TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/27 G305 2179116-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2018
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Entscheidungsdatum

27.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2179116-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX, vom 20.11.2017, Zl.:

XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3

und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: so oder kurz: BF) stellte am 03.11.2015 vor Organen des Stadtpolizeikommandos XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.11.2015 fand eine Erstbefragung des BF vor Organen des Stadtpolizeikommandos XXXX statt.

Anlässlich seiner Erstbefragung gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, er sei Sunnit und habe im Jahr 2006 nach XXXX gehen müssen. Dort hätten IS-Kämpfern versucht, ihn dazu zu zwingen, an Kämpfen teilzunehmen, woraufhin er mit seiner Familie nach XXXX flüchten musste. Dort wiederum seien schiitische Milizen an ihn herangetreten und er sei wieder geflohen. Er fürchte sich vor Islamischen Extremisten und den schiitischen Milizen.

2. Am 28.09.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen. Anlässlich dieser Einvernahme, in welcher er einen Reisepass und einen Personalausweis sowie weitere Dokumente in Vorlage brachte, gab er zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen zusammengefasst an, er habe in XXXX in einem Gefängnis als Bauarbeiter gearbeitet und eines Nachts eine telefonische Drohung bekommen. Er solle seine Arbeit verlassen und sich "selber überstellen". Er führte dazu aus, man habe ihm vorgeworfen, ein Deserteur zu sein und für die Regierung zu arbeiten. Am nächsten Morgen sei er bei der Polizei gewesen und habe Hilfe bei der Armee gesucht, doch hätten ihm weder die Polizei noch die Armee helfen können. Er habe von seinem Vater Geld leihen wollen, habe dies jedoch nicht bekommen und sei daraufhin weggelaufen.

3. Mit Bescheid vom 20.11.2017, dem BF durch Hinterlegung zugestellt am 24.11.2017, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF vom 03.11.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf dessen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.). Zudem stellte die belangte Behörde gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen diesen Bescheid richtete sich die durch den Rechtsvertreter des BF mit Schreiben vom 04.12.2017 mitsamt einer Vertretungsvollmacht übermittelte Beschwerdeschrift. Die Beschwerde stützte sich dabei auf die Beschwerdegründe "Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und der Beweiswürdigung" und "fehlerhafte rechtliche Beurteilung" vorgebracht.

Die Beschwerde wurde mit den Anträgen verbunden, die "Rechtsmittelbehörde" möge eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid beheben, seinem Antrag auf internationalen Schutz stattgeben und ihm den Status des Asylberechtigten zuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung aufgehoben werde, in eventu ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach §§ 55, 57 AsylG erteilen bzw. den Bescheid beheben und die Rechtssache an die belangte Behörde zurückverweisen.

5. Mit Schreiben vom 05.12.2017, eingelangt am 11.12.2017, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die gegen den oben bezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde des BF samt den Bezug habenden Verwaltungsakten vor. Hier wurde die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

6. Am 11.06.2018 wurde vor dem erkennenden Gericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung sowie eines Dolmetschers für die Muttersprache des BF durchgeführt. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt die im Spruch angegebene Identität und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist arabisch.

Der BF ist gesund und nimmt keine Medikamente oder Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung ein. Er ist arbeitsfähig und gibt sich arbeitswillig. Er war mit der am XXXX geborenen XXXX (im Folgenden so oder MA) verheiratet. Der BF und XXXX haben zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt beim Bezirksgericht XXXX einen Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung eingebracht. Der BF hat mit MA drei leibliche Kinder, die mj. XXXX(geb. am XXXX), den mj. XXXX (geb. am XXXX) sowie den mj. XXXX (geb. am XXXX).

Der BF lebt weder mit MA, noch mit seinen Kindern im gemeinsamen Haushalt.

Die Kinder des BF und die MA leben in Österreich. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.11.2017 wurde deren Anträge auf Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigte stattgegeben. Der Bescheid ist im Hinblick auf die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Rechtskraft erwachsen.

1.2. Zu den Reisebewegungen des Beschwerdeführers:

Der BF begab sich zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 mit der MA und deren Kinder von XXXX ausgehend über XXXX auf dem Luftweg nach XXXX und reisten die Genannten von dort aus mit dem Bus in die Türkei. Von hier aus setzten sie die Reise über Griechenland und Mazedonien nach Serbien fort. Von Serbien aus führte die Reiseroute des BF und seiner Familie über Kroatien und Slowenien. Der Zeitpunkt, zu dem der BF in das Bundesgebiet eingereist ist, konnte nicht festgestellt werden. Der BF befindet sich jedenfalls seit dem 03.11.2015 im Bundesgebiet.

1.3. Zur persönlichen Situation des BF im Irak:

Der BF hat im Irak sechs Jahre lang die Grundschule besucht und danach begonnen, als Verkäufer zu arbeiten. In beruflicher Hinsicht war er zehn Jahre lang als Mechaniker, als Maurer und oder Friseur tätig. Der BF ist in der Region XXXX geboren, hat von früher Kindheit an im Irak in XXXX gelebt und ist im Jahr 2012 mit seiner Familie nach XXXX gezogen.

