TE Vwgh Beschluss 1999/11/18 AW 99/03/0074

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Veröffentlicht am 18.11.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

TKG 1997 §111 Z5;
TKG 1997 §33 Abs4;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der S GmbH in Wien, vertreten durch T, Rechtsanwalt in W, der gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 23. Juli 1999, Zl. M 1/99-254, betreffend Feststellung der Marktbeherrschung nach dem Telekommunikationsgesetz, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 33 Abs. 4 TKG iVm § 111 Z. 5 TKG festgestellt, dass die Beschwerdeführerin "auf dem Markt für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines Mobilkommunikationsnetzes marktbeherrschend im Sinne des Telekommunikationsgesetzes ist".

Die gegen diesen Bescheid zur hg. Zl. 99/03/0372 protokollierte Beschwerde ist mit dem Antrag verbunden, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung dieses Antrages wird ausgeführt:

"6. Zum Antrag auf aufschiebende Wirkung

6.1. Zur Zulässigkeit des Antrages auf aufschiebende Wirkung

Zwar handelt es sich bei dem hier angefochtenen Bescheid um einen Feststellungsbescheid, der - per se - einem Vollzug nicht zugänglich ist. Da dieser jedoch - wie oben unter Punkt 5.2. der Beschwerde dargestellt, Tatbestandswirkung für daran anknüpfende, weit reichende gesetzliche Folgen hat, vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass die Zuerkennung aufschiebender Wirkung auch im gegenständlichen Fall zulässig ist.

6.2. Nichtvorliegen entgegenstehender zwingender öffentlicher Interessen

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ist die Zuerkennung aufschiebender Wirkung nur dann möglich, wenn dem diesbezüglichen Antrag der Beschwerdeführerin keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Solche, dem Antrag entgegenstehenden zwingenden öffentlichen Interessen, sind der Beschwerdeführerin nicht erkennbar.

6.3. Unverhältnismäßiger Nachteil

Die weit reichenden Folgen, die sich an den angefochtenen Feststellungsbescheid der belangten Behörde knüpfen, wurden oben unter Punkt 5.2. ausführlich dargestellt. Für den Fall, dass diesem Bescheid aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird, sind daher unverhältnismäßige - wirtschaftlich derzeit noch gar nicht abschätzbare - Nachteile für die Beschwerdeführerin zu erwarten. Dem stehen die Interessen anderer Telekommunikationsunternehmer, für deren Schutz das Telekommunikationsgesetz jedoch ausreichend sorgt, gegenüber. Dazu kommt, dass eine in der Zukunft liegende, allfällige Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde, ohne dass dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, die Position der Beschwerdeführerin auf dem fraglichen Telekommunikationsmarkt aufgrund der Tatsache, dass lediglich drei Telekommunikationsanbieter, die in scharfem Wettbewerb zueinander stehen, bereits nachhaltig beeinträchtigt hätte. Diese Veränderung der Marktposition wäre auf dem volatilen Mobilfunkmarkt auch nicht mehr reversibel."

Der in der Begründung des Aufschiebungsantrages verwiesene Punkt 5.2. der Beschwerde hat folgenden Wortlaut:

"5.2. Die Bedeutung der Feststellung der Marktbeherrschung auf dem Mobilfunkmarkt

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Feststellungsbescheid getroffene Feststellung der marktbeherrschenden Stellung der Beschwerdeführerin auf dem Mobilfunkmarkt hat nach Ansicht der belangten Behörde folgende - weit reichende - Auswirkungen.

Gemäß § 18 Abs. 4 TKG bedürfen die Geschäftsbedingungen eines marktbeherrschenden Mobilfunkbetreibers der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde. § 18 Abs. 1 TKG legt iVm Abs. 4 der genannten Bestimmung fest, dass ein Mobilfunkbetreiber vor Genehmigung der Geschäftsbedingungen den in Frage stehenden Telekommunikationsdienst nicht erbringen darf.

Im Bereich des offenen Netzzuganges (ONP) - der die Grundlage für die Nutzung von Infrastruktur zur Erbringung eines Telekommunikationsdienstes bietet - hat ein marktbeherrschender Anbieter auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen gemäß § 34 Abs. 1 TKG den Wettbewerbern unter vergleichbaren Umständen zu gleichwertigen Bedingungen Leistungen in der selben Qualität bereitzustellen, die er am Markt anbietet oder die er für seine eigenen Dienste oder für Dienste verbundener Unternehmen bereitstellt. Eine Zugangsbeschränkung darf nur insoweit erfolgen, als dies den grundlegenden Anforderungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 90/387/EWG (Open Network Provision - ONP) entspricht (§ 34 Abs. 3 TKG). Schließlich kann die Regulierungsbehörde gemäß § 34 Abs. 3 TKG im Falle einer missbräuchlichen Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung und bei Verstößen gegen Abs. 1 des § 34 TKG dem Anbieter ein Verhalten auferlegen oder untersagen und Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären.

Für marktbeherrschende Unternehmen besteht weiters gemäß § 35 Abs. 1 TKG die Verpflichtung, nach ONP-Grundsätzen harmonisierte Schnittstellen anzubieten. Nach Abs. 2 des § 35 TKG hat die Regulierungsbehörde die gleichen Befugnisse wie oben in § 34 Abs. 3 TKG erläutert, wenn ein marktbeherrschender Anbieter beim Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen nicht die Normen, welche nach Art. 10 der Richtlinie 90/387/EWG für verbindlich erklärt wurden, einhält.

Im Bereich Gewährung von Netzzugang und Zusammenschaltung normiert § 37 Abs. 1 TKG, dass der marktbeherrschende Betreiber eines Telekommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet, anderen Nutzern Zugang zu seinem Telekommunikationsnetz oder zu entbündelten Teilen desselben zu ermöglichen hat. Nur für den Fall, dass Tatsachen nachgewiesen werden, die eine Verpflichtung im Einzelfall nicht rechtfertigen, besteht diese Verpflichtung nicht. Die Regulierungsbehörde hat jedoch binnen sechs Wochen über die sachliche Rechtfertigung und darüber zu entscheiden, ob ein technischer oder ökonomischer Mehraufwand für Teilleistungen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zumutbar und abzugelten ist. Ein marktbeherrschender Betreiber hat insbesondere eine Zusammenschaltung seines Telekommunikationsnetzes mit öffentlichen Telekommunikationsnetzen anderer Betreiber zu ermöglichen.

Gemäß § 41 Abs. 4 TKG sind marktbeherrschende Unternehmen verpflichtet, eine Liste jener Standardzusammenschaltungsangebote für ihre Netze zu erstellen, die am Markt nachgefragt werden, oder die von Diensten, die dieses Unternehmen selbst im Wettbewerb mit anderen erbringt, verwendet werden. Solche Standardzusammenschaltungsangebote sind gemäß § 41 Abs. 5 der Regulierungsbehörde schriftlich vorzulegen und werden von dieser veröffentlicht.

Marktbeherrschende Unternehmen haben gemäß § 42 die Entgelte und Bedingungen für Standardzusammenschaltungsangebote in die Geschäftsbedingungen aufzunehmen und zu veröffentlichen.

Unternehmen, die auf einem Markt der Telekommunikation über eine marktbeherrschende Stellung verfügen, dürfen gemäß § 43 Abs. 2 TKG nicht konzessionspflichtige Telekommunikationsdienstleistungen untereinander und auch nicht zwischen diesen und anderen Telekommunikationsdienstleistungen quersubventionieren. Als marktbeherrschend festgestellte Erbringer von öffentlichen Telekommunikationsdiensten haben daher gemäß § 43 Abs. 4 durch geeignete organisatorische oder rechnungsmäßige Trennung ihrer Tätigkeiten auf den verschiedenen Märkten der Telekommunikation die Transparenz der Zahlungs- und Leistungsströme zwischen diesen Geschäftsfeldern sicherzustellen.

Schließlich ist gemäß § 96 Abs. 1 TKG für die Benützung eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes vom Betreiber ein Teilnehmerverzeichnis zu erstellen. Die im Teilnehmerverzeichnis enthaltenen Daten sind an die Regulierungsbehörde und an einen vom Betreiber verschiedenen Herausgeber eines betreiberübergreifenden Teilnehmerverzeichnisses zu übermitteln (vgl. § 96 Abs. 6 TKG). Als marktbeherrschend festgestellte Betreiber haben gemäß § 96 Abs. 6 Z. 1 TKG solchen Ersuchen jedenfalls zu entsprechen, wobei nach der genannten Bestimmung solche Betreiber für die Übermittlung der Daten nur ein in den Geschäftsbedingungen im Vorhinein festzulegendes Entgelt, das sich an den Kosten zu orientieren hat, verlangt werden darf."

Die belangte Behörde hat sich in ihrer Äußerung gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Es ist zunächst darauf einzugehen, ob der angefochtene Bescheid einem Vollzug zugänglich ist, was von der belangten Behörde in ihrer Äußerung bestritten wird.

Die hier zu beachtende Rechtslage ist so gestaltet, dass dem gegenständlichen Feststellungsbescheid eine ganze Reihe - schließlich zwangsvollstreckbar - verwaltungsbehördlicher Vollzugsakte nachfolgen kann, wobei der angefochtene Bescheid für die nachfolgenden Akte insofern eine verbindliche Grundlage bildet, als in diesen nachfolgenden Verfahren (innerhalb der Grenzen der Bindungswirkung dieses Feststellungsbescheides als der damit "entschiedenen Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG) die Beschwerdeführerin die Frage ihrer Marktbeherrschung im Sinne des § 33 TKG nicht (mit Erfolg) relevieren kann. Das heißt, dass der angefochtene Bescheid im Falle einer Aufschiebung keine bindende Wirkung für die angesprochenen nachfolgenden Vollzugsakte hätte; die Behörde hätte in diesen jeweiligen Verfahren vielmehr die Frage der Marktbeherrschung der Beschwerdeführerin selbständig zu beurteilen. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid einem - mittelbaren - Vollzug insofern zugänglich ist, als er bindende Wirkung für andere Verfahren entfaltet.

Bei der sohin vorzunehmenden weiteren (materiellen) Prüfung des Aufschiebungsantrages ist im Voraus zu bemerken, dass der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen hat (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. AW 99/03/0027). Ist daher das in der Beschwerde erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 24. Mai 1989, Zl. AW 89/17/0007). Unter den "Annahmen der belangten Behörde" sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 2. April 1994, Zl. AW 94/17/0008).

Zweck und Ziel des regulierenden Eingreifens auf den Telekommunikationsmarkt sind im § 1 TKG wie folgt umschrieben:

"§ 1. (1) Zweck dieses Bundesgesetzes ist es, durch Förderung des Wettbewerbes im Bereich der Telekommunikation die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit zuverlässigen preiswerten, hochwertigen und innovativen Telekommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten.

(2) Durch Maßnahmen der Regulierung sollen folgende Ziele erreicht werden:

1. Schaffung einer modernen Telekommunikationsinfrastruktur zur Förderung der Standortqualität auf hohem Niveau,

2. Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs auf den Märkten der Telekommunikation,

3.

Sicherstellung eines flächendeckenden Universaldienstes,

4.

Schutz der Nutzer vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung,

              5.              Sicherstellung einer effizienten und störungsfreien Nutzung von Frequenzen."

§ 33 TKG hat folgenden Wortlaut:

"Marktbeherrschende Unternehmer

§ 33. (1) Ein Unternehmer ist marktbeherrschend im Sinne dieses Gesetzes, wenn er als Anbieter oder Nachfrager von Telekommunikationsdienstleistungen am sachlich und räumlich relevanten Markt

1. keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist oder

2. auf Grund seiner Möglichkeit, Marktbedingungen zu beeinflussen, seines Umsatzes im Verhältnis zur Größe des Marktes, seiner Kontrolle über den Zugang zu Endbenutzern, seines Zuganges zu Finanzmitteln sowie seiner Erfahrung mit der Bereitstellung von Produkten und Diensten auf dem Markt über eine im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern überragende Marktstellung verfügt.

(2) Es wird vermutet, dass ein Unternehmer marktbeherrschend ist, wenn er am sachlich und räumlich relevanten Markt über einen Marktanteil von mehr als 25% verfügt. Die Regulierungsbehörde kann jedoch festlegen, dass ein Unternehmen mit weniger als 25% an dem betreffenden Markt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. Sie kann auch festlegen, dass ein Unternehmen mit einem Anteil von mehr als 25% an dem betreffenden Markt nicht über eine marktbeherrschende Stellung verfügt. In beiden Fällen sind bei der Festlegung die Kriterien gemäß Abs. 1 zu berücksichtigen.

(3) Die Regulierungsbehörde veröffentlicht einmal jährlich im Amtsblatt zur Wiener Zeitung, auf welchen sachlich und räumlich relevanten Märkten Anbieter über eine marktbeherrschende Stellung verfügen. Vor der Veröffentlichung nach Abs. 3 ist den betroffenen Unternehmern die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Die Veröffentlichung hat keine Rechtswirkungen.

(4) Die Regulierungsbehörde hat auf Antrag eines betroffenen Unternehmers durch Bescheid festzustellen, ob dieser marktbeherrschend im Sinne dieses Bundesgesetzes ist. Sie kann dies auch von Amts wegen tun."

Vor dem Hintergrund der positivierten Zwecke und Ziele des TKG und in Anbetracht der offenkundig (jedenfalls derzeit) bestehenden, außerordentlichen Dynamik des Marktes für das Erbringen des öffentlichen Sprachtelefondienstes mittels eines Mobilkommunikationsnetzes ist es für den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen dieses Provisorialverfahrens nicht zweifelhaft, dass die Erlassung eines Feststellungsbescheides in einem ganz besonderen öffentlichen Interesse liegt.

Der besondere (verfahrensökonomische) Stellenwert des vorliegenden Bescheides lässt sich (gerade auch) aus dem von der Beschwerdeführerin in Punkt 5.2. der Beschwerde dargestellten, umfangreichen Regelungssystem ableiten. Dabei ist nicht zu verkennen, dass das öffentliche Interesse an einem chancengleichen und funktionierenden Wettbewerb am Telekommunikationsmarkt und am Schutz vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung - jedenfalls in bestimmten Fällen - einen raschen Einsatz dieser gesetzlichen Instrumente gebietet (vgl. etwa die in diesem Sinne gesetzlich positivierte, kurze Entscheidungsfrist des § 41 Abs. 3 TKG von sechs Wochen, mit einer Verlängerungsmöglichkeit um längstens vier Wochen). In diesem Zusammenhang gewinnt darüber hinaus auch an Bedeutung, dass für die Beschwerdeführerin die Rechtsvermutung des § 33 Abs. 2 erster Satz (Marktanteil von mehr als 25 %) gilt, also die Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 2 dritter und vierter Satz TKG anzuwenden ist. Dass danach die Beurteilung der Frage, ob ein Unternehmen trotz eines Marktanteiles von mehr als 25 % über keine marktbeherrschende Stellung verfügt, sowohl zeitlich aufwendige Erhebungen als auch vertiefte rechtliche Beurteilungen (die in einem rechtsstaatlichen Verfahren auch eine gewisse zeitliche Dimension aufweisen; zumal dann, wenn es sich um die Auseinandersetzung mit zumindest vertretbaren unterschiedlichen Positionen handelt) erfordern, liegt auf der Hand.

Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung dieses bestehenden besonderen öffentlichen Interesses und den Interessen der Antragstellerin ist nun zunächst allgemein davon auszugehen, dass das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG als ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element anzusehen ist. Die in der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion soll durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden (vgl. hiezu etwa die hg. Beschlüsse vom 25. Februar 1981 - verstärkter Senat -, Slg. Nr. 10.381/A, und vom 2. Jänner 1985, Slg. Nr. 11.632/A). Die Interessensabwägung schlägt daher in der Regel dann zu Gunsten des Beschwerdeführers aus, wenn der ihm durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Beschwerde nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte, während vom Standpunkt der öffentlichen Interessen oder etwa auch der Interessen eines Mitbeteiligten ein Zuwarten mit der Durchsetzung des normativen Gehaltes des Bescheides hingenommen werden kann (vgl. hiezu etwa den hg. Beschluss vom 2. April 1994, Zl. AW 94/17/0008).

In diese Richtung scheint das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu gehen, eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde, ohne dass der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre, würde ihre Position auf dem fraglichen Telekommunikationsmarkt bereits nachhaltig beeinträchtigt haben, und es wäre diese Veränderung ihrer Marktposition auf dem volatilen Mobilfunkmarkt auch nicht mehr reversibel. Die Beschwerdeführerin lässt dabei allerdings zunächst ausser Betracht, dass die Wirkung einer allfälligen Aufschiebung, wie bereits oben gesagt, (nur) im Ausschluss der Bindungswirkung des angefochtenen Feststellungsbescheides liegen kann.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt aber auch weiters konrete, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben vermissen, die in nachvollziehbarer Weise eine auch nur annähernde Quantifizierung eines ihr - für die Dauer des Beschwerdeverfahrens - drohenden Nachteils ermöglichen würden. Die Beschwerdeführerin hat keinerlei Quantifizierung eines ihr drohenden Nachteils vorgenommen, also auch nicht die Herstellung einer Relation des Nachteils zu einem Gesamtgeschäftsbetriebsergebnis. Ohne eine solche Quantifizierung, die auch bei einer - hier gegebenen - Prognoseschätzung, der eine Fehlertoleranz (im Ergebnis, nicht im Verfahren und Denkvorgang) immanent ist, jedenfalls ein Mindestmaß an Aussagekraft aufweisen muss, kann jedoch eine Interessensabwägung nicht vorgenommen werden. Es trifft nämlich nicht zu, dass schon jeder mögliche, irreversible Nachteil für die Interessenslage eines Beschwerdeführers bei der Interessensabwägung zu seinen Gunsten ausschlagen müsste (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. September 1990, Zl.90/14/0033, wonach die Behauptung, die Abgabenschuld nur unter Zuhilfenahme von Fremdkapital abstatten zu können, wobei für die diesbezüglichen Kreditzinsen kein Ersatz zu erlangen sei, für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht ausreicht). Es müssen vielmehr nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes alle berührten Interesse (gegeneinander) abgewogen werden, um in einem nächsten Schritt entscheiden zu können, ob mit dem Vollzug für den Beschwerdeführer und Antragsteller ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Kommt die beschwerdeführende Partei (wie hier) diesem Konkretisierungsgebot nicht einmal ansatzweise nach, wobei für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht nach der Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkannt werden können (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 30. September 1987, Zl. 87/17/0059), so ist auch nicht zu erkennen, dass einer Umsetzung des normativen Gehaltes des angefochtenen Bescheides in die Wirklichkeit in anderen Folgeverfahren für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom Standpunkt der oben dargestellten besonderen öffentlichen Interessen als im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebbar angesehen werden kann.

Auch sonstige Gründe, dass ohne Aufschiebung - also ohne Ausschluss der Bindungswirkung des angefochtenen Bescheides - für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil, und zwar trotz des besonderen öffentlichen Interesses am Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Funktionsschutz des TKG an einem chancengleichen und funktionierenden Wettbewerb am Telekommunikationsmarkt und am Schutz vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, entstünde, wurden nicht, jedenfalls nicht entsprechend konkret, dargelegt.

Die Interessensabwägung musste daher zu Gunsten einer im öffentlichen Interesse gelegenen Aufrechterhaltung der normativen Wirkungen des angefochtenen Feststellungsbescheides ausschlagen. Ob der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch zwingende öffentliche Interessen entgegengestanden wären, konnte dahingestellt bleiben.

Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

Wien, am 18. November 1999

Schlagworte

VollzugInteressenabwägungDarlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung BegründungspflichtZwingende öffentliche InteressenUnverhältnismäßiger NachteilBesondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:AW1999030074.A00

Im RIS seit

22.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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