TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/28 I414 2187503-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2018
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Entscheidungsdatum

28.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

I414 2187503-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX), geboren am XXXX (alias XXXX), Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.08.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt III. wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 27.02.2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer gab an, dass er XXXX heiße und am XXXX in Ibadon, Nigeria geboren sei. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er wie folgt wörtlich an: "Ich war bei meiner Großmutter. Mein Vater ist von Ibadon nach Maduguri transferiert worden. Nachdem sie gestorben ist, hat mein Vater mich wieder abgeholt. Später gab es einen Anschlag von der Boko-Haram, jeder ist gestorben. Ich habe mich gebückt versteckt. Jemand hat mich und andere in ein Flugzeug gesetzt und wir sind geflohen. Diese Terroristen töten jeden". Des Weiteren gab er an, dass er in seiner Heimat niemanden mehr habe.

Am 27.11.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei er nunmehr angab, dass er XXXX heiße und am XXXX in Nigeria geboren sei. Er habe aus Angst nach Nigeria zurückgeschickt zu werden eine falsche Identität angegeben.

Als er vierzehn Jahre alt gewesen sei, habe er mit einem Schulkameraden seine ersten homosexuellen Erfahrungen gemacht und er fühlte sich zu gleichgeschlechtlichen Freunden hingezogen. Später habe er eine Frau kenngelernt mit der er fünf Jahre zusammen gewesen sei, jedoch habe er mit dieser Frau keine sexuelle Beziehung gehabt. Anschließend habe er mit einem gleichgeschlechtlichen Schulkameraden eine Beziehung gehabt. Als er im Jahre 2009 die Schule beendete sei er nach Lagos gereist und habe dort wieder eine gleichgeschlechtliche Beziehung begonnen, welche bis 2016 gedauert habe. Er sei jedoch aufgrund seiner Homosexualität beschimpft und geschlagen worden. Deshalb habe er mehrmals seine Wohnorte gewechselt. Eines Tages habe er Person kennengelernt, die ihm bei der Beschaffung eines Visums geholfen habe.

Befragt warum er seine Homosexualität nicht im Rahmen der Erstbefragung erwähnt habe, gab er an, dass er keine Möglichkeit gehabt habe über dieses Problem zu sprechen.

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 27.02.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet abgewiesen. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen an Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 06.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24.02.2018 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer stellt daher die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht wolle eine mündliche Verhandlung anberaumen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und ihm Asyl zuerkennen, in eventu ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria zuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt wird und ihm einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen, in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Bescheiderlassung an die belangte Behörde zurückverweisen.

Am 17.08.2018 erfolgte in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsberatung eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht.

Mit Schreiben vom 21.08.2018 brachte der Beschwerdeführer ergänzend in einer Stellungnahme zur mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer fähig gewesen sei die Entwicklung seiner Homosexualität zu erläutern. Die Ansicht der belangten Behörde spiegle leider stereotype Meinungen über homosexuelle wieder, die jedenfalls zur Beurteilung der Kernfrage - nämlich ob der Beschwerdeführer tatsächlich homosexuell sei oder nicht - schlicht ungeeignet seien.

Bei der Erstbefragung sei es aber nicht vorgesehen, sich mit den Fluchtgründen näher auseinanderzusetzen, daher sei es verständlich, dass die Sicherheitsbeamten diesen Punkt nicht mehr Zeit gewidmet hätten.

Der Beschwerdeführer habe offenbar nicht gewusst, wie er über seine Homosexualität berichten und seine Scham überwinden solle.

Aus dem Lebenswandel des Beschwerdeführers in Österreich zeige sich, dass er eine integre Person sei und sich auf seine weitere Integration konzentrieren würde. Er sei arbeitswillig und verkaufe momentan eine Straßenzeitung. Die Prognose hinsichtlich des künftigen Lebens in Österreich könne somit insgesamt sehr positiv getroffen werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen männlichen, nigerianischen Staatsbürger, und somit um einen Drittstaatsangehörigen gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Der Beschwerdeführer ist ledig, hat keine Kinder, Volljährig, gehört der Volksgruppe der Yoruba an und bekennt sich zum moslemischen Glauben.

Der Beschwerdeführer spricht Yoruba und Englisch.

Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und daher auch erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt in Nigeria über eine umfangreiche Schulausbildung, er besuchte die Grundschule anschließend die Mittelschule sowie die polytechnische Schule. Nach seiner Schulausbildung war der Beschwerdeführer sechs Jahre lang in einem Lebensmittelgeschäft als Verkäufer tätig.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seiner Mutter, Schwester und seinen Onkeln lebt in Nigeria, zu seiner Mutter und zu seiner Schwester steht er im regelmäßigen telefonischen Kontakt.

Der Beschwerdeführer reiste mit einem spanischen Visum über die Türkei, Spanien und Italien illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Er hält sich zumindest seit seiner Antragstellung am 27.02.2017 in Österreich auf.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte oder maßgebliche private Beziehungen.