Der BF wurde am 16.03.2010 festgenommen und befand über einen nicht feststellbaren, ein Jahr jedenfalls übersteigenden, Zeitraum in einem Gefängnis in XXXX in Haft.

Er hat in einem nicht näher feststellbaren Zeitraum zwischen Mitte des Jahres 2014 und Ende des Jahres 2015 in einem Gefängnis in XXXX Bauarbeiten für die irakische Regierung durchgeführt. Mit seiner Familie wohnte er neben diesem Gefängnis. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des BF im Irak vor seiner Ausreise waren stabil.

Der Vater des BF, XXXX, und die Mutter des BF, XXXX, sowie die Brüder des BF, XXXX und XXXX, dessen Kinder und seine Schwestern XXXX, XXXX, XXXX und XXXX leben nach wie vor im Irak. Ein Bruder des BF, XXXX, lebt in Deutschland. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er mit XXXX in engem Kontakt stehen würde. Zudem hat er mit seinen in XXXX lebenden Verwandten weitere familiäre Anknüpfungspunkte im Irak. Seine Eltern und seine im Irak lebenden Brüder wohnen zum Entscheidungszeitpunkt in XXXX. Eine Schwester des BF lebt in XXXX, die anderen Schwestern des BF wohnen in XXXX.

1.4. Zur persönlichen Situation des BF in Österreich:

Der BF ist jedenfalls seit dem 03.11.2015 im Bundesgebiet aufhältig. Er hat am 22.09.2017 an einem Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen. Er besuchte von 26.09.2017 an einen Deutschkurs und hat seit dem 12.01.2018 einen weiteren Deutschkurs belegt. Er ist in einem Alten- und Pflegeheim ehrenamtlich mit Maler- und Gartenarbeiten befasst. Eine über rudimentäre Deutschkenntnisse hinausgehende, tiefergreifende sprachliche Integration des BF konnte nicht festgestellt werden.

Der BF lebt von der staatlichen Grundversorgung, ist im Bundesgebiet nicht erwerbstätig und hat auch keine konkreten Aussichten auf eine Erwerbstätigkeit in Österreich. Darüberhinausgehend waren keine wirtschaftlichen Interessen des BF im Bundesgebiet feststellbar. Er weist seit dem 09.11.2015 durchgehend Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf und ist strafgerichtlich unbescholten.

Der BF hat in Österreich mit MA und seinen drei Kindern familiäre Anknüpfungspunkte. Seit dem 12.12.2016 lebt er jedoch nicht mehr in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Familie. Gegen den BF liegt eine Wegweisung vor. Sein Verhältnis zu MA ist tiefgreifend zerrüttet und es besteht zwischen ihm, der MA und den gemeinsamen Kindern kein Kontakt. Das Paar hat auf Anregung der MA hin eine einvernehmliche Ehescheidung angestrengt und ist die Ehe mittlerweile geschieden.

Weitere, tiefgreifende und maßgebliche soziale Beziehungen bzw. Freundschaften des BF im Bundesgebiet konnten jedoch nicht festgestellt werden. Es konnten in Bezug auf den BF keine Vereinsmitgliedschaften, Hobbies, ein längerfristiges und tiefergehendes soziales bzw. ehrenamtliches Engagement oder Bekanntschaften oder Freundschaften konstatiert werden. Ebenso wenig konnten Anhaltspunkte für die Annahme einer besonders maßgeblichen Integration der des BF in Österreich in sprachlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

1.5. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Seit Oktober 2016 war die allgemeine Sicherheitslage im Irak von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den durch eine Reihe schiitisch dominierter nichtstaatlicher Milizen (PMF Popular Mobilization Forces kurz: PMF) unterstützten irakischen Streitkräfte (ISF), den Streitkräften der kurdischen Regionalregierung (PESCHMERGA) sowie ausländischen Militärkräften auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der des Islamischen Staates (IS) auf der anderen Seite geprägt. Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften, gemeinsam mit der PMF sowie der weiteren verbündeten, teilweise ausländischen, Streitkräfte im Laufe der Jahre 2016 und 2017 gelang, die Einheiten des IS sowohl aus den besetzten Teilen der südwestlichen Provinz ANBAR als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN zu verdrängen, beschränkte sich das Herrschaftsgebiet des IS auf in der Stadt MOSUL. Nach der sukzessiven Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von dieser terroristischen Gruppierung kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak stand zuletzt vor allem die Kontrolle der Stadt MOSSUL im Fokus. Der Südirak, insbesondere die Provinz BASRA, war nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in den Jahren 2013 und 2014 betroffen.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premierminister Haider AL-ABADI die Stadt MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden von der Militärallianz auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie einer Enklave südlich von KIRKUK, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS auch in diesen Gebieten besiegt sei. Der IS wiederum versuchte die letzten zwei Jahre parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Die Sicherheitslage innerhalb der KURDISCHEN AUTONOMIEREGION ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte sowie Grenzkontrollen und innerregionalen Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen.

