TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/23 W241 2179348-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.08.2018
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Entscheidungsdatum

23.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W241 2179348-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.11.2017, Zahl 1078587108-150885218, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.03.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 sowie §§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 14.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. In seiner Erstbefragung am 14.10.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er sei in Kabul geboren und habe dort auch zuletzt gelebt. Er habe nur unregelmäßig eine Schule besucht und könne daher nicht sinnerfassend lesen und schreiben. Er wäre vor seiner Ausreise als Wachmann beschäftigt gewesen. In Afghanistan seien noch seine Mutter, seine Gattin, ein Bruder und eine Schwester, ferner sei ein Bruder in Griechenland.

Vor ca. drei Monaten hätte er beschlossen auszureisen. Er wäre über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er aufgrund seiner Tätigkeit von den Taliban verdächtigt worden wäre, ein Spion zu sein. Er wäre von ihnen misshandelt und mit dem Tod bedroht worden.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 12.01.2017 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Ferner legte er Firmenausweise von ihm und seinem in Afghanistan aufhältigen Neffen in Kopie und ein Foto eines Drohbriefes vor und gab an (Auszug aus der Niederschrift, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"F [Frage]: Wovon lebten Sie zuletzt in Afghanistan? Sind Sie in Afghanistan einer Arbeit nachgegangen?

A [Antwort]: Ich habe in einem Restaurant gearbeitet, in der Küche.

F: Wo war dieses Restaurant?

A: In Kabul, XXXX .

F: Wie hieß dieses Restaurant?

A: XXXX .

F: Wie lange haben Sie dort gearbeitet?

A: 3 Jahre.

F: Waren Sie woanders auch tätig?

A: Danach habe ich in Ghazni als Security-Mann gearbeitet.

F: Warum sagten Sie das nicht gleich? Sie haben immerhin zu dieser Arbeit auch etwas vorgelegt!

A: Ich wollte bei meinem Fluchtgrund erst darüber erzählen, ich habe nicht daran gedacht.

F: Erzählen Sie mir etwas über diese Firma! Was haben Sie dort genau gearbeitet?

A: Ich war Security in der Firma XXXX , wir waren 3 Männer, jeder von uns hat 4 Tage und 4 Nächte gearbeitet und inzwischen hatte jeder 8 Tage frei. Der Sitz der Firma ist in der XXXX gegenüber der XXXX . Ich war als Security tätig, ich habe kontrolliert, ob die Beleuchtungen ausgeschaltet oder eingeschaltet sind.

F: Welche Beleuchtungen?

A: Es war eine Handyfirma und dort gab es Anlagen, ich musste diese Anlage kontrollieren und auf die Signale schauen, ob alles in Ordnung ist. Das ist meine Aufgabe gewesen, wenn eine Störung auftritt, muss ich diese Störung melden.

F: Was war das für eine Handyfirma?

A: Das war für die Simkarten.

V: Sie sagen, Sie haben dort gearbeitet!

A: Wenn man auf die Website geht, sieht man, dass es sich um eine Kommunikationsfirma handelt. Es sind viele Firma, und XXXX ist eine große Firma. Man kann sich dort eine Sim Karte kaufen und Guthaben.

F: Wie alt sind Sie? Bzw. Wann wurden geboren?

A: 20 Jahre alt, ich weiß nicht, wann ich geboren wurde, ich weiß nur, dass es in Kabul war.

[...]

F: Haben Sie in Österreich irgendwelche enge familiäre oder private Anbindungen?

A: Ich habe einen Neffen hier, den Sohn von meinem Bruder XXXX , wir sind gemeinsam hergekommen.

F: Sind Sie verheiratet?

A: Ich habe eine Verlobte.

[...]

F: Über welche Schul- und Berufsbildung verfügen Sie?

A: Ich besuchte 7 Jahre die Schule.

F: Wo genau leben Ihre Eltern in Afghanistan?

A: Sie leben in Kabul an der bereits angegebenen Adresse. Mein Vater ist verstorben.

F: Lebten Sie auch dort?

A: Ja, an derselben Adresse

F: Von wann bis wann genau?

A: Sehr lange.

[...]

F: Haben Sie noch weitere Angehörige im Herkunftsstaat?

A: Ja, ich habe noch viele Verwandte, sie sind alle in Kabul, in verschiedenen Bezirken.

F: Haben Sie regelmäßigen Kontakt zu diesen Angehörigen, in Afghanistan?

A: Ja.

F: Wie geht es Ihrer Familie, in Afghanistan?

A: Es geht ihnen gut.

[...]

F: Sie sind bei der Ausreise aus Ihrem Herkunftsstaat kontrolliert worden?

