TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/2 W174 2125890-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.07.2018
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Entscheidungsdatum

02.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W174 2125890-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2016, Zl 1073828503/150678182, nach einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 15.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, moslemischen Glaubens zu sein, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören und aus dem Distrikt Khoshi in der Provinz Logar zu stammen sowie Analphabet und traditionell verheiratet zu sein. In der Heimat habe er außer der Ehefrau und zwei kleinen Kindern noch seine Mutter, einen Bruder und zwei Schwestern.

Zu seinem Fluchtgrund aus Afghanistan erklärte er, sein Dorf befinde sich in einer Region, welche von Taliban kontrolliert werde und sei von ihnen in der Nacht mit Raketen angegriffen worden. Sie hätten immer aufpassen müssen, dass keine Taliban und IS-Kämpfer ihr Dorf aufsuchten. Er selbst habe als Wächter bei den Amerikanern gearbeitet und sein Leben sei in Gefahr gewesen. Bei einer Rückkehr könne er sich wegen der Sicherheitslage ein Leben in Afghanistan nicht vorstellen.

3. Am 29.06.2015 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

Dabei erklärte er im Wesentlichen, er sei gesund und arbeitsfähig, afghanischer Staatsbürger, Tadschike und Schiit. Er stamme aus Logar, sei traditionell verheiratet, habe zwei Kinder und sei für den Unterhalt seiner Familie aufgekommen. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter lebe noch, die Geschwister seien in Afghanistan aufhältig. Er glaube nicht, dass er Verwandte in Kabul habe, hätte seine Familie jedoch nicht danach gefragt.

Der Beschwerdeführer sei ca. 45 Tage über Kabul und den Iran unterwegs gewesen. In Afghanistan habe es keine Probleme gegeben, weil die Hauptverkehrsrouten von den Behörden und der Armee überwacht würden.

Zu seinen Fluchtgründen gab er zunächst an, als Schiit von den sunnitischen Extremisten verfolgt zu werden. Rund um ihr Dorf lebten nur Paschtunen, die sie ständig bedrohten. Mehr könne er nicht sagen. Nochmals nach einem fluchtauslösenden Ereignis gefragt, erklärte der Beschwerdeführer, mit "den Ausländern" zusammengearbeitet zu haben. Es seien auch Taxifahrer ermordet worden, man hätte ihnen die Köpfe abgehackt. Es sei nicht möglich gewesen, frei herumzulaufen. Nochmals befragt, gab der Beschwerdeführer ausdrücklich an, es habe keinen konkreten Vorfall mit ihm und den Taliban gegeben. Auf die Frage, wer die Gegner seien, antwortete der Beschwerdeführer: "Die Paschtunen [...] ich weiß nicht, wer die sind, ich glaube, die Taliban. Die Paschtunen sind sowieso Taliban." Auf Vorhalt hin, dass das Köpfen doch eigentlich eine Sache der Daesh sei, erwiderte er, Taliban und Daesh wären seiner Meinung nach dasselbe.

Nachgefragt, für welche Firma er tätig gewesen sei, brachte er zunächst vor, als Security und nach Wiederholung der Frage, er wisse es nicht. Er habe Uniform getragen und eine Kalaschnikow und eine PK gehabt. Die Ausländer hätten Englisch gesprochen, es seien amerikanische oder englische Militärs gewesen. Seine Ausbildung habe zweieinhalb Monate gedauert, er habe gelernt, wie man zielt. Eine Kalaschnikow habe 30 Patronen, ein Maschinengewehr 200. Man könne bis zu einem Kilometer weit schießen, das Kaliber kenne er nicht.

Weiters gab er an, für dieselbe Firma einige Monate in Kandahar tätig gewesen zu sein. Wie er zu dem Dienstverhältnis gekommen sei, wisse er nicht mehr. Den Dienstvertrag habe er, wie er glaube, 2011 mit einem Amerikaner abgeschlossen, dessen Namen er nicht kenne und 7,5 Monate dort gearbeitet. Anschließend sei er in der Provinz Sharan als Security tätig gewesen, ca. zwei Monate oder länger, er wisse es nicht mehr. Dann sei er in sein Dorf zurückgekehrt. Da es dort keine Arbeit gegeben habe und die Sicherheitslage schlecht sei, sei er ausgereist. Davor sei er ca. vier Jahre in seinem Heimatort geblieben und habe mit seinem Traktor etwas dazuverdient. Er habe auch im Gebiet der Paschtunen gearbeitet und aus deren Gebiet Steine abgeholt.

Die Paschtunen hätten nicht gewusst, wo er tätig gewesen sei, könnten es aber vielleicht herausfinden. Auf die Frage, wann er dort gearbeitet habe, antwortete der Beschwerdeführer: "Mehr war nicht."

Mehr könne er nicht angeben. Er habe nicht die Möglichkeit gehabt, in Afghanistan ein friedliches Leben zu führen, daher wolle er sich in Europa eine schöne Zukunft aufbauen und hier eine gute Arbeit finden. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban und der Daesh sowie vor der schlechten Sicherheitslage.

4. Mit dem gegenständlichen, im Spruch angeführten, Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Unter Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

5. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang erhoben, in welcher im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt und der die Kopien eines undatierten Dankesschreibens einer Security-Firma ( XXXX ) für seine Tätigkeit als Force Protection Officer bei der XXXX sowie ein Kurs-Abschlusszeugnis der XXXX vom August 2010 angefügt wurden.

Dazu wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer 2010 begonnen habe, bei der XXXX zu arbeiten und dort für die Entschärfung von Minen zuständig gewesen sei. Wegen der häufigen Attacken der Taliban gegen die Truppen habe er nach 7,5 Monaten gekündigt und später eine Stelle als Security bei der XXXX , XXXX , angenommen, wo er bis zum Rückzug der amerikanischen Truppen im Oktober 2013 geblieben sei. Anschließend sei er Landwirt in seinem Heimatdorf gewesen. Nach dem Abzug der ausländischen Truppen hätte sich die Sicherheitslage verschlechtert und viele Schiiten seien durch die Taliban geköpft worden. Zudem hätten ihn die Leute wegen seiner Tätigkeit für die Amerikaner immer wieder als Verräter bezeichnet, weshalb er speziell gefährdet sei. Dazu wurden Auszüge aus den UNHCR-Richtlinien aus dem Jahr 2013 sowie weitere Berichte aus demselben Jahr zitiert und eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 16.02.2016 zur Sicherheitslage in der Provinz Logar angefügt.

6. Am 05.10.2016 langten beim Bundesverwaltungsgericht die beiden mit der Beschwerde übermittelten Dokumente im Original ein.

7. Am 11.05.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den im Vorfeld übermittelten Länderberichten ein, in der ergänzend ua Auszüge aus einem Vortrag über Bedrohungen durch die Taliban, aus Berichten und Zeitungsartikeln über die Sicherheitslage und die Rückkehrersituation in der Heimat des Beschwerdeführers sowie aus einem zu einem anderen Fall erstellten Gutachten zitiert werden.

8. Am 14.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer zunächst, gesund zu sein, keine Medikamente zu nehmen und legte folgende Dokumente vor:

Eine Kopie eines Ausweises der " XXXX ", endend mit 31.12.2013 als "Security"; sowie zwei Kopien der - laut Angaben der Beschwerdeführervertreterin - Geburtsurkunden der Kinder des Beschwerdeführers; drei Tazkiras, ebenfalls in Kopie (dabei handle es sich um jene der Ehefrau und der beiden Kinder) sowie Bestätigungen über die Teilnahme an einem Deutschkurs für das Sprachniveau A0 und A1 aus den Jahren 2017 und 2018. Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass zwei Arbeitskollegen aus seiner Firma die Bilder von seinem Ausweis gehabt und sie hierhergeschickt hätten. Erhalten habe er sie vor ca. drei Monaten. Die anderen afghanischen Dokumente hätte ihm die Gattin vor vier oder fünf Monaten als Fotodateien übermittelt.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen in der Heimat gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass die Familie ein kleines Grundstück habe, von dem man aber nicht profitieren könne, wenn es nicht regne. Sie hätten wenig Vieh, eine Kuh, ein paar Schafe und ein eigenes Haus, in dem früher auch der Beschwerdeführer mit Frau und Kindern sowie seine Geschwister gelebt hätten. Seine Tazkira habe der Beschwerdeführer unterwegs verloren.

