TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/13 W226 2170561-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2018
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Entscheidungsdatum

13.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W226 2170561-1/26E

W226 2170560-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX (BF1), geb. XXXX und 2.) XXXX (BF2), geb. XXXX , beide StA: Kasachstan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.08.2017, Zlen. 1.) 1049117406-140328389 und 2.) 1132943505-161442907, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.01.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1

AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Absatz 9 FPG § 46 FPG, § 55 Absatz 1 bis 3 FPG, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1 Der Erstbeschwerdeführer (im Folgenden: BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2) sind Ehegatten. Das Vorbringen der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist untrennbar miteinander verknüpft bzw. beziehen sich die BF auf dieselben Verfolgungsgründe, weshalb die Entscheidung unter Berücksichtigung des Vorbringens aller Beschwerdeführer abzuhandeln war.

Die BF sind Staatsangehörige von Kasachstan, gehören der Volksgruppe der Tschetschenen an und bekennen sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben.

Der BF1 reiste gemeinsam mit einem Verwandten ( XXXX ) mittels eines deutschen Schengen Visums in Österreich ein und stellte am 27.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.12.2014 gab der BF1 zum Grund für das Verlassen des Herkunftslandes an, dass er keinen Fluchtgrund habe. Er habe nur seinen Verwandten, der in Schwierigkeiten stecke, hierher begleitet. Er habe den Asylantrag nur deshalb gestellt, damit er bei ihm bleiben könne. Er wolle darüber nachdenken, ob er zurückkehre oder hierbleiben wolle. Sonst habe er keine Fluchtgründe.

Weiters gab der BF1 an, dass er traditionell und standesamtlich verheiratet sei. Er habe von XXXX bis XXXX eine Grundschule und von XXXX bis XXXX eine Berufsschule für Mechaniker besucht. Zuletzt habe er als selbstständiger Holzlieferant gearbeitet. In Kasachstan würden sich vier Schwestern, seine Ehefrau, seine beiden Söhne und seine beiden Töchter aufhalten. In Kasachstan habe er in XXXX gelebt. Er sei von einer Firma in Deutschland eingeladen worden und legal mit seinem kasachischen Reisepass und einem Schengen-Visum der deutschen Botschaft in XXXX über Istanbul nach XXXX gereist. Es sei eine Geschäftsreise gewesen.

Der kasachische Reisepass des BF1 wurde sichergestellt.

Am 27.01.2015 legte der BF1 eine Aufenthaltsbestätigung eines Landesklinikums (Pulmologie) vor, wonach er dort von 05.01.2015 bis 20.01.2015 in Behandlung gestanden sei.

1.3. Nach Durchführung eines Konsulationsverfahrens mit Deutschland (und Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate wegen Untertauchens des BF1) wurde der Antrag des BF1 auf internationalen Schutz vom 27.12.2014 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 mit Bescheid des BFA vom 15.05.2015 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 2 iVm 22 Abs. 7 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF1 gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge seine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

1.4. Mit Bescheid des BFA vom 03.06.2015 wurde der Bescheid vom 15.05.2015 gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben. Es wurde ausgeführt, dass sich der BF1 entgegen der Annahme der Behörde nicht dem Verfahren entzogen, sondern sich nachweislich aufgrund der Vorlage einer Aufenthaltsbestätigung (von 08.05.2015 bis 22.05.2015) in einem Landesklinikum aufgehalten habe und somit die Durchführung einer Einvernahme vor Bescheiderlassung erforderlich sei.

Weiters legte der BF folgende medizinische Unterlagen vor:

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Aufenthaltsbestätigung eines Landesklinikums von 07.05.2015 bis 08.05.2015.

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Kurzbrief, wonach der BF1 von 27.04.2015 bis 22.05.2015 in Behandlung war. Es wurden die Diagnosen "N. bronchi, OL; NIDDM II, ohne Spätfolgen; Verdacht auf Prostatahyperplasie" erstellt und ihm eine Therapie mit Medikamenten empfohlen.

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Bestätigung eines Krankenhauses, wonach der BF1 von 19.04.2015 bis 27.04.2015 in ärztlicher Behandlung gestanden sei. Diagnose:

"Zentrales Plattenepithelcarcinom des rechten Lungenoberlappens mit endobronchialem Tumorwachstum am Abgang des rechten Oberlappenbronchus; St.p.3 Zyklen Chemotherapie mit Nabelbine/Carboplatin bis 26.03.2015; NIDDM II"; Operation:

"22.04.2015 Bronchiale Sleevelobektomie re. OL u. medistinale Lymphadenektomie".

Am 02.07.2015 legte der BF1 eine Aufenthaltsbestätigung vor, wonach er von 15.06.2015 bis 01.07.2015 in stationärer Behandlung gewesen sei.