Die sicherheitsrelevante Situation im Großraum BAGDAD ist durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des als sunnitisch zu bezeichnenden IS dazu dienen hätten sollen, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte zu richten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden.

Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit dem Jahr 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Leitung des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren. In Gebieten wie TIKRIT und MUQDADIYA sind wieder vermehrt Rückkehrer zu verzeichnen und ist eine deutliche Verbesserung beim Zugang zu Basisdiensten und beim Wiederaufbau von grundlegender Infrastruktur zu beobachten. Obwohl schiitische Milizen im Rahmen der Rückeroberung TIKRITS in einem Racheakt zunächst ganze Stadtteile zerstörten und Menschenrechtsverletzungen begingen (MOI 11.2.2016), sind inzwischen die meisten der ursprünglichen Einwohner TIKRITS dorthin zurückgekehrt und hat der Wiederaufbau der Stadt begonnen.

Die allgemeine Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen hat sich als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab dem Jahr 2008 stark verbessert und ist seit dem Jahr 2014 insgesamt als stabil anzusehen. Die Gegenoffensive der irakischen Militärallianz gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. In den südlichen Provinzen des Iraks ist der Großteil der Gewalt, die dort stattfindet, nicht terroristischer Natur, sondern krimineller und "tribaler" (d.h. stammesbezogener) Natur. Im Süden des Iraks leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten und liegen für die südlichen Provinzen (Anm.: BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. So finden sich auch keine Berichte über flächendeckende, langfristige Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten.

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen Sunniten und Schiiten im Irak schwer erschüttert, Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft werden häufig zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen. Weder von Seiten des irakischen Staates noch von Seiten der schiitischen Milizen ist eine landesweite, systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft festzustellen. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht.

Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Iraks. Sunniten sind in der Gesellschaft und in der Politik vertreten, so treten auch im Mai 2018 auch sunnitische Parteien zu den Parlamentswahlen an. Es gibt zudem nach wie vor Regionen und Stadtteile in der Hauptstadt BAGDAD, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber hinaus sind auch im von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Iraks sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges Nebeneinander von Sunniten und Schiiten zu beobachten.

Quelle: BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN.

1.6. Zum Fluchtvorbringen der des Beschwerdeführers:

Der BF hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder aufgrund seines Religionsbekenntnisses noch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Probleme. Er arbeitete für die irakische Regierung als Bauarbeiter. Es konnte nicht festgestellt werden, dass für den BF in seinem Herkunftsstaat ein vom IS ausgehendes Bedrohungspotential besteht.

Dass der BF auf Grund seiner Zugehörigkeit zur muslimischen Glaubensgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung einer individuellen und aktuellen Verfolgung durch schiitische Milizen ausgesetzt gewesen wäre, konnte nicht festgestellt werden. Es konnte zudem nicht festgestellt werden, dass er auf Grund der Zugehörigkeit zu seinem Stamm in seinem Herkunftsstaat individuell und aktuell verfolgt wäre. Eine Verfolgung durch Mitglieder seiner eigenen Familie oder der Familie der XXXX im Irak konnte nicht festgestellt werden.

Ein konkreter Anlass für sein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates oder der Umstand, dass er vor seiner Ausreise im Irak einer individuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt gewesen wäre, oder im Falle seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein könnte, konnten nicht festgestellt werden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wäre oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Letztlich konnte nicht festgestellt werden, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder er als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die daraus gezogenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF anlässlich der vom erkennenden Gericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, den beigeschafften länderkundlichen Informationen und den von Amts wegen eingeholten Auskünften.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum, Geburtsort), Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, auf dessen eigene Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie auf dessen Kenntnis und Verwendung der arabischen Sprache und auf den Kenntnissen der geografischen Gegebenheiten des Irak.

Die zum Gesundheitszustand, zur Arbeitsfähigkeit und zur Arbeitswilligkeit des BF getroffenen Konstatierungen gründen sich auf dessen Angaben im Rahmen der Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörde am 04.11.2015 [AS 21f], den Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA vom 28.09.2017 [AS 43f], den im angefochtenen Bescheid getroffenen diesbezüglichen Feststellungen, denen in der Beschwerde im Kern nicht entgegen getreten wurde, sowie letztlich auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Verwaltungsgericht vom 11.06.2018.

Die Feststellungen zu seinem Familienstand, dem aufenthaltsrechtlichen Status seiner Angehörigen in Österreich und den Umständen, dass er mit seiner Familie nicht mehr im gemeinsamen Haushalt lebt, der unheilbaren Zerrüttung der Ehe und der Ehescheidung, wurden anhand der beim erkennenden Gericht anhängigen Beschwerden der XXXX, derXXXX, des XXXX sowie des XXXX getroffen und basieren maßgeblich auf den zu den GZ.: G305 2179920-1; G305 2179913-1; G305 2179918-1; G305 2179916-1 geführten Verfahren offenkundig. Der im Zusammenhang mit den genannten Parteien ergangene Bescheid vom 20.11.2017 erwuchs im Hinblick auf die Feststellung, dass den Betroffenen der Status der subsidiären Schutzberechtigten zukomme, in Rechtskraft. Zudem ergibt sich dies aus den Angaben des BF im Rahmen der Erstbefragung [AS 21f], den Angaben des BF in der niederschriftlichen Einvernahme [AS 43f], den im angefochtenen Bescheid getroffenen diesbezüglichen Feststellungen, denen in der Beschwerde im Kern nicht entgegengetreten wurde, aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2018 und aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister (ZMR).