Der Beschwerdeführer geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Hinsichtlich seiner Integration hat der Beschwerdeführer ein ÖSD Zertifikat über die bestandene Deutsch Prüfung auf dem Niveau A1, eine Anmeldungsbestätigung für den Deutschkurs A1+ sowie eine Bestätigung über die erfolgreiche Absolvierung einer Remunerantentätigkeit vorgelegt. Zudem ist der Beschwerdeführer als Verkäufer der Straßenzeitung "Augustin" tätig und er spielt Fußball im Verein FC XXXX. Es konnten jedoch keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Nigeria einer persönlichen Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homosexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ergeben und es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria wegen seiner homosexuellen Orientierung verfolgt wird. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen bzw. eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten hat.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Nicht festgestellt werden kann auch, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Dies insbesondere da dort noch seine Familie lebt und er über eine umfangreiche Schulausbildung verfügt.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wurden in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.08.2018 die aktuellen Länderfeststellungen und die im Rahmen der Ladung übermittelte Analyse der Staatendokumentation zur Lage sexueller Minderheiten, insbesondere MSM (men who have sex with men), vom 30. 09.2016, erläutert und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Stellungnahme gewährt, wobei Seitens der Rechtsvertretung im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass es in Nigeria Männer gäbe, welche genug Geld haben würden, um ihre Neigung in einem ausreichenden geschützten Rahmen ausleben zu können. Den Beschwerdeführer sei es trotz seines diskreten Verhaltens nicht möglich seine Homosexualität auszuleben.

Der Beschwerdeführer gab an, dass der Länderbericht zu Nigeria sehr allgemein gehalten sei. Des Weiteren gab er an, dass Homosexualität in Nigeria verboten sei und es keinen Schutz für Homosexuelle in Nigeria geben würde (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 12).

Es kann daher zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet und haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann, zumal er arbeitsfähig ist, in Nigeria die Schule besucht hat und bereits gearbeitet hat. Zudem kann er in Nigeria auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen. Aber auch wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bieten sollte, kann er seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden.

Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG idgF in seinen Heimatstaat Nigeria unzulässig wäre.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria und die Analyse der Staatendokumentation "Zur Lage sexueller Minderheiten, insbesondere von MSM (men who have sex with men), unter Hinzunahme der Information der FFM Nigeria vom 15.-23.11.2015 vom 30.09.2016. Außerdem wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Zudem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinem Familienstand, Volljährigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und der Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018 (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 3 bis 5).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Yoruba und Englisch spricht ergibt sich einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 27.11.2017 (Niederschrift Seite 3) und andererseits aus dem Umstand, dass die Beschwerdeverhandlung in Englischer Sprache durchgeführt wurde.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments beziehungsweise sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit der Beschwerdeführer namentlich genannt wird, dient dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde ("F: Haben Sie medizinische Befunde oder nehmen Sie Medikamente? A: Nein, Ich bin gesund. Ich leide an keinen Krankheiten.") sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 17.08.2018 ("RI: Leiden Sie an chronischen Krankheiten oder anderen Gebrechen? BF: Ich hatte Schmerzen am Rücken, aber ich bin nicht zum Arzt. Ich bekam eine Spritze und ich fühle mich wieder gut. RI: Sind Sie derzeit in ärztlicher Behandlung? BF: Nein."). Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

Die Feststellungen zu seiner Schulausbildung und seiner beruflichen Erfahrung als Verkäufer in Nigeria, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 6).

Die Feststellung zu seiner Familie in Nigeria, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 27.11.2017 ("F: Wie heißt Ihre Mutter, wie als ist sie und wo lebt sie? A: XXXX. Sie ist 60 Jahre alt. Sie lebt in Lagos. Sie lebt alleine. Sie ist eine Pensionistin. Früher hat sie für die Regierung gearbeitet. Nachgefragt gebe ich an, dass Sie die Wäsche in einem staatlichen Spital gewaschen hat. Wir haben eine Familienwohnung in Lagos. Manchmal schaut meine Schwester nach ihr. F: Haben Sie Geschwister? A: Ich habe nur eine Schwester. XXXX, sie ist 30 Jahre alt. Sie ist mit einem nigerianischen Staatsangehörigen verheiratet. Sie arbeitet in einem Supermarkt, also genauer ist sie als "Sale-Representative", Verkaufsbeauftragte, tätig. Ihr Ehemann ist ein Lehrer im Kindergarten. F: Welche Angehörigen, Verwandte und Ihnen nahestehenden Personen besitzen Sie, außer bereits angeführten, noch in Ihrem Heimatland? A: Väterlicherseits habe ich zwei Onkel. Mütterlicherseits weiß ich nur über einen Onkel bescheid.") sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung ("RI: Haben Sie noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Verwandten, Freunde oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus und wie regelmäßig ist dieser kontakt? BF: Ich habe regelmäßigen telefonischen Kontakt mit meiner jüngeren Schwester. RI: Mit Ihrer Mutter? BF: Wenn meine Schwester bei meiner Mutter ist, dann spricht sie auch mit mir".).

