Entscheidungsdatum
23.08.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W161 2202977-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SOMALIA, vertreten durch Edward W. DAIGNEAULT, Rechtsanwalt in 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2018, Zl. 1193244410-180506979, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 4a, 10 Abs. 1 Z 1, 57 AsylG 2005
i. d.g.F., § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht
zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia, brachte am 31.05.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
2. Eine EURODAC-Abfrage ergab 2 Treffer der Kategorie 1, und zwar einen Treffer mit Italien vom 19.08.2013 sowie einen Treffer mit Deutschland vom 30.12.2014.
3. Bei der Erstbefragung am 31.05.2018 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Er habe seinen Herkunftsstaat im Jahr 2013 verlassen.
Seine Reiseroute gab der Beschwerdeführer an wie folgt: Äthiopien-Sudan-Libyen-Italien (Aufenthalt seit 2013 mit Unterbrechung) -Deutschland (Aufenthalt ca. 1 Jahr).
Das Leben in Italien sei sehr schwer, er sei dort operiert worden. Weil er dort nicht habe leben können, sei er dann nach Deutschland gegangen. Dort sei es ihm gut gegangen. Er habe in einem Camp gelebt. Er habe kein Asyl bekommen und sei dann selbstständig wieder nach Italien zurückgereist. Er habe in Italien und Deutschland um Asyl angesucht. In Italien habe er einen befristeten Aufenthalt bekommen. Er wolle in Österreich bei seiner Frau und seinen Kindern bleiben. Als Fluchtgrund gab er an, er sei im Jahr 2013 wegen der Al-Shabaab aus Somalia geflüchtet. Er sei jetzt nach Österreich gekommen, weil seine Frau und seine Kinder hier in Österreich leben würden und hier einen Schutz haben. Er sei im Februar 2018 nach Österreich gekommen, weil er im Jänner 2018 erfahren habe, dass seine Familie hier lebe. Nach seiner Rückkehr nach Italien habe seine Frau ihm am Telefon erzählt, dass sie von ihm schwanger sei und seine Hilfe benötige. Er sei nach Österreich gekommen, um sie zu unterstützen. Sein Bruder sei berufstätig und könne seine Frau nicht unterstützen. Sonst habe sei Frau keine Verwandten hier. In Österreich würden sich somit seine Ehefrau, zwei Söhne und ein Bruder aufhalten.
4. Mit Schreiben vom 05.06.2018 richtete das BFA ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 18 Abs. 1 lit.b Dublin-III-VO an Italien.
Mit Schreiben vom 12.06.2018 teilten die italienischen Dublinbehörden mit, dass die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers von Italien nicht akzeptiert werden könne. Dem Beschwerdeführer sei in Italien internationaler Schutz gewährt worden und eine Aufenthaltsbewilligung für Asylberechtigte ausgestellt worden.
5. Bei der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA, EAST Ost am 21.06.2018, gab der Beschwerdeführer an, er fühle sich physisch und psychisch in der Lage, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Er habe eine Rechtsberatung in Anspruch genommen und bisher im Verfahren der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt. Erstmalig sei er am 01.02.2018 in Österreich eingereist. Er sei 2 Monate bei seiner Familie gewesen und dann nach Italien zurückgekehrt. Er sei dann am 29.05.2018 in Österreich eingereist und habe am 31.05.2018 einen Asylantrag gestellt. Er lebe momentan im Lager und nicht mit seiner Frau in einem gemeinsamen Haushalt. Er besuche sie aber regelmäßig. Er habe momentan kein Geld und, wenn er Geld brauche, bekomme er Unterstützung von seiner Familie. Er sei mit seiner Frau seit 2010 traditionell verheiratet. Er sei sehr abhängig von seiner Familie. Seine Frau gehöre dem Stamm der XXXX an. Befragt, welchem Subclan seine Frau angehöre, gab der Beschwerdeführer an, allgemein kenne er sich nicht aus mit den Stämmen in Somalia. Es sei richtig, er wisse es nicht. Er selbst stamme aus XXXX und gehöre der Volksgruppe der XXXX an. Er habe seine Frau in XXXX im Jahr 2010 geheiratet. Der Ex-Mann seiner Frau habe sich von ihr scheiden lassen. Er habe die Frau nach der Scheidung kennengelernt, sich in sie verliebt und sie geheiratet. Der Ex-Mann sei alleine gegangen und die Kinder seien bei seiner Frau geblieben. Er habe in der Heimat davon gelebt, dass er Musik gespielt und gesungen habe. Seine Frau habe nicht gearbeitet. Es sei richtig, dass er im Jahr 2015 an der Grenze zu Österreich aufgegriffen worden sei. Er sei damals in einem Bus auf dem Weg nach Deutschland gewesen. Er habe damals einen Konventionsreisepass von den italienischen Behörden gehabt. Befragt, ob er nach seiner Ausreise aus Somalia regelmäßig Kontakt zu seiner Frau gehabt habe, gab der Beschwerdeführer an:
"Aus Somalia habe ich meine Frau angerufen und telefonisch gesagt, dass ich vorhabe, aus dem Land auszureisen. Als ich auf dem Weg nach Italien war, konnte ich meine Frau nicht mehr anrufen. Ich hatte ein Telefon, aber dieses wurde vom Schlepper abgenommen. Ich konnte meine Frau erst anrufen, als ich in Libyen war. Ich habe mir eine Sim-Karte in Libyen gekauft und diese Sim-Karte hatte ich auf den Weg nach Italien verloren."
