Entscheidungsdatum
01.08.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W262 2173618-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas KRANKL, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 28.09.2017, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 29.08.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden als "belangte Behörde" bezeichnet), Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Die Inhaberin des Passes besitzt einen geprüften Assistenzhund (Signalhund)" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis). Sie legte diverse medizinische Beweismittel und Unterlagen bei.
Folgender Hinweis ist im Antragsformular der Behörde enthalten:
"Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' in den Behindertenpass."
2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.09.2017 - erstatteten Gutachten vom 26.09.2017 wurde auszugsweise Folgendes festgehalten:
"...
Derzeitige Beschwerden:
‚Habe immer wieder Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule seit Mai 2017, beinahe andauernd Schmerzen, anfangs ausstrahlend in das rechte Bein rückseitig über die Wade rückseitig bis zur rechten Großzehe. Eine SI Blockade hat keine Besserung gebracht, Infiltration hat nur kurzfristig Besserung gebracht. Habe Stumpfbeschwerden, nehme Hydal, damit auch Besserung der Wirbelsäulenbeschwerden. Phantomschmerzen habe ich immer wieder.
Ich habe seit 30 Jahren Diabetes mellitus, insulinpflichtig, daher einen Assistenzhund, der die nächtlichen Hypoglykämien bemerkt.
Schmerzen habe ich in den Fingergelenken, vor allem im Daumensattelgelenk links, kann die Faust nicht schließen.'
...
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
Gdb %
1
Zustand nach Unterschenkelamputation links bei exulzeriertem Plattenepithekarzinom im Bereich des Vorfußes Wahl dieser Position, da gute Stumpfverhältnisse.
02.05.44
50
2
Diabetes mellitus, insulinpflichtig Unterer Rahmensatz, da geringe zweimalige Insulindosis und guter Allgemeinzustand.
09.02.02
30
3
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumbalgie. Oberer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden bei mäßig eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit
02.01.01
20
4
Polyarthrose der Fingergelenke Unterer Rahmensatz, da geringgradige Funktionsstörungen vorliegen.
02.06.26
10
5
Bluthochdruck
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da ein relevantes zusätzliches Leiden vorliegt. Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.
....
Dauerzustand.
....
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Der 15 cm lange Amputationsstumpf im Bereich des linken Unterschenkels zeigt eine gute Hautdeckung und ist mit einer gut passenden Unterschenkelprothese belastungsstabil versorgbar. Bei blanden Stumpfverhältnissen nach rezenter US-Amputation links und noch vor Absolvierung der Rehatherapie mit definitiver Prothesenanpassung sind die ho. verwendeten Krücken behinderungsbedingt voraussichtl. nicht länger als 6 Monate erforderlich. Durch die Unterschenkelamputation besteht eine Einschränkung der Steh- und Gehleistung, das Überwinden von Niveauunterschieden ist aber durch den ausreichenden Bewegungsumfang der großen Gelenke der unteren Extremitäten ausreichend möglich, das sichere Aus-und Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist gegeben. An der Wirbelsäule und den oberen Extremitäten finden sich keine Funktionsbehinderungen, die die Verwendung von Haltegriffen nicht gewährleisten und die Steh-, Geh- und Sitzleistung einschränken.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein.
..."
3. Der Beschwerdeführerin wurde am 27.09.2017 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. und den Zusatzeintragungen "Die Inhaberin des Passes besitzt einen geprüften Assistenzhund (Signalhund)", "Die Inhaberin des Passes ist Prothesenträgerin" und "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996" ausgestellt.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28.09.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend wurde unter Bezugnahme auf das medizinische Sachverständigengutachten vom 26.09.2017 im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Das Gutachten wurde der Beschwerdeführerin als Beilage des Bescheides übermittelt.
Am Ende des Bescheides merkte die belangte Behörde an, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nicht abgesprochen werden könne, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.
