TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/8 LVwG-S-1761/001-2017

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Veröffentlicht am 08.08.2018
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Entscheidungsdatum

08.08.2018

Norm

GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §366 Abs1 Z2
VStG 1991 §44a Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Hofrat Dr. Kindermann-Zeilinger über die Beschwerde des A, geb. ***, ***, ***, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 30. Juni 2017, GZ: ***, betreffend Bestrafung nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO),

zu Recht:

I.

Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.

II.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG waren dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen.

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten vom 30.06.2017, ***, wurde über den Beschuldigten A wegen einer Übertretung nach § 74 Abs. 2 i.V.m. § 366 Abs. 1 Z 2 GewO gemäß § 366 Abs. 1 Einleitungssatz GewO eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 93 Stunden) verhängt und ihm die Tragung eines anteiligen Kostenbeitrages zum behördlichen Verwaltungsstrafverfahren in der Höhe von € 100,-- auferlegt.

In diesem Straferkenntnis wird dem Beschuldigten die Verwaltungsübertretung wie folgt angelastet:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Zeit:            21.03.2017

Tatbeschreibung:

Sie haben es als Gewerbeinhaber des Handelsgewerbes mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe im Standort ***, ***, zu verantworten, dass die gegenständliche Betriebsanlage, bei der es sich um eine genehmigungsp?ichtige Betriebsanlage gem. § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung handelt, zum gegenständlichen Zeitpunkt errichtet und ohne die erforderliche Genehmigung betrieben haben. Es liegt für diese Betriebsanlage keine BetriebsanIagen-genehmigung vor.“

In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 10.07.2017 erklärt der Beschuldigte, das Straferkenntnis in seinem gesamten Umfang einschließlich der Höhe der über ihn verhängten Strafe anzufechten und verweist in diesem Zusammenhang auf seine Gewerbeberechtigung und die im September 2016 erfolgte Anmeldung sowie die Eröffnung des Geschäfts mit Dezember 2016 und die Unterstützung durch die Wirtschaftskammer NÖ bei der sich ergeben habenden Erweiterung.

Ohne auf die Beschwerdeausführungen und die Ausführungen hinsichtlich der Bekämpfung des Strafausspruches näher einzugehen, wird seitens des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zur vorliegenden Beschwerde im Zusammenhalt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und dem von der Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt in rechtlicher Hinsicht Folgendes festgestellt:

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.

die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.

die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.

eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z 2 GewO begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Es ist demnach rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass eine eindeutige Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat auch hinsichtlich des Ortes und der Zeit unverwechselbar feststeht.

„Unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat“ bedeutet, dass im Spruch eines Straferkenntnisses, genauer: in der Tatumschreibung, dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf zu machen ist, dass dieser rechtlich in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um diesen widerlegen zu können; weiters muss der Beschuldigte geschützt werden, wegen selbigen Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Das Ausmaß der gebotenen Konkretisierung ist nicht isoliert zu betrachten und hängt vom einzelnen Tatbild und den Gegebenheiten des Falles ab.

Die Bestimmung des § 366 Abs. 1 Z 2 GewO enthält zwei Tatbestände. Zum einen ist es strafbar, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung errichtet und zum anderen ist ebenso strafbar, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung betreibt.

Im angefochtenen Straferkenntnis werden beide Tatbestände angelastet, dies unter Bezugnahme auf nur einen einzigen Tattag und unter Verhängung nur einer einzigen Verwaltungsstrafe.

Abgesehen davon ist aber nicht jede Errichtung und jedes Betreiben einer gewerblichen Betriebsanlage genehmigungspflichtig, sondern nur dann, wenn die Errichtung bzw. der Betrieb geeignet sind, die in § 74 Abs. 2 GewO umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen.

Gegenstand eines Verwaltungsstrafverfahren und daher Tatbestandselement der angelasteten Verwaltungsübertretung ist somit die nach § 74 Abs. 2 GewO mit der Errichtung bzw. dem Betrieb der gewerblichen Betriebsanlage verbundene personenbezogene (§ 74 Abs. 2 Z 1 und 2) oder tätigkeits- bzw. sachbereichsbezogene (§ 74 Abs. 2 Z 2 bis 5) konkrete Eignung, die in der zitierten Gesetzesstelle näher bezeichneten Auswirkungen hervorzurufen (vgl. dazu VwGH v. 25.02.2004, 2002/04/0013).

Dadurch dass im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses der erhobene Vorwurf - ohne konkrete Anführung eines Genehmigungstatbestandes nach § 74 Abs. 2 GewO - lediglich damit verknüpft wird, dass “es sich um eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage gem. § 74 Abs. 2 Gewerbeordnung handelt“, nimmt die belangte Behörde in Wahrheit eine rechtliche Bewertung eines nicht näher präzisierten Tatverhaltens vor. Erst durch die Anführung jener konkreten Umstände bei der Errichtung oder dem Betrieb der Betriebsanlage, aufgrund deren Eignung einer möglichen Beeinträchtigung oder Gefährdung der Schutzinteressen nach § 74 Abs. 2 GewO wird die (behördliche) Annahme einer Genehmigungspflicht – nicht zuletzt für den Beschuldigten – nachvollziehbar und im Rechtsmittelweg überprüfbar.

Somit hat die Behörde die vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 44a Z 1 VStG konkretisiert.

Da dieser Rechtsmangel auch der im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29.05.2017) anhaftet, ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 31 Abs. 1 VStG vom zwischenzeitig erfolgten Eintritt der Verfolgungsverjährung auszugehen, weshalb es dem erkennenden Gericht nicht mehr erlaubt ist, die entsprechenden Ergänzungen im Spruch des Straferkenntnisses nachzuholen bzw. vorzunehmen.

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage festgestanden hat, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die ordentliche Revision war im vorliegenden Fall nicht zuzulassen, da die Entscheidung nicht von der (auch oben zitierten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und im Übrigen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen ist.

Schlagworte

Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Betriebsanlage; Genehmigung; Verfahrensrecht;
Konkretisierung; Tatvorwurf; Tatumschreibung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.1761.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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