Am 22.07.2015 legte der BF1 einen Ambulanzbericht vor, wonach er am 20.07.2015 zur Chemotherapie erschienen sei. Als Begleiterkrankung wurde "Diabetes II nicht Insulin ohne Spätfolgen St.p.Sleeve-Lobektomie re OL + med LK 22.4.2014" festgehalten und ihm Medikamente empfohlen

1.5. Nach Ablauf der Überstellungsfrist wurde das Verfahren des BF1 am 14.10.2015 zugelassen.

1.6. Die BF2 reiste in Besitz eines lettischen Schengen Visums in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 20.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz

1.7. Im Zuge der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die BF2 zum Grund für das Verlassen des Herkunftslandes an, dass ihr Ehemann in Österreich lebe und hier erkrankt sei. Sie habe bei ihm sein wollen. In Kasachstan gebe es ständig Probleme und die Lage sei sehr angespannt. Da sie der tschetschenischen Minderheit angehören würden, würden sie bedroht und zur Ausreise aufgefordert werden. Ihr Haus sei mit Steinen beworfen worden. Sie seien auch schon des Öfteren in ihrer Heimat attackiert und bedroht worden. Bei einer Rückkehr befürchte sie von den Kasachen vertrieben zu werden. Sie könne sonst nirgends hingehen und könne unzählige Situationen ausführlich schildern, in welchen sie bedroht worden seien.

Weiters gab die BF2 an, dass sie 10 Jahre lange eine Grundschule und 1,5 Jahre lange eine Berufsschule besucht habe. Sie sei von Beruf Buchhalterin gewesen. Ihre Mutter, ein Stiefsohn, eine Tochter, ein Sohn, drei Brüder und zwei Schwestern würden in Kasachstan leben. In Österreich würde eine Tochter ( XXXX ) und ihr Ehemann leben. Sie habe nach Österreich kommen wollen, da ihr Mann und ihre Tochter hier leben würden.

Der kasachische Reisepass der BF2 wurde sichergestellt.

1.8. Am 09.02.2017 wurde das Asylverfahren der BF2 zugelassen und sie niederschriftlich einvernommen. Sie gab an, dass sie in Österreich Verwandte, nämlich ihre Tochter mit ihrer Familie (Kinder und Gatte) und ihren Ehemann habe. Es gebe auch noch die Schwester ihres Mannes. Befragt, warum der Ehemann das Heimatland verlassen habe, gab sie an, dass der Neffe des BF1 Probleme in Kasachstan gehabt habe. Er sei geflüchtet und ihr Mann habe ihn unterstützt. Aus diesem Grund sei er geflüchtet. Der Neffe des Gatten sei auch in Österreich. Sie habe eine enge und gute Beziehung zu ihrer Tochter, ihren Kindern und Verwandten. Sie seien eine richtige Familie. In einem gemeinsamen Haushalt würden sie nicht leben. Sie verbringe aber die ganze Zeit bei der Familie ihrer Tochter und betreue die Kinder, wenn ihre Tochter beschäftigt sei. Die Tochter bringe ihr und dem BF1 Lebensmittel und unterstützte sie mit Geld. Ihre Tochter helfe ihr beim Deutsch-lernen und unterstütze sie als Dolmetscherin. Sie putzte ab und zu im Geschäft ihrer Tochter.

Im Zuge der Einvernahme legte die BF2 ua. folgende Unterlagen vor:

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Heiratsurkunde der UdSSR aus dem Jahr XXXX .

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Bestätigung vom 08.02.2017, wonach die BF2 nach einem positiven Asylbescheid eine Vollzeit Beschäftigung in einem Betrieb (Fleischerei) bekommen werde.

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Ärztliches Attest vom 08.02.2017 eines Allgemeinmediziners, wonach bei der BF2 eine Herzinsuffizienz sowie Lumbalgie bestehe und eine vermehrte Betreuung notwendig sei, welche von der Tochter durchgeführt werde. Die BF2 betreue zudem auch den BF1.

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Röntgen-Zuweisung, Überweisung eines Facharztes für Chirurgie.

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Bestätigung eines Arztbesuches vom 18.01.2017 sowie ein Rezept, ausgestellt von einem Facharzt für Chirurgie.

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Verordnung für Heilbehelfe und Hilfsmittel (Kompress Strümpfe) für die Diagnose "Stammvarikosis bds. Beine".

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Diverse Familienfotos.

Am 14.02.2017 langte ein Schreiben des BF1 ein, worin er ausführte, dass er zusammen mit der BF2 in einem Flüchtlingshaus lebe. Die gemeinsame Tochter lebe mit ihrem Mann und den beiden Enkelkindern ebenfalls in XXXX und seine Schwester lebe in XXXX . Bei ihm sei vor zwei Jahren Lungenkrebs mit einer Metastase diagnostiziert worden und er habe am 08.03. wieder ein CT der Lunge zur Nachkontrolle. Zudem leide er an Diabetes mit Folgeschäden an den Augen, Beinen und Nieren. Er sei auf die Unterstützung seiner Tochter angewiesen. Diese organisiere die Arzttermine, begleite ihn, übersetze und kümmere sich um die Medikamente. Die BF1 habe Herzprobleme und starke Rückenschmerzen und sei ebenfalls auf die Hilfe der Tochter angewiesen.