Dass der Beschwerdeführer mit einem spanischen Visum über die Türkei, Spanien und Italien illegal in das österreichische Bundesgebiet einreiste, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 4 bis 5). Die Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer zumindest seit seiner Antragstellung am 27.02.2017 im österreichischen Bundesgebiet aufhaltet, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Dass der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ergibt sich aus seinen Angaben vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 17.08.2018 ("RI: Haben Sie in Österreich lebende Verwandte? BF: Nein"; Niederschrift zur öffentlichen mündlichen Verhandlung, Seite 13).

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht und nicht selbsterhaltungsfähig ist, ergeben sich einerseits aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung (Niederschrift zur öffentlichen Verhandlung vom 17.08.2018, Seite 14), sowie aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem vom 28.02.2018.

Die Feststellungen bezüglich seiner Integration ergeben, aus den vorgelegten Prüfungszertifikat über die bestandene Deutsch-Prüfung auf dem Niveau A1, eine Anmeldungsbestätigung für den Deutschkurs auf dem Niveau A1+ sowie eine Bestätigung über die erfolgreiche Absolvierung einer Remunerationstätigkeit in der Zeit von 01.03.2017 bis zum 05.05.2017, sowie aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass er als Verkäufer für die Straßenzeitung "Augustin" tätig ist und er im Verein FC XXXX Fußball spielt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte auch festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer rudimentär Deutsch spricht (Niederschrift zur öffentlichen Verhandlung vom 17.08.2018, Seite 13). Der Beschwerdeführer ist derzeit kein Mitglied eines Vereines oder sonstigen integrationsbegründenden Institution. Aus den vorgelegten Unterlagen und des persönlichen Eindrucks des Richters im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergeben sich durchaus Integrationsbemühungen, die jedoch insgesamt nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben im Sinne der EMRK entsprechen.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.3. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Nigeria weder aufgrund seiner politischen oder religiösen Einstellung, noch aufgrund seiner sozialen Herkunft, seiner Rasse, seiner Nationalität oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt wird, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung seiner Aussagen im Administrativverfahren und vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus dem persönlichen Eindruck des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2018.

Bei seiner Erstbefragung am 27.02.2017 behauptete der Beschwerdeführer, dass er XXXX heiße und am XXXX in Nigeria geboren sei. Im Gegensatz dazu gab er in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass er XXXX heiße und am XXXX in Lagos, Nigeria geboren sei. Befragt danach gab er an, dass er aus Angst nach Nigeria zurückgeschickt zu werden habe er seine Identität nicht angeben können.

Der Asylwerber determiniert mit der Bekanntgabe seiner Identität und seines Herkunftsstaates in seinem Antrag auf internationalen Schutz - im Zusammenhalt mit dem geltend gemachten, individuellen Fluchtgrund - den Verfahrensgegenstand des Asylverfahrens, wobei es sich bei der Gewährung von Asyl bzw von subsidiärem Schutz nicht um einen amtswegig zu erlassenden, sondern um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt (vgl VwGH 30.03.2006, 2003/20/0345). Stellt aber ein Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz unter Verwendung einer falschen Identität, bedeutet das, dass er damit nicht die Verfolgung seiner eigenen, sondern einer anderen Person behauptet.

Der Beschwerdeführer täuschte im gegebenen Fall über seine wahre Identität. Daher leidet darunter die gesamte Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, da wohl in der Regel nur ein Asylwerber, der bewusst einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz stellt, sich veranlasst sehen wird, die belangte Behörde durch die Angabe einer Aliasidentität in die Irre zu leiten.

Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 27.02.2017 an, dass er aufgrund eines Anschlages der Boko-Haram aus Nigeria geflüchtet sei. Bei diesem Anschlag seien alle getötet worden. Jemand habe ihn und andere in ein Flugzeug gesetzt. In seine Heimat könne er nicht wieder zurück, weil er niemanden mehr habe ("Warum haben Sie ihr Land verlassen (Fluchtgrund): Ich war bei meiner Großmutter. Mein Vater ist von Ibadon nach Maduguri transferiert worden. Nachdem sie gestorben ist, hat mein Vater mich wieder abgeholt. Später gab es einen Anschlag von der Boko-Haram, jeder ist gestorben. Ich habe mich gebückt versteckt. Jemand hat mich und andere in ein Flugzeug gesetzt und wir sind geflohen. Diese Terroristen töten jeden. Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat? Ich habe in meiner Heimat niemanden mehr".).

Nach seiner konkreten Reiseroute mit Nennung der durchgereisten Staaten von seiner Heimat bis nach Österreich befragt, gab er an, dass er sich vor ca. vierzehn Monate entschlossen habe Nigeria zu verlassen, im September 2015 habe er mit einem Flugzeug Nigeria verlassen (Protokoll Seite 3). Nach einer Aufenthaltsdauer von ca. fünf Monaten sei er von Libyen nach Italien. In Italien habe er sich ca. 5 Tage aufgehalten und sei anschließend nach Österreich (Protokoll Seite 4).