A: Ich wurde bei meiner Ausreise von den Taliban kontrolliert.

F: Was passierte bei der Ausreise?

A: Sie haben uns durchgewinkt, der Schlepper hat uns davor alles erzählt und dann sind wir in den Iran eingereist.

F: Haben die Taliban Sie gesehen?

A: Ja.

F: Warum haben Sie nun einen Asylantrag gestellt? Was ist geschehen, dass Sie sich zu Ausreise entschlossen? Schildern Sie alle Vorfälle dazu genau und chronologisch!

A: Als ich nicht mehr in diesem Restaurant gearbeitet habe, habe ich den Chef von der Firma XXXX angerufen, der Chef ist mein Schwager, ihm gehört die gesamte Firma XXXX . Sein Name ist XXXX . XXXX hat gekündigt, sein Sohn vertritt ihn jetzt, er heißt XXXX . Als ich mit ihm telefonierte, habe ich ihm um eine Arbeitsstelle gebeten, ich ging nach Ghazni, um dort als Security in der Firma XXXX zu arbeiten. Neben meiner Firma XXXX war eine Polizeikontrollstelle, ich habe oft mit denen geredet und weil die Taliban auch dort verkehren, haben sie mitbekommen, dass ich mich mit denen unterhalte. Sie haben mich gesehen, aber ich sie nicht, weil ich drinnen saß. Da die Stromgeneratoren in diesem Bereich so laut sind, habe ich in der Nacht, als ich schlief, nicht mitbekommen, dass 2 maskierte Männer zu mir ins Dienstzimmer kamen. Ich bin aufgewacht und sie haben mir gesagt, dass ich spioniere und für wen ich das tue. Sie haben mir gesagt, dass sie wissen, wie oft ich spioniere, wie oft ich nach Kabul gehe, wie viele Geschwister ich habe und wer die Stelle in der Arbeit mir beschaffen hat. Er hat die Adressen von meinem Schwager und meine Adresse gewusst und wollte mich dazu zwingen, ihm zu sagen, für wen ich spioniere. Ich sagte, ich bin kein Spion und habe mit niemanden etwas zu tun. Sie haben verlangt, dass ich die Schlüssel für die gesamte Firma hergebe, ich sagte, ich weiß nicht wo sie sind. Sie haben mir gesagt, dass ich aufhören soll, dort zu arbeite. Es ist egal, wo ich arbeite, sie werden mich immer finden, Sie sagten, sie wissen, wo ich lebe und wenn ich nicht aufhöre mit meiner Arbeit, dann werden sie beweisen, dass ich spioniere. Ich habe die Drohung nicht ernst genommen, ich bin immer wieder nach Kabul gefahren und zu meinem Dienst gekommen. Einmal, als ich nach Ghazni kam, gab es auf der anderen Straßenseite ein Geschäft, als ich dann meine Dienststelle betreten habe, kam eine Person von dem Geschäft und klopfte an meine Tür und hat gesagt, dass ich einen Brief bekommen habe, der in der Fußgängerzone liegt und ich ihn holen soll. Als ich den Brief öffnete, sah ich, dass dies der Brief ist, den ich jetzt vorgelegt habe. Nach diesem Brief bin ich nach Kabul gereist und habe mir vorgenommen, Kabul zu verlassen. Die 2 Personen, die zu mir an meine Dienstelle kamen, sagten, wenn ich etwas von dem Gespräch mit ihnen erzähle, dann werden sie mich und meinen Schwager töten. Danach habe ich mich auf den Weg nach Europa gemacht.

F: Wann war der Vorfall, bei dem die beiden Männer zu ihnen kamen?

A: Im Jahr 2015.

F: Wann genau?

A: Nachdem ich keine genaue Zeit kenne, kann ich es nicht sagen.

F. In welcher Jahreszeit war dies?

A: Im Jänner 2015.

F: Wie kamen diese Leute zu Ihnen ins Dienstzimmer, wenn es so eine große Firma war?

A: Weil alles dunkel und laut ist und keine Sicherheitskräfte in der Nacht da sind, sind die einfach reingekommen, ohne dass ich es merkte. Sie sind über eine Mauer reingesprungen und mein Zimmer war nicht zugesperrt.

F: War das Zimmer in der Firma XXXX ?

A: Ja.

F: Die Sicherheitskräfte waren in der Nacht nicht an ihrem Platz und machten ihre Arbeit?

A: In der Nacht sind die nicht mehr da, es ist nur die Wache von der Polizeistation hier.

