Entscheidungsdatum
26.07.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G309 2183321-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 13.12.2017, OB: XXXX, betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 23.12.2016 (Datum: Eingangsstempel) via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ein. Da die BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den Behindertenpass (Ausstellungsdatum: 26.11.1998) gewertet. Dem Antrag waren eine Kopie des Parkausweises der BF (Ausstellungsdatum: 17.11.1998) sowie eine Reihe von verschiedenen medizinischen Beweismitteln (Befunde udgl.) angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 06.12.2017, wird nach persönlicher Untersuchung der BF am 04.12.2017 und basierend auf den in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismitteln im Wesentlichen folgendes festgehalten:
2.1. Bei der BF würden ein chronisches Schmerzsyndrom der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen, Hüftgelenksschädigungen beidseitig sowie Daumensattelgelenksarthrosen beidseitig vorliegen.
2.2. Im Hinblick auf die Gesamtmobilität der BF wurde folgendes ausgeführt:
"Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegers einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es ist [der BF] trotz der gering-mittelgradigen Funktionseinschränkungen der unteren und oberen Extremitäten (Wirbelsäule, Hüftgelenke, Daumengelenke) sicher möglich, eine kurze Wegstrecke ohne fremde Hilfe, ohne Unterbrechung, ohne Verwendung eines Hilfsmittels zurückzulegen und das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel zu bewältigen.
[...]
Die Rhizarthrosen beeinträchtigen die Handmotorik kaum. Die Hüftgelenksbeschwerden haben sich beidseitig durch Einsetzen von Prothesen und Physiotherapie deutlich gebessert. Für die Wirbelsäulenbeschwerden sind weiterführende Behandlungen [...] geplant. Der Untersuchungsbefund inklusive Gangbild ergaben keine Hinweise auf Funktionseinschränkungen der unteren oder oberen Extremitäten, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.12.2017 wurde der Antrag der BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf die in dem genannten ärztlichen Sachverständigengutachten getroffenen Ausführungen.
4. Mit am 12.01.2018 datiertem Schreiben erhob die BF fristgerecht Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid. Darin brachte sie im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass sie mit der Untersuchung durch den Sachverständigen und den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden sei. Zur Daumensattelgelenksarthrose beidseits führte die BF aus, sie habe auf der rechten Seite keine Arthrose, das Gelenk fehle vollständig. An der linken Hand liege eine Rhizarthrose vor, welche ihr starke Schmerzen bereiten würde. Sie leide an schmerzhaften Funktionseinschränkungen an den Daumen und bereits jahrelang an Herzrhythmusstörungen. Anders als im Gutachten vermerkt, habe sie jedoch keine Blinddarmoperation gehabt. Die BF führt im Gesamten aus, sie leide an großen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule bzw. an einem chronischen Schmerzsyndrom mit Nervenwurzelirritation. Sie habe große Schmerzen und sei am Bewegungsapparat eingeschränkt, zudem leide sie auch an Einschränkungen an der rechten Schulter, weshalb sie bestimmte Bewegungen nicht machen könne.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde, einlangend mit 17.01.2018, vorgelegt.
6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde die Amtssachverständige XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im eingeholten Gutachten vom 29.03.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:
"Bei der Begutachtung zeigt sich eine 63 jähr. Frau in gutem AZ, die als führende Leidensproblematik ihre chron. WS-Schmerzsymptomatik im Sinne eines chron. LWS-Syndroms mit radikulärer Ausstrahlung L4 li. angibt. Im Rahmen der angegebenen chron. Schmerzsymptomatik wird eine bedarfsmäßige Schmerzmedikation entsprechend dem dreistufigen WHO-Schema Stufe 1 angegeben. Es finden sich schmerzhafte Bewegungseinschränkungen bei ausstrahlender Schmerzsymptomatik, tatsächlich motorische Defizite im relevanten Ausmaß finden sich nicht, fraglich geringgradig abgeschwächte Fußhebungen li. nicht ausschließbar, funktionell aber voll korrigiert.
Beide Hüftgelenke sind mit Endoprothesen versorgt u. zeigen eine sehr gute Funktionsfähigkeit bei ebenfalls subjektiver Zufriedenheit. Die Funktionsfähigkeit der li. Hand ist durch eine schmerzhafte Rhizarthrose eingeschränkt, weshalb das Heben und Tragen von Lasten dadurch vermindert ist, die Langfinger sind ohne relevante Funktionseinschränkungen, die re. Hand zeigt eine altersgemäße Hantierfähigkeit.
Das re. Schultergelenk zeigt eine geringgradige Bewegungseinschränkung.
In der Zusammenschau der Gesamtproblematik kann eine schmerzbedingte Einschränkung im Bewegungs- und Stützapparat bewertet werden, welche jedoch unter Berücksichtigung der Beweglichkeit als mäßig u. unter Berücksichtigung der angegebenen Schmerzen mit antalgischem Bewegungsmuster als bestenfalls mittelgradig bewertet werden kann.
Es besteht keine chronifizierte therapieresistente Schmerzkrankheit, zumal eine Bedarfsmedikation eingenommen wird u. erhebliche weitere therapeutische Optionen bestehen."
Hinsichtlich der Gesamtmobilität der BF in Bezug auf die beantragte Zusatzeintragung wurde folgendes ausgeführt:
"Periphere neurolog. Ausfälle, die relevante Funktionseinschränkungen an den unteren Extremitäten bewirken würden, bestehen nicht. Im Gelenksstatus zeigen sich keine höhergradigen Funktionseinschränkungen an unteren Extremitäten.