2.3. Zu den Reisebewegungen des Beschwerdeführers:

Die zur Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise nach Österreich getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den unbestritten gebliebenen Angaben des BF anlässlich der Erstbefragung vor den Organen der Sicherheitsbehörden [AS 15f].

2.4. Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers im Irak:

Die Konstatierungen zum beruflichen Werdegang des BF erschließen sich aus seinen Angaben in der Erstbefragung [AS 15] und aus seinen Darlegung im Zuge seiner Einvernahme durch die belangte Behörde [AS 51f] sowie aus seinen Schilderungen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Ebenso verhält es sich mit den Konstatierungen zur Tätigkeit des BF in XXXX, wobei hervorzuheben ist, dass er in der niederschriftlichen Einvernahme angibt, im Jahr 2014 dort gearbeitet zu haben [sic AS 56] und im Rahmen der mündlichen Verhandlung behauptet, er habe im Jahr 2015 im Gefängnis gearbeitet. Aus diesem Grund konnte dieses Arbeitsverhältnis in keinen konkreten zeitlichen Kontext gesetzt werden.

Die vom BF im Rahmen der mündlichen Einvernahme durch die belangte Behörde [AS 50ff] und in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2018 gemachten Angaben belegen die weiteren, zur persönlichen und familiären Situation des BF im Irak getroffenen Feststellungen. Ebendiesen Ausführungen ist auch zu entnehmen, dass die Familie des BF nach wie vor im Irak lebt und er ebendort viele Verwandte hat [AS 51].

2.5. Zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zu den vom BF absolvierten Kursen gründen sich auf eine Teilnahmebestätigung des Österreichischen Integrationsfonds (AS 81) und auf eine in Vorlage gebrachten Bestätigung des Besuches eines Deutschkurses der XXXX vom 26.09.2017 bzw. eine diesbezügliche Bestätigung vom 29.05.2018. Eine besondere sprachliche Integration vermochte er mit seiner Demonstration der Verwendung der deutschen Sprache in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht zu belegen. Die Konstatierung, dass er in einem Pflegeheim ehrenamtlich Maler- und Gartenarbeiten durchführt, gründet auf der in Vorlage gebrachten Bestätigung der XXXX vom 06.06.2018. Die ehrenamtliche Tätigkeit muss jedoch eine Relativierung dahingehend hinnehmen, dass dem Bestätigungsschreiben weder das wöchentliche Stundenausmaß, noch die Gesamtdauer oder die Regelmäßigkeit dieser Betätigung zu entnehmen ist.

Die Konstatierungen hinsichtlich des Umstandes, dass er in Österreich über keine Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verfügt und von Leistungen der staatlichen Grundversorgung lebt sowie zu dessen Beschäftigungslosigkeit ergeben sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in das Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung des Bundes (GVS)). Dass der BF eine legale Erwerbstätigkeit zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes in Aussicht hätte, wurde weder behauptet noch belegt. Die zu seiner Unbescholtenheit und zu den Wohnsitzmeldungen des BF getroffenen Feststellungen gründen auf Auszügen aus dem Zentralen Melderegister und dem österreichischen Strafregister.

Die Konstatierungen zu den familiären Anknüpfungspunkten des BF im Bundesgebiet, insbesondere jener zur MA und zu den gemeinsamen Kindern, gründen auf seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme, wonach sich die MA von ihm scheiden lassen wolle und er mit ihr und den gemeinsamen Kindern nicht im selben Haushalt lebe [AS 50], sowie aus einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister, aus dem hervorgeht, dass der BF seit dem 12.12.2016 nicht mehr an derselben Adresse wie die MA wohnt. Zudem führte er in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht aus, dass er seit einem Jahr und vier Monaten von der MA und den Kindern getrennt lebe. Hierzu gab er ebenfalls an, keinen Kontakt zu seinen Kindern zu haben. Aus seiner Schilderung geht klar hervor, dass der Trennungswunsch von der MA ausgegangen sei und diese keinen Kontakt mehr zu ihm suche. Belegt wird dies zudem durch den von XXXX mit E-Mail vom 03.10.2017 vorgelegten Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung, auf welchem auch die Unterschrift des BF zu erkennen ist (Akt zu G305 2179920-1, AS 79f).

Nach Einsicht in den Kriminalpolizeilichen Aktenindex konnte festgestellt werden, dass der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung im Familienkreis am 09.12.2016 angezeigt, das Verfahren jedoch auf Grund eines außergerichtlichen Tatausgleiches eingestellt wurde (AS 35). Die Konstatierung betreffend die Wegweisung des BF gründet auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der Beschwerde vom BF nicht entgegengetreten wurde.

Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte für weitere Integrationsbemühungen des BF ergeben. Die integrationsrelevanten Feststellungen beruhen auf dem Umstand, dass er weder in der niederschriftlichen Einvernahme vom 28.09.2017 noch in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2018 konkrete Angaben machte, die auf eine hinreichende Integration in Österreich in beruflicher oder sprachlicher Hinsicht schließen ließen. So ist sowohl in der niederschriftlichen Einvernahme als auch in der mündlichen Verhandlung hervorgekommen, dass er angesichts seines nunmehr seit November 2015 andauernden Aufenthaltes erst Mitte 2017 einen Sprachkurs in Angriff nahm und nur über geringe Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Eine Mitgliedschaft in einem Verein wurde weder behauptet, noch belegt. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass er in Österreich weitere soziale Kontakte, wie etwa Bekanntschaften und Freundschaften, hätte und diese pflegen würde.

2.6. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Sein Vorbringen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates Irak und zu seiner Situation im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf den Angaben des BF im Rahmen der Erstbefragung vom 04.11.2015 (AS 15ff), der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 28.09.2017 (AS 47ff) und der verfahrensgegenständlichen Beschwerdeschrift. Zudem erschließen sich die vorgebrachten Fluchtgründe des BF aus seinen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 11.06.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht und aus dem in Vorlage gebrachten Beweismaterial.

Der BF stützt sein Fluchtvorbingen im Wesentlichen auf die Verfolgung durch eine terroristische Gruppierung und zum anderen auf familiäre Konflikte im Herkunftsstaat.

Anlässlich der Einvernahme durch das BFA führte der BF zu den Gründen für das Verlassen des Iraks aus, er habe als Bauarbeiter in einem Gefängnis in XXXX gearbeitet. Eines Tages habe der BF die Drohung erhalten, dass er aufhören solle, in dem Gefängnis für die Regierung zu arbeiten und sich stattdessen einer terroristischen Vereinigung anschließen solle, andernfalls man ihn töten würde. Daraufhin habe er seinem eigenen Vorbringen zu Folge versucht, die Polizei und die Armee einzuschalten, doch habe man ihm nicht helfen können. Darüber hinaus sei er auch von der Familie der MA bedrängt worden, die Arbeit im Gefängnis aufzugeben. Als er sich geweigert habe, sei ihm von den Brüdern der MA gedroht worden. Da sich MA in Österreich von ihm getrennt habe, würde ihre Familie ihn bei seiner Rückkehr töten.

2.6.1. Zur Drohung durch eine terroristische Vereinigung

Bereits in der Schilderung seiner beruflichen Tätigkeit in XXXX treten hinsichtlich des Vorbringens des BF grobe Unstimmigkeiten zu Tage. So gab er mehrfach an, er habe den Irak im Jahr 2014 direkt nach einem Drohanruf verlassen [AS 56]. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab er auch an, er sei unmittelbar nach dem zweiten Drohanruf, sohin ab dem 05.09.2014 [AS 58] aus dem Irak ausgereist [AS 57]. In derselben Einvernahme führt er aus, dass die Ausreise erst am 15.10.2014 erfolgt sei [AS 53]. Demgegenüber schilderte er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, dass er von Jänner bis August 2015 im Gefängnis von XXXX gearbeitet und dann am 15.10.2015 den Irak verlassen hätte. Hätte er, wie er unter anderem angibt, von Anfang Jänner 2015 weg für acht Monate im Gefängnis gearbeitet und wäre er direkt nach der Drohung ausgereist, müsste sein Ausreisedatum im August oder im September 2015 liegen. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gab der BF auch an, er hätte seine Arbeit im August 2015beendet. In der Beschwerde legte er jedoch dar, dass er am 18.10.2015 [AS 240] ausgereist sei, wohingegen er sich in der mündlichen Verhandlung wiederum auf den 15.10.2015 bezieht. Dass der BF nicht anzugeben vermochte, ob er den Irak direkt nach Beendigung seiner Arbeit oder erst ca. zwei Monate danach verlassen hat, legt den Schluss nahe, dass sich die dargestellten Ereignisse tatsächlich weder auf die eine, noch auf die andere Art abgespielt haben können. Zudem leidet seine Glaubhaftigkeit insofern, als dass er die Beendigung der Arbeit und die Ausreise aus dem Irak nicht in einen einheitlichen zeitlichen Kontext zu setzen vermochte.