Befragt danach, ob er in einem anderen Land ein Visum oder einen Aufenthaltstitel hat, gab er an, dass er nirgendwo ein Visum erhalten habe ("Erhielten Sie in einem anderen Land ein Visum oder einen Aufenthaltstitel: Ich habe nirgendwo ein Visum erhalten.", Protokoll Seite 4). Befragt danach, wer seine Reise organisiert habe, gab er an, dass er die Reise selbst organisiert habe ("Wer organisierte ihre Reise: (genaue Daten) Ich selbst"; Protokoll Seite 4).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung allerdings auch wiederholten Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (VwGH 14.06.2017, Ra 2017/18/0001). Weicht jedoch ein späteres Vorbringen völlig von den Erstaussagen ab, kann dies sehr wohl die Glaubwürdigkeit des Antragstellers beeinträchtigen und kann berücksichtigt werden (VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189-5).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde in Bezug auf die unmittelbare Flucht auslösenden Vorfälle im Kern ein völlig anderes Vorbringen als in der Erstbefragung geschildert. Im gegenständlichen Fall stellt das Vorbringen in der Einvernahme jedenfalls kein im Verhältnis zu Erstbefragung detailliertes Vorbringen dar, sondern ein in einem nicht unwesentlich, zumal für den Ausreiseentschluss ausschlaggebenden, Kernbereich anderes Geschehen, als in der Erstbefragung dar. Während der Beschwerdeführer nämlich in der Erstbefragung in Bezug auf sein Fluchtvorbringen ausschließlich allgemein seine Angst vor der Boko-Haram in seinem Heimatort und keine konkrete persönliche Bedrohung ins Treffen führte, berief er sich vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auf eine persönliche Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität. Der allgemeinen Lebenserfahrung nach wäre es allerdings naheliegend, einen derart massiven Eingriff in die körperliche Integrität umgehend zu erwähnen, sofern dieser Sachverhalt den Tatsachen entspräche. Zudem wäre die Erstbefragung zeitlich diesem Ereignis noch näher und damit in der Regel noch besser in Erinnerung gewesen. Aussagehemmende Umstände kamen im Verfahren nicht hervor.

Auch sind die Aussagen des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Ausreisezeitpunktes, seine familiären Verhältnisse in Nigeria, seiner Fluchtroute, des Bestandes eines Visums und hinsichtlich der Organisation seiner Ausreise widersprüchlich.

So gab er in der mündlichen Verhandlung am 17.08.2018 an, dass er über familiäre Anknüpfungspunkte in Nigeria verfüge. Seine Mutter, seine Schwester und seine Onkel leben weiterhin in Nigeria. Auch gab er in der Verhandlung an, dass er mit einem spanischen Visum über die Türkei, Spanien und Italien in das österreichische Bundesgebiet einreiste. Zur Organisation seiner Reise gab er im Gegensatz zur Erstbefragung an, dass die Reise durch einen Mann organisiert worden sei. In der Erstbefragung gab er an, dass er Nigeria im September 2015 verlassen habe, im Gegensatz dazu gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass er Nigeria im Februar 2017 (Niederschrift zur öffentlichen Verhandlung vom 17.08.2018, Seite 6) verlassen habe. Zudem gab er in der Erstbefragung an, dass er über kein Visum oder einen Aufenthaltstitel verfügt habe. Im Gegensatz dazu gab er in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass ihm von der spanischen Botschaft in Lagos ein Visum ausgestellt worden sei (Niederschrift zur öffentlichen Verhandlung vom 17.08.2018, Seite 4 bis 5).

In der niederschriftlichen Einvernahme am 27.11.2017 gab er an, dass er im dreizehnten Lebensalter beginnend seine Homosexualität entdeckt habe. Seine erste gleichgeschlechtliche Beziehung habe er im Jahre 2000 beendet. Anschließend habe er fünf Jahre lang eine heterosexuelle platonische Beziehung mit "Fatima" gehabt. Er habe diese Beziehung nur aus Spaß geführt, weil er nur Gefühle für gleichgeschlechtliche Partner empfand. Als er die Beziehung mit Fatima beendete, habe er in den Jahren 2009 bis 2016 eine homosexuelle Beziehung gehabt. Bei Barbesuchen sei er aufgrund seiner Homosexualität oft geschlagen worden, deshalb habe er oft seinen Wohnsitz gewechselt.

In der mündlichen Verhandlung am 17.08.2018 nach dem fluchtauslösenden Ereignis befragt, gab er an, dass die Probleme im Jahr 2013 begonnen hätten.