1.9. Am 28.02.2017 wurde der BF1 niederschriftlich einvernommen. Er gab zu seinem Gesundheitszustand an, dass es ihm einigermaßen gut gehe. Er habe Diabetes und habe eine Operation (wegen Lungenkrebs) gehabt, wobei ihm ein Drittel der Lunge entfernt worden sei. Er stehe aktuell in Beobachtung. Ob die Behandlung abgeschlossen sei, könne er nicht sagen. Er nehme Medikamente wegen der Diabetes, Schmerzmittel und Schlaftabletten (Tamsulosin, Diamicron, Synjardy) ein. In der Heimat habe man nur Vermutungen gehabt und die Krankheit sei in Österreich diagnostiziert worden. Die Diabetes habe er bereits in der Heimat gehabt. Er habe in Kasachstan vier Schwestern. Zudem habe er vier Kinder. Er habe auch Freunde und Bekannte in der Heimat mit denen er telefoniere. Eine Tochter lebe mit ihrem Mann und zwei Enkelkindern in Österreich. Er habe 10 Jahre lang die Grundschule und drei Jahre lang eine technische Schule besucht. Er sei seit 1999 selbstständig und habe Holz aus Russland nach Kasachstan transportiert. Er habe bis zu seiner Ausreise gearbeitet und sich seinen Lebensunterhalt durch seine Arbeit verdient.

Zu seinem Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, dass die allgemeine Haltung den Tschetschenen gegenüber nicht gut sei. Drei Tschetschenen seien umgebracht worden. Von der Regierung habe es offiziell keine Übergriffe gegeben, von der Mafia schon. Personen hätten Geld von ihm verlangt. Im Jahr 2014 (Juni oder August) habe er einen Autounfall gehabt und dabei sei jemand verletzt worden. Kasachen hätten ihn angerufen und bedroht. Die Miliz habe gesagt, dass er schuld an dem Unfall sei. Die Verwandten der verletzen Personen hätten sich über ihn erkundigt, ihn angerufen und Geld von ihm gewollt. Man habe gewollt, dass er das beschädigte Auto reparieren lasse und er habe Medikamente für die verletzte Person bezahlt und der Schwiegermutter Geld gegeben. Zwei technische Expertisen hätten gezeigt, dass er unschuldig gewesen sei. Sie hätten aber trotzdem an die Partei " XXXX " geschrieben, welche Milizen mit allen Dokumenten zu ihm geschickt hätten. Die Vertreter der Partei hätten wissen wollen, was die Verwandten der geschädigten Person gewollt hätten. Die Miliz habe ihn angerufen und gesagt, dass er seine Leute zurückhalten solle. Als die Tschetschenen umgebracht worden seien, habe die Miliz nichts dagegen unternommen. Zudem sei er an Diabetes erkrankt. Er sei im besten Privatkrankenhaus gewesen, habe Insulin bekommen, aber der Zucker sei nicht weniger geworden. Auch sei XXXX verfolgt worden Dies hätte auch sie betroffen. Es habe eine Schlägerei gegeben, da Kasachen verlangt hätten, dass er sein Auto wo anders parke. Zudem habe es eine Messerstecherei gegeben und die beteiligten Tschetschenen seien ins Gefängnis gekommen. Banditen hätten XXXX gesucht und er sei geflohen. Nach Vorhalt der Behörde, dass er bei der Erstbefragung keinen Fluchtgrund angegeben habe, führte der BF1 aus, dass er nicht gewollt habe, dass seine Kollegen in Deutschland einen Schaden davontragen und deshalb keinen Fluchtgrund angegeben. Warum er in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, wisse er nicht. Er wisse auch nicht, warum er nach seiner Ankunft in Deutschland gleich weiter nach Österreich gereist sei.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich gab er an, dass er wegen seines Gesundheitszustandes keiner legalen Beschäftigung nachgegangen sei. Er lebe von der Grundversorgung und seine Tochter helfe ihm. Er lebe in einer Flüchtlingsunterkunft und habe Deutschkurse besucht. Er hole seine Enkelkinder vom Kindergarten ab und gehe mit ihnen spazieren. Er wolle gerne arbeiten. Seine Frau, eine Schwester, seine Tochter und deren Familie würden in Österreich leben.

Abschließend gab er an, dass er im Falle einer Rückkehr das Gefängnis und eine Verfolgung der Regierung zu befürchten habe. Zudem fürchte er, dass er aufgrund seines Gesundheitszustandes sterben werde. Befragt, ob er von staatlicher Seite jemals wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt worden sei, gab er an, dass sie einmal im Auto gefahren und angehalten worden seien. Vier Polizisten hätten sie in die Polizeistation abgeführt. Es seien Fingerabdrücke abgenommen worden und sie seien fotografiert worden. Ein Strafverfahren sei eingeleitet worden. Zudem beunruhige ihn, in welcher Situation seine Kinder in Kasachstan leben würden. Sie hätten das Haus in Kasachstan verkaufen wollen, aber sie hätten keine Möglichkeit dazu gehabt.