Die Großeltern des Beschwerdeführers seien ebenso wie sein Vater verstorben. Er selbst sei verheiratet, habe einen Sohn und eine Tochter im Kleinkindalter, einen Bruder sowie zwei Schwestern. Diese seien verheiratet und befänden sich in anderen Dörfern des Heimatdistrikts des Beschwerdeführers. In seinem Heimatdorf habe der Beschwerdeführer mit seiner Mutter, seiner Frau und den beiden Kindern gewohnt, nun würden sich die Gattin, die Kinder und die Mutter bei seinem Schwiegervater in Koshi befinden. Der Bruder sei vor ungefähr einem Jahr in den Iran gegangen.

Der Beschwerdeführer habe in Afghanistan keine Schule besucht und keinen fixen Beruf erlernt, sondern in der Landwirtschaft und als Tagelöhner gearbeitet sowie diverse andere Tätigkeiten, z.B. auf Baustellen, verrichtet. Später habe er etwas von seinem Vater geerbt. Als er Afghanistan verlassen habe, habe die Familie des Beschwerdeführers die Tiere verkauft und lebe noch immer sowohl davon als auch von dem Erbe. Zudem würde der Schwiegervater die Familie unterstützen. Der Beschwerdeführer habe Kontakt zu seiner Frau und seiner Mutter, jedoch nicht zu seinen Geschwistern. Weitere Kontakte in der Heimat pflege er nicht.

Nachgefragt erklärte der Beschwerdeführer, er habe im Jahr 2010 mit der Arbeit bei einer Firma, deren Namen er nicht mehr genau wisse, sie hätten sie " XXXX " genannt, begonnen. Seine Aufgabe sei es gewesen, Minen zu suchen. Insgesamt sei der Beschwerdeführer dort ungefähr sieben bis acht Monate tätig gewesen. Dann sei sein Cousin, der auch dort gearbeitet habe, bei einer Minenexplosion ums Leben gekommen und der Beschwerdeführer habe diese Arbeit beendet. Anschließend habe er einen Traktor gekauft und sei damit zwei Jahre lang in der Landwirtschaft tätig gewesen, hätte jedoch sehr schlecht verdient. Dann habe er als Bäcker und Konditor gearbeitet. Nach einer Verhandlungsunterbrechung erklärte der Beschwerdeführer auf die Frage der erkennenden Richterin, wie lange er als solcher tätig gewesen sei, wiederum, er habe dort überhaupt nicht als Bäcker und Konditor gearbeitet, dies sei nur eine Täuschung für seine Familie gewesen.

Für zwei oder zweieinhalb Monate habe er in der Provinz Sharan als Security bei der Firma " XXXX " Dienst verrichtet. Er glaube, dies sei im Sommer 1392 (2013) gewesen. Anschließend sei er in sein Heimatdorf zurückgekehrt und habe mit seinem Traktor weitergearbeitet. Nachgefragt, woher er die im Vorfeld vorgelegten Bestätigungen habe, erklärte der Beschwerdeführer, ca. einen Monat oder 40 Tage lang in Kakris in Kandarhar eine Ausbildung gemacht und nach deren Abschluss diese Bestätigung erhalten zu haben. Seine Mutter hätte sie ihm aus Afghanistan geschickt. Nochmals nachgefragt, erklärte der Beschwerdeführer, er habe im Jahr 1389 (2010) sieben oder acht Monate in Kakris gearbeitet. Von 1393 bis 1394 habe er von seinem Traktor gelebt. Dabei sei er in seiner Gegend tätig gewesen, auch in einem Bereich unter dem Namen "Pashtunen". Diese hätten jedoch dort nicht gewohnt.

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass diejenigen Leute, die mit ausländischen Firmen oder Ausländern arbeiten würden, für die Taliban der Abtrünnigkeit bezichtigt würden und sein Leben deshalb in Gefahr sei.

Nachgefragt, ob es ein konkretes Ereignis gegeben habe, erklärte der Beschwerdeführer nochmals, er habe mit Ausländern gearbeitet und sei Schiit. Viele Freunde und Bekannte aus seiner Gegend, die für Ausländer tätig gewesen seien, wären vernichtet worden. Deshalb hätte der Beschwerdeführer Angst bekommen. Wenn er in die Moschee gegangen sei, habe der Imam immer davon gesprochen, dass man jemanden umgebracht habe. Persönlichen Kontakt zu den Gegnern habe der Beschwerdeführer jedoch keinen gehabt. Nachgefragt, wer zu den Gegnern zähle, erklärte er, es gebe verschiedene Leute, man kenne sie nicht. Sie würden zu den Taliban bzw. der Daesh gehören. Er sei jedoch nie direkt mit diesen Leuten in Kontakt gekommen, sonst hätte sie ihn umgebracht.

In Österreich habe er nicht gearbeitet, jedoch Deutschkurse besucht. Er spiele mit seinen Freunden Fußball, sei aber nicht Mitglied in einem Verein. Ab und zu habe er ehrenamtlich in der Kirche gearbeitet, in der Gemeinde habe es momentan keine Tätigkeit für ihn gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgeblichem Sachverhalt aus:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, stammt aus dem Distrikt Koshi in der Provinz Logar, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und ist schiitischen Glaubens.

Er reiste illegal in Österreich ein und stellte am 15.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen einer Tätigkeit für internationale Truppen oder Firmen in der Heimat von Verfolgung durch die Taliban oder die Daesh bedroht ist.

Auch kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer als Schiit wegen seiner Religion persönlich bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, jung, gesund und arbeitsfähig. Er verdiente in der Heimat den Lebensunterhalt für die Familie. Diese hat im Heimatort ein Haus sowie ein Grundstück. Die Mutter, die Gattin sowie die beiden Kinder des Beschwerdeführers befinden sich bei dessen Schwiegervater, der sie auch unterstützt.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine Familie und keine Verwandten. Er konnte Deutschkursteilnahmebestätigungen A0 und A1 vorlegen, spielt mit Freunden Fußball und war ehrenamtlich tätig. Er ist nicht Mitglied in einem Verein.

1.2. Zur Lage im Herkunftsland:

Das Bundesverwaltungsgericht trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation):

KI vom 30.01.2018: Angriffe in Kabul (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018). .

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018).

Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

Quellen:

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Asia Pacific (30.1.2018): Taliban and IS create perfect storm of bloodshed in Kabul,

https://www.channelnewsasia.com/news/asiapacific/taliban-and-is-create-perfect-storm-of-bloodshed-in-kabul-9909494, Zugriff 30.1.2018

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BBC (29.1.2018): Kabul military base hit by explosions and gunfire, http://www.bbc.com/news/world-asia-42855374, Zugriff 29.1.2018

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BBC (24.1.2018): Save the Children offices attacked in Jalalabad, Afghanistan, http://www.bbc.com/news/world-asia-42800271, Zugriff 29.1.2018

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BBC (21.1.2018): Kabul: Afghan forces end Intercontinental Hotel siege, http://www.bbc.com/news/world-asia-42763517, Zugriff 29.1.2018

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DW - Deutsche Welle (21.1.2018): Taliban militants claim responsibility for attack on Kabul hotel, http://www.dw.com/en/taliban-militants-claim-responsibility-for-attack-on-kabul-hotel/a-42238097, Zugriff 29.1.2018

-

NYT - The New York Times (28.1.2018): Attack Near Kabul Military Academy Kills 11 Afghan Soldiers, https://www.nytimes.com/2018/01/28/world/asia/kabul-attack-afghanistan.html, Zugriff 29.1.2018

-

NYT - The New York Times (21.1.2018): Siege at Kabul Hotel Caps a Violent 24 Hours in Afghanistan,

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Reuters (28.1.2018): Shock gives way to despair in Kabul after ambulance bomb,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast/shock-gives-way-to-despair-in-kabul-after-ambulance-bomb-idUSKBN1FG086, Zugriff 29.1.2018

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Reuters (24.1.2018): Islamic State claims attack on Jalalabad in Afghanistan,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-claim/islamic-state-claims-attack-on-jalalabad-in-afghanistan-idUSKBN1FD1HC, Zugriff 29.1.2018

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Reuters (20.1.2018): Heavy casualties after overnight battle at Kabul hotel,

https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attacks/heavy-casualties-after-overnight-battle-at-kabul-hotel-idUSKBN1F90W9, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (29.1.2018): Afghanistan: gunmen attack army post at Kabul military academy,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/29/explosions-kabul-military-academy-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (28.1.2018): 'We have no security': Kabul reels from deadly ambulance bombing,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/28/afghanistan-kabul-reels-bomb-attack-ambulance, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (27.1.2018): Kabul: bomb hidden in ambulance kills dozens,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/27/scores-of-people-wounded-and-several-killed-in-kabul-blast, Zugriff 29.1.2018

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The Guardian (24.1.2018): Isis claims attack on Save the Children office in Afghanistan,

https://www.theguardian.com/world/2018/jan/24/explosion-attack-save-the-children-office-jalalabad-afghanistan, Zugriff 29.1.2018

KI vom 21.12.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. .

Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs

zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017).

In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten:

je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

Quellen:

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al Jazeera (20.10.2017): Deadly attacks hit mosques in Kabul and Ghor,

http://www.aljazeera.com/news/2017/10/dozens-feared-dead-attacks-afghanistan-171020142936566.html, Zugriff 20.12.2017

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BBC (31.10.2017): Kabul Green Zone attacked by suicide bomber, http://www.bbc.com/news/world-asia-41819850, Zugriff 20.12.2017

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BBC (21.10.2017): Afghan suicide mosque attacks kill scores of worshippers, http://www.bbc.com/news/world-asia-41699320, Zugriff 20.12.2017

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BS - Business Standard (24.11.2017): Key Haqqani network leader among dozens killed in Afghanistan, http://www.business-standard.com/article/news-ani/key-haqqani-network-leader-among-dozens-killed-in-afghanistan-117112400292_1.html, Zugriff 21.12.2017

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Guardian (7.11.2017): Kabul TV station defiantly resumes broadcasting moments after Isis attack ends, https://www.theguardian.com/world/2017/nov/07/gunmen-attack-kabul-tv-station-after-explosion, Zugriff 20.12.2017

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Handelsblatt (20.12.2017): Afghanistan stürzt in politische Krise, http://www.handelsblatt.com/politik/international/gouverneurs-abloesung-afghanistan-stuerzt-in-politische-krise/20759742.html, Zugriff 21.12.2017

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KUNA - Kuwait News Agency (15.12.2017): Security operations kill 12 rebels in Afghanistan,

http://www.kuna.net.kw/ArticleDetails.aspx?id=2669249&language=en, Zugriff 21.12.2017

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Independent (20.10.2017): Kabul attack: Isis claims responsibility for Shia mosque suicide bombing killing at least 30 in Afghan capital,

http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/kabul-attack-latest-update-shia-mosque-suicide-bomb-kills-death-afghanistan-capital-prayers-a8011466.html, Zugriff 20.12.2017

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INSO - International NGO Safety Organisation (o.D.): Afghanistan - Total incidents per month for the current year to date, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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INSO - The International NGO Safety Organisation (2017):

Afghanistan - Gross Incident Rate, http://www.ngosafety.org/country/afghanistan, Zugriff 19.9.2017

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NYT - The New York Times (11.12.2017): Hunting Taliban and Islamic State Fighters, From 20,000 Feet, https://www.nytimes.com/2017/12/11/world/asia/taliban-isis-afghanistan-drugs-b52s.html, Zugriff 21.12.2017

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NYT - The New York Times (7.11.2017): A Leading Afghan TV Station Is Attacked in Kabul,

https://www.nytimes.com/2017/11/07/world/asia/kabul-shamshad-tv-attack.html, Zugriff 20.12.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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