Index
19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §6;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/18/0109Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerden des MT, (geboren 23. Juli 1963), in Wien, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, jeweils vom 18. Dezember 1997, jeweils Zl. SD 1076/97, betreffend
1.) Ausweisung (hg. Zl. 98/18/0109), und 2.) Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes (hg. Zl. 98/18/0051), zu Recht erkannt:
Spruch
1.) Die Beschwerde gegen den Ausweisungsbescheid wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von
S 4.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2.) Der Bescheid betreffend die Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. Dezember 1997 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer, der am 28. August 1992 illegal in das Bundesgebiet eingereist sei, habe am 3. September 1992 einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. September 1992 und im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Juni 1996, rechtswirksam erlassen am 18. Juni 1996, abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Seiner Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, sodass ihm nun die Rechtsstellung zukomme, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe sich vor seiner Einreise in Ungarn aufgehalten und sei dort vor Verfolgung sicher gewesen. Er habe daher nie über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 des Asylgesetzes 1991 verfügt, sodass ihm auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine derartige Berechtigung habe verschaffen können. Da der Beschwerdeführer weder im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 leg. cit. gewesen sei noch über eine Aufenthaltsbewilligung nach dem AufG verfüge, seien die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 erster Halbsatz FrG gegeben. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden die Ausweisung zu verfügen, sofern dem nicht § 17 FrG entgegenstehe.
Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, dass der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen im Bundesgebiet aufweise und solche nicht behaupte. In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer jedoch seit mehr als fünf Jahren in Österreich aufhalte, sei von einem Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens - somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - dringend geboten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien vom Beschwerdeführer in gravierender Weise missachtet worden. Zu Ungunsten des Beschwerdeführers falle nicht nur ins Gewicht, dass er sich seit mehr als fünf Jahren illegal im Bundesgebiet aufhalte, sondern auch, dass er seinen unrechtmäßigen Aufenthalt ungeachtet der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages fortgesetzt habe. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten gewesen seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Dieses Abwägungsergebnis werde noch durch den Umstand verstärkt, dass der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt in Österreich von hier aus zu legalisieren.
2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen weiteren Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 1997 wurde aufgrund des Antrags des Beschwerdeführers vom 11. März 1997 gemäß § 54 FrG festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass er in der Türkei gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Der Beschwerdeführer begründe seinen Antrag damit, dass er Angehöriger der kurdischen Volksgruppe wäre. 1990 hätte das türkische Militär von ihm verlangt, dass er Verstecke der kurdischen Freiheitskämpfer ausforschte und dem Militär verriete. Als er dies abgelehnt hätte, wäre ihm Unterstützung der kurdischen Freiheitskämpfer vorgeworfen worden, er wäre festgenommen worden und 15 Tage lang inhaftiert gewesen und gefoltert worden. Aus Angst vor weiteren Festnahmen und Folterungen wäre er schließlich nach Österreich geflüchtet. Der Beschwerdeführer behaupte weiters, dass seine wirtschaftliche Existenz dadurch vernichtet worden wäre, dass man ihm Tiere aus seiner Viehzucht "entwendet" hätte. Nicht nachvollziehbar sei jedenfalls, aus welchem Grund der Beschwerdeführer vermeine, dass dies Teil der "ethnischen Säuberung" wäre.
Der allgemeine Hinweis des Beschwerdeführers, dass Kurden zur "Mitarbeit" mit dem Militär gezwungen und im Fall der Ablehnung automatisch der Kooperation mit den kurdischen Freiheitskämpfern oder der PKK bezichtigt würden, sei - da ausschließlich auf Vermutungen basierend - nicht geeignet, eine persönliche Bedrohung im Sinn des § 37 FrG zu untermauern. Von einem Fremden sei im Grunde des § 54 FrG glaubhaft zu machen, dass ihm aktuell die im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG genannten Gefahren drohten. Der Beschwerdeführer sei in diesem Zusammenhang jede Begründung dafür schuldig geblieben, warum er wegen einer sieben Jahre zurückliegenden Inhaftierung derzeit einer Verfolgung durch staatliche Behörden in der Türkei ausgesetzt wäre. Zudem sei der Beschwerdeführer nach 15 Tagen entlassen worden, sodass kein Grund zur Annahme bestehe, dass er bei seiner Rückkehr neuerlich in Haft genommen würde. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es hiebei zu Folterungen des Beschwerdeführers gekommen sei, vemöge dieser Umstand für sich allein die im § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG umschriebene Annahme nicht zu bekräftigen. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich konkrete Angaben vermissen lasse - er spreche nur ganz allgemein von "Folter" -, seien derartige Übergriffe als Handlungen von Einzelpersonen anzusehen, die sich nicht als vom Staat indizierte Verfolgungshandlungen erwiesen. Weiters habe sich der Beschwerdeführer in einen Widerspruch verwickelt, da er in seinem Antrag vom 11. März 1997 angegeben habe, dass er 1990 inhaftiert worden wäre, im Asylverfahren jedoch behauptet habe, dass er Ende 1991 in Haft genommen worden wäre. Fest stehe jedenfalls, dass er erst im August 1992 sein Heimatland verlassen habe. Angesichts des gegebenen Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme objektiviert hätten werden können, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat gemäß § 37 FrG bedroht sei.