Im Zuge der Einvernahme legte der BF1 ua. folgende Unterlagen vor:

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Konvolut an Ambulanzberichten eines Landesklinikums bezüglich der ambulanten Chemotherapie des BF1 aus dem Jahr 2015 (von Februar, März, Juli, August).

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Kurzbrief eines Landesklinikums, wonach der BF1 von 05.01.2015 bis 20.01.2015 in Behandlung gewesen ist, Diagnose: "N. bronchi, OL re;

NIDDM".

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Entlassungsbericht, Aufnahme: 05.01.2015, Entlassung: 20.01.2015, Entlassungsdiagnosen: "Plattenepithelcarcinom rechter Oberlappen: T4 N2 M0, 1. Chemotherapiezyklus (Navelbine, Carboplatin), Oberlappenteilatelektase rechts, Z.n. Hämoptysen, Knochenszintigraphie geplant, nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus"

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Kumulativbefund (Institut für medizinisch-chemische und molekularbiologische Labordiagnostik) vom 12.01.2015.

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Befund eines Röntgeninstituts vom 28.01.2015.

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CT-Bericht vom 04.03.2015.

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Kumulativbefund vom 02.04.2015 und 25.08.2015.

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Kurzbrief vom 02.04.2015, Diagnose: "n bronchi".

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Transferierungsbericht, wonach der BF1 von 19.04.2015 bis 27.04.2015 in einer Abteilung für Chirurgie (Abteilung für Thoraxchirurgie) in Behandlung stand, Diagnose: "Zentrales Plattenepithelcarcinom des rechtern Lungenoberlappens mit endobronchialem Tomorwachstum am Abgang des rechten Oberlappenbronchus; St.p.3 Zyklen Chemotherapie mit Nabelbine/Carboplatin bis 26.3.2015; NIDDM II; Operation 22.4.2015 - Bronchiale Sleevelobektomie re. OL u. mediastinale Lymphadenektomie".

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Laborbefund vom 23.04.2015.

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Bericht einer Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Untersuchung (Konventionelles Röntgen) am 26.04.2015.

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Aufenthaltsbestätigung, wonach der BF1 von 07.05.2015 bis 08.05.2015 in stationärer Krankenhausbehandlung gewesen sei.

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Kurzbrief, wonach der BF1 von 15.06.2015 bis 01.07.2015 in stationärer Behandlung in einem Landesklinikum gewesen sei, Diagnosen: "N. bronchi, OL re.; NIDDM", zudem wurde die Einnahme von zahlreichen Medikamenten empfohlen.

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Kurzbrief, wonach der BF1 am 08.06.2015 zur Chemoaufnahme gekommen sei und am 09.06.2015 entlassen worden sei. Diagnose:

"Plattenepithel Ca re zentral".

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Labor-Endbefund vom 02.02.2017.

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CT-Zuweisung vom 06.02.2017 (Verlaufskontrolle).

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Ärztliches Attest eines Allgemeinmediziners vom 27.02.2017, wonach der BF1 an "St.p. Bronchus-Ca re OL und Diab.mell. mit PNP-Syndrom" leide, eine vermehrte Betreuung notwendig sei und diese von der Tochter durchgeführt werde. Die Tochter betreue auch die BF2 mit einer bestehenden Herzinsuffizienz und Lumbalgie.

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Blutzuckertabelle.

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Kursbesuchsbestätigung vom 10.03.2016 und vom 10.05.2016 für Deutch A1-Kurse.

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Teilnahmebestätigung für das Seminar "Vorbeugung von Infektionskrankheiten".

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Teilnahmebestätigung für das Seminar "Diabetes Typ I, Typ II und in der Schwangerschaft".

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Bestätigung vom 27.02.2017, wonach der BF1 nach einem positiven Asylbescheid eine Vollzeit Beschäftigung in einem Betrieb (Fleischerei) bekommen werde.

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Heiratsurkunde (BF1 und BF2) vom 18.09.1987.

1.10. In weiterer Folge brachte der BF1 eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen ein. Es wurde ausgeführt, dass sich die Länderfeststellungen unzureichend mit den Konsequenzen für die Angehörigen von Minderheiten, speziell von Tschetschenen befassen würden. Es gebe aber Berichte (aus 2013 und 2014), welche bestätigen würden, dass Angehörige von Minderheitengruppen - vor allem jene, welche kein Kasachisch sprechen würden - angesichts der zunehmenden "Kasachisierung" benachteiligt werden würden bzw. Diskriminierung ausgesetzt seien. Zudem werde auf ein Erkenntnis des AsylGH aus 2009 verwiesen, wonach zwar nicht von einer allgemeinen Verfolgung von Angehörigen der russischen Minderheit in Kasachstan ausgegangen werden könne, aber festgestellt worden sei, dass im Einzelfall ethnische Minderheiten in Kasachstan von asylrelevanter Verfolgung bedroht seien. Der BF1 wäre daher als Angehöriger der tschetschenischen Minderheit bei einer Rückkehr nach Kasachstan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt und sei ihm Asyl zu gewähren.

1.11. Am 05.07.2017 wurde die BF2 niederschriftlich einvernommen. Diese gab zu ihrem Gesundheitszustand an, dass sie an keinen Krankheiten leide, aber wegen ihren Krampfadern operiert worden sei. Im Herbst müsse sie deswegen erneut operiert werden. Zudem leide sie an chronischen Hämorriden. Sie nehme Schlafmittel ein.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen gab sie an, dass sie zuletzt in XXXX gewohnt habe. Ihre drei Kinder würden sich in XXXX und ihre fünf Geschwister in XXXX aufhalten. Sie habe zu ihrer Schwester fast täglichen Kontakt, zu ihren Brüdern ca. einmal die Woche. Auch zu ihren Kindern habe sie regelmäßigen Kontakt. Zudem habe sie in Kasachstan noch einen Onkel mütterlicherseits und dessen Kinder. Sie habe in der Heimat einen sehr großen Freundes- und Bekanntenkreis. Zu den meisten habe sie Kontakt. Sie habe 10 Jahre die allgemeine Mittelschule mit Matura besucht und danach eine Ausbildung zur Buchhalterin gemacht. Fast zwei Jahre habe sie als Buchhalterin gearbeitet. Ihr Mann habe sie versorgt. Befragt, warum sie nach Österreich gekommen sei, gab sie an, dass sie mit ihrem Mann zusammen sein habe wollen und die Kasachen ihnen viele Probleme gemacht haben.

Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass sie die gleichen Fluchtgründe habe wie ihr Mann. Die allgemeine Lage für die tschetschenische Minderheit sei in Kasachstan sehr schlecht. Zudem sei nach der Ausreise ihres Gatten die allgemeine Lage für sie noch schlimmer geworden. Es seien Männer zu ihr gekommen und hätten gefragt wo ihr Mann sei und wann er zurückkomme. Sie hätten auch gefragt, ob sie das Haus verkaufe. Sie habe immer gesagt, dass sie nicht verkaufe. Wenn die Kinder nicht da gewesen seien, hätten sie sie die ganze Nacht gestört. Sie hätten Steine geworfen und Fenster kaputt gemacht. Die Angreifer seien Kasachen gewesen. Wenn sie die Polizei gerufen habe, sei keiner gekommen. Befragt, warum sie nicht bereits früher geflohen sei, gab sie an, dass die Lage für sie persönlich sehr kompliziert gewesen sei. Ihre Mutter sei krank und alleine gewesen und ihr Mann habe sie in Europa gebraucht. Sie habe mehrmals die Polizei gerufen, aber sei ignoriert worden. Polizeiliche Dokumente habe sie nicht. Es sei ihr gesagt worden, sie könne selber etwas machen. Ihr Mann habe nach dem Autounfall einen Freispruch bekommen und sei trotzdem verfolgt worden. Die andere Partei fordere von ihnen Geld. Vor etwa einem Monat sei die Familie der anderen Partei zu ihrer Schwägerin gekommen und habe Geld gefordert. Bei ihrem Sohn seien sie auch gewesen. Ihr Sohn habe ein Uni-Diplom, aber keine Chance, eine entsprechende Stelle zu bekommen. Man sage ihm, er schaue anders aus als ein Kasache. Im Falle einer Rückkehr könne sie sich nicht vorstellen, wie sie dort leben sollten. Sie würden ihr Eigentum nicht zum normalen Preis verkaufen können. Die Kasachen würden erwarten, dass sie günstig verkaufen oder es einfach verlassen würden. Sie befürchte, dass ihr Mann schreckliche Probleme bekomme. Sie würde Probleme mit den Kasachen haben und fürchte, dass die Polizei nicht kommen werde.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen in Österreich gab sie an, dass der BF1 noch in Behandlung sei. Sie erhalte Geld von der XXXX und ihre Tochter unterstütze sie. Sie wohne in einer Flüchtlingsunterkunft und besuche einen Deutschkurs für Anfänger. Jeden Mittwoch würden sie Gastronomietage organisieren. Sie nehme daran teil und koche ihre Spezialitäten. Zudem habe sie zwei ältere Damen kennengelernt mit denen sie sich ab und zu im Park treffe und versuche sich mit Mimik und Gestik zu verständigen. Sie nehme an verschiedenen Veranstaltungen der Diakonie teil und helfe einer Sozialarbeiterin.

Im Zuge der Einvernahme legte die BF2 ua. folgende Unterlagen vor:

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Bericht eines Zentrums für innere Medizin, wonach sich das Bakterium "Helicobacter pylori" in ihrem Magen befinde und eine Behandlung mit Antibiotika erfolgen müsse. Es wurden ihr zahlreiche Medikamente verschrieben.

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Röntgenbefund vom 21.10.2016, Ergebnis: "Dem Zwerchfell breitbasig aufsitzendes, insgesamt plumpes und grenzwertig großes Cor ohne akute Dekompensationszeichen. Diskrete horizontale Plattenatelktasen links am Übergang vom Mittel- zum Unterfeld. Kein Hinweis auf ein umschriebenes entzündliches Infiltrat. Das Mediastinum regulär."

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Larborbefundbericht und Röntgenbefund (normaler Befund) vom 22.12.2016.

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Patientenbrief einer Abteilung für Chirurgie, wonach die BF2 von 17.05.2017 bis 18.05.2017 in stationärer Behandlung gewesen sei.

Diagnosen: "Stammvarikose der VSM re.; Adipositas;

Hypercholesterinämie". Durchgeführte Maßnahmen: "Crossektomie, Seitenastexhairese re.". Es wurden ihr die Medikamente empfohlen.

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Röntgenbefund vom 07.06.2017. Ergebnis Lendenwirbelsäule: "Mäßige skoliotische Achsenfehlstellung. Osteochondrosen L4 bis S1. Spondylosis deformas." Ergebnis Beckenübersicht im Stehen mit

Raster: "Diskreter Beckenschiefstand. Mäßiggradige Coxarthrosezeichen beidseits". Ergebnis beide Kniegelenke:

"Varusgonarthrosen beidseits, links etwas deutlicher als rechts".

Ergebnis beide Füße: "Fersensporne beidseits, deutlicher dorsal als plantar. Mäßige Arthrosen der Großzehgrundgelenke, NB: Arthrose des oberen Sprunggelenks rechts."

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Bericht "Duplexsonographie der Beinarterien" eines Zentrums für innere Medizin vom 14.03.2017, wonach kein Hinweis auf rezentes thrombotisches Geschehen im eingesehenen Bereich der unteren Extremitäten beidseits bestehe. Chronisch venöse Insuffizienz im rechten Bein deutlich ausgeprägter als links.

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Laborbefundberichte vom 26.04.2017.

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Bericht "Operationsfreigabe" vom 09.05.2017, geplante OP:

"Varikositas re".

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Teilnahmebestätigung vom 03.07.2017, wonach die BF2 verschiedene Deutschgruppen besuche.

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Bericht des Flüchtlingshauses, wonach die BF2 gut in das Wohnheim integriert sei, hilfsbereit und freundlich sei. Sie kümmere sich um ihre ältere Nachbarin, welche aufgrund von Erkrankungen Unterstützung bedürfe, versorge sie mit Essen und helfe im Haushalt.

1.12. Mit Schreiben vom 05.07.2017 wurde der BF1 vom Ergebnis einer Beweisaufnahme verständigt und dazu aufgefordert medizinische Unterlagen in Vorlage zu bringen.

Der BF1 brachte in weiterer Folge eine Stellungnahme ein. Es wurde ausgeführt, dass der BF1 am einem status post Bronchialkarzinom im rechten Oberlappen sowie an einer Diabetes mellitus mit PNP-Syndrom leide. Zudem leide er aufgrund eines Bandscheibenvorfalles an einer Lumboischlagie (über den Ischiasnerv ins Bein ausstrahlende Schmerzen aufgrund einer Nervenwurzelreizung). Zudem sollten getrübte Linsen in beiden Augen operiert werden.

Zudem wurden folgende medizinische Unterlagen in Vorlage gebracht:

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Rezepte des BF1 von Juli 2017: gegen Spannung der Prostata, Schmerzmittel (Mexalen), Arzneimittel zur Behandlung von Typ II Diabetes (Glucophage, Diamicron, Synjardy), Beeinflussung der Darmflora, Sodbrennen (Pantoprazol), gegen Bluthochdruck und Herzschwäche (Candesartan), Vitamin D-Tropfen (Oleovit D3), Schlafmittel (Halicion).

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Rezepte der BF2 von Juli 2017 (Vitamin B, Schmerzmittel, Medikamente bei Krampfaderleiden/Venenfunktionsstörungen, Vitamin D-Tropfen, Beeinflussung der Darmflora, Schlafmittel).

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Ärztliches Attest eines Allgemeinmediziners vom 12.07.2017, wonach die BF bei ihm in Betreuung stehen würden. Der BF1 leide an "St.p. Bronchus-Ca re OL und Diab.mell. mit PNP-Syndrom. Weiters begingt ein Bandscheibenprolaps L4/L5 eine Lumboischialgie. Zudem bestehe eine operationswürdiger Kararakt beider Augen." Bei der BF2 bestehe eine Herzinsuffizienz und Lambalgie, St.p. Varizen-OP. Eine weitere medizinische Behandlung erscheine daher als notwendig.

