Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** Co, *****, Iran, vertreten durch Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. R***** S*****, 2. Ing. R***** S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Alexandra Sedelmayer, Rechtsanwältin in Wien, als Verfahrenshelferin, wegen 2.269.978,75 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Februar 2018, GZ 2 R 170/17k-43, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 12. Juni 2017, GZ 10 Cg 52/16a-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden insoweit bestätigt, als sie als Teilurteil zu lauten haben:
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 1.379.978,70 EUR samt 4 % Zinsen seit 30. 10. 2013 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Im Übrigen, also hinsichtlich des Klagebegehrens, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 890.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 30. 10. 2013 binnen 14 Tagen zu zahlen, werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen der Klägerin mit Sitz in Teheran und der eingetragenen S*****gesmbH mit Sitz in W***** (kurz: Gesellschaft), deren Geschäftsführer die Beklagten sind, bestand seit Jahrzehnten ein Geschäftsverhältnis.
Die Klägerin produziert seit den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts Elektropanele, Hochspannungsanlagen und Ähnliches und vertreibt diese Produkte sowohl im Iran als auch in Ländern wie Senegal, Dubai, Pakistan und Syrien. Dazu benötigt sie vor allem Vorprodukte von europäischen Unternehmen, die mit der Klägerin als iranischem Unternehmen – vor allem nach der iranischen Revolution im Jahr 1979 – nicht gerne in direktem Geschäftskontakt standen. Die Klägerin suchte und fand daher Ende der Siebziger-/Anfang der Achtzigerjahre mit den beiden Beklagten Unternehmer, die im Auftrag der Klägerin solche Vorprodukte ankaufen und an die Klägerin weiter verkaufen sollten. Die Klägerin führte dabei direkt mit den Herstellern der benötigten Waren Kaufverhandlungen und vereinbarte dabei die Menge und den Preis der Waren. Die entsprechenden Bestellungen führte jedoch (zunächst noch als DI E***** S***** OHG und ab 1993) die Gesellschaft durch, die in weiterer Folge die Waren mit einem (vereinbarten) Provisionsaufschlag von 3 bis 4 % an die Klägerin weiter verkaufte.
Die Klägerin und die Gesellschaft führten in diesem Zusammenhang ein Verrechnungskonto, wobei die Gesellschaft der Klägerin immer wieder Aufstellungen übermittelte, aus denen ersichtlich war, wie viele Gelder von der Klägerin an die Gesellschaft geflossen waren, an welchen Vertragspartner (eigentlich der Klägerin) sie ausbezahlt worden waren, welche sonstigen Kosten (etwa für Versicherung und Transport) entstanden waren, welche Provision sich die Gesellschaft einbehalten hatte und wie hoch schließlich das Guthaben der Klägerin zum jeweiligen Stichtag war. Die rechnerische Richtigkeit kontrollierte ein Mitarbeiter der Klägerin.
Da sich Überweisungen aus dem Iran nach Österreich oft mühsam gestalteten und bei den einzelnen Geschäftstransaktionen (im Vorhinein) auch nicht immer abschätzbar war, welche Kosten bei einer einzelnen Bestellung von der Klägerin tatsächlich zu tragen sein würden, überwies die Klägerin an die Gesellschaft oftmals (weit mehr) als die letztlich tatsächlichen Kosten der einzelnen Bestellungen. Die Klägerin und die Gesellschaft hatten dabei von Anfang an vereinbart, dass die von der Klägerin überwiesenen Gelder ausschließlich für Geschäfte zwischen ihnen verwendet werden durften und dass die Gesellschaft somit die Guthabensbeträge der Klägerin für diese zu verwahren habe.
Ab Ende der Neunziger-/Anfang der Zweittausenderjahre investierte die Gesellschaft Millionen Euro in ein Photovoltaikprojekt, wobei sich die Klägerin zu keinem Zeitpunkt (finanziell) an diesem Projekt beteiligte. Erstmals im Jahr 2005 oder 2006 teilten die Beklagten dem Vertreter der Klägerin mit, dass die Gesellschaft aus den von der Klägerin überwiesenen Beträgen kein Geld mehr zur Verfügung habe, weil sie es für ihr Photovoltaikprojekt ausgegeben hatte. Bei dieser Gelegenheit versicherten die Beklagten dem Vertreter der Klägerin, dass sie die „fehlenden“ Gelder durch eine positive Entwicklung ihres Photovoltaikprojekts wieder einbringlich machen könnten. Dieser unterstützte daraufhin die Gesellschaft bei diesem Vorhaben in den folgenden Jahren dadurch, dass er eine in S***** ansässige Tochtergesellschaft der Klägerin dazu veranlasste, der Gesellschaft bei ihrem Photovoltaikprojekt mit Kundenakquise behilflich zu sein. Die Klägerin beteiligte sich allerdings auch ab diesem Zeitpunkt nicht am Photovoltaikprojekt der Gesellschaft.
Die Beklagten hatten damals der Klägerin mitgeteilt, dass die Gesellschaft für eine offene Bestellung der Klägerin bei einem Hersteller kein Geld zur Verfügung habe, um diesen zu bezahlen; auch von der Bank bekomme sie keinen Kredit mehr. Daraufhin verpfändete die Klägerin der Bank ein Bankguthaben in Höhe von 890.000 EUR und verlängerte die Sicherheit in weiterer Folge bis 30. 6. 2007. Die Bank nahm die Sicherheit in Höhe von 890.000 EUR letztlich auch in Anspruch, woraufhin dieser Betrag der Klägerin in der Verrechnung mit 11. 9. 2008 gutgeschrieben wurde.
Für den Bezug von Waren des Unternehmens S***** vereinbarte die Klägerin – wie gewohnt – mit der Gesellschaft, dass sie die Waren nicht in eigenem Namen bestellen würde, sondern die Bestellung über die Gesellschaft laufen solle. Für dieses Geschäft hatte die Klägerin eine Anzahlung von 965.167,95 EUR an das Unternehmen zu zahlen. Die Beklagten kommunizierten der Klägerin, dass die Gesellschaft über keine liquiden Mittel verfüge, aus denen sie dem Guthaben der Klägerin entsprechende Zahlungen an das Unternehmen leisten könnten. Deshalb überwies die Klägerin den genannten Betrag an die Gesellschaft, die den Betrag auftragsgemäß an das Unternehmen als Anzahlung weiterleitete. Als das Unternehmen einige Zeit später erklärte, den Vertrag nicht erfüllen zu wollen, und am 7. 9. 2010 insgesamt 965.167,95 EUR wieder an die Gesellschaft zurücküberwies, unterließ es die Gesellschaft, diesen Betrag an die Klägerin weiterzuleiten.
Am 30. 9. 2006 bestand bei der Gesellschaft ein Guthaben der Klägerin in Höhe von 821.154,38 EUR, am 22. 6. 2010 ein solches in Höhe von 1.815.295,02 EUR, am 7. 9. 2010 ein solches in Höhe von 2.837.473,47 EUR und am 5. 7. 2012 ein solches in Höhe von 2.828.370,44 EUR, das aufgrund staatlicher Sanktionen gegen den Iran eingefroren war und vorerst bei der Gesellschaft verblieb. An diesem Tag schrieb der Erstbeklagte an die Klagevertreterin wie folgt:
*) Zwischen [der Gesellschaft] und [der Klägerin] gibt es ein Verrechnungskonto, auf dem die Geschäftsfälle, die verschiedenen Kosten, Aufwendungen, Provisionen und dergleichen gelistet werden. Der aktuelle provisorische Status beträgt nach unserer vorläufigen Berechnung 2.828.370,44 EUR zugunsten [der Klägerin].
