TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/15 97/10/0054

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Veröffentlicht am 15.11.1999
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Index

L55006 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
BaumschutzG Stmk 1989 §3 Abs4;
BaumschutzV Graz 1995 §1 Abs1;
BaumschutzV Graz 1995 §5 Abs1 litb;
BaumschutzV Graz 1995 §5 Abs1;
BaumschutzV Graz 1995 §5 Abs3;
BaumschutzV Graz 1995 §5 Abs4;
BaumschutzV Graz 1995 §5 Abs5;
BaumschutzV Graz 1995 §5 Abs7;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde 1) des M, 2) des D und 3) des K, alle in Graz, alle vertreten durch Mag. Gerlinde Goach, Rechtsanwalt in Gratkorn, Andreas-Leykam-Platz 2/2/19, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. Februar 1997, Zl. A 17-K-13.367/1995-1, betreffend baumschutzrechtliche Bewilligung und Ersatzpflanzungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vom Zweitbeschwerdeführer mit dem Zusatz "i.V." gefertigten Schriftsatz vom 20. April 1995 zeigten die Beschwerdeführer die beabsichtigte Entfernung von fünf Bäumen auf einem in ihrem Miteigentum befindlichen, näher bezeichneten Grundstück an und gaben gleichzeitig die von allen Beschwerdeführern unterfertigte Erklärung ab, sie würden der beabsichtigen Entfernung als grundbücherliche Miteigentümer zustimmen.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 9. August 1995 wurde dem Zweitbeschwerdeführer untersagt, die Bäume wie beabsichtigt zu entfernen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei den verfahrensgegenständlichen Bäumen handle es sich um nach den Bestimmungen des Stmk. Baumschutzgesetzes und der Grazer Baumschutzverordnung geschützte Laub- und Nadelgehölze. Da ein Teil der erforderlichen Unterlagen (Grundbuchsauszug, Baugenehmigung) nicht innerhalb der dafür gesetzten Frist vorgelegt worden sei, habe die geplante Maßnahme als den gesetzlichen bzw. den Verordnungsbestimmungen widersprechend angesehen und daher untersagt werden müssen.

Der Zweitbeschwerdeführer erhob Berufung.

Die Berufungsbehörde holte das Gutachten eines Amtssachverständigen ein. Dieser führte aus, eine Besichtigung des Grundstückes am 29. Juli 1996 habe ergeben, dass von den in der Anzeige vom 20. April 1995 genannten Bäumen bereits vier entfernt worden seien. Derzeit seien Umbauarbeiten am bestehenden Gebäude im Gange. Nach Fertigstellung der geplanten Bauarbeiten und nach Abzug der verbauten Flächen (Altbestand, geplanter Zubau westseitig, Zufahrtsbereich nördlich und Stiegenaufgang südlich) würde eine Fläche von ca. 490 m2 für Ersatzpflanzungen verbleiben. Entlang der Südseite des Gebäudes betrage der Abstand vom Gebäude zur Grundgrenze 4,0 m; im östlichen Bereich befinde sich ein Zugang (Stiege). Eine Baumpflanzung in diesem Bereich erscheine auf Grund der zu erwartenden Beschattung (Ost- und Südseite) nicht sinnvoll, sodass sich nur mehr die westlichen Grundstücksteile (ca. 280 m2) für eine Ersatzpflanzung anböten. Da sich an der Westseite des geplanten Zubaues mehrere Balkone befänden, erscheine in diesem Bereich eine Ersatzpflanzung mit maximal drei Bäumen (Laubbaum, Stammumfang 20/25 cm, Baumschulqualität) sinnvoll. Im südlichen und westlichen Teil des Gebäudes würden sich in Zukunft Arbeitsräume, Zimmer (wahrscheinlich Wohnzimmer) und ein Dachatelier befinden. Diese Räume stellten gegenüber den nordseitig situierten Räumen (Küche, Bad u.dgl.) höhere Ansprüche an Lichtverhältnisse. Eine Ersatzpflanzung mit den notwendigen fünf Stück würde sich daher in Zukunft nachhaltig (gemeint: nachteilig) auf die Wohnqualität auswirken. Für zwei Stück wäre daher eine Ausgleichsabgabe vorzuschreiben.