5. Mit Schreiben vom 08.10.2017 brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.09.2017 ein und führte im Wesentlichen aus, dass sie bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Probleme bei der Sitzplatzsuche habe. Zusätzlich leide sie an einer Gangunsicherheit, insbesondere bei den ersten Schritten nach längerem Sitzen oder Stehen. Auch habe sie ständige Kreuzschmerzen rechts infolge von zwei Bandscheibenvorfällen (mit breiter Herniation der Bandscheibe L5/S1 in Höhe des rechtsseitigen Intervertebralforamens mit direkter Affektion der Nervenwurzel L5 rechts ohne Besserungstendenz in der Folgeuntersuchung). Links trage sie eine Prothese, welche besonders das Aussteigen erschwere. Da zum Teil die Fahrkartenentwerter defekt seien, sei ihr das Erreichen des nächsten Geräts während des Transports unmöglich und sie benötige Hilfe. Eine Begleitperson stehe ihr jedoch nicht ständig zur Verfügung. Bei Fahrten mit dem PKW sei es notwendig, die Türe so weit wie möglich zu öffnen, weil das Prothesenbein aktiv nur knapp und passiv ein wenig mehr als 90° biegbar sei. Der Prothesenfuß sei kaum drehbar und sie könne ihn auch nicht dorsal flektieren. Wegen der Kreuzbeschwerden könne sie auch keine Drehbewegungen des Oberkörpers durchführen. Die Benützung von Schrägparkplätzen sei in vielen Fällen nicht möglich. Das Tragen von Einkäufen sei für sie schmerzbedingt nur über kurze Strecken möglich.
6. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 17.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge eine gutachterliche Stellungnahme der bereits befassten Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In diesem Ergänzungsgutachten vom 23.12.2017 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:
"...
Im Beschwerdevorbringen der BF vom 09.10.2017 wird eingewendet, dass die BF unter einer beträchtlichen Gangunsicherheit, vor allem nach längerem Sitzen bzw. Stehen aufgrund ständiger Kreuzschmerzen rechts infolge von Bandscheibenvorfällen L5/S1 mit Affektion der Wurzel L5 rechts und des Prothesenbeins links leide. Besonders das Aussteigen sei schwierig.
Sie könne den Prothesenfuß nicht gut bewegen und den Oberkörper nicht gut drehen wegen der Schmerzen, beim Autofahren könne sie keine Schmerzmittel einnehmen.
Einkäufe könne sie nur sehr kurz tragen.
...
STELLUNGNAHME:
Maßgeblich für die Beurteilung der beantragten Zusatzeintragung sind bei der klinischen Untersuchung objektivierbare Funktionsdefizite unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde.
Dabei konnte ein Zustand nach Unterschenkelamputation links mit guter Weichteildeckung und ausreichendem Bewegungsumfang des linken Kniegelenks festgestellt werden. Zum Zeitpunkt der Untersuchung war der Unterschenkel mit einer provisorischen Prothese versorgt, der Rehabilitationsaufenthalt in St. Andrä war noch nicht erfolgt.
Es liegt jedoch kein Hinweis vor, welcher eine adäquate definitive Prothesenversorgung verunmöglichte. Mit angepasster Prothese ist eine ausreichend sichere Mobilität auch ohne Verwendung weiterer Hilfsmittel möglich.
Eine höhergradige Funktionseinschränkung bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall mit Sequester konnte bei der klinischen Untersuchung nicht festgestellt werden.
Weder ein neurologisches Defizit war objektivierbar, noch eine maßgebliche Einschränkung des Bewegungsumfangs oder eine höhergradige Verspannung.
Eine beträchtliche Gangunsicherheit bzw. Einschränkung der Gesamtmobilität ist aus dem Untersuchungsergebnis nicht abzuleiten.
Nach Durchsicht des gesamten Akteninhalts und insbesondere unter Beachtung des Untersuchungsergebnisses wird daher an der getroffenen Beurteilung festgehalten.
Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche das Zurücklegen kurzer Wegstrecken von etwa 300- 400 m, das Einsteigen und Aussteigen sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränkten."
8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.03.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.
9. Mit Stellungnahme vom 12.04.2018 führte die nun rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass bei der Ermittlung der Funktionseinschränkungen alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitige Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen seien. Es müsse daher auch ihr Tagesablauf berücksichtigt werden. In der Folge werden der Tagesablauf und die zu bewältigenden Wegstrecken im Detail geschildert, wobei die Beschwerdeführerin vor allem darauf hinwies, dass die von ihr täglich zurückzulegenden Wegstrecken die von der Sachverständigen geprüfte Strecke von 300-400 Metern fast um das zehnfache übertroffen würde, was die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel impliziere. In den Fingern habe sie auch eine starke Gelenksarthrose, wodurch sie Probleme beim Festhalten habe. Durch den Bandscheibenvorfall habe sie zusätzlich Probleme beim Stehen und leide an Schmerzen. In der warmen Jahreszeit komme es durch das Schwitzen zu wunden Stellen im Bereich des Prothesenbeins. Weiters beantragte sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin beantragte am 29.08.2017 die eines Behindertenpasses und die Vornahme der Zusatzeintragung "Die Inhaberin des Passes besitzt einen geprüften Assistenzhund (Signalhund)" sowie die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis). Letzterer wurde von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet (vgl. zum entsprechenden Hinweis im Antragsformular Punkt I.1.).
Die Beschwerdeführerin ist seit 27.09.2017 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H mit den Zusatzeintragungen "Die Inhaberin des Passes besitzt einen geprüften Assistenzhund (Signalhund)", "Die Inhaberin des Passes ist Prothesenträgerin" und "Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996".
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1) Zustand nach Unterschenkelamputation links bei exulzeriertem Plattenepithekarzinom im Bereich des Vorfußes und guten Stumpfverhältnissen;
2) Diabetes mellitus, insulinpflichtig, mit zweimaliger Insulindosis und gutem Allgemeinzustand;
3) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumbalgie, mit rezidivierenden Beschwerden bei mäßig eingeschränkter Beweglichkeit ohne neurologisches Defizit;
4) Polyarthrose der Fingergelenke mit geringgradigen Funktionsstörungen;
5) Bluthochdruck.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.09.2017 samt Ergänzungsgutachten vom 23.12.2017 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen keine Funktionseinschränkungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken. Trotz Unterschenkelamputation links verfügt die Beschwerdeführerin bei guten Stumpfverhältnissen und raumgreifendem Gangbild (derzeit noch mit Krücken) über ausreichend Kraft und Koordination, um eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft zurückzulegen. Trotz eingeschränkter Steh- und Gehleistung bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und Lumbalgie sind bei ausreichendem Bewegungsumfang der großen Gelenke der unteren Extremitäten das Überwinden von Niveauunterschieden und das Ein- und Aussteigen in und aus einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich. Das Ausmaß der Schmerzen der Beschwerdeführerin bedingt keine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Weiters liegen auch keine erheblichen Funktionseinschränkungen der oberen Extremitäten vor. Trotz bestehender Polyarthrose der Fingergelenke liegen nur geringgradige Funktionsstörungen vor, sodass ein sicheres Festhalten sowie ein sicherer und gefährdungsfreier Transport in (fahrenden) öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleistet sind.
Des Weiteren bestehen keine Hinweise auf das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten sowie einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit. Ebenso wenig liegt bei der Beschwerdeführerin eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor.
Insgesamt spricht bei Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht nichts dagegen, dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet wird.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Ausstellung des Behindertenpasses sowie zum Zeitpunkt und zur Wertung der Anträge ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen sowie zum Nichtvorliegen erheblicher - die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender - Funktionseinschränkungen gründen sich auf das Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.09.2017 samt Ergänzungsgutachten vom 23.12.2017, welches nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erging und mit dem erstellten Untersuchungsbefund übereinstimmt (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten und in der Stellungnahme verwiesen).
Einbezogen wurden von der befassten Sachverständigen die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht im Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt wurde. Im Gutachten vom 20.09.2017 samt Ergänzungsgutachten vom 23.12.2017 wurde auf die Art und Schwere der Leiden der Beschwerdeführerin sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Seitens der Sachverständigen wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände nachvollziehbar dargelegt, warum der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Die Sachverständige begründet schlüssig, dass trotz Amputation des linken Unterschenkels mit guten Stumpfverhältnissen und Weichteilabdeckung bei derzeitiger Verwendung von Krücken keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen, zumal nach Absolvierung einer geplanten Rehabilitationsmaßnahme mit definitiver Prothesenanpassung diese voraussichtlich nicht länger als sechs Monate erforderlich sein wird.
Hinsichtlich der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Lumbalgie begründet die Sachverständige schlüssig, dass die Beweglichkeit der Wirbelsäule ohne neurologische Defizite lediglich mäßig eingeschränkt ist und eine höhergradige Funktionsstörung bei nachgewiesenem Bandscheibenvorfall mit Sequester nicht objektiviert werden konnte; auch die Polyarthrose der Fingergelenke bedingt lediglich geringgradige Funktionsstörungen und hindert nicht das benützen von Haltegriffen und den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel.
Die Sachverständige begründet nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin - mag dies auch mit der Einnahme von Schmerzmitteln verbunden sein - insgesamt in der Lage ist, eine Wegstrecke von 300 bis 400 Metern zurückzulegen und Niveauunterschiede zu überwinden, zumal die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 12.04.2018 selbst angibt, bei ihrer beruflichen Tätigkeit täglich Wegstrecken von 1,5 Kilometer zurückzulegen bzw. in höher gelegene Stockwerke zu Fuß zu gelangen sowie mit ihrem Hund "Gassi" zu gehen.
Mit Blick auf die Befundlage und die durchgeführte klinische Untersuchung der Beschwerdeführerin ergaben sich auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen, einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit sowie einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems.
