TE Lvwg Erkenntnis 2018/9/14 LVwG-2018/30/1413-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.09.2018

Index

L40207 Sicherheitspolizei
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

LPolG Tir 1976 §1 Abs1
LPolG Tir 1976 §4 Abs1
VStG §45 Abs1 Z4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des AA, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 23.05.2018, Zl ****, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz (TLPG),

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und von der Fortführung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG abgesehen und dessen Einstellung verfügt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft y als belangte Behörde Folgendes angelastet:

Tatzeit: 22.05.2016, 22.20 Uhr bis 22.35 Uhr

Tatort:          X, Adresse 2

Sie haben zur oben angeführten Tatzeit und zum oben angeführten Tatort gegen § 1 Abs. 1 Tiroler Landes-Polizeigesetz verstoßen, indem Sie unter sehr lauten Einsatz des Mischwagens die Tiere gefüttert sowie den Laufstall (konkret den Futterbarren) unter Einsatz eines Hoftracs mit einer Metallschaufel bei geöffneten Fenstern lautstark gereinigt haben. Durch diese Tätigkeit, insbesondere durch die dadurch entstehenden sehr lauten Motoren- und Klappergeräusche, wurde lautstark störender Lärm erregt und die unmittelbaren Nachbarn in ihrer Nachtruhe gestört.

Es handelte sich nicht um Tätigkeiten im Rahmen der üblichen Wirtschaftsführung in der Land- und Forstwirtschaft, weil weder eine betriebliche Notwendigkeit für die späte Fütterung der Tiere sowie Reinigung des Futterbarrens bestand, noch es unvorhergesehene Ereignisse, welche eine so späte Reinigung sowie Fütterung notwendig machten, eingetreten wären.

Diese Lärmerregung zu einer Zeit, in der der Großteil der Bevölkerung üblicherweise seine Nachtruhe in Anspruch nimmt, lässt aufgrund der fehlenden betrieblichen Notwendigkeit für eine Rücksichtnahme vermissen, die die Umwelt verlangen, weshalb der Lärm ungebührlicherweise erregt und dadurch gegen § 1 Abs. 1 TLPG verstoßen wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 1 Abs. 1 Tiroler Landes-Polizeigesetz (TLPG) idF LGBl. Nr. 1/2014

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe in Euro

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

100,00

23 Stunden

 

§ 4 Abs. 1 TLPG

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

?    € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

                  € 110,00“

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde Folgendes ausgeführt:

„I.

Der Einschreiter (im Folgenden auch Beschwerdeführer) teilt mit, dass er den einschreitenden Rechtsvertreter mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt hat und Vollmacht erteilt wurde. Der einschreitende Rechtsvertreter beruft sich ausdrücklich auf die mündlich erteilte Bevollmächtigung im Sinne des § 10 AVG.

II.

Der Beschwerdeführer erhebt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y zu Zl **** vom 23.05.2018, zugestellt am 25.05.2018, nachstehende

BESCHWERDE

an das Landesverwaltungsgericht Tirol.

I. Sachverhalt

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 22.05.2016 von 22:20 Uhr bis 22:35 Uhr in X, Adresse 2, unter sehr lautem Einsatz des Mischwagens die Tiere gefüttert sowie den Laufstall (konkret den Futterbarren) unter Einsatz eines Hoftracs mit einer Metallschaufel bei geöffneten Fenstern lautstark gereinigt, wodurch sehr laute Motoren- und Klappgeräusche erzeugt worden wären, die die unmittelbaren Nachbarn in ihrer Nachtruhe gestört hätten. Er habe dadurch in ungebührlicher Weise Lärm erregt. Für eine späte Fütterung der Tiere sowie die Reinigung des Futterbarrens habe weder eine betriebliche Notwendigkeit bestanden noch seien unvorhergesehene Ereignisse, welche eine so späte Reinigung sowie Fütterung notwendig gemacht hätten, eingetreten.

II. Beschwerdeumfang

Das Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten, dessen Aufhebung und die Einstellung des Verfahrens beantragt.

III. Beschwerdegründe

a) Zum Tatzeitpunkt

Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, er habe von 22:20 Uhr bis 22:35 Uhr, sohin über einen Zeitraum von 15 Minuten, die im Spruch genannte Tathandlung begangen.

Ruhezeiten bzw. auf eine „Nachtruhe" als zeitliche Gegebenheit eingeht bzw. eine solche definiert. Vielmehr ist es verboten, ungebührlicherweise störenden Lärm zu erregen (§ 1 TLPG). Tätigkeiten im Rahmen der jeweils üblichen Wirtschaftsführung in der Land- und Forstwirtschaft sind jedoch davon nicht umfasst (§ 5 Abs 3 TLPG).