3.1. Gegen den Ausweisungsbescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese - nach Ablehnung ihrer Behandlung - dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 23. Februar 1998, B 302/98). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensmängeln geltend und begehrt, den angefochtenen Bescheid deswegen aufzuheben.
3.2. In der gegen den Feststellungsbescheid gemäß § 54 Abs. 1 FrG gerichteten Beschwerde begehrt der Beschwerdeführer, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschriften, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur Beratung und Beschlussfassung verbunden und hierüber erwogen:
A. Zum Ausweisungsbescheid:
1. Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zugrunde liegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt und mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.
2.1. Die Beschwerde führt gegen den bekämpften Bescheid ins Treffen, der Beschwerdeführer habe seinen Asylantrag nach seiner Einreise fristgerecht im Sinn des § 7 des Asylgesetzes 1991 gestellt und sei gemäß § 6 leg. cit. eingereist, weshalb er zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Von der belangten Behörde werde nicht begründet, warum sie zum Schluss komme, der Beschwerdeführer wäre in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen; dem angefochtenen Bescheid lasse sich auch nicht entnehmen, wielange und welcher Art der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Ungarn gewesen sei; die belangte Behörde habe diesbezüglich dem Beschwerdeführer auch keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer in Ungarn nicht vor Verfolgung sicher gewesen, da ihm bekannt sei, dass Ungarn türkischen Staatsangehörigen kein Asyl gewähre, sondern sie in ihren Heimatstaat zurückschicke. Ungarn habe zum Zeitpunkt der Flucht des Beschwerdeführers die Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge mit dem Vorbehalt anerkannt, dass sie für außereuropäische Staaten nicht gelte. Auch Staatsangehörige der Türkei würden wie Angehörige von außereuropäischen Staaten behandelt. Ungarn habe zum Zeitpunkt der Flucht auch kein Asylgesetz gehabt, welches eine korrekte Durchführung eines Asylverfahrens und die Gewährung von Asyl gewährleistet hätte. Der Beschwerdeführer habe sich in Ungarn nicht aufgehalten, er sei in einem Bus in einer Schlafkoje versteckt geflüchtet und nicht in der Lage gewesen, den Bus zu verlassen, zumal er keinen Reisepass gehabt habe. In seinem Heimatstaat hätte er keinen Reisepass erhalten, sondern wäre vielmehr bei der Antragstellung verhaftet worden. Von einer Verfolgungssicherheit in Ungarn könne deshalb keine Rede sein. Die belangte Behörde habe somit kein Ermittlungsverfahren über eine Verfolgungssicherheit geführt, weswegen das Verwaltungsverfahren zumindest mangelhaft geblieben sei.
Weiters sei der Bescheid auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet. Aufgrund der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof an die Beschwerde gegen den für den Beschwerdeführer negativen Asylbescheid sei der Eintritt der Rechtswirkungen des Asylbescheides hinausgeschoben worden und hätten alle Maßnahmen, die aufgrund des Bescheides über den Asylantrag nicht zulässig wären, zu unterbleiben. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verlängere somit den Bestand der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung über die Rechtskraft des negativen Berufungsbescheides des Bundesministers für Inneres im Asylverfahren hinaus bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beschwerde im Asylverfahren. Da sohin mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet weiterhin gegeben sei, sei eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 unzulässig.