Soweit sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin auf ihren Tagesablauf und die individuell zurückzulegenden Wegstrecken und Entfernungen bezieht, ist diesbezüglich auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zu verweisen.
Auch die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen vermögen keine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese von der befassten Sachverständigen in ihrem Ergänzungsgutachten vom 23.12.2017 gehörig gewürdigt und mittels einer ebenso ausführlichen wie schlüssigen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden.
Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffene Einschätzung der Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten und dem Ergänzungsgutachten weder in der Beschwerde noch in ihrer Stellungnahme vom 12.04.2018 auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Sie hat auch keine dem Sachverständigenbeweis widersprechende Beweismittel vorgelegt.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens samt Stellungnahme. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
3.2. Zur Wertung des Antrags vom 29.08.2017 auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.
Demnach ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend und es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss, wobei Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen sind, dass ein von vornherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (VwGH 24.07.2008, 2008/07/0060 mwH).
Dabei sind Parteienerklärungen im Zweifel so auszulegen, dass die sie abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (VwGH 19.05.1994, 92/07/0070), und es ist der Behörde nicht gestattet, einem unklaren Antrag von vornherein einen für den Antragsteller ungünstigen Inhalt zu unterstellen (VwGH 16.12.1992, 89/12/0146). In einem solchen Fall hat die Behörde vielmehr von Amts wegen den wahren Willen der Partei und damit den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln und klarzustellen (VwGH 27.07.1994, 90/10/0046).
Im vorliegenden Fall wurde von der Beschwerdeführerin am 29.08.2017 u. a. ein Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO eingebracht.
Dieses Anbringen wurde von der belangten Behörde - wie sich zweifelsfrei aus dem angefochtenen Bescheid ergibt - auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gewertet. Im Übrigen findet sich diesbezüglich im Antragsformular ein ausdrücklicher Hinweis (vgl. dazu Punkt I.2.).
Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes wurde die Beurteilung des Parteienanbringens seitens der belangten Behörde schon deshalb in nachvollziehbarer Weise vorgenommen, weil die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe erkennbar das Ziel verfolgt hat, letztlich in den Genuss der Berechtigungen nach § 29b Abs. 2 bis 4 StVO zu kommen. Angesichts des Umstandes, dass dies ausschließlich Inhabern eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz möglich ist, die bereits über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, wurde das Anbringen seitens der belangten Behörde im Lichte einer rechtsschutzfreundlichen und für das Ziel der Beschwerdeführerin günstigen Weise ausgelegt.
Die Beschwerdeführerin ist der Wertung ihres Anbringens - ausweislich des Verwaltungsaktes - weder im vorangegangenen Verwaltungsverfahren noch im Rahmen der Beschwerde entgegengetreten.
Die Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass das Anbringen der Beschwerdeführerin vom 29.08.2017 auf die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und letztlich auf die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO gerichtet war.
Ausgehend von dieser Wertung des Anbringens durch die belangte Behörde ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes allerdings nicht nachvollziehbar, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO nicht (auch) - entweder im Rahmen eines gesonderten Bescheides oder im Wege eines zusätzlichen Spruchpunktes im angefochtenen Bescheid - abgesprochen wurde.
Es trifft zwar zu, dass dem Begehren der Beschwerdeführerin auf Ausfolgung eines Parkausweises nach § 29b StVO erst dann entsprochen werden könnte, wenn im Behindertenpass die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" vorgenommen wurde.
Dennoch kann die bescheidmäßige Erledigung des Antrages auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO nicht dadurch ersetzt werden, dass (lediglich) am Ende des nunmehr angefochtenen Bescheides festgehalten wird, dass die dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
(...)"
"§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."
"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
(...)"
"§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
3.3.1. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:
"§ 1. ...
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
...
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
..."
3.3.2. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) - soweit relevant - insbesondere Folgendes ausgeführt:
"Zu § 1 Abs. 2 Z 3:
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
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COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
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Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
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mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
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Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
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hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
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schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
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nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
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anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),
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schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
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fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
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selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
..."
3.4.1. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186; 01.03.2016, Ro 2014/11/0024, je mwN).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013). Insofern gehen die Ausführungen der Beschwerdeführerin betreffend die bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sowie die während der Arbeitszeit zurückzulegenden Wegstrecken ins Leere.
3.4.2. Diese (zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016 ergangene) Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen unverändert von Bedeutung. Dies folgt bereits daraus, dass die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Ein- und Aussteigemöglichkeit, Stehen, Sitzplatzsuche etc.), nicht modifiziert oder beseitigt hat,