[…]
*) Der o.a. Status beinhaltet auch eine große Anzahl offener Geschäftsfälle in Schwebe, die wegen des Embargos von den Lieferanten – hauptsächlich S*****/Deutschland – bis auf weiteres nicht bearbeitet werden können. Diese sind daher bisher auch nicht endgültig abgerechnet und im oben genannten Zwischenstand auch noch nicht endgültig berücksichtigt.
*) Aufgrund der langjährigen guten Geschäftsbeziehung zwischen [der Gesellschaft] und [der Klägerin] habe ich für die Wünsche [der Klägerin] Verständnis. Sollte nun eine andere Modalität als wie bisher die Abwicklung über ein Verrechnungskonto gewünscht werden, so müsste im Gegenzug auch [die Gesellschaft] überprüfen, inwieweit die bisherigen Verrechnungsmodalitäten, die – wie immer beidseitig – nie Verzinsungen, Sicherstellungen, Aufwandersatz für nicht zustande gekommene Projekte etc beinhaltet haben und auch dadurch für [die Klägerin] wesentlich günstiger als bei normaler Abrechnung waren, nicht insofern angepasst werden, als auch beispielsweise die Minussalden zu Lasten [der Gesellschaft] aus der Vergangenheit, normale Konditionen und Aufwandersätze etc entsprechend Berücksichtigung finden.
Ich werde daher eine diesbezügliche Grobanalyse sofort nach meinem Urlaub durchführen und werde Ihnen noch im Juli das Resultat zukommen lassen, das dann mit [der Klägerin] diskutiert werden kann.
Als die Beklagten das bei der Gesellschaft für die Klägerin bestehende Guthaben für andere Geschäfte der Gesellschaft verwendeten, wussten sie von der Vereinbarung, wonach sie dieses Guthaben nur für Geschäfte verwenden hätten dürfen, die die Gesellschaft für die Klägerin tätigt, dass ihnen diese Gelder somit anvertraut waren und dass sie durch den Umstand, dass sie die Gelder anderweitig verwendeten, der Gesellschaft das Geld zueigneten und sie dadurch unrechtmäßig bereicherten. Die Beklagten wollten durch ihr Handeln das anvertraute Geld durch die vertragswidrige Verwendung der Gesellschaft zueignen und sie dadurch unrechtmäßig bereichern. Die Beklagten waren jeweils einzelvertretungsbefugte Geschäftsführer der Gesellschaft, über deren Vermögen letztlich mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29. 10. 2013 das Konkursverfahren eröffnet wurde.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 2.269.978,70 EUR, bestehend aus den Teilbeträgen von 890.000 EUR betreffend die von der Bank in Anspruch genommene Sicherheit sowie von 965.000 EUR betreffend die Rücküberweisung des Kaufpreises an die Gesellschaft durch das Unternehmen S***** und dem (rechnerischen) Restbetrag in Höhe von 414.978,70 EUR aus stehengelassenen Forderungen aus vorangegangenen Bestellungen. Die Beklagten hafteten als Geschäftsführer der Gesellschaft, weil sie durch ihr Verhalten mehrere Straftatbestände erfüllt hätten, darunter auch jenen der Veruntreuung nach § 133 StGB; die Gelder seien der Gesellschaft beziehungsweise den Beklagten anvertraut worden. Darüber hinaus machte die Klägerin Insolvenzverschleppung durch die Beklagten geltend.
Die Beklagten wendeten demgegenüber ein, sie hätten nie treuhändig Gelder für die Klägerin verwaltet. Im Übrigen seien die Forderungen verjährt.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht erklärte darüber hinaus die ordentliche Revision nicht für zulässig. Zwischen der Klägerin und der Gesellschaft sei es zu Kommissionsgeschäften gekommen, wobei die Gesellschaft infolge ihrer ständigen Betrauung die Stellung eines Kommissionsagenten im Sinn des § 383 UGB gehabt habe. Als solcher habe sie die Pflicht gehabt, die Interessen der Klägerin (Kommittentin) zu wahren und alles herauszugeben, was sie zur Ausführung des Auftrags erhalten, aber nicht verwendet habe, also etwa auch nicht verbrauchte Vorschüsse. Die der Gesellschaft von der Klägerin zur Verfügung gestellten Gelder seien ihr somit anvertraut im Sinn des § 133 StGB gewesen. Damit seien die Klagsforderungen aber im Hinblick auf die lange Verjährungszeit des § 1489 ABGB nicht verjährt, worauf sich die Klägerin bereits im Verfahren erster Instanz mit gerade noch ausreichender Deutlichkeit berufen habe.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.
1. Die Gläubiger einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die für ihre Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine oder keine zureichende Deckung gefunden haben, können den Geschäftsführer der Gesellschaft nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen (§§ 1293 ff ABGB) auf Ersatz des Schadens in Anspruch nehmen, den ihnen dieser durch schuldhafte Verletzung eines gerade oder auch zum Schutz der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Gesetzes zugefügt hat (RIS-Justiz RS0023887&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">, vgl auch RS0120155&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False"> [T4]). Eine direkte Inanspruchnahme des Geschäftsführers ist daher etwa nach den allgemeinen Grundsätzen der deliktischen Haftung möglich (; jüngst 6 Ob 244/17a). Auch wer bei Ausübung der Tätigkeit als Geschäftsführer gegen die Gläubiger gerichtete strafbare Handlungen begeht, haftet persönlich gegenüber den Gläubigern für den Schaden (RIS-Justiz RS0023677).
2.1. Die Beklagten stehen in ihrer außerordentlichen Revision (weiterhin) auf dem Standpunkt, sie hätten durch ihr Verhalten nicht den Tatbestand der Veruntreuung verwirklicht. Nach § 133 StGB ist zu bestrafen, wer ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zueignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Dabei liegt zunächst einmal eine Veruntreuung dann nicht vor, wenn ein Betrag in das freie Vermögen einer Person übergeht, die keine gutsbezogenen Fürsorgepflichten treffen. Dies ist insbesondere beim Darlehen der Fall (Salimi in Höpfel/Ratz, WK-StGB² [2017] § 133 Rz 55 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Das gleiche trifft aber auch auf Anzahlungen und Vorauszahlungen zu, weil diese nach dem Vertragsverhältnis in das freie wirtschaftliche Vermögen des Verkäufers übergehen, ohne dass diesen eine auf diese konkrete Sache bezogene Verpflichtung träfe (). Eine Anzahlung erhält der Täter zum Verbrauch; wenn er die versprochene Arbeit nicht ausführt, verletzt er bloß seine Vertragspflichten (). Eine zweckwidrig verwendete Förderung, Beihilfe, Anzahlung oder Vorschusszahlung begründet daher keine Veruntreuung (Salimi aaO Rz 55), es sei denn die Anzahlung hätte den Zweck, dass der Verkäufer sich den Gegenstand erst besorgt, weil diesfalls ein kommissionsähnliches Verhältnis vorliegt (Wach in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch [2010] § 133 Rz 39).
2.2. „Anvertraut“ im Sinn des § 133 StGB ist eine Sache dann, wenn der Täter sie in ihrer Verfügungsmacht hat und ihn zudem spezifische gutsbezogene Fürsorgepflichten hinsichtlich der Sache treffen (Salimi in Höpfel/Ratz, WK-StGB² § 133 Rz 28). Die Verfügungsgewalt über die Sache muss aufgrund eines Rechtsgeschäfts oder eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses mit der Verpflichtung erlangt worden sein, diese Verfügungsmacht entsprechend der vereinbarten Rückstellungs- oder Verwendungspflicht nur im Sinne des Gewaltgebers zu den von ihm bezeichneten Zwecken zu gebrauchen (). Allgemein ist ein Gut daher dann anvertraut, wenn die Verfügungsgewalt darüber auf eine (ganz) bestimmte Verwendungspflicht beschränkt ist (RIS-Justiz RS0093962). Eine solche Verwendungspflicht liegt vor, wenn vereinbarungsgemäß ausschließlich ein bestimmtes sachbezügliches Vermögensinteresse anderer wahrzunehmen ist (RIS-Justiz RS0093962 [T3]).