Sein Fluchtvorbringen stützte er im Kern auf die Bedrohung durch eine terroristische Vereinigung, die ihn gezwungen haben soll, seine Arbeit im Gefängnis von XXXX aufzugeben. Dabei ist zu bemerken, dass er dieses Szenario in der Erstbefragung in keiner Weise erwähnte. So gab er im Rahmen seiner Erstbefragung an, dass er Sunnit sei und man ihn in XXXX gezwungen habe, IS-Kämpfer zu werden. Seinem Vorbringen in der Erstbefragung zufolge habe er nach XXXX flüchten müssen, wo er von schiitischen Milizen bedroht worden sei, weshalb er mit seiner Familie den Irak verlassen habe [AS 23]. In der niederschriftlichen Einvernahme brachte er noch in der mündlichen Verhandlung zur Sprache, dass er in XXXX von schiitischen Milizen bedrängt worden wäre. Somit vermochte er auch nicht zu veranschaulichen, von welchen Personen bzw. welcher Organisation er bedroht worden sein soll.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme gab er an, man habe ihm gesagt, dass er zwei Tage habe, um die Arbeit zu beenden und sich der besagten Gruppierung anzuschließen [AS 56f]. Auf die in der niederschriftlichen Einvernahme gestellte Frage, ob es neben dem Anruf noch weitere Drohungen gegeben habe, habe er mit "Nein" geantwortet, nur um kurz darauf anzugeben, dass er einen zweiten Anruf erhalten haben will [AS 57]. Im Laufe des Verfahrens schilderte er zudem weitere, vermeintlich gegen ihn gerichtete Drohakte. So gab er an, im Jahr 2009 von vier maskierten Personen in einem Auto bedroht worden zu sein. Die getroffenen Ausführungen hielt er jedoch äußerst vage und konturlos und verabsäumte er es, einen Zusammenhang zum vermeintlich fluchtauslösenden Ereignis herzustellen. In der mündlichen Verhandlung gab er wiederum an, dass die ihm drohende Organisation bereits im Juli 2015 erstmals zu ihm in Kontakt getreten wäre.

Dem BF gelang es zudem nicht, die behauptete Drohung widerspruchsfrei zu veranschaulichen. Abweichend von seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme erläuterte er in der mündlichen Verhandlung, dass er ein Drohschreiben erhalten habe ("Aber es kam eine Bedrohung in einem Kuvert. In der Früh, als ich zur Arbeit gehen wollte, habe ich unter Tür ein Kuvert mit einem Drohschreiben [...] entdeckt"). Darin sei ihm eine Frist von drei Tagen gegeben worden, wohingegen er in der mündlichen Einvernahme noch behauptete, man habe ihm eine zweitägige Frist gesetzt. Zudem gelang es ihm nicht, die Existenz des Drohschreibens durch die Vorlage eines solchen zu untermauern. Dieser offene Widerspruch erschüttert insgesamt die Glaubwürdigkeit des dargestellten Bedrohungsszenarios in seinen Grundfesten, widerspricht es doch den Regeln der logischen Denkgesetze, dass sich der BF an das von ihm behauptete, einschneidende Bedrohungsszenario nicht genau erinnern konnte.

Der BF verfing sich schließlich auch in der Darstellung der Ereignisse, die nach den behaupteten Drohungen passiert sein sollen, in eklatante Widersprüche. So führte er in seiner Einvernahme aus, dass er direkt nach dem zweiten Anruf zu einem Reisebüro gefahren sei und Reiseunterlagen besorgt habe, um daraufhin nach ERBIL zu fliegen. In seiner Einvernahme gab er dagegen an, er sei nach dem ersten Anruf zur Polizei gegangen [AS 57] und diese habe versucht, die Nummer des Drohanrufes zurückzuverfolgen. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG gab er wiederum an, man habe ihn bei der Polizei "rausgeworfen", was gegen eine polizeiliche Ermittlungstätigkeit sprechen würde, was wiederum seine Einvernahme vor dem BFA nahelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG führte der BF aus, dass er zwischen der Drohung und der Ausreise auf dem Markt bei seiner Familie gewesen sei und sich vier Tage im Krankenstand befunden hätte. Zwischen der Drohung und der Ausreise sei es zudem zu einem Konflikt mit seiner Familie gekommen und will der BF seinen Vorgesetzten um vier Millionen Dollar gebeten haben. Auch in diesem Zusammenhang divergieren die Darstellungen des BF in der Einvernahme von jenen in der Verhandlung erheblich. Es konnte letztlich auch nicht festgestellt werden, dass er tatsächlich die Polizei aufgesucht hätte, zumal es dem BF nicht gelang, die behauptete Anzeige glaubhaft zu machen.

Der BF vermochte zudem nicht genau benennen, welche Organisation ihm gedroht hätte. In weiterer Folge räumte er ein, dass diese Organisation nie persönlich an ihn herangetreten wäre. Im Rahmen seiner Erstbefragung sprach der BF noch von einer Bedrohung durch schiitische Milizen [AS 23]. In der Einvernahme vor der belangten Behörde gelang es ihm nicht, die betreffende Gruppierung einzuordnen [AS 59]. Dagegen sprach der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG von einem Drohbrief der XXXX und gab dazu an, dass dies dieXXXX sei. Allerdings vermochte er nicht plausibel zu machen, in welchem Zusammenhang die Bezug habende Terrororganisation mit dem Gefängnis stehe, oder warum man gerade auf ihn zugekommen sei. Dessen ungeachtet gab der BF an, zu wissen, dass die Organisation gut vernetzt wäre und alles über ihn wisse. Die klar zu Tage getretenen Diskrepanzen im Vorbringen des BF hinsichtlich der benannten Organisation schüren die Zweifel am tatsächlichen Ablauf der dargestellten Ereignisse nur noch weiter.