2.2. Mit dem Vorbringen betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung an die Beschwerde gegen den besagten Asylbescheid verkennt der Beschwerdeführer, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. August 1996 dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung lediglich "mit der Wirkung stattgegeben" hat, "dass dem Antragsteller die Rechtsstellung zukommt, die er als Asylwerber vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte". Für die Frage der Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers in Österreich kommt es daher darauf an, ob dem Beschwerdeführer - dem unbestritten bislang keine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde - eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Sinn des § 7 des Asylgesetzes 1991 zukommt. Eine solche Aufenthaltsberechtigung kommt jenen Asylwerbern zu, die - neben der Rechtzeitigkeit der Antragstellung - die Voraussetzung des § 6 leg. cit. erfüllen. Der Beschwerdeführer ist aber - unbestritten - weder direkt aus dem Staat (Türkei) eingereist, in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen (§ 6 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991), noch hat er nach Ausweis des Verwaltungsaktes im Verwaltungsverfahren vorgebracht, nicht nach Ungarn zurückgewiesen werden zu dürfen (§ 6 Abs. 2 leg. cit.); vielmehr hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung vom 17. Juli 1997 die Tatsache, dass er über Ungarn in das Bundesgebiet einreiste, als für die Frage seiner vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 als "nicht relevant" bezeichnet. Das Vorbringen, der Beschwerdeführer wäre "in Ungarn nicht vor Verfolgung sicher" gewesen, wurde erstmals in der Beschwerde erstattet, weshalb es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beachtliche Neuerung handelt (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG), zumal dem Einwand, dem Beschwerdeführer sei zur Frage der Verfolgungssicherheit in Ungarn kein Parteiengehör gewährt worden, entgegenzuhalten ist, dass die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid keinen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt hat als die Erstbehörde und der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung gegen den Erstbescheid Gelegenheit hatte, hiezu Stellung zu nehmen.
3.1. Ferner hält die Beschwerde den Ausweisungsbescheid im Grunde des § 19 FrG für unzulässig. Die belangte Behörde habe die gebotene Interessenabwägung zwischen privaten Interessen und öffentlichen Interessen unterlassen und die privaten Interessen des Beschwerdeführers in Österreich nicht geprüft. Insbesondere habe sie das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht gewürdigt, dass er sich seit mehr als fünf Jahren in Österreich aufhalte und hier einer ordnungsgemäßen Beschäftigung mit Beschäftigungsbewilligung nachgehe. Die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer nach Österreich gekommen sei, um Asyl zu erhalten, und das ihn betreffende Asylverfahren noch nicht abgeschlossen sei, und übersehe auch, dass ein Feststellungsverfahren gemäß § 54 FrG "anhängig" sei, weil es sich ebenfalls im Stadium der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (zur Zl. 98/18/0151) befinde. Dies sei deshalb von Relevanz, weil unter Berücksichtigung dieser beiden Verfahren selbst für den Fall der rechtlichen Zulässigkeit einer Ausweisung die Interessenabwägung im Sinn des § 19 FrG zugunsten der privaten Interessen den Ausschlag geben müsse. Jedenfalls könne in diesem Fall nicht davon gesprochen werden, dass die Ausweisung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten sei.
3.2. Auch dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. In Anbetracht der im angefochtenen Bescheid genannten und in der Beschwerde geltend gemachten Dauer des Aufenthaltes in Österreich hat die belangte Behörde zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers angenommen. Ebenso zutreffend ist die belangte Behörde aber zur Auffassung gelangt, dass der Beschwerdeführer - auf Grund der Feststellungen der belangten Behörde, die er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht wirksam bekämpfen kann - durch seinen zur Gänze unberechtigten Aufenthalt in der Dauer von etwa fünf Jahren und vier Monaten das aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 97/18/0373, mwH) gravierend verletzt hat; dabei fällt zu Ungunsten des Beschwerdeführers weiters ins Gewicht, dass er seinen unberechtigten Aufenthalt trotz einer nach Ausweis der Verwaltungsakten bereits im Jahr 1995 erfolgten rechtskräftigen Bestrafung wegen unerlaubten Aufenthaltes vom 3. Oktober 1992 bis zum 9. Oktober 1995 (vgl. ABl. 11) fortgesetzt hat. Mit dem Hinweis auf seine Beschwerden gegen den negativen Asylbescheid sowie den seinen Feststellungsantrag nach § 54 FrG abweisenden Bescheid vermag der Beschwerdeführer weder das Gewicht seiner privaten Interessen zu verstärken noch das Gewicht der besagten öffentlichen Interessen zu mindern, zumal die Behörde durch keine Vorschrift gehalten war, im Beschwerdefall mit der Entscheidung über die Ausweisung - mit der nicht darüber ausgesprochen wird, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde - den Ausgang der angesprochenen Beschwerdeverfahren abzuwarten.
B. Zum Bescheid betreffend die Feststellung gemäß § 54 FrG:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren nach § 54 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. März 1999, Zl. 97/18/0643).
