Entscheidungsdatum
31.07.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I420 2192648-1/2E
I420 2192648-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Dr. Magdalena HONSIG-ERLENBURG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX alias XXXX alias XXXX), geb. XXXX StA. Nigeria, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe,
A)
gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2018, Zl. 1107623700/171005610,
I. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 71 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) als unbegründet abgewiesen.
II. beschlossen:
Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 31 VwGVG iVm § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a bis d Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zurückgewiesen.
B)
gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2017, Zl. 1107623700/171005610, beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 31 VwGVG iVm § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
C)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 07.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 23.05.2016 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Italien gemäß 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Italien zulässig sei.
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2016 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
4. Am 30.08.2017 brachte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein.
5. Mit Bescheid vom 19.10.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria ab (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.). Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 24.10.2017 durch Hinterlegung zugestellt und erwuchs mangels rechtzeitiger Beschwerdeerhebung mit 22.11.2017 in Rechtskraft.
6. Am 14.11.2017 wurde der Bescheid vom 19.10.2017 mit dem Vermerk "Nicht behoben" an das BFA retourniert und langte dort am 15.11.2017 ein.
7. Am 17.11.2017 wurde ein Erhebungsersuchen an die Polizeiinspektion H versendet.
8. Am 11.12.2017 langte ein Bericht der Polizeiinspektion H beim BFA ein, wonach dem Beschwerdeführer am 29.11.2017 mitgeteilt worden sei, sich beim BFA einzufinden und ein Schriftstück zu beheben.
9. Am 04.12.2017 übernahm der Beschwerdeführer den Bescheid vom 19.10.2017 persönlich.
10. Mit Antrag vom 15.12.2017 beantragte der Beschwerdeführer eine neuerliche Zustellung des Bescheides vom 19.10.2017 (1.), die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (2.), die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (3.) und führte zugleich eine Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 19.10.2017 aus (4.). Begründend führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er keine Verständigung über die Hinterlegung ("gelber Zettel") erhalten habe und daher nichts vom Zustellversuch des BFA gewusst habe. Auch eine telefonische Nachfrage beim Postamt am 05.12.2017 habe ergeben, dass es durchaus regelmäßig vorkomme, dass Postmänner vergessen den "gelben Zettel" zu hinterlegen oder diesen in einem falschen Briefkasten hinterlegen. Ein derartiger Fehler müsse der Post auch in seinem Fall unterlaufen sein, da er an seiner Wohnadresse wohne und sein Postfach täglich kontrolliere, zumal ihm bewusst sei, wie wichtig die Zustellung behördlicher Schriftstücke sei. Er habe jedoch keinen "gelben Zettel" gefunden und erst am 01.12.2017 durch die Polizei erfahren, dass ein Zustellversuch stattgefunden habe. Es handelt sich daher um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis und könne ihm mangels Kenntnis, dass diese Zustellbenachrichtigung überhaupt existiere, kein Versehen oder gar Verschulden vorgeworfen werden. Außerdem wurde zum Beweis für den Nichterhalt der Hinterlegungsanzeige die Befragung des zuständigen Briefträgers beantragt.
11. Mit Bescheid vom 02.03.2018 wies das BFA den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und erkannte dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 15.12.2017 die aufschiebende Wirkung zu. Zusammenfassend begründete das BFA diese Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer nicht durch ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis verhindert war, die Rechtsmittelfrist einzuhalten.
12. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Es liege kein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden vor, weswegen beantragt werde, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben und über die gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung eingebrachte Beschwerde im Asylverfahren inhaltlich absprechen. Außerdem wurde ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a bis d ZPO gestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Bescheid vom 19.10.2017, mit welchem das BFA die Anträge auf internationalen Schutz und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen hat, keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt hat und eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen hat und festgestellt hat, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist sowie, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt, wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung am 24.10.2017 rechtswirksam zugestellt.
In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides, welche auch in der Sprache Englisch angeführt wurde, wurde auf die vierwöchige Rechtsmittelfrist ab Zustellung verwiesen, welche mit 21.11.2017 endete.
Der Bescheid wurde vom Beschwerdeführer nicht behoben, weshalb dieser nach Ablauf der Abholfrist, am 14.11.2017 an das BFA retourniert wurde.
Innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist wurde gegen diesen Bescheid keine Beschwerde erhoben, weshalb dieser mit 22.11.2017 in Rechtskraft erwuchs.
Am 04.12.2017 übernahm der Beschwerdeführer den Bescheid vom 19.10.2017 beim BFA persönlich, nachdem er seitens der Polizeiinspektion H entsprechend informiert worden ist.
Die Beschwerde samt Wiedereinsetzungsantrag wurde dem BFA fristgerecht am 15.12.2017 übermittelt.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Rechtsmittelfrist einzuhalten.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen des für diese Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts basieren auf den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erhobenen Beweisen durch Einsichtnahme in den Akt des BFA sowie in den Gerichtsakt.
2.2. Die Feststellung, dass der Bescheid vom 19.10.2017 dem Beschwerdeführer am 24.10.2017 durch Hinterlegung zugestellt wurde, basiert auf dem sich im Akt befindlichen Rückschein.
2.3. Die Feststellung, dass der Bescheid vom 19.10.2017 innerhalb der zweiwöchigen Abholfrist nicht behoben wurde, beruht auf der Tatsache, dass der Bescheid dem BFA mit dem Hinweis "zurück nicht behoben" am 15.11.2017 retourniert wurde. Gemäß § 19 ZustG sind nämlich Dokumente, die zwar durch Hinterlegung zugestellt, aber nicht abgeholt worden sind, an den Absender zurückzusenden.
2.4. Die Feststellung, dass der Bescheid vom 19.10.2017 in Rechtskraft erwuchs, gründet sich auf den vorliegenden Behördenakt.
2.5. Dass der Beschwerdeführer das Fristende zur Einbringung eines Rechtsmittels versäumt hat, ergibt sich aus seiner Beschwerde samt Wiedereinsetzungsantrag, beim BFA am 15.12.2017 eingebracht.
2.6. Dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, glaubhaft darzulegen, dass ihm die Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides vom 19.10.2017 nicht ausgehändigt wurde, basiert auf folgenden Überlegungen:
Glaubhaft machen bedeutet, das Ereignis als wahrscheinlich darzutun, wodurch zum Ausdruck gelangen soll, dass es Sache des Antragstellers ist, das Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrundes nicht nur zu behaupten, sondern die Behörde auch davon zu überzeugen, dass seine Behauptungen wahrscheinlich den Tatsachen entsprechen (vgl. VwGH 30.01.2001, 98/18/0225 zur gleichlautenden Bestimmung § 71 AVG).
Dem BFA ist beizupflichten, wenn es anführt, dass der Aussage des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag, dass er nie die Verständigung der Hinterlegung ("gelber Zettel") erhalten habe, obwohl er regelmäßig sein Postfach kontrollieren würde, da ihm bewusst sei, wie wichtig die Zustellung behördlicher Schriftstücke sei, die Aussagen der aktuellen Betreuer seiner Asylunterkunft, Herr S sowie Frau R von der Firma XXXX, entgegenstehen. Diese gaben nämlich beide gleichlautend an, dass es keine eigenen Postfächer für die Bewohner gebe, sondern die Postsendungen sowie Verständigungen einer Hinterlegung direkt an die Betreuer übergeben oder in den allgemeinen Briefkasten gelegt werden und dann von den Betreuern persönlich an die Bewohner verteilt werden. Den Angaben des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag ist folglich die Glaubwürdigkeit abzusprechen.
Dem BFA ist auch zuzustimmen, wenn es des Weiteren treffend darlegt, dass den Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Wiedereinsetzungsantrag bezüglich eines Zustellfehlers seitens der Post entgegengehalten werden kann, dass der Leiter der Zustellbasis, Herr H, angab, dass die zuständige Zustellerin zuverlässig sei und er nicht von einem Zustellfehler ausgehe, selbst wenn sich die Zustellerin nicht mehr an die gegenständliche Zustellung erinnern könne.
Außerdem gab der ehemalige (bis Anfang Jänner 2018) Betreuer der Asylunterkunft des Beschwerdeführers an, dass der Beschwerdeführer seine Postsendungen und "gelben Zettel" immer erhalten habe. Als er noch dafür zuständig gewesen sei, habe er die Postsendungen entweder persönlich übernommen oder seien diese auf dem Tisch in seinem Büro hinterlegt worden. Zudem habe er den Beschwerdeführer des Öfteren darauf hinweisen müssen, seine Strafen zu bezahlen, welche er per Post erhalten habe, was auch für einen nicht gerade verantwortungsvollen Umgang mit Postsendungen seitens des Beschwerdeführers spricht.
Schließlich ist dem BFA auch beizupflichten, wenn es ausführt, dass die Angabe des Beschwerdeführers im Wiedereinsetzungsantrag, er habe von der Zustellung eines Poststückes erst am 01.12.2017 erfahren, nicht den Tatsachen entspreche, zumal aus einem Bericht der Polizeiinspektion H eindeutig hervorgeht, dass dem Beschwerdeführer am 29.11.2017 in seiner Unterkunft mitgeteilt worden ist, sich beim BFA einzufinden und ein Schriftstück abzuholen und er sich folglich nicht bereits am nächstmöglichen Werktag, wie im Wiedereinsetzungsantrag behauptet, sondern erst am 04.12.2017, beim BFA einfand, um den Bescheid zu übernehmen, was wiederum seine Glaubwürdigkeit erschüttert.
Die Angabe des Beschwerdeführers, dass die Verständigung der Hinterlegung ("gelber Zettel") ihm nicht zugestellt worden sei, geht sohin ins Leere und wurde der Beweiswürdigung des BFA im angefochtenen Bescheid auch in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Die bloße Behauptung des Beschwerdeführers kann keinesfalls ausreichend sein, das Gericht vom Vorliegen eines unvorhergesehenen Ereignisses zu überzeugen.
2.7. Dass der Beschwerdeführer nicht durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Rechtsmittelfrist einzuhalten, ergibt sich aus seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 15.12.2017 und seiner Beschwerde vom 29.03.2018. So führte der Beschwerdeführer keine Ortsabwesenheiten wie Urlaube, stationäre Aufenthalte in Krankenhäusern usw. an. Auch ist aus der Aktenlage sonst kein Hinderungsgrund erkennbar.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
I. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) lautet:
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.
(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.
(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen."
Als Ereignis ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person ebenso durch eine alltägliche Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie durch Gewalteinwendungen von außen. Unvorhergesehen ist aber ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. VwGH 26.08.1998, 96/09/0093).
Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (vgl. VwGH 15.09.2005, 2004/07/0135).
Auch ein Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides bzw. den Zeitpunkt der Hinterlegung des eines Bescheides und der damit bewirkten Zustellung kann einen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darstellen. Aber nur wenn die Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstücks, mit der die Zustellung bewirkt ist, nicht auf einem Verschulden der Partei beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt, ist sie geeignet, einen Wiedereinsetzungsantrag zu begründen. Davon kann etwa dann ausgegangen werden, wenn die Partei von der Zustellung des Bescheides durch Hinterlegung deshalb keine Kenntnis erlangt hat, weil die Verständigung von der Hinterlegung ohne ihr Wissen von einer anderen Hauspartei oder einer dritten Person entfernt worden ist, oder wenn ein Haus als Angehöriger die Hinterlegungsanzeige aus dem Briefkasten entnimmt, ohne den Adressaten rechtzeitig davon in Kenntnis zu setzen (vgl. Hengstschläger-Leeb, § 71 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand RZ 73).
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass daher die Unkenntnis von der Zustellung des Bescheides zwar ein unvorhergesehenes Ereignis darstellen könnte, wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung dargelegt, ist es dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelungen, dem Gericht glaubhaft darzulegen, dass die Verständigung über die Hinterlegung dem Beschwerdeführer tatsächlich nicht ausgehändigt wurde.
Der Eintritt der Fristversäumnis ist im konkreten Fall in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen, Unterlagen, die ein von ihm behauptetes Unmöglichmachen der Beschwerde innerhalb der gesetzlich normierten Frist belegen hätten können, wurden im Rahmen des Administrativerfahrens nicht vorgebracht und finden sich auch in der Beschwerde keine substantiierten Anhaltspunkte für das Vorliegen von etwaigen Wiedereinsetzungsgründen.
Mangels Vorliegen der Voraussetzungen der Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem BFA inhaltlich beizupflichten und war der Beschwerde somit der Erfolg zu versagen.
II. Zurückweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe:
Mit der Erhebung der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verfahrenshilfe ein. Begründend führte er aus, dass er Grundversorgung und kein regelmäßiges Einkommen beziehe. Er beantrage daher ihm Verfahrenshilfe im Umfang des § 8a VwGVG iVm § 64 Abs. 1 Z1 lit. a bis d ZPO, somit im Umfang der Gebührenbefreiung für die Eingabengebühr zu gewähren und legte ein Vermögensbekenntnis vor.
Dazu wird vorab grundsätzlich folgendes ausgeführt:
Mit den am 01.10.2011 in Kraft getretenen §§ 64 bis 68 AsylG 2005, BGBl I 100/2005 idF BGBl I 38/2011, schuf der Gesetzgeber ein neues, nach den einzelnen Asylverfahrensstadien abgestuftes Regelungsregime für die Rechtsberatung. Das Rechtsberatungsregime wurde schließlich in dieser Ausgestaltung - erweitert um die Fälle der Verhängung von Schubhaft sowie Rückkehrentscheidungen ohne damit in Zusammenhang stehende Asylverfahren - im Wesentlichen in das am 01.01.2014 in Kraft getretene BFA-Verfahrensgesetz für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht übernommen (vgl. RV 1803 BlgNR 24. GP, 33).
Gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG haben Rechtsberater nunmehr Fremde oder Asylwerber beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in allen Fällen des Abs. 1 leg.cit. - also bei einer Rückkehrentscheidung, der Erlassung einer Entscheidung gemäß § 2 Abs. 4 bis 5 oder § 3 GVG-B 2005, der Anordnung zur Außerlandesbringung, der Anordnung der Schubhaft sowie bei zurück- oder abweisenden Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz - zu unterstützen und zu beraten sowie die Erfolgsaussicht der Beschwerde darzulegen. Nur in Beschwerdeverfahren gegen eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung sowie die Einschränkung oder den Entzug von Grundversorgungsleistungen haben Rechtsberater Fremde auf deren Ersuchen "auch" zu vertreten. In Verfahren über internationalen Schutz sowie über die Anordnung von Schubhaft haben Rechtsberater auf Ersuchen des Fremden an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen.
Dieses umfassende Tätigwerden für einen Vertretenen ist von einer bloßen Beratung und Unterstützung, die nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 BFA-VG "objektiv" zu erfolgen hat, zu unterscheiden. Der Gesetzgeber selbst geht diesbezüglich offenkundig von einem maßgeblichen Unterschied des Aufgabenprofils eines Rechtsberaters aus, weil er ansonsten in § 52 Abs. 2 BFA-VG keine Differenzierung zwischen der Beratung und Unterstützung einerseits und "auch" der Vertretung andererseits vorgenommen hätte.
In Ermangelung einer eigenen Definition des in § 52 Abs. 2 BFA-VG verwendeten Vertretungsbegriffs ist von dem allgemeinen Begriffsverständnis der prozessualen Vertretung auszugehen. Diese besteht darin, dass ein Vertreter für die Partei bzw. in ihrem Namen mit der Wirkung handelt, als würde die Partei selbst den Verfahrensakt setzen oder entgegennehmen; der Vertreter gibt anstelle des Vertretenen und für diesen Erklärungen ab und bildet selbst einen diesbezüglichen Willen (vgl. z.B. VwGH 11.05.1987, 87/10/0049). Die Grenzen der gewillkürten Vertretung richten sich im Einzelfall nach der erteilten Vollmacht, im Falle der gesetzlich vorgesehenen Vertretung nach den Bestimmungen des Gesetzes. § 52 Abs. 2 BFA-VG oder andere in diesem Zusammenhang maßgebliche Bestimmungen sehen keine Einschränkung des Umfangs der - an das entsprechende Ersuchen des Fremden gebundenen - Vertretung in Beschwerdeverfahren gegen eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung sowie die Einschränkung oder den Entzug von Grundversorgungsleistungen vor. Die Vertretungsbefugnis eines Rechtsberaters ist in diesen Fällen also nicht beschränkt, weshalb er zur Setzung sämtlicher Akte im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht berechtigt und auch verpflichtet ist. Eine derartige Beschränkung geht auch aus der dem erkennenden Gericht vorliegenden Vollmacht nicht vor. Die Rechtsberatung erfüllte diese Verpflichtungen (vgl. VwGH 03.05.2016, Ro 2016/18/0001), wobei ihr der Beschwerdeführer auch Vollmacht inklusive Inkasso- und Zustellvollmacht erteilte. Die Rechtsberatung brachte für den Beschwerdeführer die Beschwerde ein.
Im Sinne des Urteils des EGMR, 09.10.1979, Fall Airey, lag somit im Falle des Beschwerdeführers, dem eine Rechtsberaterin beigegeben war, die für ihn die Beschwerde einbrachte und der er zudem Vertretungsvollmacht erteilte, kein Fall vor, indem mangels der unentgeltlicher Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet gewesen wäre. Hat eine Partei in einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einen Rechtsanspruch auf Vertretung durch einen Rechtsberater (§ 52 Abs. 1 BFA-VG 2014), dann besteht kein Anspruch auf einen Verfahrenshilfeverteidiger (VwGH 26.04.2016, Ra 2016/20/0043).
Daher liegen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen, unter denen Anspruch auf eine Verfahrenshilfe für die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der unionsrechtlichen Prozesskostenhilfe bestehen würde, nicht vor.
Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass er die Verfahrenshilfe im Umfang der Gebührenbefreiung für die Eingabegebühr benötige, so ist dazu auszuführen, dass gemäß § 70 AsylG 2005, die in Verfahren nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Eingaben, Vollmachtsurkunden, Niederschriften, Zeugnisse und ausländischen Personenstandsurkunden sowie die Verlängerung von Aufenthaltsberechtigungen von den Gebühren befreit sind. Weiters sind für Amtshandlungen auf Grund oder unmittelbar für Zwecke dieses Bundesgesetzes Verwaltungsabgaben des Bundes sowie Barauslagen nicht zu entrichten. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Ausnahme von der Gebührenpflicht für Eingaben an die Verwaltungsgerichte gemäß § 1 Abs. 1 BulVwG-EGebV.
Im gegenständlichen Verfahren entstehen daher für den Beschwerdeführer keine Gebühren, sollte dieser irrtümlich Gebühren entrichtet haben, wobei er den Nachweis nicht erbracht hat, so wären ihm diese allenfalls zurückzuerstatten, einen Anspruch auf Verfahrenshilfe kann dieser Sachverhalt jedoch nicht begründen, weshalb Antrag auf Verfahrenshilfe gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen war.
Zu B)
Zurückweisung der Beschwerde:
1. Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.
§ 32 AVG bestimmt:
"5. Abschnitt: Fristen
§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.
(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats."
§ 17 Abs. 2 ZustG lautet:
"Hinterlegung
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde."
2. Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung dargelegt - konnte der Bescheid vom 19.10.2017 dem Beschwerdeführer an dessen Abgabestelle nicht zugestellt werde, weshalb der Zusteller eine Verständigung über eine Hinterlegung hinterließ.
In dieser Verständigung wird der 24.10.2017 als der Tag genannt, an dem das Dokument erstmals zur Abholung beim Postamt bereitgehalten wird.
Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG gilt daher der Bescheid am 24.10.2017 als zugestellt und begann die Rechtsmittelfrist daher am Dienstag, dem 24.10.2017, zu laufen.
Unter Berücksichtigung der Frist von vier Wochen, endete die Rechtsmittelfrist am Dienstag, dem 21.11.2017 und ist der Bescheid vom 19.10.2017 am 22.11.2017 in Rechtskraft erwachsen.
Die Beschwerde, welche zusammen mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 15.12.2017 beim BFA eingebracht wurde, erweist sich sohin als verspätet, sodass die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückzuweisen war.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Der Sachverhalt ist aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (entspricht der bisherigen Judikatur zum § 67d AVG, wobei darauf hinzuweisen ist, dass § 24 VwGVG dem aufgehobenen § 67d AVG entspricht). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291). Was das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein Tatsachenvorbringen, welches zu einem anderen Verfahrensausgang führen könnte.
Zu C) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Antragsbegehren, Hinterlegung, mangelnder Anknüpfungspunkt,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I420.2192648.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.10.2018