Beachtlich ist zudem, dass der BF in der Einvernahme ausführte, dass es seinen Angaben zufolge familiäre Probleme gewesen wären, die ihn zur Ausreise bewegt hätten. Vor der belangten Behörde räumte der BF ein, dass er allein wegen des Drohanrufs nicht aus dem Irak ausgereist wäre [AS 58].

Festzuhalten, dass es dem BF ohnedies nicht gelang, das geschilderte Bedrohungsszenario in irgendeiner Weise glaubhaft machen oder eine individuelle und konkrete Verfolgung seiner Person zu belegen.

2.6.2. Zur Verfolgung aufgrund familiärer Konflikte

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab der BF an, dass es vor allem familiäre Konflikte waren, die die Familie zur Ausreise bewegt hätten, weil die Familie seiner Ehegattin ihm die Familie habe wegnehmen wollen [AS 58], weil er im Gefängnis gearbeitet hätte, was ihr zu gefährlich erschien. Familiäre Konflikte fanden dagegen in der Erstbefragung des BF jedoch keinerlei Erwähnung.

Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG führte der BF aus, dass die MA und die gemeinsamen Kinder bereits im Irak zur Familie der MA zurückkehrt wären. Als er sie dort aufsuchen wollte, sei es zu einem Konflikt mit dem Bruder der MA gekommen. Gegenstand dieses Konfliktes sei die Arbeit im Gefängnis gewesen. Der Bruder hätte ihm mitgeteilt, dass es eine Scheidung geben würde. Daraufhin hätte man dem BF die Kinder gegeben und wäre die MA bei ihrer Familie geblieben. Eine derartige Reaktion der Familie der MA in Hinblick auf die Arbeit des BF widerspricht jedoch jeder Lebenserfahrung, da der BF seinen Angaben zufolge nur als Bauarbeiter in einem staatlichen und bereits geschlossenen Gefängnis tätig gewesen sein soll. Er hatte weder ein politisches Amt inne, noch war er beim Militär oder bei der Polizei seines Herkunftsstaates. Darüber hinaus ist anzumerken, dass er seinen eigenen Angaben zufolge bei Entstehen dieses innerfamiliären Konflikts ohnedies mit der Arbeit aufgehört habe, womit spätestens ab diesem Zeitpunkt kein Grund mehr für diesen Konflikt bestand. Es erscheint auch vollkommen unschlüssig, dass der BF eher bereit war, den Herkunftsstaat vollständig zu verlassen, als sich dort als Bauarbeiter, Mechaniker oder Friseur eine neue Arbeit zu suchen, um familiären Problemen aus dem Weg zu gehen. Der Umstand, dass allein dieser Teil der Fluchtgeschichte jedweder Lebenserfahrung widerspricht, lässt es naheliegend erscheinen, dass sich diese Ereignisse nicht in dieser Art und Weise abgespielt haben können.

In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG führte aus, dass ihn die Brüder der MA mit dem Tod bedroht hätten und ihn die Regierung angeklagt hätte, da sich seine Ehegattin in Österreich von ihm getrennt hätte. Da die Brüder seiner Ehegattin bei einer Miliz tätig seien, würde man ihn bei einer Rückkehr töten. Es fällt auf, dass er die vermeintliche Mitgliedschaft der Brüder seiner Ehegattin bei einer Miliz weder in der Erstbefragung, noch in der Einvernahme durch das BFA zur Sprache brachte. Doch selbst bei Wahrunterstellung erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht, weshalb die Brüder dem BF bedrohen sollten, ging doch die Initiative der Trennung in Österreich von der MA aus. Es ist nicht nachvollziehbar, warum man den BF für die Handlungen der MA bestrafen solle. Selbst bei Wahrunterstellung ist es letztlich wenig glaubhaft, dass der BF von diesen Männern im gesamten Irak gesucht, verfolgt und bedroht werden würde. Im Lichte der länderkundlichen Berichte über das politische System und das Justizwesen im Irak ist es zudem keineswegs nachvollziehbar, dass die Regierung des Herkunftsstaates ihn wegen der Trennung von seiner Ehegattin anklagen würde. Die Unglaubwürdigkeit dieses Vorbringens wird auch dadurch untermauert, dass der BF bereits seit dem Jahr 2016 von der MA getrennt lebt und die angeblichen Drohungen der Brüder und die Anklage der Regierung nicht bereits in der niederschriftlichen Einvernahme zur Sprache gebracht hat.

2.6.3. Zur Verfolgung des BF durch eine andere Gruppierung

In der mündlichen Verhandlung gab der BF erstmals an, dass er verfolgt werde, weil er den Opfern eines Bombenattentates geholfen habe. Daher werde er von den "Feinden dieser Familie" verfolgt. In dieser Darstellung hält sich der BF allerdings äußerst oberflächlich und schemenhaft. Er führt dazu weder aus, wer die Feinde dieser Familie seien noch, dass jemals jemand an ihn herangetreten sei, um ihn wegen dieses Vorfalles zu bedrohen. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab er dagegen an, vor den Drohanrufen in XXXX keinen Drohungen ausgesetzt gewesen zu sein. In diesem Kontext gelang es dem BF nicht, eine Bedrohung glaubhaft zu machen, zumal er auch keine Belege zu den geschilderten Vorkommnissen in Vorlage brachte.