Der Erstbeschwerdeführer hielt dagegen, dass die verbleibende Restfläche von 490 m2 jedenfalls ausreiche, um eine Ersatzpflanzung von fünf Bäumen vorzunehmen und verwies auf einen Bepflanzungsplan, dem zufolge an der Westseite vier Fichten, an der Süd-Ost-Ecke ein Ahorn oder eine Esche und im nordwestlichen Bereich zwei weitere Bäume (Ahorn, Eschen oder Rotbuchen) Platz fänden, ohne dass eine Beeinträchtigung der Wohnqualität zu erwarten sei.

Hiezu führte der Amtssachverständige aus, dass bei einer Bepflanzung der westlichen Grundstücksgrenze mit Fichten ein Abstand von 4,0 m zu der dort beabsichtigten Lärmschutzwand eingehalten werden müsste. Weiters werde nochmals auf die Bedenken hinsichtlich einer Einschränkung der Wohnqualität durch eine Bepflanzung, wie sie vom Erstbeschwerdeführer beabsichtigt sei, hingewiesen. Fichten erreichten im ausgewachsenen Zustand eine Höhe von 20 m bis 25 m. Auch durch den Abstand von ca. 15,0 m und einer Gesamthöhe des Gebäudes von 11,0 m sei daher mit einer Beeinträchtigung der westlich gelegenen Zimmer durch Schattenbildung zu rechnen, die zufolge der beabsichtigten Verwendung von Nadelgehölzen außerdem das ganze Jahr über gegeben sei. Auch die Baumarten Esche, Ahorn und Rotbuche erreichten im ausgewachsenen Zustand eine durchschnittliche Höhe von 20 m bis 25 m. Der an der Süd-Ost-Ecke geplante Baum werde daher zu einer Beschattung der südlichen Gebäudeseite führen, vor allem in der ersten Tageshälfte. Sollte der Grundeigentümer jedoch die "entstehende Beschattung des Gebäudes der verringerten Wohnqualität unterordnen", dann sei der Grazer Baumschutzverordnung durch eine Ersatzpflanzung laut eingereichtem Bepflanzungsplan (vier Fichten, eine Esche oder Ahorn und zwei Eschen oder Rotbuchen mit Stammumfang von 20/25 cm in Baumschulqualität) Rechnung zu tragen. Der (ursprüngliche) Vorschlag, drei Bäume zu pflanzen und für zwei Bäume Ausgleichsabgaben zu entrichten, habe auf der Begehung vom 29. Juli 199 beruht, wo eine teilweise Bepflanzung der westlichen Grundstückshälfte noch vorhanden gewesen sei. Dieser Platz sei daher für eine mögliche Ersatzpflanzung nicht eingerechnet worden. Es liege jedoch nicht im Sinne der Grazer Baumschutzverordnung, eine bestehende Bepflanzung, die nicht unter dem Schutz der Verordnung stehe, zu entfernen, um eine Ersatzpflanzung durchführen zu können.

In seiner abschließenden Stellungnahme bemerkte der Erstbeschwerdeführer, dass die beabsichtigten Ersatzpflanzungen eine Fällung von Obstbäumen nicht erforderlich machten.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. Februar 1997 wurde unter Spruchpunkt I dem Zweitbeschwerdeführer die Bewilligung zur Vornahme der angezeigten Schlägerung - in Ansehung von vier Bäumen nachträglich - erteilt und unter Spruchpunkt II den im Grundbuch eingetragenen Eigentümern des in Rede stehenden Grundstückes die - näher beschriebene - Ersatzpflanzung und -erhaltung von zwei Laubbäumen in der nordwestlichen Bauplatzecke und eines Laubbaumes in der südwestlichen Bauplatzecke aufgetragen und ihnen, weil die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung auf der westlichen Bauplatzfläche im Ausmaß von 280 m2 nicht ganz erfüllt werden könne, eine Ausgleichsabgabe in Höhe von S 16.000,-- vorgeschrieben. Begründend wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen ausgeführt, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für eine Bewilligung zur Entfernung der fünf angezeigten Bäume seien erfüllt. Was die Ersatzpflanzungen hiefür betreffe, sei es nicht Ziel der Grazer Baumschutzverordnung, die Wohnqualität durch zu umfangreiche Pflanzung von Bäumen zu beeinträchtigen. Es liege im Gegenteil in einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Wohnhygiene ein Ausnahmetatbestand von der Pflicht zur Erhaltung geschützter Bäume. Vielmehr müssten die Ersatzpflanzungsbäume in einem entsprechenden Abstand auf möglichst natürliche Weise aufkommen können, damit sie auch erhalten blieben. Demgemäß könne im vorliegenden Fall die Ersatzpflanzungspflicht auf dem gegenständlichen Grundstück nicht zur Gänze erfüllt werden, sodass insoweit eine Ausgleichsabgabe vorzuschreiben sei.

