TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/1 I408 2167791-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.08.2018

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I408 2167791-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: RA Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, EAST-Ost, vom 04.06.2018, Zl. 648656709/171032064, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 12.10.2013 stellte der Beschwerdeführer in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er mit wirtschaftlichen Motiven, der Furcht vor Boko Haram und vor einem Dorfnachbarn begründete. Über diesen Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.07.2017 negativ entschieden, eine Rückkehrentscheidung nach Nigeria verbunden mit einem auf 8 Jahre befristeten Einreiseverbotes erlasen, festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet mit 21.03.2013 verloren hat, keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit ho. Erkenntnis vom 23.08.2017, I417 2167791, abgewiesen. Diese Entscheidung ist damit in Rechtskraft erwachsen

2. Am 06.09.2017 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer an, dass in den letzten 2 Wochen viele Anhänger der MASSOP/IPOB-Bewegung, der auch er angehöre, von Militärangehörigen erschossen worden seien. Sie hätten sich für den unabhängigen Staat von Biafra eingesetzt. Er sei nach wie vor Mitglied dieser Bewegung und unterstütze sie. Vor 2 Tagen, am Montag, seien drei Mitglieder der MASSOP/IPOB-Bewegung in Umuahia erschossen worden. Aus diesem Grund wolle er nicht mehr nach Nigeria zurückkehren.

3. In seiner Einvernahme am 03.11.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur MASSOP/IPOB-Bewegung Verfolgung befürchte.

4. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 04.06.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

5. Gegen diesen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 04.07.2018, in welcher beantragt wurde, dass der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben werde sowie dem Beschwerdeführer internationaler Schutz gewährt werde, in eventu, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Bescheiderlassung an die Erstinstanz zurückverwiesen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria, gesund und arbeitsfähig. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX, GZ: XXXX, vom 21.11.2013, rechtskräftig seit 21.11.2013 wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und (3) SMG zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX, GZ: XXXX, vom 11.12.2015, rechtskräftig seit 11.12.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen § 28a

(1) 5. Fall, § 15 StGB § 27 Abs. 1 2.Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 verurteilt.

Der Beschwerdeführer befand sich 07.11.2013 bis 06.12.2013 sowie vom 01.10.2015 bis 01.08.2016 in Strafhaft. Seither ist er in der Zohmangasse 28 (Ute Bock) gemeldet. Nach eigenen Angaben besteht in Österreich eine Beziehung zu einer Frau, mit welcher er aber nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebt. Er besucht regelmäßig eine katholische Kirche. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach und bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die Familie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in Nigeria.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer stellte am 12.10.2013, nachdem er zuvor am 30.08.2013 nach einer negativen Asylentscheidung von Norwegen nach Nigeria abgeschoben war (AS 61), einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er mit wirtschaftlichen Motiven, der Furcht vor Boko Haram und vor einem Dorfnachbarn nach einem Grundstückverkauf begründete. Auf die Frage, ob er in seinem Heimatland jemals politisch oder religiös tätig war, gab er zwar an, vor langer Zeit Mitglied bei Massob gewesen zu sein, führte dazu aber weder besondere Aktivitäten von seiner Seite noch irgendeine Bedrohungssituation an (AS 177). Dieser Antrag, verbunden mit einer Rückkehrentscheidung und einem Einreiseverbot wurde rechtskräftig abgeschlossen.

Im gegenständlichen Folgeverfahren wurde von ihm vorgebracht, dass den letzten zwei Wochen viele Anhänger der MASSOP/IPOB-Bewegung getötet worden seien. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zu dieser Bewegung fürchte er verfolgt zu werden.

Dieses Fluchtvorbringen, insbesondere die behauptete Sachverhaltsänderung, weist keinen glaubhaften Kern auf.

Es liegt daher keine Änderung der Sachlage zwischen der Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2017 und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vor.

Auch in Bezug auf die Situation in Nigeria war zwischen dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.08.2017 und der Erlassung des gegenständlichen Bescheides am 04.06.2018 keine wesentliche Änderung eingetreten. Ebenso wenig liegt eine Änderung der Rechtslage vor. Es wird daher festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im angefochtenen Bescheid hat die belangte das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt. Im Wesentlichen waren dies folgende Feststellungen:

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen.

Die politische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen; es gibt keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt bestätigt durch eine Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Verurteilungen ergibt sich aus einem Strafregisterauszug vom 11.07.2018.

2.2. Zum Antrag auf internationalen Schutz:

Die Feststellungen zu den beiden Anträgen auf Asyl wurden den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten entnommen.