Im Gesamtvorbringen des BF zeigen sich darüber hinaus weitere Ungereimtheiten. Der BF gab in der Einvernahme vor dem BFA an, er sei vom 16.03.2007 bis zum 22.08.2009 in einem Gefängnis festgehalten und dort gefoltert worden. Dagegen führte er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG aus, dass er am 15.10.2008 aus dieser Haft entlassen worden sei. Er wich in der mündlichen Verhandlung somit nicht nur hinsichtlich des Jahres, sondern auch im Hinblick auf das Monat von seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung erheblich ab. Allein dies begründet erhebliche Zweifel an dieser Darstellung. Diese Ereignisse wären allerdings auch bei Wahrunterstellung nicht geeignet, ein aktuelles Verfolgungsszenario zu belegen, da der BF nach Beendigung seiner Haft keinen Anlass zur Flucht gesehen haben dürfte. Ein Zusammenhang zwischen der Haftzeit und den vermeintlich fluchtauslösenden Bedrohungen wurde vom BF nämlich nicht behauptet. Auch ist auf eine weitere Unstimmigkeit im Vorbringen des BF hinzuweisen. Ihm wurde in der mündlichen Verhandlung die Frage gestellt, ob er noch ein weiteres Mal in Haft gewesen sei, was er an dieser Stelle jedoch verneinte. Demgegenüber gab er in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, er sei im Jahr 2013 für zehn Tage in Haft genommen worden.

Aus den angeführten Gründen waren die Konstatierungen zum Vorbringen des BF im Rahmen der dem Gericht zukommenden freien Beweiswürdigung zu treffen. In Anbetracht des gesamten Vorbringens des BF von der Erstbefragung bis zur mündlichen Verhandlung ist eine klare Tendenz zur Steigerung und Dramatisierung des eigenen Vorbringens deutlich zu erkennen. So ließ der BF wesentliche Teile seiner Fluchtgeschichte in der Erstbefragung zunächst unerwähnt und brachte diese (überaus detailreich) erst später vor; dadurch belastete er seine Glaubwürdigkeit in einem erheblichen Ausmaß.

Ein aktuelles und individuelles Bedrohungs- oder Verfolgungsszenario vermochte er nicht glaubhaft darzulegen oder eine wohlbegründete Furcht nachvollziehbar zu veranschaulichen. Anlassbezogen konnte weder eine konkret gegen ihn gerichtete Bedrohung noch eine gegen diesen aktuell bestehende Gefahr der Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte hervorgekommen, die bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat eine mögliche Verfolgung wahrscheinlich erscheinen ließen.

2.7. Zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Das von seinem Rechtsvertreter in der mündlichen Verhandlung zu den vorgelegten länderkundlichen Informationen erstattete Vorbringen bleibt über weite Strecken ohne jede konkrete Quellenangabe bzw. stammen die herangezogenen und zitierten Quellen teilweise aus dem Jahr 2015, weshalb deren Aktualität massiv in Zweifel zu ziehen ist. Eine Relevanz der vorgelegten länderkundlichen Erhebungen zur medizinischen Versorgung im Irak bzw. zur Spannungslage zwischen den Kurden und der Zentralregierung war für das erkennende Gericht nicht zu erkennen. Es ist zudem zu bemerken, dass sich die vorgelegten Länderberichte in hohem Ausmaß mit schiitischen Milizen beschäftigt, welche der BF selbst kaum zur Sprache gebracht hat.

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen dem BF drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung demnach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach der GFK) ist somit, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt einer kausaler Zusammenhang mit einem oder mehrerer dieser Konventionsgründe, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH vom 27.06.2016, Zl. Ra 2016/18/0098 mwN und vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0094).

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung". Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459 und vom 28.05.2009, Zl. 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286; vom 10.11.2015, Zl. Ra 2015/19/0185 und vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074 und vom 10.11.12015, Zl. Ra 2015/19/0185).

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 StatusRL (Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes), worunter - unter anderen - Handlungen fallen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK festgelegte Verbot der Folter (VwGH vom 15.12.2016, Zl. Ra 2016/18/0083; vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/20/0113 und vom 08.09.2015, Zl. Ra 2015/18/0080).

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, das bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und VwGH vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212 und vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 17.12.2015, Zl. Ra 2015/20/0048; vom 21.02.2017, Zl. Ra 2016/18/0171 und vom 23.02.2017, Zl. Ra 2016/20/0089).

3.2.2. Einer von Privatpersonen bzw. von privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (in etwa VwGH vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731; vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre überhaupt fraglich, ob unter solchen Umständen noch von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (vgl. VwGH vom 20.05.2015, Zl. Ra 2015/20/0030 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

Die StatusRL 2011/95/EU sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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