2.1. Der Beschwerdeführer führt (u.a.) ins Treffen, der angefochtene Bescheid lasse eine konkrete Begründung vermissen, aus welchen Gründen den Ausführungen des Beschwerdeführers keine Glaubwürdigkeit zukommen könne. Aus der unrichtigen Bezeichnung einer Jahreszahl aufgrund eines "Tippfehlers (1990 statt 1991)" könne noch keine Unglaubwürdigkeit hergeleitet werden. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer "das verschiedene Datum" vorhalten müssen, um ihm Gelegenheit zu geben aufzuklären, dass es sich hier um einen offenbaren Schreibfehler gehandelt habe. Weiters wendet sich die Beschwerde gegen die Auffassung der Behörde, dass selbst dann, wenn man davon ausgehe, dass es während seiner Haft zu Folterungen des Beschwerdeführers gekommen sei, dieser Umstand für sich allein die im § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG umschriebene Annahme u. a. deswegen nicht zu bekräftigen vermöge, weil derartige Übergriffe als Handlungen von Einzelpersonen anzusehen seien, die sich nicht als vom Staat indizierte Verfolgungshandlungen erwiesen. Diesbezüglich führt die Beschwerde aus, die Folterungen durch Militär und Polizei seien sehr wohl eine Handlung, die dem Staat zurechnen sei, sodass sich die Begründung der belangten Behörde als denkunmöglich erweise.
2.2. Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde - im Ergebnis - zum Erfolg.
Nach Ausweis des Aktes hat der Beschwerdeführer in der im Asylverfahren nach seiner Einreise im August 1992 aufgenommenen Niederschrift vom 23. September 1992 angegeben, dass er von 1989 bis 1990 "bei einer amerikanischen Firma" auf einer Erdöl-Bohrinsel außerhalb Europas beschäftigt gewesen sei. Nach seiner Rückkehr sei er "von den Soldaten" aufgefordert worden, die Stellungen der Freiheitskämpfer zu verraten; dies sei für ihn unmöglich gewesen, weshalb ihm vorgeworfen worden sei, "die Kurden zu organisieren"; Ende 1991 sei der Beschwerdeführer an einem näher genannten Ort "von den Soldaten 15 Tage inhaftiert" worden. In seinem mit 11. März 1997 (somit etwa viereinhalb Jahre nach der besagten Niederschrift) datierten Antrag nach § 54 FrG findet sich diesbezüglich folgende Passage:
"Das türkische Militär verlangte auch von mir im Jahre 1990 eine Mitarbeit, insbesondere wollte man, dass ich Verstecke der kurdischen Freiheitskämpfer ausforsche und dem Militär verrate. Als ich dies ablehnte, wurde mir Mitarbeit und die Unterstützung der kurdischen Freiheitskämpfer vorgeworfen, schließlich wurde ich festgenommen, 15 Tage lang inhaftiert und gefoltert."
Die belangte Behörde warf dem Beschwerdeführer zwar unter bezugnahme auf diese Angaben vor, sich hinsichtlich des Zeitpunktes seiner Inhaftierung in einen Widerspruch verwickelt und die behaupteten Folterungen nicht konkretisiert zu haben, traf aber keine Aussage dahin, dass sie sein Vorbringen betreffend die Inhaftierung und die Folterungen für unglaubwürdig erachte. Die belangte Behörde verabsäumte es indes den von ihr als solchen gewerteten Widerspruch in Bezug auf den Zeitpunkt der Inhaftierung des Beschwerdeführers aufzuklären. Das Fehlen der Feststellung dieses Zeitpunktes ist im Hinblick auf die Flucht des Beschwerdeführers aus der Türkei im August 1992 insofern von wesentlicher Bedeutung, als dieser Mangel den Gerichtshof daran hindert zu beurteilen, ob der im gegebenen Zusammenhang in erster Linie maßgebliche Zeitraum zwischen Inhaftierung und Flucht (schon) so lang ist, dass daraus auf den Wegfall einer aktuellen Verfolgungsgefahr geschlossen werden kann.
Was die Auffassung der Behörde anlangt, die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Folterungen würden als Handlungen von Einzelpersonen, die sich nicht als vom Staat initiierte Verfolgungshandlungen erwiesen, anzusehen seien, so kann sich diese Ansicht nach Ausweis der Akten auf keine Verfahrensergebnisse stützen und ist daher nicht nachvollziehbar. Auch diesbezüglich ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig und die Begründung des angefochtenen Bescheides in relevantem Ausmaß mangelhaft geblieben.
C. Nach dem Gesagten war einerseits die Beschwerde gegen den Ausweisungsbescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, andererseits der Feststellungsbescheid nach § 54 Abs. 1 FrG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
D. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - bezüglich Spruchpunkt 1. im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998180051.X00Im RIS seit
03.04.2001