Der Gesetzgeber hat hier ganz bewusst die Formulierung „jeweils übliche Wirtschaftsführung" gewählt und eben nicht einen starren Zeitrahmen. Insofern kann daher auch seitens der Behörde nicht angenommen werden, dass (ohne auf irgendwelche andere Umstände abzustellen) starr ab 22:00 Uhr Nachtruhe herrschen müsse. Wenn dies so gewollt wäre, hätte der Gesetzgeber einen fixen Zeitpunkt, z.B. 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr

angegeben. Gerade dies ist allerdings nicht der Fall. Entscheidungskriterium ist eben die „jeweils übliche Wirtschaftsführung in der Land- und Forstwirtschaft". Was daher jeweils in diesem Sinn üblich ist, hat die Behörde zu erheben.

Es ist in der Land- und Forstwirtschaft generell üblich, dass nicht „streng nach Zeitplan" gearbeitet werden kann, zumal es in der Landwirtschaft und insbesondere im Bereich der Nutztierhaltung keine Geschäfts- und Betriebszeiten im Sinne der Gewerbeordnung gibt. Es kann aus tiergesundheitlichen, aus technischen und witterungsbedingten Gründen, keine minutengenaue Planung und Einhaltung der Tätigkeiten geben. Es bedarf daher keines Amtssachverständigen, um zu erkennen, dass ein derartig starrer Ablauf von Arbeiten insbesondere in der Landwirtschaft nicht gegeben und durchführbar ist. Man wird hier jedenfalls gewisse Zeiträume und Übergangszeiten bzw. „Toleranzzeiten" in Anschlag bringen müssen.

Dieser Ansicht folgte auch das Landesverwaltungsgericht Tirol unter anderem in seiner Entscheidung vom 28.05.2018 zu LVwG-2018/30/1096-2, in dem es ausführt, dass es für landwirtschaftliche Betriebe keine gesetzlich oder bescheidmäßig vorgeschriebenen Betriebszeiten gibt, an denen die landwirtschaftliche Tätigkeit begonnen werden darf bzw. unterbrochen oder beendet sein muss. Dass gelegentlich landwirtschaftliche Tätigkeiten nach 22:00 Uhr enden, ist für das Landesverwaltungsgericht nachvollziehbar und kommt gelegentlich auch im Rahmen der üblichen Wirtschaftsführung vor. Unüblich seien nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes, landwirtschaftliche Tätigkeiten – insbesondere in der Hofstelle -, die weit in die Nacht hineinreichen oder bereits sehr früh am Morgen bzw. schon in den Nachtstunden beginnen. Gegenständlich reichten die Tätigkeiten jedoch nicht weit in die Nacht hinein, sodass keine unübliche Wirtschaftsführung vorliegt.

Darüber hinaus ist den Feststellungen der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass der Futtertisch um diese Tageszeit nicht gereinigt wird, sondern bei dieser Tätigkeit den Tieren das von ihnen aus einer vorangegangenen Fütterung ausselektierte Futter, welche sie mit dem Maul nicht mehr erreichen können, vor der nächsten Einfütterung oder vor den Nachtstunden wieder vorgelegt (nachgeschoben) wird. Einziger Hintergrund für diese Tätigkeiten ist die generell in der Landwirtschaft übliche Gewährleistung der Futtervorlage für die Nachtzeit und in der Folge das Vermeiden von Stress und damit Lärm, ausgehend von den Tieren.

Beweis:           - Einvernahme Beschwerdeführer

- Einvernahme AA, p. A. Beschwerdeführer, als Zeuge

- Lokalaugenschein

- beizuschaffende Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zu

LVwG-2018/30/1096-2 vom 28.05.2018

b)Zur Beweiswürdigung und Lärmquelle/-sensibilität

In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass die Angaben der Nachbarn (= Zeugen) insofern sehr kritisch zu würdigen sind, zumal diese seit Jahren in einem familienbedingten (und wohl amtsbekannten) ..Dauerstreit" mit dem Beschwerdeführer stehen. Es kann zumindest bei diesen Personen nicht von Personen ausgegangen werden, die ein „normales Lärmempfinden" haben. Das Landesverwaltungsgericht Tirol selbst hat ja bereits in seinen Entscheidungen (LVwG-2017/30/1654-3 vom 13.11.2017; LVwG-2018/30/1095-2 vom 28.05.2018) festgehalten, dass es sich bei diesen Nachbarn um überaus lärmempfindliche/ lärmsensible Personen handelt.