Über Vorhalt der beabsichtigten Vorgehensweise des Bundesamtes gab der Beschwerdeführer an, warum schicke man ihn nach Italien, obwohl seine Familie da sei. Seine Frau sei schwanger und werde sie das Kind im Oktober zur Welt bringen. Seine Frau spreche nicht die Sprache, die hier gesprochen werde und brauche ihn. In Italien sei es so, wenn man dort Asyl bekomme, dann werde man auf die Straße geschickt. Er sei nicht untergebracht worden und habe auf der Straße leben müssen. Er sei obdachlos gewesen und habe kaum etwas zu essen bekommen. Eines Tages sei er mit dem Messer verletzt worden, als er im Park habe schlafen müssen. Hier in Österreich lebe er ein würdiges Leben. In Italien gebe es das nicht. Er bekomme keine Arbeit, keine Wohnung, kein Essen für Flüchtlinge, die aufgenommen worden seien. Er sei geschlagen worden, wenn er auf der Straße habe schlafen müssen. Seine Kinder seien hier. Er müsse sich um seine Kinder kümmern. Befragt, wann er seine Familie in Somalia verlassen habe, gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass wisse er nicht. Nach Wiederholung der Frage gab er an, er habe das Land im Jänner 2013 verlassen. Er habe am 25.01.2018 das erste Mal erfahren, dass seine Familie in Österreich sei. Ein Freund von ihm, der in Österreich aufhälig gewesen wäre, habe seinen Freund in Italien besucht. Der Beschwerdeführer habe diesen Mann in Italien kennengelernt und seien sie dann zufällig darauf gekommen, dass seine Frau in Österreich sei und der Mann sie kenne. Er ersuche darum, dass er hierbleiben dürfe und sich um seine Familie kümmern könne. Es sei alles vollständig und richtig protokolliert worden.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die beschwerdeführende Partei nach Italien zurückzubegeben habe (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der beschwerdeführenden Partei ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 2 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.).
Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich die Lage für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in Italien dar. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
1. Anerkannte Flüchtlinge / subsidiär Schutzberechtigte
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten Aufenthaltsberechtigungen für jeweils 5 Jahre. Bei humanitärem Aufenthalt gelten diese 2 Jahre. Um diese zu erhalten brauchen die Schutzberechtigten eine Meldeadresse, was manchmal ein Problem sein kann, vor allem bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung, welche postalisch beantragt werden muss. Laut Gesetz haben in SPRAR-Strukturen untergebrachte Schutzberechtigte ein Recht darauf für 6 weitere Monate untergebracht zu bleiben; in besonderen Fällen auch für 12 oder mehr Monate. Asylwerber und anerkannte Flüchtlinge, die im SPRAR-System untergebracht sind, werden in der Regel in ihrem Integrationsprozess durch individualisierte Projekte mit Berufsausbildung und Praktika unterstützt. Das Angebot ist aber von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Die Kapazität des SPRAR-Systems ist aber begrenzt. Bei Unterbringung in anderen Strukturen, ist die Praxis nicht einheitlich. In vielen temporären Aufnahmezentren (CAS), ist ein Verbleib Schutzberechtigter entweder nicht vorgesehen, oder auf wenige Tage beschränkt. Unbegleitete Minderjährige, welche die Volljährigkeit erreichen, dürfen für 6 weitere Monate in der Unterbringung bleiben. Rechtlich haben anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte Zugang zu Sozialwohnungen wie italienische Staatsbürger. Die Aufenthaltsberechtigung in Italien berechtigt die Inhaber eines Schutzstatus auch zu Zugang zum Arbeitsmarkt im selben Ausmaß wie italienische Staatsbürger. Mittel für die Berufsausbildung oder andere Integrationsprogramme für Asylwerber und Schutzberechtigte können durch nationale öffentliche Mittel (8xmille) oder den EU-Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) bereitgestellt