Ungeachtet einer allfälligen Glaubwürdigkeit verkennt der Beschwerdeführer, dass die Voraussetzung einer wohlbegründeten Furcht in der Regel nur dann erfüllt wird, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; dazu auch VwGH 19.10.2000, 98/20/0430). Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er Nigeria im Februar 2017 (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, Seite 6) verlassen habe, die behaupteten Probleme jedoch schon im Jahre 2013 stattgefunden hätten. Somit lebte der Beschwerdeführer vier Jahre nach den behaupteten Problemen in Nigeria. Sohin ist der erforderliche zeitliche Konnex einer Verfolgung zu verneinen. Dabei wird das Vorbringen des Beschwerdeführers, vier Jahre lang unter Brücken geschlafen zu haben als unglaubwürdig erachtet, weil in Nigeria ein Meldesystem fehlt, worunter auch die Nichtexistenz eines polizeilich funktionierenden Fahndungssystems fällt, die es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht nach verdächtigen Personen zu fahnden und überdies werden laut den aktuellen Länderberichten keine Haftbefehle wegen Homosexualität ausgestellt. Ferner konnte sich der Beschwerdeführer in der spanischen Botschaft in Lagos ein Visum organisieren. Es ist auch nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer trotz Wissens seiner Homosexualität eine fünfjährige heterosexuelle Beziehung aus Spaß geführt zu haben. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer erst im November 2016 den Entschluss gefasst habe Nigeria zu verlassen, obwohl die Probleme aufgrund seiner Homosexualität im Jahr 2013 begonnen hätten. Widersprüchliche Angaben machte der Beschwerdeführer auch hinsichtlich seiner Tätigkeit als Verkäufer bei einem Lebensmittelgeschäft. Vor der belangten Behörde gab er an, dass er zwischen 2009 bis 2016 gearbeitet zu haben (Protokoll Seite 10), im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gab er an, dass er nur bis 2014 gearbeitet habe (Niederschrift Seite 10).

Insgesamt ist daher auszuführen, dass der behauptete Fluchtgrund nicht glaubhaft gemacht werden konnte, da der Beschwerdeführer, wie aus den obigen Ausführungen und den Einvernahmen zu entnehmen ist, in wesentlichen Punkten widersprüchlich, lückenhafte und unplausible Angaben machte. Diese Überlegung stützt sich auf die vagen und unsubstantiierten Schilderungen des Beschwerdeführers zu den Geschehnissen, welche ihn letztlich dazu veranlasst haben, sein Heimatland zu verlassen.

Diese Ausführungen lassen in ihrer Gesamtbetrachtung die Fluchtgeschichte als reine gedankliche Konstruktion erscheinen. Ihnen fehlt jegliche Stringenz hinsichtlich einer Verfolgung wegen Homosexualität, sodass die Angaben zu seiner behaupteten Homosexualität jede Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit vermissen lassen. Es ist somit davon auszugehen, dass die Geschichte nur zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels vorgebracht wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.

Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, der über eine mehrjährige Schulbildung verfügt und in seinem Heimatstaat als Lebensmittelverkäufer gearbeitet hat, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde, selbst wenn es an staatlichen Sozialleistungen und familiärer Unterstützung mangeln würde, wobei er in Nigeria immer noch familiäre Anknüpfungspunkte hat.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation: Nigeria,

3. Quartal 2016: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), 8. November 2016, herangezogen, als auch die Analyse der Staatendokumentation zur Lage von sexuellen Minderheiten in Nigeria vom 30.09.2016 herangezogen.

Im Länderbericht ergibt die geschilderte allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr, die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Es besteht daher für jeden grundsätzlich die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen.

Zur wirtschaftlichen Lage ist allgemein auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen (GIZ 7.2017c), neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 21.11.2016). Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 7.2017c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde - durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 4.2017c). Eine Lebensmittelknappheit war in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent, in vereinzelten Gebieten im äußersten Norden Nigerias (Grenzraum zur Republik Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen aber auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten nicht mehr aus (ÖBA 9.2016)

Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).

Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit (BS 2016). Die überwiegende Mehrheit der Nigerianer ist im informellen Arbeitsmarkt tätig und bekommt somit keine Pension (TE 25.10.2014). Jedoch wurde das Pension Reform Act novelliert, um die Kosten und Nutzen für die Mitarbeiter von öffentlichen und privaten Sektor zu harmonisieren (BS 2016). Bis März 2016 waren es etwa 7,01 Millionen Arbeitnehmer die beim Contributory Pension Scheme registriert sind und dazu beitragen. Dies repräsentiert etwa 7,45 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und 3,95 Prozent der gesamten Bevölkerung. 26 von 36 Bundesstaaten haben das Contributory Pension Scheme übernommen (TD 2.5.2016).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 7.2017c). Geldtransfers und Investitionen der im Ausland lebenden Nigerianer tragen wesentlich zur Unterstützung der Wirtschaft bei (AA 3.12.2015).

Hinsichtlich der Homosexualität ist auszuführen, dass es seit der Unabhängigkeit Nigerias nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch gab, die Zahl ist einstellig. Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert (knapp dreistellig). Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität - weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015). Überhaupt gab es seit der Unabhängigkeit Nigerias nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist - wie auch in vielen Staaten dieser Welt - vorhanden (ÖBA 7.2014).

Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den 12 nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind jedoch keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Die Polizei verhaftete 12 Männer im Jänner 2015 in Kano und 21 Männer in Oyo im Mai 2015, da ihnen homosexuelle Handlungen vorgeworfen wurden. Alle wurden nach wenigen Stunden wieder entlassen (HRW 27.1.2016). Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen. Das gilt auch für die seit 1999 regierende PDP, die seit den letzten Wahlen im März 2015 nun zum ersten Mal in der Opposition ist (AA 21.11.2016). Die Verfassung und die Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien (USDOS 3.3.2017).

Gelegentlich sind jedoch Eingriffe seitens der Staatsgewalt zu verzeichnen. Dies betrifft vor allem Gruppen mit sezessionistischen Zielen. Dem Auswärtigen Amt liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor (AA 21.11.2016).

Im Süden und Südosten Nigerias kommt es zu Demonstrationen, bei denen ein unabhängiger Staat Biafra gefordert wird (AI 24.2.2016). Gegen die Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB), deren Mitglieder der Ethnie der Igbo angehören und die größere Selbständigkeit für den Südosten des Landes reklamiert, gingen die Sicherheits-organe in der Vergangenheit teilweise massiv vor (AA 21.11.2016). Weiters gibt es auch die separatistische Biafra-Bewegung Indigenous People of Biafra (IPOB), die im Jahr 2012 gegründet wurde (NZZ 30.5.2017).

Seit dem Regierungswechsel 2015 und der zwischenzeitlichen Verhaftung eines der Führer der Biafra-Bewegung, dem Direktor des in London ansässigen und inzwischen in Nigeria verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" Nnamdi Kanu im Oktober 2015, kommt es verstärkt zu politischen Demonstrationen von Anhängern der Biafra-Bewegung, denen die Regierung gewaltsam begegnet sein soll (AA 4.2017a).

Amnesty International berichtet, dass nigerianische Sicherheitskräfte mindestens 150 Menschen töteten (AI 24.11.2016) und Hunderte willkürlich verhafteten (USDOS 3.3.2017), die im Südosten des Landes zwischen August 2015 und August 2016 für die Unabhängigkeit Biafras von Nigeria demonstrierten. Eingeschlossen ist die Zahl von Biafra-Aktivisten, die am 30.5.2016, dem Biafra-Gedenktag, getötet wurden. An dem Tag trafen sich in Onitsha im Bundesstaat Anambra rund 1.000 Unterstützer der IPOB. Sicherheitskräfte erschossen an mehreren Orten willkürlich Menschen. In der Nacht vor der Versammlung stürmten Sicherheitskräfte Häuser und eine Kirche, in denen IPOB-Mitglieder übernachteten. Amnesty International geht davon aus, dass an den beiden Tagen insgesamt mindestens 60 Menschen getötet, 79 verletzt (AI 24.11.2016). Mit Stand Dezember 2016 wurden diese Vorfälle von der Regierung noch nicht untersucht (USDOS 3.3.2017).

Am 30.5.2017 jährte sich die Erklärung einer unabhängigen Republik Biafra im Südosten Nigerias, die den nigerianischen Bürgerkrieg ausgelöst hatte, zum fünfzigsten Mal. Gemäß AFP blieben Läden, Schulen und Geschäfte im Südosten Nigerias geschlossen, und die staatlichen Sicherheitskräfte waren sichtbar präsent. Der Anführer der Bewegung IPOB, Nnamdi Kanu, erklärte, es ginge ihm um zivilen Ungehorsam, um ein Referendum über die Selbstbestimmung der Region herbeizuführen. Die nigerianische Polizei hatte angekündigt, bei einem Bruch des Friedens oder unrechtmäßigen Protesten entschieden zu handeln. Gemäß einem von AFP zitierten Sprecher der Armee seien die Sicherheitsvorkehrungen im Südosten an tatsächlichen oder möglichen Krisenherden verstärkt worden. Laut Amnesty International wurden mehr als 100 Mitglieder zweier Pro-Biafra-Gruppen, des MASSOB und des Biafra Independent Movement (BIM), in den Staaten Enugu, Ebonyi und Cross Rivers am 22.5.2017 während Feiern im Vorfeld des Jahrestages festgenommen (SFH 22.6.2017).

In den ersten eineinhalb Jahren Amtszeit hat es Buhari geschafft, die Bedrohung durch Boko Haram (Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad (USDOS 2.6.2016) weitgehend einzudämmen (AA 4.2017a). Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 4.2017a).

Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert. Die nigerianischen Streitkräfte konnten den Großteil der von Boko Haram eingenommenen Territorien wieder zurückerobern, allerdings gelingt es ihnen kaum, diese Gebiete zu sichern (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 19.7.2017). In den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es weiterhin zu tödlichen Anschlägen der Islamisten; nur die Dis-triktzentren gelten als sicher (AA 21.11.2016).

Die von Boko Haram betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force (MNJTF) zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 4.2017a). Bei der im April gestarteten Offensive des Militärs im Sambisa Forest, dem wichtigsten Rückzugsraum Boko Harams, konnten bis Anfang Mai ca. 700 von Boko Haram entführte Frauen und Kinder befreit werden (AA 21.11.2016). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne das es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusichern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen. Mit Selbstmordanschlägen in den Städten und Angriffen auf einzelne Orte vor allen in ländlichen Regionen, bleiben die Islamisten weiterhin aktiv (AA 4.2017). In den Bundesstaaten Adamawa und Borno gab es die meisten Anschläge (USDOS 19.6.2017). Boko Haram übte weiterhin Morde, Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus (USDOS 19.7.2017). Beim verheerendsten Angriff der Boko Haram seit Monaten sind in Nigeria mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen, als ein Konvoi mit Mitarbeitern des staatlichen Ölkonzerns NNPC am 25.7.2017 im Nordosten des Landes in einen Hinterhalt geriet. Auch Soldaten und Mitarbeiter der Universität Maiduguri waren unter den Opfern. Der Konvoi wurde nahe Magumeri im Bundesstaat Borno angegriffen (DS 28.7.2017).

Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auch ins Visier von Boko Haram, die sie nach ihrer Entführung zur Konversion zum Islam und zur Heirat mit Kämpfern zwangen, als Arbeitssklaven missbrauchten oder verkauften (AA 21.11.2016). Viele von den Frauen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015; vgl. USDOS 3.3.2017) und als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt (AI 24.2.2016). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 3.3.2017). Nach langen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung hat die Extremistengruppe Boko Haram 82 weitere der über 200 Mädchen freigelassen - im Austausch für einige von den Behörden festgehaltene Boko-Haram-Verdächtige (DS 6.5.2017; vgl. FAZ 6.5.2017). Die 82 freigelassenen Mädchen gehören zu den rund 270 meist christlichen Schülerinnen, die im April 2014 in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias in der Nacht entführt worden waren (DW 6.5.2017).

Boko Haram möchte eine Version vom Islam durchsetzen, die es für Muslimen "haram" macht oder ihnen verbietet an irgendeiner politischen oder sozialen Tätigkeit teilzunehmen, die mit dem Westen assoziiert wird. Dazu gehört das Wählen, das Tragen von Hemden und Hosen oder säkulare Bildung. Boko Haram betrachtet den nigerianischen Staat als von Ungläubigen betrieben, ungeachtet dessen, ob der Präsident muslimisch ist oder nicht (BBC 24.11.2016). Grob datiert werden kann die Entstehung der Gruppe auf das Jahr 2002. Sie hat sich in Maiduguri im Norden Nigerias formiert. Ihr Vorgehen war zunächst friedlich. Experten sehen die anfängliche Attraktivität von Boko Haram vor allem in den politischen und sozialen Verhältnissen im Norden Nigerias begründet: Die Gesellschaft ist ethnisch und religiös zersplittert, Armut und Arbeitslosigkeit sind höher als in anderen Landesteilen. Der Staat kommt seinen Aufgaben nur bedingt nach, die Lokalregierungen sind oft korrupt. Etwa ab 2009 radikalisierte sich die Gruppe und bekämpft seither aktiv den nigerianischen Staat. Seit 2011 kommt es beinahe im Wochenrhythmus zu Überfällen auf Kirchen, Polizeistationen, Schulen, Universitäten und andere Einrichtungen des Staates. Markenzeichen von Boko Haram sind sogenannte Drive-by-Shootings, gezielte Tötungen vom Motorrad aus, die sogar zu einem Motorrad-Verbot in Maiduguri führten. Aufgrund des anhaltenden Terrors rief der ehemalige nigerianische Präsident Goodluck Jonathan im Mai 2013 in den drei nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa den Notstand aus. Der Konflikt weitete sich inzwischen auf die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger aus. Seit November 2013 wird Boko Haram von den USA als Terrororganisation eingestuft. Die finanziellen Mittel Boko Harams stammen einerseits von Überfällen, bei denen in den vergangenen Jahren mutmaßlich Millionen von Dollar erbeutet wurden. Die Organisation wird aber auch von anderen Terrororganisationen wie Al-Kaida und ihrem nordafrikanischen Ableger Al-Kaida im islamischen Maghreb (Aqmi), der somalischen al-Schabab oder dem Islamischen Staat unterstützt. Der Chef von Boko Haram war von 2010 bis 2016 Abubakar Shekau. Wie viel Kontrolle Shekau über die diversen Gruppierungen von Boko Haram hatte, ist fraglich. Im August 2016 meldete das IS-Magazin Al-Naba, dass Shekau als Chef von Boko Haram entmachtet wurde. Als Nachfolger nannte das Magazin den bisherigen Sprecher der Organisation, Abu Musab al-Barnawi (Zeit 18.1.2017). Es gibt Berichte, dass Boko Haram sich in zwei Gruppierungen aufgeteilt hat, eine wird von Abubakar Shekau geführt und die andere von Abu Musab al-Barnawi (NW 15.3.2017; vgl. DW 4.8.2016). Boko Haram soll in untergeordneten, lokalen Zellen organisiert sein. Zudem soll es einen Rat geben, der das oberste Entscheidungsorgan der Gruppe ist und auf dessen Zustimmung der Anführer bei Entscheidungen angewiesen ist (Zeit 18.1.2017).

Im Jahr 2015 hat die nigerianische Regierung mehrere Schritte im Kampf gegen Boko Haram unternommen. So wurde im Laufe des Jahres von Mitgliedern des nigerianischen Militärs berichteten, dass seit Buhari sein Amt antrat, sie zunehmend die erforderlichen Ressourcen im Kampf gegen Boko Haram erhalten haben (USDOS 2.6.2016). Buhari ordnete im Mai an, dass das nigerianische Militär sein Hauptquartier nach Maiduguri verlegt, damit Boko Haram besser bekämpft werden kann (USDOS 2.6.2016, BBC 8.6.2015). Boko Haram war aufgrund der Versuche des nigerianischen Militärs die Organisation zu isolieren zunehmend auf das Sambisa Waldgebiet beschränkt (USDOS 2.6.2016) und im Dezember 2016 erklärte das nigerianische Militär den Sambisa Wald frei von Boko Haram (VOA 31.3.2017). Boko Haram übte trotzdem sporadische Angriffe im Sambisa Waldgebiet aus und verstärkte Überfälle auf Dörfer und Städte in der Suche nach Nahrungsmitteln (DW 28.3.2017)

Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Präsident Buhari versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um un-abhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Sicherheitskräfte unter dem Kommando der 7. und 3. Division der nigerianischen Armee, die Polizei und das Department of State Service (DSS) haben weiterhin militärische Operationen gegen Boko Haram im Nordosten des Landes durchgeführt. Einige der Truppen töteten mutmaßliche Boko Haram Mitglieder. Auch gab es Massenverhaftungen von Männern und Buben, die auch gefoltert wurde. Laut einem AI-Bericht hat das nigerianische Militär in den Jahren 2013 und 2014 im Zuge von militärischen Operationen 1.200 außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 3.3.2017). Sowohl Human Rights Watch als auch Amnesty International haben das in ihren verschiedenen Berichten seit mehreren Jahren massiv kritisiert und verwiesen dabei vor allem auf Fälle immer wieder auftretender Folterungen von Gefangenen durch die Polizei im ganzen Land, extra-legaler Tötungen und das Verschwindenlassen angeblicher Boko Haram-Mitglieder im Norden des Landes. Seit März 2011 sollen nach Angaben von AI (Juni 2015) im Nordosten Nigerias über 7.000 Menschen während ihrer Haft ums Leben gekommen sein, von denen seit Februar 2012 durch das nigeria-nische Militär mehr als über 1.200 Gefangene bewusst getötet worden wären (AA 21.11.2016).

Auch hat sich eine Civilian Joint Task Force (CJTF) als Reaktion auf die Aufständischen und das Militär im Jahr 2013 in Maiduguri gebildet (TNY 22.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Das nigerianische Militär gab den Mitgliedern der CJTF Fahrzeuge und Uniformen unter der Bedingung, dass sie bei einem Ausbildungsprogramm - geführt durchs Militär - teilnehmen (TNY 22.12.2015; vgl. IRIN 9.5.2017). Jedoch musste das Trainingslager in ein Flüchtlingslager umstrukturiert werden und so konnte nur eine geringe Zahl der CJTF Mitglieder ausgebildet werden (TNY 22.12.2015). Laut der UN und anderen internationalen Organisationen rekrutierte die CJTF (manchmal auch mit Gewalt) Kinder, um sie als Kindersoldaten einzusetzen. Die Regierung verbietet den Einsatz von Kindersoldaten und behauptet, dass die CJTF keine Kindersoldaten einsetzte. Dennoch wird die CJTF finanziell von der Regierung des Bundesstaates Borno unterstützt (USDOS 3.3.2017). Es gibt auch Berichte, dass Frauen in IDP-Lager von Mitgliedern der CJTF und des Militärs sexuell ausgebeutet und missbraucht werden (AI 6.2017). Die CJTF hat aus Angst vor weiblichen Selbstmordattentätern für Frauen in Maiduguri eine Ausgangssperre verhängt. Frauen, die diese nicht einhalten, werden verprügelt. Trotz Versprechungen der Regierung die CJTF unter Kontrolle zu bringen, gibt es weiterhin Berichte, dass CJTF-Mitglieder ihre Opfer schikanieren, foltern und misshandeln (IRIN 9.5.2017).

In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Im Süden gibt es Schläfer-Zellen der Boko Haram. Trotzdem können z.B. Deserteure der Boko Haram in den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind (VA2 16.11.2015).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014). Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten.

Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist je nach Region um 35-80 Euro zu erhalten. Saison- und regionalmäßig werden auch gebratene Maiskolben zusätzlich angeboten. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "Minifarming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare über Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Schnecken und "grass-cutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖBA 9.2016).

Da ein Meldewesen nicht vorhanden (AA 21.11.2016; vgl. ÖBA 9.2016) ist und auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem nicht existiert, ist es damit in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 9.2016).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 21.11.2016). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des Department of State Service (DSS), das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die Polizei, das DSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 3.3.2017). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 9.2016). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet. Die staatlichen Ordnungskräfte sind personell, technisch und finanziell nicht in der Lage, die Gewaltkriminalität zu kontrollieren bzw. einzudämmen. Zudem sind nach allgemeiner Auffassung die Sicherheitskräfte teilweise selbst für die Kriminalität verantwortlich (AA 21.11.2016). Da die Polizei oft nicht in der Lage ist, durch gesellschaftliche Konflikte verursachte Gewalt zu unterbinden, verlässt sich die Regierung in vielen Fällen auf die Unterstützung durch die Armee (USDOS 3.3.2017). Jedoch sind im Allgemeinen die nigerianischen Behörden gewillt und fähig, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten (UKHO 8.2016b). Zum Rechtsschutz ist auszuführen, dass das Institut der Pflichtverteidigung erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt wurde. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 21.11.2016). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC); Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 21.11.2016).

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass der ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführte Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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