Für ein „Anvertrauen“ ist eine spezifische Verpflichtung wesentlich, die Sache zurückzugeben, an jemanden weiterzugeben oder für jemanden zu verwenden. Aus der allgemeinen Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen oder aus dem Umstand, jemandem eine bestimmte Sache oder Summe zu schulden, lässt sich (für sich allein) dagegen noch keine den Erfordernissen des § 133 StGB genügende sachbezogene Verpflichtung ableiten, bestimmte Vermögensinteressen des Berechtigten wahrzunehmen, zumal § 133 StGB keineswegs die Aufgabe hat, Vertragswidrigkeiten als solche zu pönalisieren (12 Os 152/09h); auch Gelder, die der Täter bis zur vereinbarten Rückgabe, Weitergabe oder Verwendung für sich verwenden und in eigenen Geschäften anlegen darf, sind ihm nicht „anvertraut“ ().
Werden jedoch Gelder zur Erfüllung ganz bestimmter Aufgaben für den Treugeber übergeben, dann sind sie „anvertraut“ (vgl 13 Os 171/98; ). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Gelder vereinbarungsgemäß an einen Dritten weitergeleitet werden sollen (RIS-Justiz RS0093905&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=17.04.2018&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJR_19950620_OGH0002_0140OS00025_9500000_001">; ; [Architekt, der mit den Geldern Professionisten bezahlen sollte]). Solche Konstellationen kommen insbesondere bei Kommissions- und Inkassogeschäften vor (Salimi in Höpfel/Ratz, WK-StGB² § 133 Rz 31). Dem Verkaufskommissionär sind die zum Verkauf bestimmten Waren (wie auch die dafür eingenommenen Gelder) vom Kommittenten „anvertraut“ (RIS-Justiz ; 12 Os 85/05z [Nichtabfuhr von Verkaufserlösen]; 9 Os 81/84). Dasselbe gilt für die Einkaufskommission: Sowohl die Gelder als auch die gekauften Waren sind dem Kommissionär „anvertraut“; erfasst ist auch der Handwerker, der Geld zum Kauf von Materialien erhalten hat (Salimi in Höpfel/Ratz, WK-StGB² § 133 Rz 64; 11 Os 53/84).
3. Die Beklagten meinen in der außerordentlichen Revision zum Sachverhaltskomplex Rücküberweisung von 965.000 EUR durch das Unternehmen S***** an die Gesellschaft, es habe sich dabei nicht um von der Klägerin anvertrautes Gut gehandelt, womit der Tatbestand des § 133 StGB nicht erfüllt worden sei.
3.1. Die Sache kann dem Täter auch von einer vom Berechtigten (der Klägerin) verschiedenen Person (dem Unternehmen) „anvertraut“ werden (RIS-Justiz ). Die Entscheidung betraf den Betreiber eines Inkassobüros, der sich die bei den Schuldnern seiner Auftraggeber eingetriebenen Beträge zueignete. Der Oberste Gerichtshof qualifizierte dies als Veruntreuung, weil die Verfügungsbefugnis des Angeklagten durch die Verpflichtung zu einer ganz bestimmten Verwendung der Gelder, nämlich deren Herausgabe an die Auftraggeber eingeschränkt gewesen sei. Wird das eingenommene Geld entgegen § 1009 ABGB nicht herausgegeben, dann wird dadurch eine Veruntreuung verwirklicht (RIS-Justiz ). Darüber hinaus sind dann, wenn eine Geldsumme mit dem Auftrag übergeben wird, dafür Waren einzukaufen, nicht nur die Geldsumme und die ursprünglichen damit erworbenen Güter „anvertraut“, sondern auch allfällige Umtauschgegenstände (Salimi in Höpfel/Ratz, WK-StGB² § 133 Rz 33).
