TE Bvwg Erkenntnis 2018/5/30 W168 2178068-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.2018
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Entscheidungsdatum

30.05.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2178068-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zahl 15-1087137206 / 151349845, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.03.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 i. d. g. F., § 9 BFA-VG i. d. g. F. und §§ 52, 55 FPG i. d. g. F. als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste unberechtigt in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.09.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung gab der BF an, ledig und in Panjsher, Afghanistan geboren zu sein. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab dieser an, dass er Angst vor den Taliban gehabt hätte. Er und seine Familie seien bedroht worden. Der Vater des BF wäre bei dem Militär. Er hätte nicht gewusst, was die Taliban von ihm wollten. Sein Vater wäre verhaftet worden. Er hätte Angst gehabt und wäre deshalb geflohen. Befragt zu den Befürchtungen bei einer Rückkehr führte der BF aus, dass er dies nicht wisse. Die Schleppung nach Europa wäre schlepperunterstützt vorgenommen worden und hätte USD 2000 gekostet. Zu dem Schlepper befragt, führte der BF aus, dass er sich daran nicht erinnern könne.

I.3. Am 10.10.2017 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der BF zusammenfassend aus, dass der Vater des BF als Sicherheitsbeauftragter im Sicherheitsamt gearbeitet hätte. Dieser hätte den Auftrag gehabt mit 10 weiteren Personen nach Kunduz zu gehen um dort gegen die Taliban zu kämpfen. Später hätte der BF von seinen Freunden erfahren, dass der Vater von den Taliban als Geisel genommen worden wäre. Es wäre in Folge versucht worden über die Dorfältesten einen Kontakt mit den Taliban herzustellen, damit diese ihn freilassen würden. Ein Cousin wäre als Bodyguard mit dem Vater in Kunduz gewesen und dieser wäre getötet worden. Die Taliban einen Tausch verlangt. Die Freilassung eines gewissen XXXX , der von den Amerikanern in XXXX inhaftiert worden wäre, verlangt. Im Gegenzug hätten die Taliban den Vater des BF freigelassen. Ein solcher Tausch wäre letztlich nicht möglich gewesen. Über eine Vermittlerfamilie, die für eine Unterredung auch in das Haus des BF eingeladen worden wäre, wäre ein Kontakt mit den Taliban hergestellt worden. Die Taliban hätten jedoch letztlich ausschließlich auf der Freilassung dieser Person bestanden und wären auch nicht auf ein Angebot betreffend der Bezahlung eines Ablösegeldes eingegangen. Die Mutter des BF hätte der Vermittlerfamilie letztlich von der Nebentätigkeit des BF als Taxifahrer erzählt. Eines Tages, als der BF einen Soldaten aus XXXX als Fahrgast im Auto gehabt hätte, hätte jemand nach dem BF gerufen. Diese Personen hätten den BF aufgefordert stehen zu bleiben. Dies hätte der BF jedoch nicht getan. Daraufhin hätten die rufenden Personen auf das Taxi und damit auf diesen und den Fahrgast geschossen. Der Soldat wäre auf der Stelle tot gewesen. Der BF wäre in Folge zur Polizei gegangen und hätte diesen Vorfall gemeldet. Doch die Polizei hätte sich in Folge nie mehr bei dem BF gemeldet. Nach diesem Vorfall hätte der BF Angst gehabt, da dieser wissen würde, dass die Vermittler Familie diesen erkannt hätte. Da der BF davon ausgehen würde, dass auch er irgendwann umgebracht werden würde, hätte er keine andere Wahl gehabt als auch das Land zu verlassen. Sonstige Fluchtgründe wurden nicht erstattet. Seitens des BFA dahingehend befragt, warum nur der BF bedroht worden wäre und nicht auch weitere Familienmitglieder, bzw. seine Geschwister, antwortete der BF, dass die Vermittlerfamilie nur mit den BF und seiner Mutter in Kontakt gestanden hätte, bzw. seine Mutter nicht oft aus dem Haus gehen würde, bzw. er hingegen immer wieder aus dem Haus gehen müsse. Dahingehend befragt, dass dieser angegeben habe, dass die Vermittlerfamilie sogar bei seiner Familie zu Hause gewesen wäre und diese somit auch die anderen Familienmitglieder aufspüren könnten, antwortete der BF, dass er dafür keine Erklärung habe, bzw. er die Gründe nicht wisse. Befragt warum er davon ausgehen würde, dass die Schüsse auf ihn und nicht vielleicht auch gezielt auf den Soldaten abgefeuert worden wären, der Soldat wäre ja durch die Schüsse getötet worden, wohingegen der BF nicht einmal verletzt worden wäre, antworte dieser, dass dies reiner Zufall gewesen wäre. Dahingehend befragt, warum der BF annehmen würde, dass die Schüsse von Mitgliedern der Vermittlerfamilie abgefeuert worden wären, antwortete dieser, dass er sonst keine Feinde hätte. Darauf hingewiesen, dass er während der Erstbefragung angeführt habe, nicht zu wissen, was die Taliban von ihm wollen würden, nunmehr jedoch konkrete Gründe anführe, antwortete der BF, dass er dies bei der Erstbefragung nicht so genau erklärt habe, da er müde gewesen wäre. Er hätte für rund 25 Tage keinen guten Schlaft gehabt. Darauf aufmerksam gemacht, dass er während der Erstbefragung auch ausgeführt habe, dass er noch nie gearbeitet hätte und nunmehr darlege, dass er als Taxifahrer gearbeitet hätte, führte dieser aus, dass er es vergessen hätte zu sagen, dass er als Taxifahrer gearbeitet habe. Seitens des BFA befragt, welche Befürchtungen dieser im Fall einer eventuellen Rückkehr hätte, antwortete dieser, dass die (Vermittler-)Familie diesen vielleicht finden und töten würde. Durch das BFA darauf hingewiesen, dass der BF bei der Erstbefragung auf diese Frage geantwortet habe, dass er dies nicht wisse, erklärte dieser, dass er da nicht wirklich konzentriert gewesen wäre. Er hätte dies vielleicht nicht mitbekommen, bzw. wäre er wirklich sehr müde gewesen.

I.4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA zusammenfassend im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine glaubhafte konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung oder Bedrohung geltend machen konnte. Der Beschwerdeführer habe widersprüchliche und unwahre Angaben in Bezug auf die angegebene Bedrohung erstattet. Eine Verfolgung aus asylrechtlichen Gründen, bzw. eine Verfolgung durch die Taliban im Herkunftsstaat des BF wäre nicht glaubhaft vorgebracht worden. Es könne den Länderinformationen auch nicht entnommen werden, dass im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan die staatlichen Institutionen im Hinblick auf eine Verfolgung durch einzelnen Taliban Kämpfer weder schutzwillig noch schutzfähig seien. Widersprüche betreffend der Aussagen während der Erstbefragung und der Einvernahme wären aufzuzeigen, da der BF während der Erstbefragung ausgeführt habe, dass er keiner Arbeit nachgegangen wäre, jedoch während der Befragung vor dem BFA ausführt als Taxifahrer gearbeitet zu haben. Es wären keinerlei emotionale Regungen während der Einvernahme gezeigt worden, bzw. hätte sich der BF sogar amüsiert gezeigt, als dieser über die Tötung des Soldaten berichtete. Details der Fluchterzählung wären während der gesamten Einvernahme nicht zu Protokoll gegeben worden. Sämtliche Aussagen des BF wären knapp und vage gehalten. Die erfolgte Geiselnahme des Vaters, als auch das Vorgehen der Personen die den BF bedrohen würden erscheine fragwürdig. Auch warum die Mutter des BF während der letzten 2 Jahre keinerlei Bedrohung ausgesetzt wäre, hätte nicht aufgeklärt werden können. Aus diesen Gründen wäre Spruchpunkt I abzuweisen. Der BF wäre bei einer Rückkehr in sein Heimatland nicht gefährdet, bzw. wäre dieser keiner ihn speziell betreffenden Bedrohung bei einer Rückkehr ausgesetzt. Das Vorliegen sonstiger asylrelevanter Fluchtgründe wäre insgesamt nicht dargelegt worden. Der beschwerdeführenden Partei würde in Afghanistan aufgrund ihrer Ausreise und ihrer Asylantragstellung in Österreich oder anderer Umstände, die sich außerhalb des Herkunftslandes ereignet hätten, keine Verfolgung drohen. Auch hätten sich sonst keine Anhaltspunkte ergeben, dass die beschwerdeführende Partei in ihrem Heimatland Afghanistan einer ungesetzmäßigen Verfolgung von staatlichen Organen bei einer Rückkehr drohen würde. Es würde keine exzeptionelle Gefährdung der beschwerdeführenden Partei in Afghanistan bestehen, die über das Maß hinausgehen würde, welches Jedermann dort treffen könnte. Es wären weiters keine Umstände amtsbekannt, dass in Afghanistan, speziell in Kabul, eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehren würde, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrsche, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Personen mangels Nahrung du Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wäre. Der Beschwerdeführer hätte weiterhin familiären Bezug zu seinen sich in Kabul aufhältigen Familienangehörigen. Der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer könne seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten und wäre wirtschaftlich ausreichend abgesichert. Dies, da der BF auch angeführt habe, dass die Familie ein Haus und ein Grundstück in XXXX besitzen würde. Darüber hinaus würde die Familie über ein Taxi und einen LKW verfügen. Auch habe der BF angegeben, dass es der Familie in Afghanistan finanziell betrachtet gut gehen würde. Letztlich könne der BF eine Reintegrationshilfe in Anspruch nehmen. Die Erreichbarkeit von Kabul im Luftwege von Österreich wäre jedenfalls möglich. Es hätten sich in einer Gesamtschau der Angaben und unter Berücksichtigung der Länderinformationen zu Afghanistan keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, wonach die Erreichbarkeit der Stadt Kabul für den Beschwerdeführer nicht sicher sein sollte. Da diesem im Herkunftsstaat auch keine Verfolgung drohe, gehe die Behörde davon aus, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan, insbesondere in Kabul auch keine Gefahren drohen die eine Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Diese Feststellungen würden sich aus den unbedenklichen und aus verschiedenen aktuellen Quellen stammenden Länderinformationen zu Afghanistan zu entnehmen sein. Wirtschaftliche Gründe, mangelnde Zukunftsperspektiven und wirtschaftliche Überlegungen würden die Anerkennung als Flüchtling nicht rechtfertigen. Auch wären schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen in Afghanistan nicht als Verfolgung im Sinne der GFK zu qualifizieren. Im gegenständlichen Verfahren wäre glaubwürdig keinerlei aktuelle asylrelevante Gefährdung des Beschwerdeführers zu Protokoll gegeben worden, es wären keine Fluchtgründe genannt worden und es wäre nicht anzunehmen, dass die beschwerdeführende Partei einer allgemeinen Gefährdung in allen Teilen Afghanistans, insbesondere in Kabul, ausgesetzt wäre. Aufgrund der individuellen Umstände wäre im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK nicht glaubhaft gemacht worden. Aufgrund der illegalen Einreise und der insgesamt erst kurzen Dauer des nur durch die gegenständliche Antragstellung begründeten Aufenthaltes, bzw. auch des Nichtvorliegens von Personen zu denen ein besonderes Nahe- bzw. Abhängigkeitsverhältnis, insbesondere zu dem angeführten Cousin, bestehen würde, stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte dar. Der Beschwerdeführer würde über keine sonstigen relevanten Kontakte im Bundesgebiet verfügen, würde nicht ausreichend Deutsch sprechen, wäre nicht berufstätig und würde von der Grundversorgung leben, bzw. wäre dieser nicht Mitglied in einem Verein. Es würden somit keine Bindungen zu Österreich vorliegen. Auch sonstige Anhaltspunkte, die das Vorliegen einer besonderen Integration im Bundesgebiet bescheinigen würden, wären nicht hervorgetreten. Der Beschwerdeführer hätte sich erst rund 2 Jahre im Bundesgebiet aufgehalten, wäre jedoch in Afghanistan aufgewachsen, sodass dieser in der dort vor Ort herrschenden Kultur als soziologisiert anzusehen sei. Bei einer Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen wäre im gegenständlichen Verfahren den öffentlichen Interessen der Vorzug zu geben und der Eingriff in das Privatleben nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Dies auch, da der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise gegen das öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens verstoßen hat. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wäre nicht zu erteilen und aus diesen Gründen sei eine Rückkehrentscheidung nach §9 Abs. 1 -3 BFA - VG zulässig.

I.5. Gegen Spruchpunkt I. des angeführten Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und infolge einer Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie mangelnder Beweiswürdigung. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die Behörde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die Vornahme eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens durchgeführt habe. Die Behörde hätte eine nähere Auseinandersetzung mit dem Haqanni Netzwerk, welches in enger Verbindung mit den Taliban, als auch der Al Qaida stehe unterlassen. Die Behörde hätte Ermittlungen hinsichtlich der Problematik der Verfolgung von Personen die aufgrund ihrer unterstellten politischen Gesinnung in den Fokus der Terror Miliz gelangt sind unterlassen. Auch hätte die Behörde mangelhafte Ermittlungen in Hinblick auf das Vorligen einer innerstaatlichen Fluchtalternative unternommen. Das BFA verkenne die prekäre Sicherheitslage in Kabul. Die tatsächlichen Lebensumstande von Rückkehrern wären nicht behandelt worden. Weiters habe das BFA mangelhafte Feststellungen und eine mangelhafte Beweiswürdigung dadurch vorgenommen, als der BF tatsächlich eine gleich bleibende und widerspruchsfreie Fluchtgeschichte dargelegt habe, bzw. die gestellten Fragen plausibel beantworten hätte können. Widersprüche wären im gesamten Verfahren nicht zu erkennen gewesen. Nur durch fehlendes Nachfragen wäre der Eindruck entstanden, dass es sich bei der zu Protokoll gegebenen Fluchtgeschichte um eine auswendig gelernte Erzählung gehandelt habe. Entgegen der Wahrnehmung der Erstbehörde hätte der BF das Schussattentat konsistent geschildert. Auch hätte die Behörde die Situation der Rückkehrer ausschließlich zahlenmäßig behandelt, die tatsächliche Situation von Rückkehrern jedoch ausgespart. Das BFA hätte eine unrichtige rechtliche Begründung dadurch vorgenommen, als es ausgeführt habe, dass der afghanische Staat in der Lage wäre den BF vor der Verfolgung durch Private zu schützen. Dadurch dass der BF durch die Entführung seines Vaters durch die Taliban auch in das Visier dieser geraten wäre, würde diesen die Definition eines Flüchtlings treffen weshalb ihm Asyl zuzuerkennen gewesen wäre. Zu Spruchpunkt II wurde ausgeführt, dass dem BF aufgrund der Gesamtsituation in Afghanistan zumindest der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuzuerkennen gewesen wäre. Hinsichtlich Spruchpunkt III wurde festgehalten, dass der BF über Deutschkenntnisse (ÖSD Zertifikat) verfügen würde und diese stets verbessern würde. Er hätte einen geregelten Tagesablauf, sei sozial integriert und würde sich weiterbilden. Der BF wäre zudem strafrechtlich unbescholten. In einer Gesamtschau könne dem BF eine gelungene Integration attestiert werden und es wäre davon auszugehen, dass sich dieser auch weiterhin in der Österreichischen Gesellschaft integrieren werde und rasch selbsterhaltungsfähig sein würde. Aus diesen Gründen wären die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu stellen, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich Spruchpunkt I. zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren, den BF subsidiären Schutz zuzuerkennen, zu erklären, dass die Abschiebung des BF auf Dauer unzulässig wäre, sowie die erlassene Rückkehrentscheidung ersatzlos zu beheben, bzw. in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zum BFA zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen.

I.6. Am 20.03.2018 wurde durch das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung mit dem BF durchgeführt. Das BFA verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu seinen persönlichen Lebensumständen, zu seinem Gesundheitszustand, seinen Familienangehörigen und insbesondere zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen unter Zugrundelegung der aktuellen Länderfeststellungen der Staatendokumentation mit konkreten Hinweisen auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und in Kabul befragt. Hierbei wiederholte der BF zusammenfassend die bereits während der Befragung durch das BFA erstatteten Ausführungen betreffend seines Fluchtgrundes. Hierzu ergänzte dieser befragt warum es den übrigen Familienmitgliedern möglich sein in Afghanistan, insbesondere in Kabul zu bleiben, während der BF das Land verlassen musste, dass die Bedroher nur den BF selbst kennen würden, die weiteren Geschwister jedoch nicht, bzw. würden die Brüder in die Schule gehen. Die Mutter selbst würde nur mit Gesichtsschleier das Haus verlassen und das auch selten. In Afghanistan hätte dieser nirgends leben können, da diese Bedroher ihn kennen würden. Aus diesem Grund hätte er auch nicht versucht sich irgendwo anders in Afghanistan niederzulassen. Ergänzend führte der BF aus, dass sein Vater militärisch eine Stufe unter der eines Generals stehen würde. Der Titel wäre Degar-war gewesen. Nähere Angaben betreffend der Ausbildungen des Vaters könnten nicht erstattet werden, bzw. das Aussehen der Uniform wurde mit verschiedenen Farben, bzw. mit Tigermuster ausgestattet beschrieben, jedoch könnten keine näheren Angaben betreffend der sich darauf befindlichen Abzeichen erstattet werden. der Vater des BF hätte bei einer namentlich genannten Sicherheitsabteilung gearbeitet. Hierbei würde es sich um eine Abteilung der Armee handeln, die da und dort herausfinde, was los sei. Weiter zu dem Beruf und den Ausbildungen des Vaters befragt führte der BF aus, dass es nicht das Problem des BF sei herauszufinden, was sein Vater beruflich gemacht habe. Zum Reiseweg befragt führte der BF aus, dass dieser in Griechenland keinen Asylantrag gestellt hätte, da dieser dort schlecht behandelt worden wäre, bzw. er dort so geschubst worden wäre, dass er sich gedacht hätte, dass er dort nicht bleiben wolle. Auch die anderen durchquerten Ländern wären nicht gut gewesen, bzw. hätte es ihm dort nicht gefallen. Aus diesem Grund wäre der BF nach Österreich gegangen und hier geblieben. Befragt wovon der BF seinen Lebensunterhalt bestreiten würde, führte dieser aus, dass ihm hier sein Leben gefallen würde. Das Sozialamt würde ihm Geld geben. Er hätte in Österreich bereits für die Gemeinde als auch für das Rathaus gearbeitet. Nun würde er in einer Notschlafstelle arbeiten und dort Obdachlosen helfen. In Österreich hätte der BF bereits viele Freunde und Kontakte, eine nähere Beziehung wäre dieser in Österreich jedoch nicht eingegangen. Vorgelegt wurden die Bestätigungen betreffend einer Qualifizierung für Deutsch auf dem Niveau A1 , 2 Ausbildungsbestätigungen aus Afghanistan in Kopie, eine Arbeitsbestätigung als Arbeiter bei der Stadtgärtnerei Hall, Bestätigungen der Tiroler Sozialen Dienste betreffend freiwilliger ehrenamtlicher Tätigkeit, bzw. der Verrichtung von Hilfstätigkeiten insbesondere in der Winternotschlafstelle, sowie eine Teilnahmebestätigung des Umweltvereins Tirol am Seminar "Abfalltrennung und Abfallvermeidung".

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

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Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;

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Befragung des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.03.2018;

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Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist Muslim sunnitischer Ausrichtung. Seine Identität steht nicht fest. Der BF wohnte die letzten 6 Jahre vor seiner Ausreise in Kabul, wo er zuletzt als Taxifahrer arbeitete. Der Beschwerdeführer reiste im September 2015 unberechtigt in das Bundesgebiet ein und stellte in Folge gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die Mutter und mehrere Geschwister des BF wohnen gegenwärtig in Kabul.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer glaubwürdigen ihn unmittelbar konkret betreffenden Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat. Die zu Protokoll gegebene Fluchterzählung ist nicht glaubhaft.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im September 2015 durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und bestreitet den Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Der BF hat im Bundesgebiet mehrere Hilfstätigkeiten bzw. ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeübt. Er hat in Österreich keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann nicht festgestellt werden.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 25.9.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs - improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen - nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

Zahl: 1094387606 / 151752500

§ 3 AsylG neg + § 8 AsylG neg + § 57 AsylG neg amtsw + § 52 FPG RKE + ZulAbschieb + FrFreiw Ausr -BFA 2016

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14/100 -

(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

Zivilist/innen

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

(UNAMA 7.2017)

High-profile Angriffe:

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

"Green Zone" in Kabul

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound - auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul - dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll - in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban - im Gegensatz zum Jahr 2016 - keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

Quellen:

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BBC (18.9.2017): US sends 3,000 more troops to Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-us-canada-41314428, Zugriff 20.9.2017

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BBC (2.8.2017): Herat mosque blast: IS says it was behind Afghanistan attack, http://www.bbc.com/news/world-asia-40802572, Zugriff 21.9.2017

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INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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NYT - The New York Times (16.9.2017): U.S. Expands Kabul Security Zone, Digging In for Next Decade, https://www.nytimes.com/2017/09/16/world/asia/kabul-green-zone-afghanistan.html?mcubz=3, Zugriff 20.9.2017

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NYT - The New York Times (25.8.2017): ISIS Claims Deadly Attack on Shiite Mosque in Afghanistan,

https://www.nytimes.com/2017/08/25/world/asia/mosque-kabul-attack.html?mcubz=3, Zugriff 21.9.2017

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Reuters (13.8.2017): Senior Islamic State commanders killed in Afghanistan air strike: U.S. military, https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-airstrike/senior-islamic-state-commanders-killed-in-afghanistan-air-strike-u-s-military-idUSKCN1AT06J, Zugriff 19.9.2017

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Reuters (6.8.2017): Kabul 'Green Zone' tightened after attacks in Afghan capital,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-security/kabul-green-zone-tightened-after-attacks-in-afghan-capital-idUSKBN1AM0K7, Zugriff 20.9.2017

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SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.7.2017): QUARTERLY REPORT TO THE UNITED STATES

CONGRESS,

https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2017-07-30qr.pdf, Zugriff 19.9.2017

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SIGAR - Special Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (20.6.2017): Afghan national army: dod may have spent up to $28 million more than needed to procure camouflage uniforms that may be inappropriate for the Afghan environment, https://www.sigar.mil/pdf/special%20projects/SIGAR-17-48-SP.pdf, Zugriff 20.9.2017

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The Guardian (3.8.2017): The war America can't win: how the Taliban are regaining control in Afghanistan, https://www.theguardian.com/world/2017/aug/03/afghanistan-war-helmand-taliban-us-womens-rights-peace, Zugriff 19.9.2017

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Tolonews (17.6.2017): Daesh Media Leader Killed In Nangarhar Air Strike,

http://www.tolonews.com/afghanistan/daesh-media-leader-killed-nangarhar-air-strike, Zugriff 19.9.2017

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan: Afghanistan (7.2017): Protection of Civilians in Armed Conflict; Midyear Report 2017,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf, Zugriff 20.9.2017

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UN GASC - General Assembly Security Council (21.9.2017): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, as of September 15th 2017, https://unama.unmissions.org/report-secretary-general-situation-afghanistan-and-its-implications-international-peace-and-7, Zugriff 21.9.2017

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WT - The Washington Times (8.5.2017): Pentagon confirms Abdul Hasib, head of ISIS in Afghanistan, killed by U.S., Afghan special forces,

http://www.washingtontimes.com/news/2017/may/8/abdul-hasib-head-isis-afghanistan-killed-us-afghan/, Zugriff 19.9.2017

KI vom 27.6.2017: Afghanische Flüchtlinge im Iran (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehrer)

Aus gegebenem Anlass darf auf folgendes hingewiesen werden:

Informationen zur Situationen afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem Länderinformationsblatt Iran entnommen werden (LIB Iran - Abschnitt 21/Flüchtlinge).

Länderkundliche Informationen, die Afghanistan als Herkunftsstaat betreffen, sind auch weiterhin dem Länderinformationsblatt Afghanistan zu entnehmen.

KI vom 22.6.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert - eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten - gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF - Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA - Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP - Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

High-profile Angriffe:

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

Hauptstadt Kabul

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

(The Guardian 31.5.2017) [Anm.: man beachte, dass die Opferzahlen in dieser Grafik, publiziert am Tag des Anschlags, noch überhöht angegeben wurden]

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten- den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten - kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

Taliban

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal'ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha' al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

Quellen:

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al-Jazeera (11.6.2017): US troops killed in 'insider attack' in Nangarhar,

http://www.aljazeera.com/news/2017/06/troops-killed-insider-attack-nangarhar-170610143131831.html, Zugriff 21.6.2017

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al-Jazeera (31.5.2017): Kabul bombing: Huge explosion rocks diplomatic district,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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