F: Wie kann es möglich sein, dass auf Ihrem Handy bei den Informationen das Datum 01.01.2009 aufscheint, wenn Sie sagen, dass Sie diesen Brief erst im Jahr 2015 erhalten haben? Sie sagten, dass Sie die Memory Card aus ihrem alten Handy mitnahmen!

A: Nein, das ist von 2015.

F: Wie können Sie sich erklären, dass das Jahr 2009 erscheint?

A: Ich habe die Memory Card von meinem ersten Handy mitgenommen und in meiner Hosentasche gelassen und das Foto war auf dieser Memory Card.

F: Geben Sie den Inhalt des Briefes wieder!

A: Ich kann nur den Teil in Dari lesen, den Teil in Paschtu nicht, ich kann es zwar sprechen, aber ich kann es nicht lesen.

F: Haben Sie sich das von niemanden übersetzen lassen?

A: Nein, ich habe nur gesehen, dass darauf gestanden ist "Spion" und mein Name.

F: Sie haben seit 2012 in dieser Firma gearbeitet?

A: Ja.

F: Sind andere Leute aus der Firma ebenfalls bedroht worden?

A: Nein, weil die in Ghazni leben.

F: Alle Mitarbeiter dieser großen Firma?

A: Ich weiß es nicht, aber außer mir war niemand in Kabul.

F: Warum glauben Sie, dass diese Leute glaubten, dass Sie als Spion arbeiten?

A: Weil ich aus Kabul war.

F: Innerhalb der 3 Jahre, als Sie in der Firma XXXX gearbeitet haben, haben Sie nie etwas von den Taliban gehört oder wurden bedroht?

A: Diese Angaben sind ungefähr und sie sind im europäischen Kalender angegeben.

F: Wie heißt der oberste Chef oder der Firmenbesitzer der Firma?

A: Der oberste Chef ist in Kabul, er ist Milliardär, ich kenne den Namen nicht.

[...]

F: Was würde eintreten, wenn Sie heute in Ihren Herkunftsstaat zurückreisen?

A: Die Taliban werden mich erwischen, sie sind überall in Zivil vertreten, sie kontrollieren auf diese Art und Weise alles und sie haben meine Adresse und sie können mich ausfindig machen.

F: Gibt es noch etwas, was ich wissen sollte, um einen umfassenden Bezug zu Ihrer Lebensgeschichte oder den Ausreisegründen bzw. Rückkehrbefürchtungen zu erhalten? Etwas was nicht erwähnt wurde?

A: Es wurde alles erwähnt.

F: Wenn Sie die geschilderten Probleme nicht hätten, könnten Sie dann in Ihrem Herkunftsstaat leben?

A: Ja."

1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 07.11.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Seine Fluchtgeschichte habe der BF angesichts mehrerer dargelegter Unstimmigkeiten und Unplausibilitäten nicht glaubhaft machen können.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan nicht drohe. Der BF habe in Kabul gelebt, und es ist davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr nach Kabul dort Arbeit finden könne, um für seinen unbedingt notwendigen Lebensunterhalt aufzukommen. Darüber hinaus würden noch Angehörige in Kabul leben, er verfüge daher dort über ein soziales Netzwerk.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG wurde den BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 30.11.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften ein.

In der Beschwerdebegründung wurde das Fluchtvorbringen des BF im Wesentlichen wiederholt. Weiters wurde die Beweiswürdigung des BFA kritisiert und wurden weitwendige Ausführungen zu den Länderfeststellungen und zur Lage in Afghanistan gemacht, Auszüge aus diversen Berichten angeführt und höchstgerichtliche Judikatur zitiert. Abschließend wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

1.6. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 12.12.2017 beim BVwG ein.

1.7. Das BVwG führte am 19.03.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF im Beisein eines gewillkürten Vertreters persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Dabei legte der BF folgende Schriftstücke vor:

* Bestätigung über seine Mitarbeit bei einer Gemeinde

* Deutschkursbestätigung

* Verschiedene Empfehlungsschreiben

* 3 Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen

Daraufhin gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"RI [Richter]: Geben Sie bitte Aufenthaltsorte Ihrer näheren Angehörigen bekannt!

BF: Mein älterer Bruder heißt XXXX , er lebt in Griechenland. Meine große Schwester, sie lebt in der Provinz Ghazni in Afghanistan. Sie heißt XXXX . Sie ist verheiratet. Mein anderer Bruder von mir lebt in Kabul und heißt XXXX und meine jüngere Schwester heißt XXXX , sie lebt auch in Kabul und ist nicht verheiratet. Nur mein Bruder XXXX ist verheiratet.

RI: Und Ihre Eltern?

BF: Meine Mutter lebt mit meinem Bruder und meiner Schwester zusammen. Mein Vater ist verstorben.

RI: Gibt es da noch Onkel und Tanten und wo sind die aufhältig?

BF: Ich habe zwei Onkel mütterlicherseits. Sie heißen jeweils XXXX und XXXX . Sie sind beide verheiratet und einer lebt in Kabul im Ort XXXX und der andere lebt in XXXX .

RI: Haben Sie sonst noch engere Verwandte?

BF: Ich habe vier Tanten mütterlicherseits. Sie sind verheiratet. Eine lebt in Mazar-e Sharif und die anderen in Kabul. Alle sind verheiratet.

RI: Haben Sie Kontakt zu diesen Angehörigen?

BF: Ich habe nur mit meinem Bruder, der in Griechenland lebt, mit dem Bruder, der in Kabul lebt und mit meiner Mutter und meiner Schwester Kontakt.

RI: Wie waren Ihre Lebensverhältnisse?

BF: Wir haben ein Eigentumshaus gehabt.

RI: Gab es sonstige Grundstücke?

BF: Nein.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich bin nur sieben Jahre in die Schule gegangen. Ich habe im Hotelbereich in der Küche gearbeitet. Ich war auch Securitymann bei der Firma XXXX .

RI: Wie stellte sich Ihre finanzielle Situation bzw. die Ihrer Familie dar?

BF: Als mittelmäßig, sowohl jetzt und auch damals.

RI: Können Sie heute Dokumente oder andere Beweismittel vorlegen, die Ihre Angaben zu Ihrer Identität belegen (zB. Reisepass, Personalausweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde)?

BF: Ich habe eine Tazkira gehabt. Das Foto vom Pass habe ich immer bei mir.

RI: Haben Sie das beim BFA schon vorgelegt?

BF: Selber nicht, man hat von mir verlangt, dass ich es per E-Mail schicken soll und ich habe das auch gemacht.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein.

RI: Sind Sie gerichtlich vorbestraft?

BF: Nein.

RI: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen? Auf welchem Weg sind Sie nach Österreich gelangt und wo waren Sie wielange aufhältig?

BF: Ja, ich habe im Jahr 2015 meine Heimat verlassen. Ich bin zuerst über Pakistan in den Iran gegangen, nachher in die Türkei. Nach der Türkei bin ich nach Griechenland gegangen und weiter nach Mazedonien und Serbien. Dann weiter nach Ungarn und dann nach Österreich.

RI: Wann ungefähr haben Sie Afghanistan verlassen?

BF: So genau weiß ich es nicht.

RI: Wie lange waren Sie im Iran?

BF: Vier bis fünf Monate war ich im Iran. Nachgefragt gebe ich an, dass ich durch die Türkei nur durchgereist bin.

RI: Wie viel hat die Reise gekostet?

BF: Circa 2000 €.

RI: Woher hatten Sie das Geld?

BF: Mein Bruder hat mir geholfen.

RI: Wo haben Sie Ihre Fluchtbewegung gestartet? In Kabul oder Ghazni?

BF: Von Kabul. Mein Bruder hat mich angerufen und sagte, dass ich nach Nimroz fahren solle. In Nimroz gibt es jemanden, der kommt und mich mitnehmen würde. Mit dieser Person bin ich weitergefahren.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Ja, ich habe einen Neffen gehabt, aber der ist abgeschoben worden. Nachgefragt gebe ich an, dass er selber nach Afghanistan gegangen ist. Sein Vater lebt in Griechenland, aber er selbst ist in Kabul.

RI: Haben Sie Kontakt zu ihm?

BF: Nein.

RI: Wissen Sie, aus welchen Gründen er aus Afghanistan geflohen ist?

BF: Der Plan war von seinem Vater.

RI: Hat der Neffe mit Ihnen bei der Firma gearbeitet?

BF: Nein.

RI: Beim Ausweis Ihres Neffen steht auch die Firma XXXX .

BF: Das ist der Sohn meiner Schwester. Er lebt in Ghazni und hat dort eine höhere Stelle bei der Firma. Er arbeitet noch immer in der Firma XXXX .

RI: Wie sind Sie zu diesem Ausweis gekommen?

BF: Ich habe ihn gebeten, ihn mir zu schicken. Es gibt noch Fotos von der Internetseite der Firma XXXX . Die Fotos waren auch dabei.

RI: Hat der Neffe, der bei der Firma XXXX gearbeitet hat, bei Ihnen am selben Ort gearbeitet?

BF: Ja.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

[...]