Die Bezirkshauptmannschaft Y hat dies offenbar bereits erkannt und in einer anderen Entscheidung (Straferkenntnis vom 23.11.2017 zu **** bzw. ****) ihr Ergebnis unter anderem damit begründet, dass beim dortigen Fall auch „unabhängige" Zeugen bzw. Dritte eine „Lärmstörung" wahrgenommen hätten, indem diese „wahrheitsbelehrt einvernommen" die „Lärmbelästigung bestätigten".

Umgekehrt lässt sich jedoch daraus schließen, dass die Angaben der Anzeiger bzw. Zeugen höchst kritisch damals gewürdigt wurden und nun erneut höchst kritisch zu würdigen sind bzw. gewesen wären.

Es können daher die Aussagen der Zeugen CC, DD und EE sowie der Zeugin FF nicht schlichtweg als glaubhaft und schlüssig gewertet werden ohne sie einer näheren - vor allem im Zusammenhang mit den zahlreichen Anzeigen in der Vergangenheit - kritischen Prüfung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang ist zudem zu beachten, dass CC und EE beim Landesgericht Innsbruck zu **** gegen GG und AA ein Verfahren führen, welches auf Unterlassung von Lärmimmissionen abzielt. Gegenstand dieses Verfahrens sind eben „Lärmbelästigungen". Ausschlaggebend für dieses Verfahren können unter anderem auch Verwaltungserledigungen sein, wie beispielsweise eben Straferkenntnisse. Die Zeugen haben daher ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Obsiegen dieses Prozesses und sind daher deren Aussagen im Rahmen der verwaltungsbehördlichen Einvernahmen durchaus kritisch zu hinterfragen.

Die Aussagen der Zeugen DD, CC und EE sowie der Zeugin FF sind aus den oben angeführten Gründen offensichtlich weder glaubhaft noch schlüssig. Die Angaben sind daher keinesfalls unkritisch für „bare Münze" zu nehmen, wie es von der Bezirkshauptmannschaft erfolgte.

Im Gegensatz dazu tat die Bezirkshauptmannschaft Y die Behauptungen des Beschwerdeführers schlichtweg als „reine Schutzbehauptungen" ab, ohne sich näher damit zu befassen. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Beweisergebnissen ist hier gänzlich unterblieben.

Es kann anhand der Videoaufzeichnungen, die problemlos einer Manipulation unterzogen werden können, nicht eindeutig festgestellt werden, wann tatsächlich diese Aufzeichnungen gemacht wurden und wo die Lärmquelle war. Darüber hinaus lässt sich anhand von Videoaufzeichnungen schon gar nicht feststellen, wo die Aufnahme der Geräusche stattfand bzw. das Mikrofon platziert war. Es lässt sich auch nicht nachvollziehen, ob bzw. inwiefern hier irgendwelche „Verstärker" verwendet wurden. Dies wäre allerdings kritisch zu hinterfragen gewesen, vor allem vor dem Hintergrund der der Bezirkshauptmannschaft Y hinlänglich bekannten dauernden Streitigkeiten bzw. der laufenden Anzeigen durch die Nachbarn. Eine Lärmmessung wäre daher unter diesem Aspekt tatsächlich erforderlich gewesen, dies wurde jedoch offenbar von der Behörde versäumt.

Beweis:           - Einvernahme Beschwerdeführer

- Einvernahme GG, p. A. Beschwerdeführer, als Zeuge

- beizuschaffender Akt des Landesgerichtes Innsbruck zu ****

- beizuschaffende Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol zu

LVwG-2017/30/1654-3 vom 13.11.2017 und LVwG-2018/30/1095-2 vom

28.05.2018

c) Zum Lärm

Unter Lärm werden Geräusche bezeichnet, die durch Struktur (meist Lautstärke) auf die Umwelt (insbesondere Menschen) störend, belastend oder gesundheitsschädigend wirken. Ob Geräusche als Lärm bewusst wahrgenommen werden, hängt besonders von der Bewertung der Schallquelle durch den Hörer ab.

Gegenständlich wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe unter Einsatz eines Hoftracs mit einer Metallschaufel bei geöffneten Fenstern den Futterbarrens lautstark gereinigt.

Dem ist - wie oben bereits ausgeführt - entgegenzuhalten, dass gegenständlich der Futtertisch nicht gereinigt wurde, auch handelte es sich nicht um ein Einfüttern, sondern um eine absolut übliche Futtervorlage (nachschieben) für die Nachtstunden.