Die Hantierfähigkeit li. ist vermindert, ein Zustand einer Einarmigkeit jedoch bei weitem nicht gegeben.
Es besteht keine höhergradige kardiopulmonale Leistungsminderung.
Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen in psychischer, neurologischer oder intellektueller Sicht.
Es besteht keine relevante Erkrankung des Immunsystems mit Abschwächung.
Es besteht weder eine hochgradige Sehbehinderung noch Blindheit oder Taubblindheit.
Insgesamt ist trotz den o.a. Funktionseinschränkungen im Bewegungs- und Stützapparat das Zurücklegen einer kurzen Strecke (derzeit auch ohne Benutzung orthopädischer Behelfe) möglich u. zumutbar.
Einfache Niveauunterschiede können selbständig überwunden werden.
Es besteht keine hochgradige dauerhafte Funktionseinschränkung, die mit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht vereinbar wäre.
Der angeführte Umstand, dass die gleichzeitige Mitnahme von Einkäufen oder sonstigen Lasten die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht ermöglichen würde, da Hebe- und Trageleistungen ebenfalls deutlich eingeschränkt seien, kann den gewünschten Zusatz nicht begründen."
7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 11.04.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
8. Mit Schreiben vom 25.04.2018 (Datum: Poststempel) nahm die BF, unter Vorlage eines ärztlichen Entlassungsberichts, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, dass sie mit den Ausführungen im Sachverständigengutachten nicht einverstanden sei und die bei ihr vorliegenden Krankheitsbilder nicht vollständig eingeschätzt worden seien. Aufgrund der Schädigungen an ihrer Wirbelsäule leide sie bereits seit langer Zeit an großen Schmerzen und seien etwaige Therapieversuche erfolglos geblieben bzw. würde eine medikamentöse Behandlung die BF sehr beeinträchtigen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses und hat ihren Wohnsitz im Inland.
Die BF leidet an degenerativen Wirbelsäulenveränderungen unter Betonung der LWS mit Funktionseinschränkungen mittleren Grades ohne sensomotorische Defizite, an einem Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseitig nach Hüftgelenksdysplasie, unter degenerativen Gelenksveränderungen mit endgradiger Einschränkung im rechten Schultergelenk, unter Fingergelenkspolyarthrosen mit fortgeschrittener Daumengelenksarthrose links sowie unter Herzrhythmusstörungen.
Eine hochgradige Einschränkung der Funktionen der unteren oder der oberen Extremitäten liegt nicht vor. Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten. Die chronische Schmerzsymptomatik wird mit einer bedarfsmäßigen Schmerzmedikation entsprechend der Stufe 1 WHO-Schema behandelt.
Trotz den Funktionseinschränkungen im Bewegungs- und Stützapparat ist der BF das Zurücklegen einer kurzen Strecke möglich und können einfache Niveauunterschiede selbständig überwunden werden.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass, liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zum ausgestellten Behindertenpass sind dem von der belangten Behörde übermittelten Akt zu entnehmen. Die Feststellung hinsichtlich des Wohnortes der BF, ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Das zum Gesundheitszustand der BF eingeholte Sachverständigengutachten des Amtssachverständigen XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29.03.2018, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Das Gutachten von XXXX kommt hinsichtlich der bei der BF vorliegenden Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen, wie das von der belangten Behörde herangezogene Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 06.12.2017.
Weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme zum Sachverständigengutachten von XXXX wurde seitens der BF substantiiert aufgezeigt, inwieweit die diagnostizierten gesundheitlichen Einschränkungen in einem Ausmaß vorliegen würden, welches zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen würde und waren auch nicht dazu geeignet, das schlüssige Sachverständigengutachten des Dr. WEISS zu entkräften bzw. Unvollständigkeiten daran aufzuzeigen.
Das Sachverständigengutachten von XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
Die mit Stellungnahme vom 25.04.2018 beim erkennenden Gericht eingebrachten medizinischen Beweismittel unterliegen der Neuerungsbeschränkung, wonach im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Beweismittel und Tatsachen nicht vorgebracht werden dürfen, weshalb diese medizinischen Beweismittel bei der Entscheidung des erkennenden Gerichtes nicht miteinbezogen werden konnten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragten.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das
36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d leg. cit. vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.
Mit Novelle des Bundesbehindertengesetztes (BGBl. I 57/2015) hat der Gesetzgeber für das Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. § 46 BBG regelt, dass im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht mehr vorgebracht, und in die Entscheidung miteinbezogen werden dürfen.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, zufolge leidet die BF unter degenerativen Wirbelsäulenveränderungen unter Betonung der LWS mit Funktionseinschränkungen mittleren Grades ohne sensomotorische Defizite, an einem Zustand nach Hüftgelenksersatz beidseitig nach Hüftgelenksdysplasie, unter degenerativen Gelenksveränderungen mit endgradiger Einschränkung im rechten Schultergelenk, unter Fingergelenkspolyarthrosen mit fortgeschrittener Daumengelenksarthrose links sowie unter Herzrhythmusstörungen.
Diese Leiden bewirken nachvollziehbar eine Einschränkung der Mobilität. Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde, konnten jedoch nicht festgestellt werden. Es konnten auch keine Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten in einem erheblichen Ausmaß oder eine schwere, anhaltende Erkrankung des Immunsystems festgestellt werden.
Der BF ist das Ein- und Aussteigen, der sichere Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln, als auch das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken, aus medizinischer Sicht möglich und zumutbar. Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2183321.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.10.2018