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und auf Deutsch beantwortet hat.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Ja.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Ich habe Kontakt mit einer Familie. Zu dieser Familie gehe ich jeden Tag für eine Stunde um weiter zu lernen. Manchmal fahre ich dorthin mit dem Fahrrad. Manchmal gehe ich auch zu Fuß dorthin. Ich helfe meistens auch in der Pension, wo ich wohne. Manchmal ruft die Gemeinde unserem Chef an und teilt mit, dass sie Leute brauchen und da helfe ich auch.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.

BF: Als ich in Ghazni war, um dort zu arbeiten, in diesem genannten Hotel, nach einiger Zeit als ich dort tätig war, in einer Nacht, ist ein Problem mit den Taliban zu Stande gekommen. Der Grund war, weil die Taliban in einer Nacht gekommen sind. Sie sind persönlich über die Mauer gekommen. Sie wollten eigentlich zuerst mich mitnehmen. Über die Lichter der Autos, weil draußen die Leute der afghanischen Verteidigung auch anwesend waren, hat man irgendwie gewusst, dass sie da sind. Man hat gemerkt, dass sie da sind. Außerdem haben sie die Suchscheinwerfer eingeschaltet. Sobald die Taliban die großen Lichter bemerken, wollen sie flüchten.

RI: Wieviele waren das?

BF: Einer ist hereingekommen, einer war vor der Tür.

RI: Was haben Sie gemacht, als die Taliban hereingekommen sind?

BF: Ich habe in diesem Moment geschlafen.

RI: Waren die maskiert?

BF: Ja.

RI: Als sie vor Ihnen standen, was ist dann passiert?

BF: Er hat sich zuerst hingesetzt, mich bedroht. Er hat mich als Spion bezeichnet. Sie haben vier solche Säulen. Wir waren in der Nähe miteinander. Durch die Nähe unserer Arbeitsplätze hatte ich auch Kontakt mit der afghanischen Verteidigung. Aus diesem Grund haben die Taliban auch behauptet, dass ich ein Spion wäre, in der Nähe ist die afghanische Verteidigung.

RI: Wie kommen die drauf bzw. was sollten Sie spionieren?

BF: Es war so, dass ich immer vier Tage und vier Nächte in Ghazni arbeitete, dann habe ich acht Tage frei gehabt und bin immer nach Kabul zurückgefahren. Einer der Gründe war, weil ich immer nach dem Dienst nach Kabul fuhr. Ich habe auch offizielle Kleidung getragen. Es war eine normale Hose und Hemd. Ich bin aufgefallen, da das keine traditionelle Kleidung war.

RI: Wegen diesem Gewand sind die Taliban auf sie aufmerksam geworden?

BF: Ja und auch die Nähe mit den afghanischen Verteidigungsleuten.

RI: Was ist nach der Bedrohung passiert?

BF: Er hat sofort eine Frage gestellt. Ich müsse sofort meine Schlüssel hergeben und mit ihm kommen. Aber als er es versucht hat, hab ich mich dagegen entschieden.

RI: Warum verlangten sie die Schlüssel, wenn sie eindringen konnten?

BF: Die zwei Leute konnten nicht wieder nach draußen. Es wäre leichter, die Tür aufzumachen und normal rauszugehen.

RI: Sie haben ihnen die Schlüssel nicht gegeben, was ist dann passiert?

BF: Nachdem die Lichter der afghanischen Verteidigung eingeschalten waren und sie geflüchtet sind, haben sie gesagt, dass egal, wo ich lebe, in Kabul oder Ghazni, werden sie mich finden. Er wusste sogar meine genaue Adresse und welchen Bruder ich hatte. Er wusste alles sehr genau. Die letzte Drohung von ihnen war, wenn ich über das Ereignis mit jemanden sprechen würde, würde ich meinen Neffen und Schwager verlieren. Nach vier Tagen Dienst bin ich zurück nach Kabul, war acht Tage dort, bin zurück zu meiner Arbeit und nach zwei oder drei Tagen Arbeit hat man an unsere Firmentür in Ghazni geklopft. Als ich die Tür aufmachte, gab es jemanden, der sich als "Transporteur" ausgab. Auf der anderen Seite unserer Straße gab es einen kleinen Bazar und der Mann war dort tätig. Dann sagte er zu mir, dass jemand ein Motorrad gefahren ist und hätte diesen Brief zu ihm geschmissen und er habe den Brief genommen.

RI: Der Brief ist dann circa 10 Tage nach dem Überfall abgegeben worden, nachdem Sie von Kabul zurückgekehrt sind?

BF: Ja.

RI: Vor dem BFA haben Sie gesagt, dass Sie immer wieder von Kabul nach Ghazni und umgekehrt gefahren sind und erst irgendwann der Brief gekommen ist.