Darüber hinaus wird die Futtervorlage niemals mit einer am Futtertisch direkt aufschlagenden oder aufliegenden Metallschaufel eines Hoftracs durchgeführt, sondern bleibt die Schaufel immer wenige Zentimeter über der Beschichtung, damit diese nicht beschädigt wird. Es wäre wohl absurd, würde ein Landwirt die Beschichtung seines Futtertisches mutwillig malträtieren und zu seinem eigenen Nachteil beschädigen.

Die von dieser Tätigkeit - nämlich der Futtervorlage - ausgehenden Geräusche sind allerdings derart gering, sodass sie bei einem „normgerechten" Menschen, welcher nicht über eine ausgeprägte Lärmsensibilität verfügt, sondern ein normales Lärmempfinden hat, keinerlei Störempfinden auslöst.

Nachdem allerdings diesbezüglich keine ausreichenden Ermittlungs- und Erhebungsergebnisse im Verfahren durchgeführt wurden bzw. fehlen, ist dieses mangelhaft.

Darüber hinaus verursachen ein Traktor und mithin auch ein Hoftrac - beide sind mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet - naturgemäß Geräusche (Motorengeräusche). Grundsätzlich ist jede Person an Motorengeräusche „gewöhnt". Alleine die Teilnahme am Straßenverkehr, die für jede durchschnittliche Person wohl alltäglich ist, macht deutlich, dass Motorengeräusche „zum Alltag" gehören.

Andererseits sind Personen, die sich in ländlichen Gegenden aufhalten, natürlich auch an Motorengeräusche von landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten „gewöhnt". Das Motorengeräusch an sich ist nicht geeignet, hier „ungebührlichen oder störenden Lärm" zu verursachen, wenn die Maschine ordnungsgemäß betrieben wird. Es ist demnach davon auszugehen, dass der Betrieb des Traktors „per se" keinen störenden und ungebührlichen Lärm verursacht.

Die Behörde geht allerdings offensichtlich davon aus, dass der Lärm die Nachbarn in der Nachtruhe gestört hat. Auch dazu fehlen im gesamten Verfahren Erhebungen, in wieweit die „Nachtruhe" bei den betroffenen Nachbarn tatsächlich eine „schalltechnische Ruhe" darstellt. Wenn jemand beispielsweise an einer Bundesstraße sein Wohnhaus errichtet hat und diese Bundesstraße stark frequentiert ist, gibt es einen gewissen „Dauerschallpegel", der auch während der Nachtstunden nicht „abreißt".

d) Strafhöhe

Keinesfalls sachgerecht ist die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe in der Höhe von insgesamt EUR 110,00. Wenn überhaupt, handelt es sich gegenständlich um eine geringfügige Verwaltungsübertretung, sodass gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG die Behörde das Verfahren einzustellen hat, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Folgen seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind.

Darüber hinaus ist als weiterer Milderungsgrund die überlange Dauer des Verfahrens anzuführen; der angebliche Sachverhalt ereignete sich vor mehr als 2 Jahren. Es liegt nicht am Einschreiter, dass das Verfahren derart lange gedauert hat, sodass hier ein Milderungsgrund zu erblicken ist.

Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind gegenständlich jedenfalls gegeben. In rechtlicher Hinsicht ist daher auch mit einer Einstellung vorzugehen im Sinne des § 45 VStG. Einer Verhängung einer Geldstrafe bedarf es nicht.

Es werden daher gestellt nachstehende

ANTRÄGE

1) Vorlage des Aktes **** der Bezirkshauptmannschaft Y an das Landesverwaltungsgericht

Tirol.

2) Der Beschwerde wolle Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben

und das Verfahren gegen den Beschwerdeführer eingestellt werden.

3) in eventu:

Die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe wolle reduziert werden bzw. anstelle

der Geldstrafe eine Mahnung ausgesprochen werden.“

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt und insbesondere auch aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zur Tatzeit unbescholten war. Diese Unbescholtenheit des Beschuldigten wurde strafmildernd gewertet. Erschwerend wurde seitens der belangten Behörde nichts gewertet.

Aus dem durchgeführten Verfahren und den Äußerungen des Anzeigeerstatters und des Beschwerdeführers ergibt sich unstrittig, dass das am angegeben Tattag zur angegebenen Tatzeit (22.20 Uhr bis 22.35 Uhr) eine landwirtschaftliche Tätigkeit im Laufstall des landwirtschaftlichen Betriebes **** in x, Adresse 2, ausgeübt wurde. Im konkreten war der Hoftruck der zum landwirtschaftlichen Betrieb **** gehört im Laufstall in Betrieb und wurde für eine landwirtschaftliche Tätigkeit eingesetzt. Der landwirtschaftliche Betrieb **** wird vom Beschwerdeführer betrieben und geführt. Dass die vom Nachbar angezeigte Lärmerregung in unmittelbarem Zusammenhang des Betriebes des landwirtschaftlichen Betriebes **** stand, ist ebenfalls grundsätzlich unstrittig.