1.13. Aus einer im Akt einliegenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Kasachstan "Diabetes mellitus Typ 2" vom 22.08.2017 geht hervor, dass die Wirkstoffe der Medikamente Pantoprazol, Glucophage, Candesartan, Diamicron, Mexalen, Oleovit D3 in Kasachstan verfügbar seien. Die Wirkstoffe Empagliflozin und Triazolam der Medikamente (Synjardy und Halicion) seien nicht verfügbar, es würden jedoch alternative Wirkstoffe angeboten werden. Die Wirkstoffe seien in diversen Apotheken oder Kliniken erhältlich. Alle relevanten medizinischen Behandlungen seien in Kasachstan verfügbar (z.B. in den Privatkliniken).

1.14. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des BFA vom 25.08.2017 wurde jeweils unter Spruchteil I. die Anträge auf internationalen Schutz vom 27.12.2014 (BF1) bzw. vom 20.10.2016 (BF2) bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. Diese Anträge auch bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Kasachstan abgewiesen. Unter Spruchteil III. wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF nach Kasachstan gemäß § 46 FPG zulässig ist und in Spruchteil IV. gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

Die Identität der BF stehe fest. Eine asylrelevante Verfolgung oder Gefährdung iSd GFK habe nicht festgestellt werden können. Der BF1 habe seine Asylgründe in der niederschriftlichen Einvernahme gesteigert. Es sei nicht nachvollziehbar, warum er nicht bereits in der Erstbefragung von seinen Problemen erzählt habe. Zudem habe er in der Erstbefragung angegeben keine Rückkehrbefürchtungen zu haben, während er in der niederschriftlichen Einvernahme ausführte, das Gefängnis und eine Verfolgung der Regierung zu befürchten. Der BF1 sei legal ausgereist und besitze einen gültigen Reisepass, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass er Probleme bei der Rückkehr haben werde. Es sei auch nicht verständlich, weshalb er mit einem Visum nach München eingereist sei, in Deutschland aber nicht um Asyl angesucht habe. Wäre er tatsächlich verfolgt, würde es naheliegen, im ersten sicheren Land um Schutz anzusuchen. Auch die in der Stellungnahme vorgebrachte massive Diskriminierung sei nicht glaubhaft. Diesbezüglich sei nicht verständlich, weshalb die Angehörigen weiterhin in Kasachstan leben könnten.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass der Gesundheitszustand des BF1 durch eine Diabeteserkrankung (Diabetes mellitus Typ 2 mit PNP-Syndrom) beeinträchtigt sei und er deswegen Medikamente nehme. Er habe die Erkrankung bereits in der Heimat gehabt. In Österreich sei er wegen Lungenkrebs operiert worden und in Behandlung gestanden. Dass der BF1 nach wie vor noch wegen dem Lungenkrebs in Behandlung stehe, habe nicht festgestellt werden können und habe er auch keine neuen medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht. Bezüglich seiner Diabetes-Erkrankung habe er Rezepte in Vorlage gebracht. Er habe diese Erkrankung bereits im Herkunftsland gehabt und auch dort mit dieser leben können. Laut der vorliegenden Anfragebeantwortung der Staatendokumentation seien alle relevanten medizinischen Behandlungen in Bezug auf Diabeteserkrankungen in Kasachstan verfügbar. Im ärztlichen Attest vom 27.07.2017 werde lediglich davon gesprochen, dass eine vermehrte Betreuung notwendig sei und diese von der Tochter durchgeführt werde. Da der BF1 in Kasachstan über zahlreiche Angehörige verfüge, mit denen er in Kontakt stehe, könne diese Betreuung durch diese Angehörigen weitergeführt werden. Die BF2 habe angegeben an Krampfadern und Hämorriden zu leiden, wobei eine medizinische Behandlung in Kasachstan möglich sei. Die BF würden in ihrer Heimat über ein familiäres und soziales Netzwerk verfügen, welche sie auch unterstützen könnten. Die BF hätten Schulbildung, umfangreiche Berufserfahrung und seien in der Vergangenheit dazu in der Lage gewesen sich den Lebensunterhalt durch eigene Arbeitsleistung (bzw. die BF2 durch Unterstützung der Söhne) zu bestreiten. Dies sei auch nach ihrer Rückkehr möglich. Die BF seien im Falle einer Rückkehr nach Kasachstan nicht am Leben oder ihrer Unversehrtheit bedroht oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen.

Zu Spruchteil III. führte die belangte Behörde aus, dass sich die Schwester des BF1, die gemeinsame volljährige Tochter von BF1 und BF2 (samt Familie) in Österreich aufhalte. Der überwiegende Teil der Familie lebe aber in Kasachstan. Sie würden ihren Lebensunterhalt durch staatliche Mittel finanzieren, seien keine Mitglieder in Vereinen oder sonstigen Organisationen. Der BF1 habe einen Deutschkurs (A1) besucht, verfüge aber über keine nennenswerten Sprachkenntnisse in Deutsch. Eine besondere Integrationsverfestigung habe nicht festgestellt werden können.