BF: Nein, das war nicht mehrere Male, sondern einmal. Acht Tage war ich in Kabul.

RI: Nach dem Brief, was haben Sie da gemacht?

BF: Nachdem ich den Brief bekommen habe, wurde mir die Sache zu ernst. Ich habe auf den Brief geschaut. Es stand mein Name und der Name meines Vaters und ich wurde als Spion bezeichnet. Ich habe dann meinen Kram zusammengepackt und bin nach Kabul gefahren.

RI: Haben Sie gekündigt?

BF: Ich habe offiziell gekündigt.

RI: Sie haben gesagt, Sie haben in einem Hotelrestauraunt gearbeitet. Wie lange waren Sie dort?

BF: Zwei Jahre.

RI: War das das einzige Hotel?

BF: Ja. Der Grund war, dass das Hotel nicht gut ging und das Hotel ging in Konkurs.

RI: Wo war das Hotel?

BF: In Kabul.

RI: Sie haben gesagt, dass das Restauraunt in Ghazni war?

BF: Nein, das Hotel war in Kabul.

RI: Wie haben Sie den Job bei der Handyfirma bekommen?

BF: Nachdem ich meinen Job im Hotel verloren habe, hat mein Schwager mich angerufen und wusste, dass ich keinen Job mehr hatte. Da ich kein so hoch ausgebildeter Mensch war, war sein Vorschlag, dass ich als Securitymann arbeiten soll.

RI: Was hat Ihr Schwager für eine Position?

BF: Er war Chef der Firma.

RI: Der gesamten Firma?

BF: Nein, er war der Chef der Abteilung von Ghazni.

RI: Wie heißt er?

BF: Er heißt XXXX .

RI: Was macht der jetzt noch in der Firma?

BF: Er hat mit diesem Job aufgehört.

RI: Wer hat seinen Job übernommen?

BF: Es gibt einen neuen Chef. Sein Sohn als Stellvertretender Chef arbeitet dort.

RI: Wieviele Leute haben dort gearbeitet?

BF: An der Stelle, wo ich arbeitete, waren wir insgesamt drei Leute.

RI: Waren das auch Securitys?

BF: Ja.

RI: Haben Sie in dieser Nacht alleine Dienst gehabt?

BF: Wir waren zu dritt. Wir haben den Arbeitsplan so geteilt, dass jeder seine acht Tage frei hatte. Deswegen hat jeder vier Tage gearbeitet. Ich war aber in dieser Nacht alleine.

RI: Wurde diese anderen Leute auch bedroht?

BF: Nein.

RI: Eigentlich müssten die Taliban auch denen drohen, weil sie in der Nähe der afghanischen Verteidigungsleute sind. Warum haben sie nur Ihnen gedroht?

BF: Ja, weil sie Paschtunen sind, sie kommen fast aus dem selben Ort. Ich kam aus einer anderen Stadt.

RI: Können Sie mir zum vorgelegten Ausweis Ihre ID Nummer sagen?

BF: XXXX .

RI: Sie haben einen Drohbrief bekommen. Wissen Sie, was drinnen steht?

BF: Es gibt keinen anderen Gott als den einzigen den Allah. Dann stand mein Name und der Name meines Vaters, nämlich Mohammad Alan. Sie haben mich als Spion bezeichnet. Da auf Paschtu geschrieben wurde, konnte ich nicht alles lesen.

Drohbrief wird dem D vorgelegt.

D: Im Namen des Gnädigens Barmherzigen. Es gibt keinen Gott außer

Allah und der Mohammad ist sein Gesandter. Stempel: Darunter steht das islamische Emirat von Afghanistan. Darunter die Provinz Ghazni. Dann fängt der Brief an. Dieser Brief ist für XXXX , der Sohn von XXXX , wohnhaft in Kabul, dass Du für den Staat als Spion tätig bist, aus diesem Grund wird von Ihnen verlangt, dass Sie sich in zwei oder drei Tagen bei der Islamischen Emirate von Afghanistan, Provinz Ghazni, Bezirk XXXX , melden. Im Falle, dass sie sich bei uns nicht melden, in diesem Fall gehört jede Verantwortung Ihres

Lebens Ihnen. Unterschrift, Name: XXXX , der Verantwortliche von der Abteilung " XXXX ".

RI: Warum haben Sie gleich das Land verlassen und nicht überlegt, wo anders im Land zu leben?

BF: Wie ich schon sagte, man hat mich direkt bedroht. Egal, wo ich leben würde in Afghanistan, man würde mich finden. Dann wissen Sie, was sie mit mir machen wollen würden.

RI: Wem hat diese Firma eigentlich gehört?

BF: Diese Firma ist eine enorm große Firma. Das Hauptbüro der Firma ist in Kabul.

RI: Ist das eine private Firma?

BF: Ja.

RI: Wenn Sie ein Privatangestellter waren, warum werfen die Taliban Ihnen vor, für den Staat zu arbeiten?

BF: Es gibt in Ghazni nicht nur eine sogenannte "Säule". Sondern tausende von verschiedenen Firmen und diese Seiten greifen die Taliban immer an. Aus diesem Grund wollen die Taliban auf gar keinen Fall, dass jemand mit dem Staat was zu tun hat, egal ob privatangestellt oder nicht.

RI: Wann haben Sie begonnen, bei dieser Firma zu arbeiten?

BF: Im Jahr 2012. Es war im elften Monat 2012. Ich erinnere mich genau an den Monat und das Jahr, weil es in Ghazni einen Ort namens Schaschgau gibt und dort gab es eine große Explosion.

RI: Wenn ich jetzt nachrechne, sie haben drei Jahre für die Firma gearbeitet und plötzlich nach drei Jahren kamen die Taliban. Warum kamen die Taliban erst nach drei Jahren, man hätte ihnen schon vorher vorwerfen können, dass Sie als Spion arbeiten würden?

BF: Es waren nicht drei Jahre. Dieser Kontakt mit der Person der afghanischen Verteidigung hat den Taliban gestört. Außerdem, die paar Male, wo ich nicht nach Kabul fuhr, fuhr ich zu meiner Schwester, weil ich eine Bekanntschaft mit dieser Person hatte, die in diesem Rekrutierungsbüro gearbeitet hat.

RI: Ist diese Person nicht auch bedroht worden?

BF: Ich weiß es nicht. Wir waren nicht so enge Freunde, aber haben uns jeden Tag gesehen.

RI: Jetzt haben die Taliban gedroht, Ihren Schwager umzubringen, warum ist der noch nicht geflüchtet und kann dort weiterarbeiten?

BF: Da haben Sie recht, aber in Afghanistan habe ich mit niemanden gesprochen. Die Taliban haben ihn bedroht, mit dem Job aufzuhören,und er hat gekündigt.

RI: Wenn Sie den Job gekündigt hätten, hätten die Taliban nicht dann auch Sie in Ruhe gelassen?

BF: Wenn ich ehrlich bin, wäre es mein Wunsch gewesen, wenn die Taliban nur das gesagt hätten, aber die Drohung war wortwörtlich so, dass, egal wo ich hingehen würde, in welchem Ort auch immer, sie werden mich finden, mich nehmen und töten.

RI: Sie sind dort als Security angestellt gewesen. Da hat man die Aufgabe, das Gebäude zu überwachen. Warum haben Sie in dieser Nacht geschlafen?

BF: Meine Aufgaben waren da nur, dass ich mich um zwei Generatorenmaschinen kümmern musste und sie nicht ausfallen und mich um eine Säule (gemeint ist der Handymast) kümmern. Prinzipiell durften wir auch in der Nacht schlafen, mussten aber auf die Generatoren aufpassen.

RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

BF: Es ist eine Zeit vergangen. Wenn ich dort bin, werden sie mich finden. Sie stellen mich vor ihr Gericht. Sie wissen, was die Bedeutung eines Gerichts der Taliban ist.

RI gibt BFV die Möglichkeit, zu den bisherigen Angaben der Parteien eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.

BFV: Wo sind die Taliban genau eingedrungen?

BF: Über die Mauer herein, in mein Zimmer.

BFV: Das Zimmer war in der Firma XXXX ?

BF: Ja.

BFV: Wo haben Ihr Schwager und Ihr Neffe in der Firma gearbeitet. War das der gleiche Stützpunkt?

BF: Nein, er arbeitete im Hauptbüro der Firma in Ghazni. Ich habe bei diesem Turm gearbeitet."

1.8. Am 21.03.2018 übermittelte das BFA eine Stellungnahme, in der auf die Unplausibiliäten in den Aussagen des BF in der Verhandlung vor dem BVwG hingwiesen wurde.

1.9. Mit Schreiben 27.03.2018 übermittelte die Vertretung des BF eine Stellungnahme betreffend die in der Verhandlung ausgehändigten Länderberichte.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 14.10.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 12.01.2017 sowie die Beschwerde vom 30.11.2017

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.03.2018

* Einsicht in die vom BF vorgelegten Schriftstücke

* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom BVwG zusätzlich eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 sowie eine Aktualisierng vom 30.01.2018)

o Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016 sowie Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016

o gutachterliche Stellungnahme des Ländersachverständigen für Afghanistan Dr. Sarajuddin RASULY zum Vorbringen eines Beschwerdeführers, er habe für eine Regierungsorganisation gearbeitet und werde deshalb von den gegen diese kämpfenden Taliban verfolgt (eingebracht in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 13.06.2012 im Verfahren C15 410.319-1/2009)

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zum sunnitischen Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch Paschtu, Farsi und etwas Deutsch.

