TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/7 W157 2202600-1

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Veröffentlicht am 07.08.2018
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Entscheidungsdatum

07.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z4
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W157 2202600-1/3Z

TEILERKENNTNIS:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Margret KRONEGGER über die Beschwerde von XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH - ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, XXXX, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides richtet, stattgegeben und Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt nach Österreich ein und stellte am 31.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Zulassung seines Asylverfahrens in Österreich wurde der Beschwerdeführer am 22.06.2017 (Einvernahme abgebrochen), am 10.08.2017 (Einvernahme abgebrochen) und am 28.05.2018 im Rahmen von Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) u.a. zu seinen Fluchtgründen befragt.

2. Das BFA wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten "gemäß § 3 Absatz 3 Ziffer 2 iVm § 2 Ziffer 13 und § 6 Absatz 1 Asylesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF" (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II.) ab, erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ "gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gewährte gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.); weiters erließ das BFA ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG (Spruchpunkt VII.) und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG ab (Spruchpunkt VIII.).

Die Entscheidung betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung stützte das BFA in der Bescheidbegründung darauf, dass der Beschwerdeführer Verfolgungsgründe nicht vorgebracht habe; er habe den Antrag auf internationalen Schutz offensichtlich unbegründet und missbräuchlich gestellt, um sich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu erwirken. Für den Beschwerdeführer bestehe im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung und habe er keinerlei Repressalien zu befürchten. Es sei davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten sei.

Die belangte Behörde legte der vorliegenden Entscheidung laut S. 17 des angefochtenen Bescheides "[d]ie Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA betreffend Ihres Herkunftslandes" (nicht genauer benannt und undatiert) zugrunde (vgl. S. 20ff des angefochtenen Bescheides). Es ist aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, sich zu den Länderfeststellungen zu äußern.

Am 29.06.2018 erschien das aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid vollinhaltlich Beschwerde. Betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führte er aus, dass im angefochtenen Bescheid offen geblieben sei, warum das BFA davon ausgehe, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung drohe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er der Minderheit der Sayed/Saddat angehöre und seien Minderheiten in Afghanistan Diskriminierung bzw. Verfolgung ausgesetzt. Auch habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er wegen seiner religiösen Gesinnung bereits mehrfach kritisiert bzw. bedroht worden sei; eine divergierende religiöse Gesinnung könne in Afghanistan zu Diskriminierung bzw. Verfolgung führen. Es könne nicht ohne weitere Ermittlungen ausgeschlossen werden, dass die Diskriminierung von Minderheiten in Afghanistan noch immer in einer derart schwerwiegenden Weise erfolge, dass sie eine Verletzung grundlegender Menschenrechte darstelle. Die Relevanz des Vorbringens sei nicht ohne weitere Ermittlungen zu verneinen, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine Prognoseentscheidung zu treffen sei und der Konventionsgrund lediglich als maßgebender beitragender Faktor vorliegen müsse. Das BFA hätte die Gefahr einer Menschenrechtsverletzung zudem von Amts wegen umfassend ermitteln müssen.

4. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom BFA vorgelegt und sind am 03.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1.1. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung von der belangten Behörde aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 18 Abs. 5 BFA-VG verpflichtet das Bundesverwaltungsgericht dazu, über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs 1 BFA-VG bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden. Ausgehend davon ist die korrekte Vorgangsweise, über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung binnen einer Woche mit Erkenntnis abzusprechen (vgl. jüngst VwGH 19.10.2017, Ra 2017/18/0278).

1.2. Der Beschwerdeführer stellte in seiner Beschwerde die Anträge,

-

eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen,

-

den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen,

-

in eventu den angefochtenen Bescheid - allenfalls nach Verfahrensergänzung - bezüglich Spruchpunkt II. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zuzuerkennen,

-

den angefochtenen Bescheid bezüglich Spruchpunkt III. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot aufgehoben, die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt wird,

-

in eventu, den angefochtenen Bescheid - im angefochtenen Umfang - ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Wie aus der Begründung der Beschwerde ersichtlich (vgl. S. 47 der Beschwerde, Pkt. "2. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung"; vgl. auch oben Pkt. I.3.) wendet sich der Beschwerdeführer auch gegen den die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verfügenden Spruchpunkt.

Die belangte Behörde legt der vorliegenden Entscheidung eine "[...] Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA betreffend Ihres Herkunftslandes" zugrunde, welche nicht genauer benannt und undatiert ist. Es ist aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer Gelegenheit hatte, sich zu den Länderfeststellungen zu äußern.

Die Beschwerde bringt vor, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben sei.

Aus der dem Bundesverwaltungsgericht zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage (insbesondere unter Beachtung des Umstandes, dass dem angefochtenen Bescheid Länderberichte zur Lage in Afghanistan zugrunde gelegt wurden, die aufgrund des Vorhandenseins des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 nicht mehr die erforderliche Aktualität aufweisen), kann vor dem Hintergrund der dem Beschwerdeführer nicht eingeräumten Möglichkeit der Stellungnahme zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat und der diesbezüglichen möglichen Auswirkungen auf seine persönliche Situation eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden.

1.3. In diesem Sinne hat der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde die aufschiebende Wirkung zuzukommen. Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides ist daher mittels vorliegendem Erkenntnis ersatzlos zu beheben. Somit kommt der Beschwerde wieder die aufschiebende Wirkung zu.

Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird gesondert entschieden werden.

1.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl Nr 10/1985 idF BGBl I Nr 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs 4 B-VG idF BGBl I Nr 22/2018 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (vgl. jüngst VwGH 28.02.2018, Ro 2017/04/0120).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da keiner der vorgenannten Fälle vorliegt. Auch sind keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage ersichtlich. Die Rechtslage ist eindeutig und die vorliegende Entscheidung folgt der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W157.2202600.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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