Gegen diesen Bescheid - ihrem Inhalt nach nur gegen Spruchpunkt II dieses Bescheides - richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 der im vorliegenden Fall anzuwendenden Grazer Baumschutzverordnung 1995 ist der Baumbestand im Gebiet der Stadt Graz - entsprechend den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 Stmk. Baumschutzgesetz 1989 - zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der heimischen Artenvielfalt, des örtlichen Kleinklimas sowie einer gesunden Wohnumwelt für die Bevölkerung bzw. zur Sicherung des typischen Orts- und Landschaftsbildes nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Verordnung geschützt.

Gemäß § 5 Abs. 1 der zitierten Verordnung ist, wenn

a) die Entfernung von unter Schutz gestellten Bäumen - ausgenommen im hier nicht in Betracht kommenden Fall des § 4 Abs. 1 lit. b - genehmigt wird oder

b) eine Maßnahme gemäß § 4 Abs. 1 (das ist das Fällen, Ausgraben, Aushauen, Ausziehen, Abbrennen, Entwurzeln oder sonstige Entfernen von unter Schutz gestellten Bäumen) oder Abs. 3 (das ist die Verwendung des pflanzlichen Lebensraumes von unter Schutz gestellten Bäumen zum Nachteil des Bestandes) ohne Anzeige an oder vor Entscheidung durch die Behörde durchgeführt wird und der Grundeigentümer (die Miteigentümer) die Maßnahme geduldet hat (haben) oder zumindest von ihr wissen musste (mussten)

eine Ersatzpflanzung vorzuschreiben.

Das Ausmaß der Ersatzpflanzung bestimmt sich gemäß § 5 Abs. 2 der zitierten Verordnung derart, dass für jeden entfernten Baum ein Baum in Baumschulqualität mit einem Stammumfang von 20/25 cm in 1,00 m Höhe, bei Bäumen mit einem Kronenansatz unter 1,0 m Höhe an dieser Stelle, zu pflanzen und zu erhalten ist. Die Verwendung von Obstbäumen, ausgenommen solcher nach § 1 Abs. 3 des Stmk. Baumschutzgesetzes 1989, ist als Ersatzpflanzungsgut nicht zulässig.

Die Durchführung der Ersatzpflanzung obliegt gemäß § 5 Abs. 3 der zitierten Verordnung dem Grundeigentümer (den Miteigentümern) und ist auf denselben Grundstücken, auf denen sich die entfernten Bäume befunden haben, vorzunehmen.

Gemäß § 5 Abs. 4 der zitierten Verordnung sind Standort, Ausmaß und Zeitpunkt der Ersatzpflanzung in jener schriftlichen Entscheidung vorzuschreiben, mit der die Entfernung von geschützten Bäumen genehmigt wird, im Falle des Abs. 1 lit. b in einer gesonderten Entscheidung. Wenn es zur Sicherung der im Stmk. Baumschutzgesetz 1989 genannten Ziele erforderlich ist, kann die Behörde bei der Vorschreibung der Ersatzpflanzung auch die Art der Ersatzpflanzungsbäume festlegen.

Kann die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung nach den vorstehenden Bestimmungen nicht oder nicht zur Gänze erfüllt werden, so ist gemäß § 5 Abs. 7 der zitierten Verordnung in der schriftlichen Entscheidung gemäß Abs. 4 festzustellen, in welchem Ausmaß der Ersatzpflanzungsverpflichtung nicht entsprochen werden kann.

Wird in einer schriftlichen Entscheidung gemäß § 5 Abs. 4 festgestellt, dass die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung nicht voll erfüllt werden kann, so ist eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.

Mit Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird den Beschwerdeführern als den Miteigentümern des in Rede stehenden Grundstückes die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung von drei - näher beschriebenen - Bäumen auferlegt, festgestellt, dass die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung in Ansehung von zwei weiteren Bäumen nicht erfüllt werden kann und ihnen hiefür eine Ausgleichsabgabe vorgeschrieben. Solcherart greift der angefochtene Bescheid in die Rechtsstellung der Beschwerdeführer ein und ist geeignet, diese im Falle seiner Rechtswidrigkeit zu verletzen.

Im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde sind daher gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG alle drei Beschwerdeführer berechtigt, gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid dem Erstbeschwerdeführer und dem Drittbeschwerdeführer "als Grundeigentümer zur Kenntnis und ohne Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof" zugestellt hat, vermag daran nichts zu ändern. Denn zum einen ist die Beurteilung der Beschwerdeberechtigung gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ausschließlich Sache des Verwaltungsgerichtshofes, der dabei an behördliche Erklärungen nicht gebunden ist, und zum anderen kann gemäß § 26 Abs. 2 VwGG eine Beschwerde bereits erhoben werden, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist.

In ihrer - somit zulässigen - Beschwerde bringen die Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass ein Fall des § 5 Abs. 1 lit. a der Grazer Baumschutzverordnung 1995 vorliege; vielmehr liege ein Fall des § 5 Abs. 1 lit. b der genannten Verordnung vor.

Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Ziel.

Werden nämlich unter Schutz gestellte Bäume vor der Entscheidung der Behörde über die Anzeige gefällt, so ist - soweit die Vorschreibung einer Ersatzpflanzung an den Grund- oder die Miteigentümer überhaupt in Frage kommt - diese ebenso wie die ( allfällige ) Feststellung, dass die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung nicht oder nicht zur Gänze erfüllt werden kann, gemäß § 5 Abs. 4 der zitierten Verordnung in einer "gesonderten Entscheidung", also nicht in der Entscheidung über die Genehmigung der Entfernung der Bäume zu treffen. Die Vorschreibung der Ersatzpflanzung stellt in diesem Fall keine Nebenbestimmung einer Entfernungsbewilligung, sondern den Gegenstand eines eigenen Verfahrens dar.

Die Berufungsbehörde ist daher in einem solchen Fall nur insoweit berufen, über die Frage einer Ersatzpflanzung eine Sachentscheidung im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG zu treffen, als hierüber bereits eine Sachentscheidung der Unterbehörde vorliegt.

Im vorliegenden Fall ist die belangte Behörde, indem sie spruchgemäß eine nachträgliche Schlägerungsbewilligung für vier Bäume erteilte, selbst davon ausgegangen, dass unter Schutz gestellte Bäume bereits vor der behördlichen Entscheidung über die Anzeige gefällt worden waren. Der erstinstanzlichen Entscheidung ist kein Abspruch über eine Verpflichtung zur Ersatzpflanzung bzw. keine Feststellung zu entnehmen, dieser Verpflichtung könne nicht oder nicht zur Gänze entsprochen werden. Die belangte Behörde hat daher, indem sie den Beschwerdeführern eine Ersatzpflanzung nicht nur für den zur Entfernung angezeigten, im Entscheidungszeitpunkt noch stockenden Baum vorschrieb, sondern auch für die bereits entfernten, über eine Angelegenheit entschieden, die nicht den Gegenstand des erstbehördlichen Bescheides gebildet hat. Sie hat daher die Grenzen ihrer Befugnis zur Entscheidung in der Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG überschritten, weshalb sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde als inhaltlich rechtswidrig erweist.

Diese Rechtswidrigkeit betrifft den gesamten Spruchpunkt II, weil diesem nicht entnommen werden kann, für welche der unter Punkt I genannten Bäume eine Ersatzpflanzung vorzunehmen ist und für welche eine Ersatzpflanzung als nicht ausführbar festgestellt wurde. Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Gänze aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof aus Gründen der Verfahrensökonomie zu folgenden Bemerkungen veranlasst:

Die belangte Behörde leitet zu Recht aus den Bestimmungen der §§ 1, 4 und 5 der Grazer Baumschutzverordnung 1995 ab, dass die Vornahme einer Ersatzpflanzung nur dann in Betracht kommt, wenn eine Entwicklung des betreffenden Baumes im Sinne der Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 der zitierten Verordnung zu erwarten ist. Es könnte daher eine Ersatzpflanzung, von der anzunehmen ist, dass sie im Gegenteil zu einer ( unzumutbaren ) Beeinträchtigung der Wohnhygiene führen wird, nicht vorgeschrieben werden. Vielmehr hätte in einem solchen Fall die Feststellung zu erfolgen, dass insoweit der Ersatzpflanzungsverpflichtung nicht entsprochen werden kann.

Unter diesen Gesichtspunkten obliegt es der Behörde, auch den Standort der Ersatzpflanzung vorzuschreiben. Sie ist bei Vorschreibung der Ersatzpflanzung an Vorschläge des Verpflichteten zwar nicht gebunden, eine davon abweichende Vorschreibung ist allerdings nur zulässig, wenn dies zur Erfüllung der baumschutzrechtlichen Bestimmungen erforderlich ist ( vgl. auch § 5 Abs. 5 und 7 der zit. Verordnung).

Erachtet die Behörde eine vom Verpflichteten beabsichtigte Ersatzpflanzung als ungeeignet, den dargelegten Erfordernissen zu entsprechen, so bedarf diese Beurteilung einer nachvollziehbaren fachlichen Begründung. Der Hinweis eines gartenbautechnischen Sachverständigen, die auf Grund der Höhe der erwachsenen Bäume zu erwartende Beschattung werde sich "nachteilig auf die Wohnqualität" auswirken, reicht dafür allerdings nicht aus. Zum einen kann nämlich bei der Beurteilung der zu erwartenden Schattenwirkung nicht ohne weiteres von der durch erwachsene Bäume erreichbaren Höhe und Dichte ausgegangen werden; ist doch gemäß § 3 Abs. 4 des Stmk. Baumschutzgesetzes 1989 das ohne Gefährdung des Bestandes vorgenommene Schneiden (Stutzen) von unter Schutz gestellten Bäumen, das u.a. der Auslichtung dient, nicht verboten. Zum anderen bleibt offen, nach welchem Maßstab eine Verringerung der Wohnqualität durch Beschattung angenommen wird, sodass nicht beurteilt werden kann, ob durch die solcherart festgestellten "nachteiligen Auswirkungen auf die Wohnqualität" die Voraussetzungen für eine Feststellung gem. § 5 Abs. 7 der zit. Verordnung tatbestandsmäßig erfüllt sind.

Das eingeholte Sachverständigengutachten vermag aber auch keine taugliche Grundlage für die Feststellung zu liefern, nur Teile des westlichen Grundstücksbereiches im Ausmaß von 280 m2 kämen für eine Ersatzpflanzung in Frage. Der Sachverständige hat nämlich selbst eingeräumt, bei seiner Berechnung eine Fläche mit bestehender Bepflanzung (Sträucher und Obstgehölze) ausgeklammert zu haben, weil es "nicht im Sinne der Grazer Baumschutzverordnung" liege, "eine bestehende Bepflanzung, welche nicht unter dem Schutz der Verordnung steht, zu entfernen, um eine Ersatzpflanzung durchführen zu können".

Die Bestimmung der für eine Ersatzpflanzung zur Verfügung stehenden Fläche durch den Sachverständigen beruht somit nicht auf einer fachlich begründeten Beurteilung. Sie erweist sich daher schon aus diesem Grunde als unschlüssig.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige offenbar den erstinstanzlichen Bescheid gefertigt hat. Sowohl im erstinstanzlichen Bescheid als auch im Sachverständigengutachten (samt Ergänzung) ist der (unleserlichen) Unterschrift der Name "Ing. Thomas Speer" beigefügt. Hat der Amtssachverständige solcherart jedoch an der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides mitgewirkt, so steht gemäß § 53 Abs. 1 AVG seiner Beiziehung im Berufungsverfahren der Befangenheitsgrund des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG entgegen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 1999

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein Gutachten rechtliche Beurteilung Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997100054.X00

Im RIS seit

02.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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