Der BF ist verlobt und wohnte zuletzt in Kabul. In Kabul sind noch seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester, die in einem Eigentumshaus wohnen, sowie zwei Onkeln und drei verheiratete Tanten aufhältig. Der Vater ist bereits verstorben. Eine weitere Schwester ist verheiratet und lebt in Ghazni, eine Tante lebt in Mazar-e Sharif und ein Bruder ist seit sechs Jahren in Griechenland wohnhaft. Ferner kehrte ein mit ihm nach Österreich gereister Neffe nach Afghanistan zurück und ist derzeit ebenfalls in Kabul aufhältig.

Der BF hat nach seinen Angaben ca. sieben Jahre eine Schule besucht. Danach hat er drei Jahre in einem Restaurant und ebenfalls ca. drei Jahre als Wachmann gearbeitet. Seine Familie hatte im Herkunftsstaat keine finanziellen Probleme, die finanzielle Lage wurde vom BF als durchschnittlich bezeichnet.

3.1.2. Die näheren Angehörigen des BF befinden sich noch immer in dessen Heimatstadt. Laut Angaben des BF besteht zu seiner Mutter, seiner Schwester und seinem Bruder in Kabul Kontakt.

3.1.3. Hinweise auf lebensbedrohende oder schwerwiegende Krankheiten haben sich keine ergeben.

Der BF ist jung, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er ist sieben Jahre in die Schule gegangen und hat Berufserfahrung als Restaurantangestellter und Wachmann.

3.1.4. Der BF verließ nach seinen Angaben Afghanistan im Juli 2015 und stellte am 14.10.2015 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

3.1.5. Der BF hält sich seit Oktober 2017 in Österreich auf und spricht bereits verständliches Deutsch, zumal er auch Deutschkurse besucht hat. Er hilft bei Arbeiten in seiner Heimatgemeinde mit und hat Kontakte zu österreichischen Familien. Der BF lebt in einer Unterkunft für Asylwerber und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF hat in Österreich keine Verwandten und ist strafrechtlich unbescholten.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF hat sein Vorbringen, dass er von den Taliban wegen einer vermeintlichen Spionagetätigkeit bedroht worden wäre, nicht glaubhaft gemacht.

3.2.2. Der BF wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an.

3.2.3. Grund für die Ausreise des BF aus seinem Herkunftsstaat waren die dortige unsichere persönliche und allgemeine Situation und die Suche nach besseren - auch wirtschaftlichen - Lebensbedingungen im Ausland.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen - etwa durch die Bedrohung durch Taliban - ausgesetzt wäre.

3.3.2. Der BF ist jung, im erwerbsfähigen Alter und männlich. Dass sein allgemeiner Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigt wäre, hat der BF im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst bekannt geworden.

3.3.3. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer erneuten Ansiedelung in der Stadt Kabul, wo sich der ortskundige BF vor seiner Ausreise seit seiner Geburt aufgehalten hat, droht dem BF kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit. Er läuft nicht Gefahr, in Kabul grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF verfügt in Kabul über familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte in Form seiner Mutter, seines Bruders, seiner Schwester, seines Neffen und mehrerer Onkel und Tanten. Der BF konnte vor seiner Ausreise durch eigene Erwerbstätigkeit als Restaurantangestellter und Wachmann seine Existenz sichern. Dem BF ist aus eigenem der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich. Er kann seine Existenz in Kabul - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten bzw. auch mit einer Wiederaufnahme einer seiner Tätigkeit als Restaurantangestellter oder Wachmann sichern. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass ihm bei einer Rückkehr finanzielle Unterstützung seitens der in Afghanistan aufhältigen Angehörigen zukommt. Er hat auch die Möglichkeit, Rückkehrunterstützung in Anspruch zu nehmen und damit eine weitere finanzielle Hilfe zu erhalten. Der BF kann in Kabul eine einfache Unterkunft finden, darüber hinaus verfügt seine Mutter über ein Eigentumshaus in Kabul.

3.3.4. Der BF kann die Hauptstadt Kabul von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Auf Grundlage von aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der BF getroffen:

3.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", Schreibfehler teilweise korrigiert):

[...]

2. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 20.04.2018, USDOS 15.08.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.01.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.02.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.04.2018; vgl. USDOS 15.08.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht Am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20.10.2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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