Das Vorbringen des Folgeantrages, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur IPOB/MASSOB-Bewegung in Nigeria Verfolgung zu befürchten habe, entbehrt, wie bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt wurde, eines glaubhaften Kerns. Darüber hinaus stützt sich der Beschwerdeführer in seinem Fluchtvorbringen im Wesentlichen auf Umstände, die bereits zum Zeitpunkt des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich diesbezüglich den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde an:

So weist die belangte Behörde zu Recht darauf hin, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben bereits seit dem Jahr 2003 Mitglied der IPOB/MASSOP-Bewegung ist. Dementsprechend gab auch der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme an, dass sich nichts gegenüber seinem Vorverfahren geändert habe und seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht seien.

Darüber hinaus ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn diese ausführt, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete gegen ihn gerichtete Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Vielmehr beschränkte sich der Beschwerdeführer darauf, die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der Situation von Mitgliedern der IPO/MASSOP-Bewegung in Nigeria zu schildern und gab an, dass er selbst niemals in Haft bzw. in einem Gefängnis untergebracht gewesen sei sowie weder von der Polizei, dem Militär oder sonstigen Behörden verfolgt oder gar verletzt worden sei.

In der Zusammenschau ist daher den Ausführungen der belangten Behörde beizutreten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seines Verfahrens zu seinem Folgeantrag weder einen neuen Sachverhalt noch ein glaubhaftes Fluchtvorbringen erstattet hat und sohin kein neuer entscheidungserheblicher Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren vorliegt.

Diesen Erwägungen der belangten Behörde tritt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht substantiiert entgegen.

Hinzu kommt, dass die neuerliche Antragstellung im unmittelbaren Anschluss an den rechtskräftigen Abschluss des Ersterfahrens, d.h. in Kenntnis einer (neuerlichen) drohenden Abschiebung nach Nigeria erfolgt ist.

Des Weiteren kann von dem erkennenden Gericht keine wesentliche Verschlechterung der Sicherheitslage in Nigeria, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen würde, festgestellt werden.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Auch wenn es seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger kommt, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll, ist daraus nicht zu entnehmen, dass jedermann, der einmal Mitglied war oder noch immer ist, nur aus diesem Grund einer persönlichen Verfolgung durch staatliche Behörden ausgesetzt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I.):

Da das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).

Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).

Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der "Berufung" nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zum vorangegangenen Asylverfahren ist in formelle Rechtskraft erwachsen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat - wie in der Beweiswürdigung zusammengefasst - völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. Zunächst weist das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung näher ausgeführt, keinen glaubwürdigen Kern auf. Des Weiteren kann aber auch aufgrund des Umstandes, dass es sich gegenständlich im Wesentlichen um Fluchtgründe handelt, welche dem Beschwerdeführer bereits während des ersten Asylverfahrens bekannt waren, von keiner Änderung des Sachverhalts ausgegangen werden.

Da insgesamt weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte. Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache war rechtmäßig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen ist.

3.2. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt II.):

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041).

Auch im Hinblick auf Art 3 EMRK ist jedoch nicht erkennbar, dass die Rückführung des Beschwerdeführers nach Nigeria zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und er bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihr jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Auch hier ergaben sich keine Sachverhaltsänderungen; insbesondere hält sich die Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in Nigeria auf.

Bereits der rechtskräftigen abweisenden Entscheidung im Erstverfahren wurden umfassende Feststellungen zur allgemeinen Lage in Nigeria zugrunde gelegt, welche nunmehr von der belangten Behörde aktualisiert wurden. Es sind darüber hinaus auch keine wesentlichen, in der Person des Beschwerdeführers liegenden, neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden (wie beispielsweise eine schwere Krankheit), die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Es liegen daher nach wie vor keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend vor, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, bei einer Rückkehr in eine existenzielle Notlage zu geraten.

Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen zu Nigeria auch keine Gründe, um davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer reellen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass kein Rückführungshindernis im Lichte der Art 2 und 3 EMRK feststellbar ist. Aufgrund der Länderberichte ergibt sich, dass sich die Sicherheitslage im Herkunftsstaat, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen würde, seit der Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht wesentlich geändert hat.

In Bezug auf eine etwaige Rückkehrgefährdung im Sinne einer realen Gefahr einer Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK verankerten Rechte des Beschwerdeführers war daher ebenso keine Änderung erkennbar.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war daher rechtmäßig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. abzuweisen ist.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Aus dem knapp gehaltenen Beschwerdevorbringen ergeben sich keine maßgeblichen neuen Sachverhaltselemente. Es ist somit unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck von dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Beschwerdeführers sprechenden Fakten auch dann für den Beschwerdeführer kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebungsnähe, Asylantragstellung, Folgeantrag, Identität der
Sache, Prozesshindernis der entschiedenen Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I408.2167791.2.00

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten