Entscheidungsdatum
31.07.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G313 2185054-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Vorsitzende, sowie der Richterin Mag. Angelika PENNITZ und dem fachkundigen Laienrichter Mag. Werner POCK als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten, vom 28.12.2107, Sozial-Versicherungsnummer XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 30.10.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Kärnten im Folgenden:
belangte Behörde), einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass samt Beilagen ein.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin vom 07.12.2107, wird aufgrund der am 30.11.2017 erfolgten Begutachtung des BF und zu der beantragten Zusatzeintragung festgehalten, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
3. Mit Bescheid vom 27.12.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 07.12.2107 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei würden diese Voraussetzungen jedoch derzeit nicht vorliegen und sei der Antrag daher abzuweisen gewesen.
4. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 29.01.2018 Beschwerde.
Zusammengefasst brachte der BF im Wesentlichen vor, keinesfalls die im Gutachten beschriebene Wegstrecke zurücklegen zu können ohne massive Schmerzen zu haben. Er könne maximal 40 m gehen. Er müsse immer Pausen beim Gehen einlegen und müsse ständig Schmerzmittel einnehmen.
5. Am 05.02.2018 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
6. Seitens des BVwG wurde im Rahmen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 18.06.2018 mit persönlicher Untersuchung des BF am 08.05.2018 eingeholt.
6. Das Gutachten wurde dem BF im Wege des Parteiengehörs zur Abgabe einer Stellungnahme bis 20.7.2018 übermittelt.
Bis dato langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Im seitens des von Dr. XXXX erstellten SV Gutachten aus dem Fachbereich Orthopädie vom 18.06.2018 wurde folgendes ausgeführt:
"Anamnese:
Letzte Begutachtung 30.11.2017 - Dr. XXXX.
Zwischenzeitlich Muttermalentfernung untere Extremität rechts, 18.04.2018 - gutartig.
Zustand nach bekanntem Unfall Dezember 2014, mit Wirbelbrüchen im Brustwirbelsäulenbereich (IV. und V. Brustwirbel laut Antragsteller).
Bekannt ist auch eine Schuppenflechte.
Eine Dreimonatsspritze - Stellara - wird verabreicht.
Subjektive Beschwerden:
Der Antragsteller gibt Schmerzen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule, mit Ausstrahlung in die Arme beidseits, sowie in die Rippen an. Er habe auch Krämpfe im Bereich des Brustkorbes. Seit ca. drei Monaten wird ein Gehstock außer Haus verwendet. Es wird auch eine Sensibilitätsstörung in beiden Beinen, sowie immer wieder auftretende krampfartige Schmerzen beidseits beschrieben. Auf Grund der Schmerzen könne er mit dem Stock nur ca. 50 bis 100 Meter gehen und müsse dann stehen bleiben. Ein Bekannter hätte ihn zur Begutachtung geführt, im Auto des Bekannten hätte er seinen Gehstock vergessen.
Medikamente und Therapie:
Stellara alle drei Monate, Dronabinol Tropfen, Oxygerolan, Pregabalin.
Sozialanamnese:
AMS, verheiratet, 3 Kinder.
Zusammenfassung relevanter Befunde:
Die beiliegenden Befunde wurden gewürdigt.
Zusätzlich:
Ambulanzbericht der Dermatologie Klinikum XXXX. 30.04.2018:
Verdacht auf Melanom plantar rechts mit TE am 18.04.2018,
Ärztliches Attest Dr. XXXX. 27.02.2018, Diagnosen:
Therapieresistentes depressives Zustandsbild, Psoriasisarthritis bei bekannter Psoriasis vulgaris vom Plaquetyp. Dorsomedianer chronsicher Diskusprolpas L5/S1, ohne Kompression. Protrusion L3/4/5. Gering breitbasige Bandscheibenprotrusion L1/2, ohne Kompression. Chondrosen L1/2 und L5/S1. Retrolisthese L1/2, chronische rezid. Lumboischialgie mit pseudoradikulärer Ausstrahlung. Cervikobrachialgie links bei Bandscheibenprolaps C4/5, diskrete Protrusion C4/5 und C5/6, C6/7 und C7/Th1 und Foramenstensoen C5/6 und C6/7 mit hochgradiger Neuroforamenstenose C7 links. Uncarthrosen. Polyarthralgien. Zustand nach Impressionsfraktur. Breiter horizontaler Einriss des Innenmeniscushinterhorns. Inzip. Chondropathie medialis. Intraossäre Synovialiszyste an der Eminentia condylaris. Ganglion in der Incisura intercondylaris. Fragliche Insertionstendinopathie am rechten Knie. Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung. Gemischter Kopfschmerz cervikogen. Spannungskopfschmerz. Hepatitis C. Geringe Steatosis hepatis. Verdacht auf Tietze-Syndrom. COPD-Hinweise.
Klinischer Untersuchungsbefund:
Gesamteindruck: 52-jähriger Antragsteller in gutem AEZ, Größe 169 cm, Gewicht 78 kg.
Das An- und Ablegen der Kleidung wird verlangsamt, jedoch selbständig durchgeführt.
Das Gangbild ist auf Grund der erst kürzlich durchgeführten Operation an der Fußsohle rechts über die Ferse durchführbar, dadurch rechtsentlastendes hinkendes Gangbild.
Wirbelsäule:
Im Lot. Beckengeradstand.
HWS-Beweglichkeit:
Äußerlich keine Auffälligkeiten, Rotation rechts 45°, links 30°, Seitneigung rechts 15°, links 10°, KJ: 16/2, Bewegung ohne Schmerzangabe möglich.
BWS/LWS-Beweglichkeit:
Reklination nur einige Grade möglich, mit Bewegungsschmerz, Seitneigung bds. 10°, Zunahme der Brustkyphose mit Klopfschmerz gesamte Brustwirbelsäule, FBA 60 cm, Schober 10/10,5, mit Schmerzen Brust- und Lendenwirbelsäule.
Obere Extremitäten:
Schulter bds: äußerlich unauffällig, Außenrotation beidseits 45°, aktive Abduktion 80° beidseits auf Grund der Schmerzen, passiv bis 100° mit deutlichem muskulärem Widerstand.
Nackengriff beidseits verlangsamt durchführbar und Schürzenbandgriff bds. thorakolumbal.
Ellbogengelenke beidseits; äußerlich unauffällig, in allen Ebenen frei beweglich. Hand- und Fingergelenke beidseits: äußerlich unauffällig, in allen Ebenen frei beweglich.
Faustschluss und Spreizen der Finger ungehindert möglich.
Grob neurologisch: obere Extremitäten unauffällig.
Händigkeit: rechts
Untere Extremitäten:
Hüfte rechts: Flexion 100°, Innenrotation 20°, Außenrotation 30°.
Hüfte links: Flexion 100°, Innenrotation 20°, Außenrotation 30°, mit deutlichem Bewegungsschmerz und muskulärem Widerstand bei Flexion.
Knie beidseits: äußerlich unauffällig, in allen Ebenen frei beweglich, Bandapparat in allen Ebenen stabil, kein Bewegungsschmerz.
Sprung- und Zehengelenke beidseits: an der Fußsohle rechts zeigt sich eine Läsion mit orange gefärbter Tinktur behandelt, in allen Ebenen frei beweglich.
Zehenspitzenstand rechts erschwert, Fersengang erschwert, jedoch möglich.
Tiefe Hocke mit Abstützen ein Drittel der Norm.
Einbeinstand rechts auf Grund der Läsion deutlich unsicher, mit Anhalten.
Diagnose
1. Chronsiches Schmerzsyndrom der gesamten Wirbelsäule bei bekannten Wirbelkörpereinbrüchen der Brustwirbelsäule, sowie degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule.
2. Psoriasis vulgaris - Schuppenflechte - mit Gelenksbeteiligung.
Begründung:
Aus orthopädischer Sicht ist eine exakte Funktionsprüfung der peripheren Gelenke und der Wirbelsäule auf Grund des Muskelwiderstandes unter Schmerzäußerung nicht möglich. Diesbezüglich zeigt sich gegenüber dem Vorgutachten auch im Untersuchungsgang keine Veränderung. Laut Antragsteller wird ein Gehstock außer Haus benötigt, dieser Gehstock wird jedoch im Auto eines Bekannten, der ihn zur Begutachtung geführt hat, vergessen.
Prüfung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Auf Grund einer kürzlich durchgeführten Hauttumorentfernung an der Fußsohle rechts ist das Gangbild derzeit eingeschränkt.
Aus orthopädischer Sicht ist eine kurze Wegstrecke ohne Unterbrechung mit Gehbehelf zumutbar.
An den Hüft- und Kniegelenken zeigt sich keine erhebliche Einschränkung. Eine neurologische Ausfallserscheinung an den unteren Extremitäten konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
Gegenüber dem Vorgutachten zeigt sich hinsichtlich der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel keine Änderung."
Dagegen brachte der BF keine Stellungnahme ein.
2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten der Amtssachverständigen Dr. XXXX vom 07.12.2017 sowie das seitens des BVwG eingeholten SV Gutachten von Dr. XXXX schlüssig, nachvollziehbar und weist dieses keine Widersprüche auf.
Es wurde im Gutachten auf die Art der Leiden und deren Ausmaß unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde ausführlich eingegangen. Die Sachverständigen kamen demgemäß zum Ergebnis, dass bei dem BF keine erheblichen Einschränkungen der Extremitäten, keine dauerhafte Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung sowie keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorliegen würden. Weiters bestünden keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und keine schwer anhaltende Erkrankung des Immunsystems und liege auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor. Ebenso wenig sei laut dem Sachverständigen eine relevante Störung des Immunsystems gegeben.
Das Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Der BF ist den eingeholten Sachverständigengutachten nicht entgegengetreten, bis dato langte keine Stellungnahme ein.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Das seitens der belangten Behörde eingeholte ärztliche Gutachten Dr. XXXX vom 07.12.2017 sowie das seitens des BVwG eingeholte Gutachten vom 18.06.2018 von Dr. XXXX erfüllen den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Die Gutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.
Der BF hat gegen das Gutachten Dr. XXXX im Rahmen des Parteiengehörs keine Einwendungen erhoben
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass bei dem BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, nicht vorliegen. Es konnte keine erhebliche Einschränkung der Extremitäten, keine dauerhafte Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung sowie keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit festgestellt werden. Des Weiteren bestehen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und keine schwer anhaltende Erkrankung des Immunsystems sowie keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde die Einschätzung, dass eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gegeben ist, unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung festgesetzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht ausreichend bestrittenen, Sachverständigengutachten vom 18.06.2018, welches als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei erachtet wird, geklärt.
3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G313.2185054.1.00Zuletzt aktualisiert am
10.10.2018