3.2. Diese Überlegungen gelten auch für den hier zu beurteilenden Fall der Rücküberweisung eines Kaufpreises an den Kommissionär (die Gesellschaft). Hätte nämlich die Gesellschaft vom Unternehmen etwa eine Warenlieferung erhalten, dann wären ihr beziehungsweise den Beklagten diese Waren als „anvertraut“ anzusehen gewesen; die Gesellschaft beziehungsweise die Beklagten hätten diese Waren an die Klägerin herauszugeben gehabt. Die Klägerin hatte der Gesellschaft das Geld zur Verfügung gestellt, um damit die bestellten Waren beim Unternehmen zu bezahlen; damit wäre die Gesellschaft aber auch verpflichtet gewesen, den rücküberwiesenen Betrag an die Klägerin weiterzuleiten. Dieser Betrag war der Gesellschaft beziehungsweise den Beklagten damit „anvertraut“. Ob die Rücküberweisung „ohne Zutun“ der Beklagten erfolgt war, ist – entgegen der in der außerordentlichen Revision vertretenen Auffassung – irrelevant; die Gesellschaft beziehungsweise die Beklagten waren nach Eingang der Rücküberweisung keinesfalls befugt, frei über das Geld zu verfügen und es in Photovoltaikprojekte zu investieren.
3.3. Die dagegen in der außerordentlichen Revision weiters erhobenen Einwände sind nicht stichhaltig:
Mit der Bestreitung des Vorsatzes der Beklagten versuchen diese bloß, in unzulässiger Weise (RIS-Justiz RS0069246) die Feststellungen der Vorinstanzen anzugreifen; das Erstgericht hat den Vorsatz der Beklagten in Bezug auf die Zueignung der anvertrauten Gelder ausdrücklich festgestellt.
Die Behauptung, das Geschäftskonto der Gesellschaft sei (aus der Sicht der Klägerin) im Minus gewesen, womit es dann offensichtlich zu einer zulässigen Gegenverrechnung gekommen wäre, findet in den Feststellungen keine Deckung; derartiges wurde auch im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet und ließe sich auch mit den übrigen getroffenen Feststellungen nicht in Einklang bringen.
Das Vorbringen, das Unternehmen habe lediglich 930.228,75 und nicht 965.000 EUR zurücküberwiesen, weicht von den Feststellungen der Vorinstanzen ab.
4. Auch hinsichtlich der – mit einem Teilbetrag von 414.978,70 EUR geltend gemachten – „sonstigen“ Forderungen der Klägerin meinen die Beklagten, diese Gelder seien der Gesellschaft nicht anvertraut im Sinn des § 133 StGB gewesen.
4.1. Nach den Feststellungen bestand die Vereinbarung der Klägerin mit der Gesellschaft darin, dass letztere Waren einkaufen und diese dann mit entsprechendem Provisionsaufschlag an die Klägerin weiterverkaufen sollte. Die Klägerin leistete Zahlungen auf ein Konto, dessen Guthaben zur Abwicklung der Kommissionsgeschäfte und zur Abdeckung der Forderungen der Gesellschaft gegenüber der Klägerin verwendet werden sollte und nur für diese Zwecke verwendet werden durfte. Damit sind die Vorinstanzen aber auch insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass die überwiesenen Gelder „anvertraut“ waren. Die Klägerin leistete diese Beträge nicht etwa als Anzahlungen für bestimmte Warenbestellungen, womit sie in das freie Vermögen der Gesellschaft übergegangen wären; vielmehr hatte die Gesellschaft die Gelder ganz spezifisch zu verwenden. Die Qualifikation der Geschäfte zwischen den Streitteilen als Kommissionsgeschäfte wird von der außerordentlichen Revision auch gar nicht bestritten, womit neuerlich auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen ist, dass sowohl die dem Einkaufs- als auch die dem Verkaufskommissionär übergebenen Waren und Beträge im Sinn des § 133 StGB „anvertraut“ sind (Salimi in Höpfel/Ratz, WK-StGB² § 133 Rz 33 und 64 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung).
4.2. Mit der Argumentation, eine Veruntreuung könne jedenfalls nicht die „Überzahlungen“, also jene Beträge, die über die für ein jeweiliges konkretes Projekt notwendigen Beträge hinausgingen, erfassen, entfernt sich die außerordentliche Revision neuerlich von den Feststellungen der Vorinstanzen. Es war vereinbart, dass diese Überzahlungen ausschließlich für (weitere) Geschäfte zwischen der Klägerin und der Gesellschaft verwendet werden durften und die Guthabensbeträge somit für die Klägerin zu verwahren seien. Im Übrigen ist diesen Überlegungen bereits ein Größenschluss entgegenzuhalten: Wenn schon jene Beträge, die sich auf ein bestimmtes Kommissionsgeschäft beziehen, Gegenstand einer Veruntreuung sind, dann muss dies für Zahlungen, die auf ein Verrechnungskonto gelegt werden und vereinbarungsgemäß ausschließlich für zukünftige Geschäfte verwendet werden sollen, erst recht gelten. Eine freie Verfügungsbefugnis der Gesellschaft über diese Beträge bestand jedenfalls nicht.
4.3. Die außerordentliche Revision macht geltend, die Beklagten seien als Geschäftsführer über das Konto der Gesellschaft nicht verfügungsbefugt gewesen. Damit geht sie aber wiederum nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, hat das Erstgericht doch festgestellt, dass „die Beklagten“ das für die Klägerin bestehende Guthaben für andere Geschäfte verwendeten. Im Übrigen wurde die Zeichnungsbefugnis der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht bestritten und waren die Beklagten die beiden einzelzeichnungsbefugten Geschäftsführer der Gesellschaft.
4.4. Nicht nachvollziehbar ist schließlich die Überlegung der Revision, eine Veruntreuung habe hinsichtlich der sonstigen Forderungen der Klägerin nicht begangen werden können, weil diese gegenüber der Gesellschaft bereits verjährt gewesen seien. Die Veruntreuung wurde nicht an einzelnen „Forderungen“ begangen, sondern am Guthaben der Klägerin, das nach der mit der Klägerin getroffenen Vereinbarung nicht für Investitionen in Photovoltaikprojekte ausgegeben werden durfte. Im Übrigen ändert die Verjährung einer Forderung nichts an deren Bestand und rechtlichen Zuordnung, sondern nur an der Klagbarkeit.
5. Nach § 1489 ABGB ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde, der Schade mag durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag verursacht worden sein; ist dem Beschädigten der Schade oder die Person des Beschädigers nicht bekannt geworden oder ist der Schade aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, entstanden, so erlischt das Klagerecht nur nach dreißig Jahren. Dass die Klägerin hier Schäden aufgrund derartiger Handlungen der Beklagten (als Geschäftsführer der Gesellschaft) begehrt (vgl die Strafdrohung des § 133 Abs 2 StGB), ist nicht weiter zweifelhaft und wird insoweit auch in der außerordentlichen Revision nicht bestritten.
5.1. Richtig ist, dass derjenige, der sich auf die lange Verjährungszeit des § 1489 ABGB stützt, deren Voraussetzungen zu behaupten und zu beweisen hat (RIS-Justiz RS0034398 [T3]), gerade dies hat die Klägerin aber bereits in der Klage getan (vgl Seite 9 ff).
5.2. Die weitwendigen Ausführungen der außerordentlichen Revision zur Frage, ob bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche auch dann in drei Jahren verjähren, wenn es sich um Ansprüche im Sinn des § 1486 Z 5 und 6 ABGB handelt, sind nicht ganz verständlich. Die Klägerin macht keine Bereicherungs-, sondern Schadenersatzansprüche geltend.
6. Damit waren aber die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich der Zusprüche von 965.000 und 414.978,70 EUR, insgesamt somit hinsichtlich 1.379.978,70 EUR zu bestätigen und der außerordentlichen Revision insoweit ein Erfolg zu versagen.