Eine Lärmerregung vor 22.20 Uhr und nach 22.35 Uhr wurde weder angezeigt noch angelastet und ergibt sich eine solche Lärmbeeinträchtigung auch nicht aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt.

Gemäß § 1 Abs 1 TLPG ist es verboten, ungebührlicher Weise störenden Lärm zu erregen. Gemäß § 5 Abs 3 TLPG werden durch die Bestimmung dieses Abschnittes Tätigkeiten im Rahmen der jeweils üblichen Wirtschaftsführung in der Land- und Forstwirtschaft nicht berührt. Unstrittig ist, dass die angezeigte Tätigkeit, nämlich die Verwendung eines Hoftrucks im Laufstall für die Fütterung bzw Nachfütterung grundsätzlich einer üblichen Wirtschaftsführung eines größeren Tiroler Landwirtschaftsbetriebes mit Viehhaltung entspricht. Strittig kann in diesem Zusammenhang nur sein, ob eine solche Tätigkeit in der Nacht konkret kurz nach 22.00 Uhr, zur üblichen Wirtschaftsführung gerechnet werden kann oder nicht. Die belangte Behörde ist, wie auch der angezeigte Nachbar des Beschwerdeführers davon ausgegangen, dass eine solche Tätigkeit nach 22.00 Uhr nicht mehr zur üblichen Wirtschaftsführung gehören würde. Dass es bis 22.00 Uhr jedenfalls zur üblichen Wirtschaftsführung zählt, ergibt sich auch daraus, dass etwaige lärmverbundene landwirtschaftliche Tätigkeiten vor 22.00 Uhr nicht angezeigt oder auch nicht angelastet wurden.

In jedem Fall ist durch den angelasteten Sachverhalt am Tattag zwischen 22.20 Uhr und 22.35 Uhr durch eine landwirtschaftliche Tätigkeit im Stall des Beschwerdeführers ein den anzeigenden Nachbarn störender Lärm erzeugt worden. Der Sachverhalt ist ansonsten grundsätzlich unstrittig.

Die Auswirkung der Übertretung und das Verschulden des Beschwerdeführers sind jedenfalls als gering und unbedeutend anzusehen. Der Beschwerde ist dahingehend zu folgen, dass es für einen landwirtschaftlichen Betrieb keine gesetzlichen oder bescheidmäßig vorgeschriebenen Betriebszeiten gibt, an denen die landwirtschaftliche Tätigkeit begonnen werden darf bzw unterbrochen oder beendet sein muss. Dass gelegentlich landwirtschaftliche Tätigkeiten wie im gegenständlichen Falle kurz nach 22.00 Uhr enden oder bereits vor 06.00 Uhr morgens beginnen, ist nachvollziehbar und kommt gelegentlich auch im Rahmen der üblichen Wirtschaftsführung vor. Unüblich wären Landwirtschaftstätigkeiten, insbesondere auf der Hofstelle, die weit in die Nacht hinreichen oder bereits sehr früh am Morgen bzw schon in den Nachtstunden beginnen. Die Folgen der Übertretung sind im gegenständlichen Falle auch als geringfügig und unbedeutend anzusehen. Die besondere Lärmsensibilität des die Anzeige erstattenden Nachbarn ist jedenfalls auch auf ein gestörtes Nachbarverhältnis zurückzuführen und ist sicherlich auch der im Verfahren aufgezeigte Widmungskonflikt mitursächlich. Diesbezüglich wird auf die vielen Anzeigen des Nachbarn gegen den Beschwerdeführer und dessen Familienangehörigen bei der belangten Behörde hingewiesen.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu Verfügung, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten geringfügig sind.

Im gegenständlichen Verfahren sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten als gering anzusehen. Es liegen somit im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren nach dem TLPG die Voraussetzungen zur Anwendung des § 45 Abs 1 Z 4 VStG jedenfalls vor und war daher der Beschwerde stattzugeben, von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens zu verfügen.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrens-hilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

Lärmerregung; Störung der Nachtruhe; jeweils übliche Wirtschaftsführung; kein störender oder ungebührlicher Lärm;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.30.1413.2

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten