verhandlung. Aus den Angaben der BF1 erschließt sich auch, dass die Beziehung zu XXXX von Seiten der BF1 stark zerrüttet ist. Die BF1 stellt dabei das Vorliegen familiärer Konflikte glaubwürdig dar und wird dieser Befund durch den in Vorlage gebrachten Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung [AS 79ff] unterstrichen. Der Umstand, dass die beschwerdeführenden Parteien mit XXXX nicht regelmäßig in Kontakt stehen, ergibt sich aus der im Rahmen des zu GZ.: G305 2179116-1 geführten Verfahrens eingeholten Stellungnahme des XXXX. Dass die beschwerdeführenden Parteien mit XXXX nicht in gemeinsamen Haushalt leben, ist einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister zu entnehmen und wird dieser Befund auch durch die Angaben der BF1 in der niederschriftlichen Einvernahme [AS 50] und in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die beschwerdeführenden Parteien haben zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens weitere familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich behauptet und hat die BF1 selbst eingeräumt, bis auf den Kontakt zu einigen Freundinnen, in Österreich keine weiteren persönlichen Beziehungen im Bundesgebiet zu pflegen [AS 47]. Konstatierungen zum Schul- und Kindergartenbesuch der BF2, des BF3 und des BF4 stützen sich auf entsprechende Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung.

Enge soziale Beziehungen (Freundschaften, Bekanntschaften etc.) der beschwerdeführenden Parteien in Österreich wurden von diesen weder behauptet, noch nachgewiesen. Mangels konkreter Belege sonstiger sozialer bzw. ehrenamtlicher Engagements oder Betätigungen von Vereinen oder Verbänden konnte ihnen auch keine besondere Integration konzediert werden.

2.6. Zum Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien:

Die von der BF1 angegebenen Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates Irak und zur Situation der beschwerdeführenden Parteien im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf ihren Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 27.09.2017 [AS 43ff] und auf der verfahrensgegenständlichen Beschwerdeschrift. Zudem erschließen sich die vorgebrachten Fluchtgründe der beschwerdeführenden Parteien aus den im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 29.06.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht von der BF1 dargelegten Ausführungen. Weitere Beweismittel wurden von den beschwerdeführenden Parteien nicht in Vorlage gebracht.

Die BF1 führte auf Befragung in der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA aus, dass sie weder mit den Behörden des Irak, noch auf Grund ihrer politischen Einstellung oder ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit einer Verfolgung oder Bedrohung im Herkunftsstaat ausgesetzt wäre [AS 51f] und bringt eine solche Verfolgung oder Bedrohung auch in der mündlichen Verhandlung nicht vor.

Im Kern stützte die BF1 das Fluchtvorbringen der beschwerdeführenden Parteien auf die Bedrohung bzw. Verfolgung durch Mitglieder der eigenen Familie [sic. AS 51]. Ihr Vorbringen zielte zudem auf eine Verfolgung wegen ihres "westlichen Lebensstils" ab. Als fluchtauslösendes Ereignis benannte sie zudem die Bedrohung des XXXX durch eine extremistische Vereinigung (AS 49).

Die BF1 gab zunächst glaubhaft an, dass es zwischen ihr und dem XXXX bereits im Irak zu ehelichen Konflikten gekommen sei. In der niederschriftlichen Einvernahme gab sie mehrfach an, sie habe ihre Familie über die ehelichen Konflikte mit XXXX informiert, woraufhin ihr die eigene Mutter und ihre Brüder geraten hätten, sich von ihrem Ehegatten scheiden zu lassen. Ihre Familie habe ihr auch mitgeteilt, dass die mj. BF2, der mj. BF3 und der mj. BF4 bei der Familie des KA bleiben müssten. Sodann habe ihre Familie beschlossen, dass sie sich die BF1 scheiden lassen müsse, woraufhin die BF1 mit dem KA und den minderjährigen Beschwerdeführern aus dem Irak geflohen sei.

Die wohlbegründete Furcht vor einer ehrverbrechensbasierten Bedrohung oder Verfolgung durch die Mitglieder der eigenen Familie, stellt das zentrale Element ihres Vorbringens dar. Dazu führte die BF1 aus, dass sich die ehelichen Probleme zwischen ihr und dem KA in Österreich verschlechtert hätten. Nach der Eskalation der familiären Konflikte habe KA Ende des Jahres 2016 die Familie der BF1 im Irak kontaktiert und dieser erzählt, sie würde sich in Österreich mit einem anderen Mann treffen [AS 50]. Da die Familie der BF1 dem KA Glauben schenkte und nicht bereit sei, dieses Verhalten zu tolerieren, sei die BF1 im Dezember des Jahres 2016 von ihrer Schwester kontaktiert worden und man habe ihr im Zuge dessen mit dem Tod gedroht. Aus dem Vorbringen der BF1 in der mündlichen Verhandlung geht zudem hervor, dass sie seit Dezember 2016 keinen Kontakt mehr mit ihren Familienangehörigen gehabt hätte.

In seiner Gesamtheit ist dieses Vorbringen jedoch nicht nachvollziehbar. Im Lichte dessen, dass die BF1 selbst angibt, dass sich ihre Familie bereits im Irak für eine Scheidung von XXXX ausgesprochen hatte, ist es im Lichte der allgemeinen Lebenserfahrung nicht nachvollziehbar, dass dieselben Personen eher dazu geneigt seien, den Vorwürfen des XXXX zu glauben, als den Angaben der BF1 als Mitglied der eigenen Familie. Dies muss auch vor dem Hintergrund angenommen werden, da es bereits im Irak zu ehelichen Problemen zwischen der BF1 und dem KA kam und die Familie der BF1 von diesem Konflikt Kenntnisse hatte. Im Lichte des Umstandes, dass die BF1 aus dem Irak geflohen sein will, weil ihre Familie die Scheidung von KA gefordert habe, widerspricht es auch jeglicher Lebenserfahrung, dass ihre Familie sie wegen ihres Trennungswunsches von ihrem Ehegatten bedroht hätte. Es ist zudem zu bemerken, dass sich die BF1 im Zusammenhang mit der Drohung ihrer Familie oberflächlich und schemenhaft hält und dabei in ihren - sonst durchaus detailreichen - Ausführungen Orts-, Zeit- und Namensangaben völlig unterlässt. So gibt die sie zu den Drohungen ihrer Familie lediglich an, dass es im Dezember 2016 zum Kontakt mit ihrer Schwester gekommen wäre und sie dabei mit dem Tod bedroht worden wäre. Dazu, dass die Familie daraufhin weitere Schritte gesetzt oder weitere Drohungen ausgesprochen hätte, blieb die BF1 weitere Angaben schuldig. Es ist zu bemerken, dass die BF1 nachvollziehbar schildert, dass es zu einem Bruch mit ihrer Familie gekommen und der Kontakt zu ihren Geschwistern abgebrochen sei. Eingedenk der konservativ-religiösen Gesellschaftsverhältnisse im Irak stellt es sich zudem durchaus schlüssig dar, dass ihre Familie mit ihrem in Österreich gesetzten Verhalten nicht in vollem Umfang einverstanden ist. Die Ausführungen, dass sie von ihrer Familie mit dem Tod bedroht worden wäre, obwohl sich die BF1 aus der Sicht ihrer eigenen Familie bereits im Irak vom Ehegatten hätte scheiden sollen, erscheint als zweifelhaft und daher als nicht glaubwürdig. Das von der BF1 der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechende Fluchtvorbringen kann auch im Lichte der Länderberichte zum Irak nicht nachvollzogen werden. Im Kontext dieser Überlegung ist es auch wenig nachvollziehbar, dass ihre eigene Familie dazu geneigt wäre, dem KA mehr Glauben zu schenken, als der BF1 als eigenem Familienmitglied. Im Lichte dessen ist es der BF1 nicht gelungen, ein individuelles, konkretes und aktuelles Bedrohungs- oder Verfolgungsrisiko glaubhaft darzulegen.

Auch darüber hinaus gestaltet sich das Gesamtvorbringen der BF1 äußerst widersprüchlich und inkonsistent. In der niederschriftlichen Einvernahme gab sie an, nach der Eheschließung mit XXXX im Jahr 2009 bei dessen Familie gelebt zu haben. Im Jahr 2013 seien die beschwerdeführenden Parteien nach XXXX gegangen und hätten sie dort ein Haus gemietet. Die BF1 gab in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass sie bis zum August 2015 dort gelebt hätten [AS 49]. Als XXXX eine Drohung bekommen habe, sei die Familie im September 2015 zu dessen Familie zurückgekehrt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gab die BF1 demgegenüber an, dass sie XXXX im Jahr 2013 in Folge eines Raketenangriffes verlassen und danach für ein Jahr bei der Familie der BF1 gelebt hätten. Somit müsste die BF1 bereits im Jahr 2013 aus XXXX weggegangen und bis zum Jahr 2014 bei ihrer Familie gelebt haben, was jedoch im Zusammenhang mit den Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme nicht in Einklang zu bringen ist.

In der niederschriftlichen Einvernahme führte sie zudem aus, dass ihrem Mann im Jahr 2015 gedroht worden sei, doch lässt sie diese Drohung in der mündlichen Verhandlung vollkommen unerwähnt. Demgegenüber bringt sie die Raketenangriffe in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde nicht Weise zur Sprache. Das lässt den Schluss zu, dass diese Schilderung ebenfalls ein tatsachenwidriges Gedankenkonstrukt ist.

Zusammenfassend gelang es der BF1 also weder, die Lebensverhältnisse der Familie in den Jahren vor der Ausreise widerspruchsfrei darzustellen, noch die konkreten Geschehnisse in XXXX in irgendeiner Weise schlüssig und glaubhaft zu erläutern. Vielmehr stellte sie diesbezüglich vollkommen voneinander abweichende Vorkommnisse dar. Daraus erschließt sich für das erkennende Gericht, dass die BF1 die behaupteten Erlebnisse nicht wahrheitsgemäß dargestellt hat, zumal es nicht erklärbar ist, wieso sie ein so eindringliches Ereignis, wie den behaupteten Raketenangriff in ihrem Wohnort sowohl in der Erstbefragung als auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA völlig unerwähnt lässt.

2.7. In der Gesamtschau lässt die teilweise unzusammenhängende, konturlose und uneinheitliche Darstellung der vermeintlich im Irak gegebenen Bedrohungssituationen das Fluchtvorbringen der BF1 in der Gesamtheit höchst unglaubwürdig wirken. Sie konnte nicht glaubhaft machen, inwiefern ihre Familie, welche - den Angaben der BF1 zufolge - bereits im Irak eine Scheidung von XXXX befürwortet haben soll, dessen Anschuldigungen in Bezug auf die BF1 mehr Glauben schenken sollte, als ihr selbst. Auch der behauptete Drohanruf ihrer Schwester wurde von der BF1 nur sehr oberflächlich geschildert. Dazu ist hervorzuheben, dass die BF1 nicht einmal darlegt, dass es vor der behaupteten Drohung überhaupt zu einem verbalen Konflikt oder zu Diskussionen mit ihrer Familie gekommen sei.

Auch gelang es ihr nicht, darzustellen, inwiefern sie auf Grund des von ihr in Österreich gepflegten Lebensstils im Irak einer Bedrohung ausgesetzt wäre, zumal die von ihr in Österreich angestrengte Scheidung ihrem Vorbringen entsprechend bereits im Irak von ihrer Familie gefordert worden sei und daher nicht davon auszugehen ist, dass der Trennungswunsch allein zu einer Verfolgung der BF1 im Irak führen würde.

Darüber hinaus verfing sich die BF1 bei der gesamten Darlegung ihrer Lebensumstände im Irak immer wieder in Widersprüche und unterließ es, konkrete und nachvollziehbare Ort- und Zeitangaben zu machen. Ihr gelang es auch mit der verfahrensgegenständlichen Beschwerde nicht, ein konkretes, individuelles und aktuelles Bedrohungsszenario zu zeichnen, da darin unterlassen wurde, auf eine konkrete, vermeintlich von der Familie der BF1 ausgehende Bedrohungssituation der beschwerdeführenden Parteien im Irak einzugehen. Vielmehr beschränkt sich die Beschwerde auf allgemein gehaltene Darlegungen, die nicht dazu geeignet waren, ein die beschwerdeführenden Parteien betreffendes individuelles und aktuelles Verfolgungsszenario glaubhaft zu machen.

Das Vorbringen der BF1 von der Erstbefragung bis zur mündlichen Verhandlung vor dem BVwG lässt eine klare Tendenz zur Steigerung und Dramatisierung des eigenen Vorbringens deutlich erkennen. So lässt sie wesentliche Teile ihrer Fluchtgeschichte in der Erstbefragung zunächst unerwähnt und bringt diese erst später vor und verändert diese immer wieder; dadurch belastete sie ihre Glaubwürdigkeit in einem erheblichen Ausmaß.

Mit ihren Schilderungen konnte die BF1 weder eine individuelle, noch eine systematisch gegen die beschwerdeführenden Parteien gerichtete Verfolgungsgefahr von Seiten ihrer Familie, des Herkunftsstaates oder eines Dritten glaubhaft machen oder eine wohlbegründete Furcht nachvollziehbar veranschaulichen.

Aus den angeführten Gründen waren die Konstatierungen zum Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien im Rahmen der dem Gericht zukommenden freien Beweiswürdigung zu treffen.

Anlassbezogen konnte weder eine konkret gegen die beschwerdeführenden Parteien gerichtete Bedrohung, noch eine gegen sie aktuell bestehende Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte hervorgekommen, die bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine mögliche Verfolgung wahrscheinlich erscheinen ließen.

2.8. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien:

Die der BF1 im Rahmen der mündlichen Verhaltung zur Kenntnis gebrachten länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat der beschwerdeführenden Parteien in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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