Entscheidungsdatum
08.08.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W208 2187123-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde des Revisors des Oberlandesgerichts Wien gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, Zl. XXXX vom 17.11.2017 wegen Zeugengebühren zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben und der
angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass Punkt 3.) ersatzlos entfällt und die Summe der bestimmten Gebühren des Zeugen Dr. XXXX für die Teilnahme an der Verhandlung am 12.10.2017 € 26,40 beträgt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Mitbeteiligte XXXX (im Folgenden: Zeuge), wurde in einer mündlichen Verhandlung am 12.10.2017 in dem Verfahren XXXXvor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (im Folgenden: LG) von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr als Zeuge einvernommen.
Der Zeuge war mit schriftlicher Ladung des LG vom 23.06.2017, welche am 28.06.2017 an das Zustellorgan (Post) übergeben wurde, zu dem genannten Verhandlungstermin für 11:00 Uhr bis 12:30 Uhr als Zeuge geladen worden.
Der Zeuge machte am 12.10.2017 mündlich ua einen Verdienstentgang (dessen Höhe im Akt nicht ersichtlich ist) geltend und legte eine Bestätigung vor, wonach er als Arzt für Allgemeinmedizin selbstständig erwerbstätig sei. Weiters legte er eine E-Mail seines Steuerberaters vor, wonach der Zeuge unter Zugrundelegung seines Vorjahresumsatzes sowie einer Tätigkeit in der Ordination von wöchentlich durchschnittlich sieben Halbtagen pro Halbtag einen Umsatz von rund € 460,-- mache, der ihm entginge, wenn er die Ordination nicht besetzt habe. Der Verdienstentgang des Zeugen für den ganzen Tag würde rund € 920,-betragen.
Mit Verbesserungsauftrag vom 18.10.2017 der Präsidentin des LG wurde der Zeuge aufgefordert, binnen 14 Tagen das ihm tatsächlich entgangene Nettoeinkommen für die Zeit, in der er als Zeuge vor Gericht in Anspruch genommen worden sei, zu bescheinigen und Belege darüber vorzulegen bzw dazu, dass seine Tätigkeit zu keinem anderen Zeitpunkt oder von einem Vertreter wahrgenommen habe werden können. Die Geltendmachung eines fiktiven Durchschnittseinkommens als tatsächlich entgangenes Einkommen sei "rechtlich nicht möglich". Weiters wurde darin angegeben, der Zeuge habe einen Betrag von €
920,-- in Rechnung gestellt.
Mit E-Mail vom 29.10.2017 brachte der Zeuge im Wesentlichen vor, er habe mündlich nicht für einen ganzen, sondern für einen halben Tag Verdienstentgang geltend gemacht. Er habe keine Kassenverträge. Weiters übermittelte er zwei "exemplarische Tagesabrechnungen" vom 9.10.2017 und vom 11.10.2017. Daraus ergebe sich, dass die vorgelegte Berechnung seines Steuerberaters zutreffend sei. Er habe sich noch nie durch einen Kollegen vertreten lassen können. Etwaige Terminverschiebungen auf andere Tage hätten ihm denselben Verdienstentgang gebracht, weil er einen halben Tag weniger habe arbeiten und diese Zeit seinen Patienten nicht zur Verfügung stellen habe können. Wegen Überlastung sowie aus gesundheitlichen Gründen sei er derzeit nicht in der Lage, kompensatorisch noch mehr zu arbeiten, als er dies bereits tue.
2. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid der Präsidentin des LG vom 17.11.2017 wurden die Gebühren des Zeugen für die Teilnahme an der Verhandlung gemäß dem Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG) mit insgesamt € 946,40, davon unter Punkt 3. "Entschädigung für Zeitversäumnis (§§ 17-18)" ein tatsächlicher Verdienstentgang von €
920,- bestimmt. (Die Punkte 1. "Reisekosten" und 2. "Aufenthaltskosten" sind mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.)
Begründend wurde lediglich ausgeführt, die Entscheidung finde in den angegebenen Bestimmungen des GebAG ihre Deckung.
3. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 11.12.2017) richtet sich die am 22.11.2017 eingebrachte Beschwerde des Revisors des Oberlandesgerichts Wien. In dieser wird der Bescheid insofern angefochten, als dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis in Höhe von € 920,-- zugesprochen wurden, und begehrt, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Zeugengebühren in diesem Punkt mit € 56,80 (4 Stunden zu je € 12,40) bestimmt werden.
Begründend wird insbesondere ausgeführt, bei selbstständig Erwerbstätigen, deren Betrieb oder Unternehmen und unabhängig von einer relativ kurzfristigen Abwesenheit mehr oder weniger unverändert weiterlaufe, der durch die Befolgung der Zahlungspflicht entstandene Vermögensnachteil allenfalls auch dem Grunde nach zu bescheinigen sei. Darüber hinaus stelle das GebAG auf das im konkreten Fall tatsächlich entgangene Einkommen ab. Der Zeuge habe keine tauglichen Bescheinigungen darüber vorgelegt, dass er einen konkreten Schaden erlitten habe, sei es in Form einer Ordinationsvertretung oder sonstige Maßnahmen, die er bei rechtzeitiger Ankündigung der Schließung seine Ordination am 12.10.2017 dennoch hätte durchführen müssen.
4. Mit Schreiben vom 21.02.2018, eingelangt am 23.02.2018, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem BVwG zu Entscheidung vor.
5. Das BVwG veranlasste mit Schreiben vom 05.03.2018 eine Beschwerdemitteilung an die Parteien des Grundverfahrens sowie den Zeugen und räumte diesen die Möglichkeit zu einer Stellungnahme binnen zweier Wochen ein. Die Zustellung des Schreibens an den Zeugen erfolgte am 09.03.2018. Keine der Parteien gab eine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der im Punkt I.1. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.
Dem Zeugen wurde die Ladung des LG zu seiner Einvernahme spätestens am 03.07.2017 zugestellt.
Der Zeuge ist als Arzt für Allgemeinmedizin, ausschließlich als Wahlarzt, selbstständig erwerbstätig.
Es kann nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe der Zeuge aufgrund der Teilnahme an der Verhandlung einen Einkommensentgang erlitten hat.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Gemäß § 19 Abs 2 GebAG hat der Zeuge die Umstände die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu bescheinigen. Nach der ständigen Rsp des VwGH bedeutet "bescheinigen", dass der über den Anspruch entscheidende Organwalter von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn lediglich für wahrscheinlich halten muss (VwGH 18.09.2000, 96/17/0360; 08.09.2009, 2008/17/0235; 20.06.2012, 2010/17/0099).
Da die Ladung laut dem Akt am 28.06.2017 an das Zustellorgan (Post) übergeben wurde, ist unter Zugrundelegung einer Postlaufdauer von maximal drei Werktagen von einer Zustellung an den Zeugen spätestens am 03.07.2017 auszugehen. Für eine spätere Zustellung finden sich auch keine Anhaltspunkte im Akt.
Der Zeuge hat durch seine entsprechenden Erklärungen bescheinigt, dass er als Arzt für Allgemeinmedizin, ausschließlich als Wahlarzt, selbstständig erwerbstätig ist.
Der Zeuge verwies auf eine Berechnung seines Steuerberaters und übermittelte dazu zwei "exemplarische Tagesabrechnungen" vom 9.10.2017 und vom 11.10.2017. Diese Beweismittel sind jedoch nicht geeignet, einen konkreten Verdienstentgang zu bescheinigen, sondern lediglich allenfalls ein fiktiv nach Durchschnittsätzen errechnetes Einkommen. Dieses ist jedoch für die Beurteilung des Sachverhalts ohne Bedeutung, da es gerade kein "tatsächlich entgangenes Einkommen" iSd § 3 Abs 1 Z 2 GebAG darstellt (siehe Punkt 3.3.).
Ob sich der Zeuge durch einen Kollegen hätte vertreten lassen können, ist ebenfalls unerheblich, da eine Vertretung tatsächlich nicht stattgefunden hat und er auch keine Stellvertreterkosten geltend gemacht hat.
Der Zeuge bringt vor, etwaige Terminverschiebungen auf andere Tage hätten ihm denselben Verdienstentgang gebracht, weil er einen halben Tag weniger habe arbeiten und diese Zeit seinen Patienten nicht zur Verfügung stellen habe können. Wegen Überlastung sowie aus gesundheitlichen Gründen sei er derzeit nicht in der Lage, kompensatorisch noch mehr zu arbeiten, als er dies bereits tue.
Anhand dieses Vorbringens ist nicht plausibel nachvollziehbar, dass der Zeuge tatsächlich einen Einkommensentgang erlitten haben soll. Dieser hat keine konkreten Leistungen genannt, welche er infolge der Erfüllung seiner Zeugenpflicht nicht erbringen habe können. Darüber hinaus wurde dem Zeugen mehr als zwei Monate vor der Verhandlung seine Ladung zugestellt. Da der Zeuge ohnehin nur durchschnittlich sieben Halbtage pro Woche arbeitet, war es ihm damit möglich, die Ordinationstermine rechtzeitig entsprechend zu vereinbaren (allenfalls auch zu verschieben), dass keine Termine wegen seines Erscheinens vor Gericht ausfallen und ihm somit auch kein Verdienstengang entsteht. Damit ist auch die Behauptung nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge einen halben Tag weniger habe arbeiten und diese Zeit seinen Patienten nicht zur Verfügung stellen habe können.
Auch war es für den Zeugen nicht erforderlich, aufgrund seiner Einvernahme mehr zu arbeiten, sondern lediglich, sein übliches Arbeitspensum unter Rücksichtnahme auf diesen Termin aufzuteilen. (Die Zeugeneinvernahme selbst sowie die Weg- und Wartezeiten sind in diesen Zusammenhang nicht als Arbeitszeit zu werten, wobei hierfür auch keine gesetzliche Grundlage vorliegt.)
Dem Zeugen ist es somit nicht gelungen zu bescheinigen, dass er einen Einkommensentgang erlitten hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren
Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, wobei kein Verbot einer "reformatio in peius" besteht und kein Neuerungsverbot (vgl Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2; stRsp des VwGH, zB 29.06.2017, Ra 2017/16/0085 mwN). Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften als auch allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit (die nicht ausdrücklich in der Beschwerde geltend gemacht wurde) von Amts wegen aufgreifen; Grundsatz der Amtswegigkeit (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017 § 27, K3).
Auch hinsichtlich des Beschwerdebegehrens nach § 9 Abs 1 Z 4 VwGVG ist eine Bindung des Verwaltungsgerichtes grundsätzlich zu verneinen; allerdings ist eine durch die Prozesserklärung bewirkte Teilrechtskraft (etwa von einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides) vom Verwaltungsgericht zu beachten (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte,
2. Auflage, 2017, § 27, K6).
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des VwGH (Erkenntnis vom 26.01.2012, 2009/09/0187 und in diesem Sinne wohl auch 28.05.2014, Ra 2014/20/0017) ist nicht erforderlich. Die vorgelegten Verfahrensakten lassen nicht erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt ist sowohl dem Beschwerdeführer als auch der Verwaltungsbehörde bekannt. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht von solcher Komplexität, dass es dazu Erläuterungen in einer Verhandlung bedürfte.
Ein Entfall der Verhandlung widerspricht weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl 1958/210, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl Nr C 83 vom 30.03.2010 S. 389.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen (Auszug, Hervorhebung durch BVwG)
Die maßgeblichen Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG) lauten:
"Umfang der Gebühr
§ 3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfasst
1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;
2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet. [...]
Entschädigung für Zeitversäumnis
§ 17. Die Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 3 Abs. 1 Z 2) bezieht sich, vorbehaltlich des § 4, auf den Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muß.
Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis
§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen
1. 14,20 € für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,
2. anstatt der Entschädigung nach Z 1
a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,
b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,
c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,
d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.
(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen."
Geltendmachung der Gebühr
§ 19. (1) Der Zeuge hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen, im Fall des § 16 binnen vier Wochen nach Abschluß seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen. Dies gilt für die Beiziehung zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen (§ 2 Abs. 1) mit der Maßgabe sinngemäß, daß der Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr bei dem Gericht geltend zu machen hat, das den Sachverständigen bestellt hat.
(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren § 3 Abs. 2), zu bescheinigen. [...]
Zahlung der Gebühr. Zurückzahlung
§ 23. (1) Die Gebühr ist dem Zeugen aus den Amtsgeldern des Gerichtes, ist aber ein Kostenvorschuß erlegt worden, aus diesem kostenfrei zu zahlen. [...]
(3) Wird die Gebühr durch eine Rechtsmittelentscheidung herabgesetzt oder übersteigt der dem Zeugen gezahlte Vorschuß die rechtskräftig bestimmte Gebühr, so hat der Zeuge den zuviel gezahlten Betrag zurückzuzahlen. Hierzu ist er unter Setzung einer Frist von 14 Tagen aufzufordern. Bei nicht rechtzeitiger Zurückzahlung ist der Betrag vom Zeugen nach den für die Einbringung der gerichtlichen Gebühren und Kosten geltenden Vorschriften einzubringen."
In der Regierungsvorlage zu BGBl. 136/1975 [zu Abs. 2 (gemeint: § 18 Abs. 2 GebAG)] wurde ausgeführt: "Der Ersatz [nach § 1 Z 2] soll dem Zeugen aber nur dann zustehen, wenn er seine Ansprüche bescheinigt (s. Abs. 2). Die Art der Bescheinigung wird verschieden sein, je nachdem, ob es sich um einen unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigen handelt. Der Lohn- oder Gehaltsempfänger wird in der Regel eine Bestätigung seines Arbeitgebers beizubringen haben, aus der hervorgeht, dass ihm wegen der Befolgung seiner Zeugenpflicht für jede Stunde seiner Abwesenheit von der Arbeit ein bestimmter Betrag an Arbeitseinkommen, das heißt auf dasjenige, was der Zeuge auf die Hand bekommen hätte. Ausdrücklich wird bestimmt, dass auch die dem Zeugen zusätzlich zu seinem Lohn oder Gehalt zustehende Vergütungen zu ersetzen sind (Abs. 1). Bei einem selbständig Erwerbstätigen wird im Einzelfall zu prüfen sein, welche Bestätigung entspricht [...]."
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat dazu im Wesentlichen ausgeführt:
Die Entschädigung für Zeitversäumnis gebührt dem Zeugen nur, soweit er in dem in § 17 GebAG genannten Zeitraum (i.e. jener Zeitraum, den der Zeuge wegen seiner Vernehmung außerhalb seiner Wohnung bzw. Arbeitsstätte bis zur möglichen Wiederaufnahme der Arbeit verbringen muss) durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet (vgl. VwGH 25.05.2005, Zahl: 2005/17/0085), denn das GebAG will dem Zeugen die mit seiner Mitwirkung an der Rechtspflege verbundenen finanziellen Einbußen ausgleichen, ihn aber nicht entlohnen (s. Krammer/Schmidt, SDG - GebAG³ [2001] Anmerkung 6 zu § 18 GebAG).
Nach stRsp des VwGH kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang bei einem selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging. Unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen iSd § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG ist nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (VwGH 22.11.1999, 98/17/0357).
Die Frage der BESCHEINIGUNG muss von jener der BEHAUPTUNG eines konkreten Vermögensschadens unterschieden werden. Der selbständig erwerbstätige Zeuge hat KONKRET den Entgang einer oder mehrerer Verdienstmöglichkeiten zu behaupten, was in vielen Fällen eine Aufgliederung erforderlich macht. Lediglich für die DARTUUNG eines solcherart konkret behaupteten Vermögensschadens begnügt sich das Gesetz mit einer Bescheinigung (Glaubhaftmachung), dh, dass der über den Anspruch entscheidende Organwalter von der Richtigkeit des Anspruches nicht überzeugt zu sein braucht, sondern ihn lediglich für wahrscheinlich halten muss. Ob hiefür die bloßen Behauptungen des Antragstellers genügen, ist von Fall zu Fall zu prüfen (VwGH 25.05.2005, 2004/17/0004).
3.3. Beurteilung des konkreten Sachverhaltes
Strittig ist im gegenständlichen Verfahren ausschließlich die in Punkt 3. des bekämpften Bescheides bestimmte Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß §§ 17, 18 GebAG in Höhe von € 920,--. Die übrigen Spruchpunkte des Bescheides sind mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.
Die Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG umfasst gemäß § 3 Abs 1 Z 2 GebAG beim selbständig Erwerbstätigen das durch die Befolgung der Zeugenpflicht tatsächlich entgangene Einkommen.
Die Geltendmachung der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 1 Z 2 GebAG umfasst sowohl den Grund des Anspruches als auch dessen Höhe (vgl. VwGH 15.04.1994, 92/17/0231).
Unter dem "tatsächlich entgangenen Einkommen" ist nicht ein fiktiv nach Durchschnittsätzen errechnetes Einkommen zu verstehen. Vielmehr kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren gegangen ist, also ein konkreter Vermögensschaden. Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und dem selbstständig Erwerbstätigen Einkommen gebracht hätten, können idR bezeichnet, beschrieben und allenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden (siehe Gebührenanspruchsgesetz [GebAG 1975], bearbeitet und kommentiert von Mag. Erich FEIL, siebente Auflage, Wien 2015, S. 35 und die vorne zitierte Judikatur des VwGH).
Dem Zeugen soll die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs 2 iVm § 19 Abs 2 GebAG dann gebühren, wenn er die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, bescheinigt; dies ist dem Zeugen im vorliegenden Fall nicht gelungen. Daher konnte nicht festgestellt werden, ob in welcher Höhe der Zeuge aufgrund der Teilnahme an der Verhandlung einen Einkommensentgang erlitten hat (Näheres unter Punkt 2. Beweiswürdigung).
Damit scheidet nicht nur die Zuerkennung eines tatsächlich entgangenen Einkommens nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b GebAG, sondern auch jene einer Pauschalentschädigung nach Z 1 leg cit aus, zumal diese die Bescheinigung des Grundes des Anspruches erfordert, welcher in einem Vermögensnachteil liegen muss (§ 18 Abs 2 iVm § 3 Abs 1 Z 2 GebAG). Die Voraussetzungen, dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß §§ 17, 18 GebAG zuzuerkennen, sind somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben.
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass der Zeuge eine Entschädigung für Zeitversäumnis von lediglich € 460,-- beantragt hat, worauf er in seiner Eingabe vom 29.10.2017 ausdrücklich hingewies, indem er angab, er habe nicht für einen ganzen, sondern für einen halben Tag Verdienstentgang geltend gemacht. Die über den Antrag hinausgehend erfolgte Zuerkennung im Ausmaß von (weiteren) €
460,-- erfolgte somit auch aus diesem Grunde rechtwidrig.
Dem angefochtenen Bescheid haftet vor diesem Hintergrund eine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG an, sodass der Beschwerde stattzugeben und der Spruch des Bescheides gesetzeskonform abzuändern ist.
Sollte dem Zeugen der Mehrbetrag von € 920,-- bereits ausbezahlt worden sein, so hätte er diesen zurückzuzahlen. Hierzu wäre er von der Behörde unter Setzung einer Frist von 14 Tagen aufzufordern; bei nicht rechtzeitiger Zurückzahlung ist der Betrag vom Zeugen nach den für die Einbringung der gerichtlichen Gebühren und Kosten geltenden Vorschriften einzubringen (§ 23 Abs 3 GebAG).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.
Schlagworte
Bescheinigungspflicht, Einkommensentgang, Revisor, selbstständigEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W208.2187123.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.10.2018