7. Hinsichtlich des Teilklagebegehrens von 890.000 EUR kann der Oberste Gerichtshof hingegen eine Veruntreuung der Beklagten nicht erkennen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatten die Beklagten der Klägerin mitgeteilt, dass die Gesellschaft für eine offene Bestellung der Klägerin bei einem Hersteller kein Geld zur Verfügung habe, um diesen zu bezahlen; auch von der Bank bekomme sie keinen Kredit mehr. Daraufhin verpfändete die Klägerin der Bank ein Bankguthaben in Höhe von 890.000 EUR, welche Sicherheit die Bank letztlich in Anspruch nahm, woraufhin dieser Betrag der Klägerin von der Gesellschaft gutgeschrieben wurde.
7.1. Damit haben sich die Beklagten das Geld nicht zugeeignet, sondern hat die Bank die Sicherheit verwertet. Anschließend schrieb die Gesellschaft der Klägerin diesen Betrag auf dem Verrechnungskonto gut. Mit einer solchen (verrechnungstechnischen) Vorgehensweise wurde aber nicht eine Sache (das Geld) anvertraut, die anschließend zweckwidrig verwendet worden wäre. Vielmehr entstand eine Regressforderung der Klägerin (als Sicherheitenbestellerin) gegenüber der Gesellschaft. Dass diese die Regressforderung gegenüber der Klägerin nicht bedienen kann, bedeutet kein strafbares Verhalten im Sinn des § 133 StGB; es wird bloß eine zivilrechtliche Forderung (nämlich der Regressanspruch aus der Inanspruchnahme des Pfands) nicht erfüllt.
7.2. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang allerdings die Annahme eines betrügerischen Verhaltens, wenn die Sicherheit mittels falscher Behauptungen herausgelockt worden sein sollte. Das Vorbringen der Klägerin in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ON 6 (Seite 20 f) deutet in diese Richtung, macht sie doch geltend, dass die Forderungen, für deren Besicherung die von den Beklagten vertretene Gesellschaft das Pfandrecht angeblich benötigte, in Wahrheit längst bezahlt gewesen seien, sodass das verpfändete Bankguthaben offenbar für ganz andere Forderungen der Bank gegen die Gesellschaft verwertet worden sei. Auch in ihrer Berufungsbeantwortung (Seite 22 ff) kommt die Klägerin auf diesen Vorwurf zurück.
Die Vorinstanzen haben zu diesem Themenkreis kaum Feststellungen getroffen, insbesondere nicht festgestellt, für welche Forderungen die Sicherheitsleistung tatsächlich erfolgte und anschließend verwertet wurde und ob die Beklagten der Klägerin gegenüber bei der Verpfändung falsche Angaben gemacht hatten. Für die Beurteilung, ob ein Betrug vorliegt, wäre aber entscheidend, ob die Beklagten im Zeitpunkt der Gespräche mit der Klägerin bezüglich der Notwendigkeit der Bestellung des Pfands den Vorsatz hatten, dass die Sicherheit der Klägerin letztlich für andere Forderungen verwendet werden wird als jene, die sie gegenüber der Klägerin erwähnten: Es ist nämlich ein an einem Sicherheitenbesteller begangener Betrug denkbar, soweit dieser vom Hauptschuldner über die Voraussetzungen zur Sicherheitenübernahme getäuscht und dadurch nach dem Vorsatz des Täters (durch Inanspruchnahme aus der Sicherheit) geschädigt werden sollte (vgl zur Bürgschaft ; vgl auch RIS-Justiz ).
7.3. Das Erstgericht wird diese Fragen mit den Parteien zu erörtern und sodann Feststellungen hiezu zu treffen haben.
8. Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 ZPO.
Textnummer
E122876European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0060OB00075.18Z.0831.000Im RIS seit
15.10.2018Zuletzt aktualisiert am
24.04.2019