TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/15 99/18/0062

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Veröffentlicht am 15.11.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §31 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des PJ, (geb. 1.3.1980), vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Dezember 1998, Zl. St-264/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 28. Dezember 1998 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 und § 37 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer bezeichne sich als Staatsangehöriger von Sierra Leone; seine Angaben zur Person seien nicht dokumentiert, er besitze keinerlei Personaldokument. Nach seinen Angaben im Asylverfahren (Niederschrift vom 3. November 1997) sei der Beschwerdeführer auf dem Landweg versteckt auf der Ladefläche eines LKW ins Bundesgebiet gelangt; über welchen Staat die Einreise erfolgt sei, sei dem Beschwerdeführer unbekannt. Noch am Tag seiner Einreise, am 30. Oktober 1997, habe der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt, der vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, mit Bescheid vom 24. November 1997 abgewiesen worden sei. Die vom Jugenwohlfahrtsamt des Magistrats der Landeshauptstadt Linz als dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Juni 1998 abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei weder im Besitz eines Einreise- noch eines Aufenthaltstitels.

Der Beschwerdeführer halte sich insofern nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, als er unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sei, er keinen Aufenthaltstitel besitze und ihm nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens auch keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukomme. Die Ausweisung sei in das Ermessen der Behörde gestellt. In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer illegal in das Bundesgebiet gelangt sei und seine Identität in keiner Weise feststehe, sei es gerechtfertigt, im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens von dem der Behörde eingeräumten Ermessen zum Nachteil des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen. Immerhin komme den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.

Die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei noch zu kurz, um davon sprechen zu können, dass durch die Ausweisung ein relevanter Eingriff in das in Österreich geführte Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers erfolgen würde. Es würde sich somit erübrigen, zu prüfen, ob die Erlassung der Ausweisung im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei. Aber selbst wenn von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers gesprochen werden könnte - ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers liege insofern nicht vor, als er ledig sei -, sei die Ausweisung des Beschwerdeführers aus den schon angeführten Gründen (Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle, kein Nachweis über die Identität des Beschwerdeführers) im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) dringend geboten, wozu beitrage, dass sich der Beschwerdeführer zur Einreise eines Schleppers bedient habe. Sich der Grenzkontrolle nicht zu stellen, habe der Beschwerdeführer bei der von ihm gewählten Art der Einreise (versteckt in einem LKW) offenbar in Kauf genommen, sodass ihm - im Gegensatz zu seinem Berufungsvorbringen - die illegale Einreise durchaus vorgeworfen werden könne.

Was die dem Beschwerdeführer in seinem Heimatland Sierra Leone angeblich drohenden Gefahren betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass mit der Verfügung einer Ausweisung ausschließlich die Verpflichtung verbunden sei, auszureisen (§ 40 Abs. 1 FrG), also Österreich zu verlassen. Hingegen werde nicht auch darüber abgesprochen, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) in ein bestimmtes Land abgeschoben werde. Ob der allfälligen Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierre Leone Gründe im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG entgegenstünden, werde sich in dem vom Beschwerdeführer bereits beantragten Feststellungsverfahren ergeben. Was Gründe für die Annahme betreffe, in Sierra Leone könnten das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit "aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen" gefährdet sein, sei auf den für den Beschwerdeführer negativen Ausgang des Asylverfahrens hinzuweisen. Falls sich die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone - sollte diese rechtlich zulässig sein - aus tatsächlichen Gründen als unmöglich erweisen würde, sehe § 56 Abs. 2 FrG die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes, nicht jedoch die Erteilung eines Aufenthaltstitels vor.

Die Erstbehörde habe somit die Ausweisung des Beschwerdeführers zu Recht verfügt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, sah jedoch von der Vorlage einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Ausführungen der belangten Behörde, dass er am 30. Oktober 1997 unter Umgehung der Grenzkontrolle und unter Zuhilfenahme eines Schleppers in das Bundesgebiet gelangt sei und hier über keine Aufenthaltsberechtigung verfüge. Von daher besteht gegen die Auffassung, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte, kein Einwand. Die belangte Behörde kam daher zu Recht zu dem Ergebnis, dass im Beschwerdefall die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG erfüllt sei.

2.1. Die Beschwerde bekämpft indes die Auffassung der Behörde, dass durch die Ausweisung kein relevanter Eingriff in das vom Beschwerdeführer in Österreich geführte Privat- oder Familienleben bewirkt werde. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids sei der Beschwerdeführer bereits mehr als ein Jahr in Österreich aufhältig gewesen, weshalb sein hier geführtes Privat- und Familienleben das für den Beschwerdeführer "einzig relevante" sei. Den Ausführungen der Behörde betreffend das Fehlen eines Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich sei entgegenzusetzen, dass der Beschwerdeführer auch in seinem Heimatland über keinerlei nahe Angehörige mehr verfüge, zumal seine Eltern aus politischen Gründen ermordet worden seien. Es bestünde keinerlei Gefahr, dass der Beschwerdeführer "in das kriminelle Milieu abrutschen könnte", um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Inwiefern der Umstand, dass der Beschwerdeführer unter Zuhilfenahme eines Schleppers nach Österreich eingereist sei, zum Dringend-geboten-sein der Ausweisung beitrage, habe die belangte Behörde nicht begründet.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. September 1998, Zlen. 98/18/0248, 0249, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen zur Gänze unberechtigten Aufenthalt in der Dauer von etwa einem Jahr und zwei Monaten gravierend beeinträchtigt. Im Hinblick darauf hegt der Gerichtshof gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung, wonach selbst unter Annahme eines Eingriffs in die vom § 37 Abs. 1 geschützten Interessen des Beschwerdeführers seine Ausweisung dringend geboten sei, keine Bedenken, sind doch angesichts seines noch keineswegs langen Aufenthaltes die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich nicht so stark ausgeprägt, dass sie schwerer zu gewichten wären, als das genannte öffentliche Interesse. Zum Hinweis des Beschwerdeführers, er habe in seinem Heimatstaat keine nahen Familienangehörigen mehr, ist festzuhalten, dass § 37 FrG sich auf Eingriffe in das in Österreich geführte Privat- und Familienleben bezieht, nicht jedoch die Führung eines Privat- und Familienlebens eines Fremden außerhalb Österreichs gewährleistet (vgl. etwa das zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, wegen der insoweit nicht geänderten Rechtslage auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/18/0117, mwH). Entgegen der Beschwerde erstreckt sich das gewichtige öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens auch auf die Hintanhaltung der Zuhilfenahme von Schleppern durch Fremde bei ihrer Einreise in das Bundesgebiet, also des "Sich-schleppen-Lassens" als eines der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens widerstreitenden Verhaltens (vgl. aus der Rechtsprechung zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, welche auf die Rechtslage nach dem FrG übertragbar ist, das Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/18/0524).

2.3. Auf dem Boden des Gesagten sind auch die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe mit Bezug auf das Privatleben des Beschwerdeführers den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, nicht zielführend.

3.1 Die Beschwerde wirft der Behörde schließlich vor, das ihr gemäß § 33 Abs.1 FrG eingeräumte Ermessen fehlerhaft gehandhabt zu haben. Die Behörde habe ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt, dass der Beschwerdeführer illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und seine Identität nach Auffassung der belangten Behörde nicht feststehe, sie habe bei ihrer Ermessensausübung aber außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer "in durchaus als geregelt zu bezeichnenden Umständen" lebe. Der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers sei bis auf Weiteres durch die Unterstützung im Rahmen eines Projektes der Volkshilfe-Flüchtlingsbetreuung gesichert; es sei daher keinesfalls damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes allfällige kriminelle Taten begehen würde. Nach der rechtskräftigen Beendigung des Feststellungsverfahrens sei allenfalls zu überlegen, inwieweit eine Legalisierung des Aufenthalts des Beschwerdeführers - "allenfalls über § 10 Abs. 4 FrG" - erreicht werden könnte. Auch wenn der Einhaltung der Regelungen betreffend die Einreise und den Aufenthalt von Fremden ein besonders hoher Stellenwert zukomme, hätte die belangte Behörde unter Berücksichtigung der aufgezeigten Umstände im Beschwerdefall von der Erlassung einer Ausweisung Abstand nehmen können, da von der Person des Beschwerdeführers "keinerlei Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich" ausgehe.

3.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Umstand auf, demzufolge die belangte Behörde von dem ihr gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen gehabt hätte. Unter Zugrundelegung der aus Punkt II.2.2. ersichtlichen Erwägungen kann keine Rede davon sein, dass vom Beschwerdeführer keinerlei Gefahr für die öffentliche Ordnung in Österreich ausgingen; an dieser Beurteilung vermögen weder die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Unterstützung zu seinem Lebensunterhalt noch sein Bestreben, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 10 Abs. 4 FrG zu erlangen, etwas zu ändern.

4. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999180062.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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