1.15. Gegen diese Bescheide haben die BF fristgerecht gleichlautende Beschwerden erhoben. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt worden sei. Die Länderfeststellungen seien unvollständig und teilweise unrichtig. Diese würden sich nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen der BF beschäftigen. Auch der effektive Zugang zu den benötigten Medikamenten sei nicht ermittelt worden. Aus Berichten (aus den Jahren 2016 und 2017) gehe hervor, dass in der kasachischen Polizei Korruption weit verbreitet sei und die Regierung nur wenige strafrechtliche Verfolgungen mache. Zudem seien auch Folter und Misshandlungen bei den Behörden und in Gefängnissen weit verbreitet. Es gebe zahlreiche Fälle von unrechtmäßig inhaftiert und angehaltenen Personen. Auch sei der Grundsatz des Parteigehörs verletzt worden und habe der BF1 keine Zeit und keine Gelegenheit dazu gehabt, auf die Feststellungen im Rahmen der Staatendokumentationsanfrage vom 22.08.2017 zu reagieren und dazu Stellung zu nehmen. Im Bescheid werde lediglich auf die MedCOI Informationen Bezug genommen, ohne diese wiederzugeben. Vielmehr seien zwar die meisten Medikamente theoretisch verfügbar, der effektive Zugang sei aber für den BF1 nicht gegeben, da er sich diesen nicht leisten könne und ihn seine Familie nicht ausreichend unterstützen könne. Der BF1 habe seine Fluchtgründe nicht gesteigert, sondern habe er aufgrund der ihm unbekannten Situation sowie der Angst davor, Probleme für andere Personen zu kreieren sich davor gescheut seine Fluchtgründe geltend zu machen. Dass der BF1 keinen Asylantrag in Deutschland gestellt habe und unmittelbar nach Österreich weiteregereist sei, sei dadurch zu erklären, dass er gesundheitlich angeschlagen sei und eine Tochter in Österreich habe. Auch auf die Stellungnahme sei die Behörde nicht substantiiert eingegangen. Eine Unterstützung der Verwandten in Kasachstan sei zwar im Alltagsleben, nicht aber hinsichtlich der massiven finanziellen Belastung, die die Krankheit des BF1 in Kasachstan bedeuten würde, gegeben. Hinsichtlich der BF2 sei die Behörde aktenwidrig davon ausgegangen, dass sie keine asylrelevante Verfolgung geltend macht habe, tatsächlich habe sie aber angegeben, dass ihr Haus von der kasachischen Mehrheitsbevölkerung mit Steinen beworfen worden sei, ihre Fenster zerstört worden sei und sie die ganze Nacht gestört worden sei, wenn ihre Söhne nicht zu Hause gewesen seien. Daraus ergebe sich das Vorbringen einer Verfolgung aufgrund der tschetschenischen Volksgruppenzugehörigkeit sowie der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen. Der kasachische Staat sei auch nicht willens, die BF vor Verfolgung zu schützen. Wegen der gesundheitlichen Situation des BF1 sei auch eine innerstaatliche Fluchtalternative unmöglich. Den BF sei somit Asyl zu gewähren. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass der BF1 an schwerwiegenden Krankheiten leide, in den letzten Jahren öfters in Österreich operiert worden sei und unter ärztlicher Beobachtung sowie medikamentöser Behandlung stehe. Die Diabeteserkrankung sie in Kasachstan nicht erkannt und nicht behandelt worden und habe zu einer drastischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes geführt. Aus den Länderberichten gehe hervor, dass die Behandlungsmöglichkeiten für Karzinome bei Menschen mit geringem Einkommen nicht gewährleistet werden könne. Dazu werde auf die Rechtsprechung des EGMR (Paposhvili/Belgien) verwiesen, wonach zu beurteilen sei, inwieweit der Abzuschiebende im Zielstaat tatsächlich Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten und den entsprechenden Einrichtungen haben werde. Es seien die Behandlungs- und Medikamentenkosten, das Vorliegen eines sozialen bzw. familiären Netzwerkes sowie die räumliche Entfernung zu Behandlungseinrichtungen zu berücksichtigen. Dem BF1 drohe aufgrund seiner extrem vulnerablen Position infolge schwerer Krankheit unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung, welche eine reale Gefahr darstelle, dass sein Recht auf Leben verletzt werde. Zu Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, dass die Behörde allgemein formulierte Textbausteine verwende und sich unzureichend mit dem Einzelfall auseinandersetze. Entgegen der Ansicht der Behörde falle die Beziehung der in Österreich lebenden Tochter in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK. Die BF seien sehr um eine Integration in Österreich bemüht.

1.16. Am 17.11.2017 brachten den BF folgende medizinische Unterlagen in Vorlage:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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