werden. Die im Rahmen des AMIF finanzierten Projekte sind jedoch in Bezug auf die Tätigkeit und die Anzahl der Begünstigten sehr begrenzt. Auch Gemeinden können berufliche Schulungen, Praktika und spezifische Beschäftigungsstipendien finanzieren ("borse lavoro"), die für Italiener sowie Ausländer (auch Asylbewerber und Schutzberechtigte) zugänglich sind. Wie Asylwerber, müssen sich Personen mit einem Schutzstatus in Italien beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Die Registrierung gilt für die Dauer der Aufenthaltserlaubnis und erlischt auch nicht während einer etwaigen Verlängerungsphase. Probleme beim Zugang zu medizinischer Versorgung für Schutzberechtigte können durch das Fehlen einer Meldeadresse entstehen. In einigen Regionen Italiens sind Schutzberechtigte nicht mehr von der Praxisgebühr ("Ticket") ausgenommen. In manchen Regionen gilt die Befreiung weiter, bis die Schutzberechtigten einen Arbeitsplatz finden (AIDA 2.2017).
Die formellen Bemühungen, Flüchtlinge in die italienische Gesellschaft zu integrieren, sind begrenzt. Darüber hinaus schränkt die hohe Arbeitslosigkeit die Möglichkeit einer legalen Beschäftigung für viele Flüchtlinge ein. Nicht-Italiener werden auf dem Arbeitsmarkt weiterhin diskriminiert und die entsprechenden rechtlichen Schutzbestimmungen werden nicht effizient genug umgesetzt. (USDOS 3.3.2017).
Die sozioökonomische Integration von Schutzberechtigten ist de facto an die Regionen delegiert. Die Regionen haben dabei weitreichende Kompetenzen zur Regelung sozialer Belange. Insgesamt ist das Niveau der Integration von Flüchtlingen zwischen einzelnen Regionen und Gemeinden sehr unterschiedlich und unklare Kompetenzverteilungen verkomplizieren die Abläufe. Aufgrund der Wirtschaftskrise gab es budgetäre Kürzungen mit unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Unterstützung Schutzberechtigter. Die Integrationsaussichten Schutzberechtigter in Italien sind damit begrenzt. Die Ausübung bestimmter Rechte bedingt angeblich das Vorhandensein von Dokumenten, welche viele Schutzberechtigte nicht haben und aus ihren Herkunftsstaaten auch nicht erhalten können (UNHCR 3.2015).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 11.5.2017
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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (3.2015): Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees For the Office of the High Commissioner for Human Rights' Compilation Report - Universal Periodic Review: Italy, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1430987595_5541e115d.pdf, Zugriff 11.5.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Italy,
https://www.ecoi.net/local_link/337159/466919_en.html, Zugriff 11.5.2017
Soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums beziehe werde angeführt, dass diese aufgrund der Sicht nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor aktuell bezeichnet werden können.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Es könne nicht festgestellt werden, dass in seinem Fall schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen. Der Beschwerdeführer sei anerkannter Flüchtling in Italien. Es könne nicht festgestellt werden, dass er in Italien systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei oder diese dort zu erwarten hätte. Der Beschwerdeführer sei am 29.05.2018 illegal in Österreich eingereist. Seine Gattin und seine beiden Kinder würden in Österreich leben und seien anerkannte Flüchtlinge. Weiters lebe sein Bruder in Österreich. Dieser sei subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer lebe mit den angegebenen Personen in keinem gemeinsamen Haushalt. Die Familie unterstütze ihn mit Geld, da er über kein Geld verfüge. Außer den angeführten Personen befänden sich keine weiteren Verwandten in Österreich. Eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich könne nicht festgestellt werden.
Der Antragsteller habe nicht vorgebracht in Italien Misshandlung, Verfolgung oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein und sei in Verbindung mit den aktuellen Länderfeststellungen daher festzustellen, dass in Italien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Verletzung der EMRK im gegenständlichen Zusammenhang nicht eintreten werde.
7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, der Beschwerdeführer sei subsidiär Schutzberechtigt in Italien, seine Gattin und drei seiner Kinder seien in Österreich als asylberechtigt anerkannt. Aus dem Spruch des BVwG vom 26.03.2018 sei zu erkennen, dass auch den Kindern aus eigenem Asyl zuerkannt worden sei, sodadss auch eine Ableitung von den Kindern zulässig sei. Angesichts dessen habe der Beschwerdeführer das Recht auf Asyl in Österreich, dieses werde ihm durch die nunmehr bekämpfte Entscheidung zu Unrecht verwehrt. Der Beschwerdeführer stelle daher den Antrag, das BVwG möge ihn nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Asyl im Familienverfahren gewähren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat bereits im Jahr 2013 und gelangte von Libyen nach Italien in das Gebiet der europäischen Union, wo er am 19.08.2018 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dem Beschwerdeführer wurde in Italien Asyl gewährt. Er begab sich dennoch von Italien nach Deutschland um dort am 30.12.2014 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Nach Ablehnung seines Antrages begab er sich selbstständig wieder nach Italien. Eigenen Angaben zufolge reise er am 01.02.2018 erstmalig in Österreich ein, begab sich von hier jedoch wieder nach Italien, ohne einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Zuletzt reiste er am 29.05.2018 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.
Die beschwerdeführende Partei leidet aktuell an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Erkrankungen wurden weder behauptet noch entsprechende ärztliche Atteste vorgelegt.
In Österreich leben die mit dem Beschwerdeführern nach islamischen Recht traditionell verheiratete Ehefrau XXXX sowie zwei gemeinsame Kinder.
XXXX stellte am 03.04.2017 für sich und ihre beiden minderjährigen Kindern XXXX , geboren XXXX und XXXX , geboren XXXX Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Jeweils mit Erkenntnis des BVwG vom 26.03.2018 wurde XXXX und ihren beiden Kindern nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.03.2018 der Status von Asylberechtigten zuerkannt. In Bezug auf die beiden minderjährigen Kinder wurde festgestellt, dass es sich bei diesen um Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Zif 22 AsylG 2005 handle und ihnen im Rahmen des Familienverfahrens gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 ebenfalls der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften, den EURODAC Treffern sowie aus dem Schreiben der italienischen Behörden, und wurden von der beschwerdeführenden Partei nicht substantiiert bestritten.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch hinreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.
Die Feststellungen über den Gesundheitszustand ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren.
Feststellungen zu den familliären Verhältnissen des Beschwerdeführes ergeben sich aus dessen eigenen Angaben sowie aus den Erkenntnissen des BVwG vom 26.03.2018 zu Zl.en W161 2176459-1/8E, W161 2176460-1/6E, W161 2176461-1/5E.
Weder der Beschwerdeführer noch seine angebliche Ehefrau konnten ihre Identität durch Vorlage unbedenklicher Dokumente nachweisen. Auch für die behauptete Eheschließung nach islamischenm Recht wurden keine Urkunden zum Nachweis vorgelegt. Unter Zugrundelegung der widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers und seiner angeblichen Ehefrau in ihrem Asylverfahren bestehen gravierende Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zu dem angeblichen Familienleben mit XXXX und ihren beiden Kindern. Die Angaben des Beschwerdeführes und seiner angeblichen Ehefrau sind aus nachstehend angeführten Gründen widersprüchlich und nicht glaubhaft.
So gab der Beschwerdeführer befragt, wann er seine Familie in Somalia verlassen habe, zunächst an, dass wisse er nicht. In der Folge gab er an, er habe das Land im Jänner 2013 verlassen. XXXX hingegen gab an, ihr Ehemann sei im März 2013 weggegangen.
Befragt nach der Clanzugehörigkeit seiner Ehefrau gab der Beschwerdeführer an, diese gehöre dem Clan der Madhiban an, den Subclan und den Subsubclan konnte er nicht nennen und behauptete, er kenne sich allgemein mit den Stämmen nicht aus in Somalia. XXXX gab in ihrem Verfahren an, sie gehöre dem Clan der Gabooye an und nannte sehr wohl einen Subclan und einen Subsubclan. Die Zugehörigkeit zu einem Clan, einem Subclan und einem Subsubclan ist in Somalia von größter Wichtigkeit und ist es keineswegs glaubwürdig, dass ein Ehemann die genaue Clanzugehörigkeit seiner Ehefrau nicht kennt. Im vorliegendem Fall hat die angebliche Ehefrau sogar angegeben, die Familie ihres Mannes sei gegen ihre zweite Eheschließung gewesen und sie habe aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit Probleme in Somalia gehabt.
Der Beschwerdeführer gab weiters an, er habe vor seiner Ausreise in Europa in der Wohnung seiner Frau gelebt und zwar in der Wohnung ihres Vaters. Im Gegensatz dazu gab XXXX in ihrem Verfahren an, sie hätten im Haus der Eltern ihres zweiten Ehemannes gewohnt und sei dieses dann für ihre Flucht verkauft worden.
Auch in Bezug auf die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers gibt es divergierende Aussagen. Während der Beschwerdeführer angab, er habe in seiner Heimat davon gelebt, dass er Musik gespielt und gesungen habe, gab XXXX an, er habe eine Videothek betrieben, die nach Ansicht des IS gegen islamische Vorschriften verstoßen habe und habe er deswegen auch die Flucht ergreifen müssen.
XXXX gab in ihrem Verfahren auch gleichbleibend an, sie habe nach der Flucht ihres Ehemannes lediglich einen Anruf von ihm erhalten und dann nichts mehr von ihm gehört. Der Beschwerdeführer gab an, er habe aus Somalia seine Frau angerufen und dann habe er sie auch aus Libyen angerufen. Danach habe er seine Sim-Karte auf den Weg nach Italien verloren. Dem widersprechend gab XXXX gleichbleibend im Verfahren an, sie habe von ihrem Ehemann seit dem einen Anruf nichts mehr gehört und wisse nicht, wo dieser sich befinde.
Die angebliche Ehefrau gab in der mündlichen Verhandlung auch nicht an, schwanger zu sein. Nach der Behauptung des Beschwerdeführers, wäre sie neuerlich von ihm schwanger und würde das Kind im Oktober 2018 zur Welt kommen. Der Beschwerdeführer legte für diese Behauptung keinen Beweis in Form einer ärztlichen Bestätigung vor.
Der Beschwerdeführer gab auch an, er sei bereits im Februar 2018 in Österreich gewesen, nachdem er im Jänner 2018 erfahren hätte, dasss seine Familie sich in Österreich befinde. Er sei am 01.02.2018 erstmalig in Österreich eingereist und 2 Monate geblieben, danach habe er sich wieder nach Italien begeben. Nach den Angaben des Beschwerdeführers wäre seine Frau somit zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits schwanger gewesen und hätte sie zu diesem Zeitpunkt genau gewusst, wo sich ihr Mann befinde bzw. wäre sie mit diesem bereits zwei Monate in Österreich zusammen gewesen.
Die Angaben der XXXX in ihrem Asylverfahren wurden als glaubwürdig erachtet. Diese gab im Verfahren auch an, ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe. Aufgrund glaubhaft geschilderter Fluchtgründe wurde ihr und ihren beiden Kindern schließlich in Österreich Asyl gewährt. Die Angaben des Beschwerdeführers hingegen sind, wie dargelegt nicht glaubhaft und nicht überzeugend.
Selbst bei Wahrunterstellung wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seine Ehefrau und die am XXXX und am XXXX geborenen Kinder im Jahr 2013 zurückgelassen hätte, ohne sich um deren weiteren Verbleib zu kümmern. Folgt man seinen Angaben hätte er auch bereits zwei Monate in Österreich mit seiner Familie verbracht und wäre dennoch ohne seine Familie nach Italien zurückgekehrt. Er hat in Italien auch offenbar nicht versucht, eine Familienzusammenführung zu beantragen, obwohl er dort den Status eines Asylberechtigten aufweist. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers kann somit ein im Sinne des Art.8 EMRK zu beachtendes Familienleben keinesfalls abgeleitet werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 144/2013 anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
"§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.
...
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
...
§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
..."
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 40/2014 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
3.2. Zur Frage der Unzulässigkeit des gegenständlichen Asylantrages ist davon auszugehen, dass das BFA zu Recht eine Zurückweisung nach § 4a AsylG 2005 vorgenommen hat.
Die seit dem 01.01.2014 anwendbare Dublin III-VO geht, wie sich aus der Legaldefinition in ihrem Art. 2 lit. f ergibt, nunmehr von einem einheitlichen Status für Begünstigte internationalen Schutzes aus, welcher gleichermaßen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Die Dublin III-VO gilt nur für Asylwerber während des laufenden Asylverfahrens und nach einem - sowohl hinsichtlich des Asyls als auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes - negativen Abschluss des Verfahrens. Auf Personen, denen bereits in einem Mitgliedstaat Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Asylverfahren zu beiden Fragen rechtskräftig abgeschlossen ist, findet die Dublin III-VO im Fall eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat keine Anwendung. Denn laut Art. 2 lit. c Dublin III-VO bezeichnet der Ausdruck "Antragsteller" einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde. In den Fallgruppen des Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III-VO betreffend die Wiederaufnahme von Asylwerbern werden zwar in der lit. d die Personen angeführt, deren Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Asyls als auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes rechtskräftig negativ entschieden wurde, nicht aber jene, deren Antrag hinsichtlich eines dieser beiden Punkte positiv entschieden wurde (vgl. dazu Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 22 zu Art. 2).
Demgegenüber war die bis 31.12.2013 anwendbare Dublin II-VO zwar ebenfalls auf Asylberechtigte, die in einem anderen Mitgliedstaat einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten, nicht anzuwenden, fand jedoch nach ihrem Wortlaut sowie der Staatenpraxis Anwendung auf subsidiär Schutzberechtigte. Dementsprechend wurden in Österreich bis Ende 2013 Asylanträge von Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedstat asylberechtigt waren, gemäß § 4 AsyG 2005, hingegen Anträge von Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiär schutzberechtigt waren, gemäß § 5 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.
Im Protokoll der Europäischen Kommission über die Sitzung des Dublin-Kontakt-Komitees vom 24.02.2014 vertrat die Kommission zu dieser Frage die Auffassung, dass nach Art. 6 Abs. 2 erster Satz Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates sind, zu verpflichten sind, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Einen neuerlichen Asylantrag dieser Personen können die Mitgliedstaaten nach Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat.
3.3.1. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK
:
Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).
Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).
Die Beschwerdeausführungen sind letztlich nicht geeignet, eine Anordnung zur Außerlandesbringung als unzulässig erscheinen zu lassen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass die allgemeine Lage von nach Italien überstellten Drittstaatsangehörigen keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt.
Nach den Länderberichten zu Italien kann letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Die Befürchtungen der beschwerdeführenden Partei im Hinblick auf mangelnde Arbeitsmöglichkeiten oder Sozialleistungen in Italien stellen sich letztlich als in hohem Maße spekulativ dar. Da das italienische System nach den Feststellungen mit der Gewährung des Schutzstatus auch den Zugang zum Arbeitsmarkt einräumt, liegt die Sicherung seiner Versorgung zunächst in der Verantwortung des Beschwerdeführers.
Dem Beschwerdeführer wurde in Italien Asyl gewährt. Aus den Länderfeststellungen folgt, dass anerkannte Flüchtlinge und subsidiäre Schutzberechtigte in Italien Aufenthaltsberechtigungen für jeweils fünf Jahre, bei humanitärem Aufenthalt für jeweils zwei Jahre erhalten.
Der EGMR kam in jüngster Zeit mehrfach zu der Beurteilung, dass in Italien eine Situation systemischer Mängel wie in Griechenland nicht vorliegt (z. B. EGMR 02.04.2013, 27725/10, Mohammed Hussein u. a.). Es sprach der EGMR in seinem Urteil vom 04.11.2014, Große Kammer, 29217/12, Tarakhel, Rn. 114, neuerlich ausdrücklich aus, dass die Lage in Italien in keiner Weise mit der in Griechenland zum Zeitpunkt des Urteils M.S.S. verglichen werden kann, als es weniger als 1.000 Unterbringungsplätze für zehntausende Asylwerber gab und in großem Umfang Bedingungen äußerster Armut bestanden. Zuletzt hat der EGMR in seiner Entscheidung vom 05.02.2015, A.M.E./Niederlande, wiederholt, dass die gegenwärtige Situation in Italien nicht mit der Situation in Griechenland zur Zeit der Entscheidung M.M.S./Belgien vergleichbar ist und dass die generelle Aufnahmesituation nicht ein Hindernis für die Überstellung von allen Asylwerbern bilde.
Jedenfalls hat die beschwerdeführende Partei die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Italien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geltend zu machen.
3.3.2. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7
GRC:
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
In casu behauptete der Beschwerdeführer, seine nach islamischem Recht angetraute Ehefrau und seine beiden Kinder würden sich in Östereich aufhalten. Dazu ist zunächst auf die oben dargelegte Beweiswürdigung zu verweisen, wonach es dem Beschwerdeführer nach Ansicht des erkennenden Gerichtes nicht gelugnen ist, nachzuweisen, dass er tatsächlich der zweite Ehegatte der XXXX ist. Aber selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben ist dazu auszuführen, dass eine, lediglich nach islamischen Recht geschlossene Ehe in Österreich keinen Rechtsbestand hat. Der Beschwerdeführer lebt mit XXXX und ihren beiden Kindern auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Auch die Vaterschaft zu den beiden Kindern wurde von ihm nicht durch Vorlage unbedenklicher Dokumente nachgewiesen.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer, auch für den Fall, dass er tatsächlich der Vater der beiden Kinder der XXXX wäre, ein Asylrecht nicht von seinen unehelichen Kindern ableiten kann, da diese in ihren Aslylverfahren keine eigenen Asylgründe geltend gemacht haben und ihren Asylstatus von der Mutter nach §34 AsylG ableiten. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen sind daher rechtlich verfehlt und gehen ins Leere. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls auch seit 2013 nicht mit seinen Kindern und seiner angeblichen Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Er lebt auch jetzt nicht mit diesen gemeinsam. Aus den dargelegten Gründen kann somit ein unzulässiger Eingriff in ein bestehendes Familienleben gemäß Art 8 Abs 1 EMRK nicht festgestellt werden.
Der durch die Anordnung der Außerlandesbringung der beschwerdeführenden Partei aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben ist durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu deren Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet gedeckt.
Die gegenständliche aufenthaltsbeendende Maßnahme stützt sich unbestrittenermaßen auf eine gesetzliche Bestimmung und sie verfolgt Ziele, die mit der EMRK in Einklang stehen, nämlich insbesondere die Verteidigung der Ordnung im Bereich des Fremden- und Asylwesens sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes.
Es bleibt noch zu überprüfen, ob diese Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, das heißt durch ein vorrangiges soziales Bedürfnis gerechtfertigt und insbesondere in Bezug auf das verfolgte legitime Ziel verhältnismäßig ist (EGMR 02.08.2001, 54273/00, Boultif, Rn. 46; 18.10.2006, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 57f; 16.04.2013, 12020/09, Udeh, Rn. 45; VfGH 29.09.2007, B 1150/07).
In diesem Sinn ordnet auch § 9 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 an:
"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist."
Nach diesem Regelungssystem ist somit anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles eine Interessenabwägung am Maßstab des Art. 8 EMRK durchzuführen. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme darf nur erlassen werden, wenn die dafür sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen und seiner Familie an dessen weiterem Verbleib in Österreich. Bei dieser Interessenabwägung sind folgende Kriterien nach der Methode des beweglichen Systems in einer Gesamtbetrachtung zu bewerten, indem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Kriterien zueinander in eine Beziehung zu setzen und eine wechselseitige Kompensation der einzelnen Gewichte vorzunehmen ist (vgl. EGMR 18.10.2006, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 57f):
die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten;
die seit der Begehung der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers in dieser Zeit;
die Aufenthaltsdauer im ausweisenden Staat;
die Staatsangehörigkeit der einzelnen Betroffenen;
die familiäre Situation des Beschwerdeführers und insbesondere gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe und andere Faktoren, welche die Effektivität eines Familienlebens bei einem Paar belegen;
die Frage, ob der Ehegatte von der Straftat wusste, als die familiäre Beziehung eingegangen wurde;
die Frage, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und welches Alter sie haben;
die Schwierigkeiten, denen der Ehegatte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers begegnen könnte;
das Wohl der Kinder, insbesondere die Schwierigkeiten, denen die Kinder des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat begegnen könnten;
die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Herkunftsstaat.
Der Grad der Integration manifestiert sich nach der Rechtsprechung insbesondere in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben und der Beschäftigung (VfGH 29.09.2007, B 1150/07).
Diese sowie einige weitere von der Rechtsprechung einzelfallbezogen herausgearbeiteten Kriterien für die Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK werden auch in § 9 Abs. 2 BFA-VG aufgezählt:
"(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
Im vorliegenden Fall ergibt die durchgeführte Interessenabwägung, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen an einem Verbleib im Bundesgebiet.
Denn die beschwerdeführende Partei verbrachte den Großteil des Lebens im Herkunftsstaat. Er verfügte zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich, sondern stützte den Aufenthalt vielmehr von Anfang an nur auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz.
Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u. a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle dient, nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012; 18.10.2012, 2010/22/0130).
Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, die einen Aufenthaltstitel erlangen wollen, etwa auch zwecks Familienzusammenführung. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10). Da es sich im vorliegenden Fall zudem um eine aufenthaltsbeendende Maßnahme innerhalb der Union handelt, besteht auch durchaus die rechtliche und faktische Möglichkeit von regelmäßigen Besuchen im zuständigen Mitgliedstaat.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-Verordnung wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wenn aber ein Drittstaatsangehöriger bereits in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz, also entweder Asyl oder subsidiären Schutz, erhalten hat, dann kann ein neuerlicher Asylantrag dieser Person in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig zurückgewiesen werden. Daher stellt die rechtswidrige Weiterreise der beschwerdeführenden Partei innerhalb der Union zwecks Einbringung eines weiteren Asylantrages gerade jenes Verhalten dar, das durch die Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhindert werden soll, um eine zügige Bearbeitung der jährlich rund 500.000 Asylanträge in den 28 Mitgliedstaaten der Union zu ermöglichen.
Auch bei einem Eingriff in das Privatleben misst die Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfGH 12.06.2013, U 485/2012; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012).
Im vorliegenden Fall ergaben sich keine Hinweise auf eine bereits fortgeschrittene Integration der beschwerdeführenden Partei in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer. Ein Beschäftigungsverhältnis oder Deutschkenntnisse wurden nicht nachgewiesen.
3.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Den Umfang der Verhandlungspflicht umschrieb der Verfassungsgerichtshof in seinem zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 ergangenen Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, folgendermaßen:
"7.2. Im Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK hat Art. 47 Abs. 2 GRC die gleiche Tragweite und Bedeutung wie jener. Jenseits dessen gelten die Garantien des Art. 6 EMRK für den Anwendungsbereich des Art. 47 Abs. 2 GRC entsprechend (so die Erläuterungen zur Grundrechte-Charta, ABl. 2007 C 303, S 30). Dabei ist zu beachten, dass die Garantien in Abhängigkeit von der Materie, vom Verfahrensgegenstand und von der Instanz in unterschiedlichem Maße gelten, das wiederum vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt ist. Bei Strafverfahren gelten die strengsten Anforderungen, im Rahmen von Zivilverfahren akzeptieren der Verfassungsgerichtshof und der EGMR Beschränkungen insbesondere bei der mündlichen Verhandlung und bei der Kontrolldichte, wenn es sich um Verwaltungsverfahren handelt, die bloße Auswirkungen auf Zivilrechtspositionen haben (VfSlg. 11.500/1987).
7.3. Überträgt man diese Überlegungen auf jenen Teil des Anwendungsbereichs der Chartagarantie, der nicht civil rights und Strafverfahren betrifft, so gelangt man auch für diesen zum Ergebnis, dass weitergehende Beschränkungen (als etwa im Strafverfahren) zulässig sind. Weil insoweit aber nicht mehr unmittelbar die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK herangezogen werden kann, ist das Ausmaß der Gewährleistung der Einzelgarantien letztlich durch Art. 52 Abs. 1 GRC, mithin vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bestimmt. Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist daher maßgeblich, ob Beschränkungen der Durchführung mündlicher Verhandlungen durch § 41 Abs. 7 AsylG 2005 erforderlich sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
7.3.1. Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK hat jedermann in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich gehört wird. Daraus ist abzuleiten, dass jedenfalls dann, wenn eine Verhandlung beantragt wird, grundsätzlich ein Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung besteht (vgl. EGMR 28.5.1997, Fall Pauger, Appl. 16.717/90, Z60).
7.3.2. Art. 6 EMRK steht hinsichtlich des Zugangs zu Gericht nach der Rechtsprechung des EGMR unter dem (ungeschriebenen) Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkung (beginnend mit EGMR 21.2.1975, Fall Golder, Appl. 4451/70, Z 38). Der Ausschluss der Öffentlichkeit von Verhandlungen steht unter einem ausdrücklichen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen. Auch bei anderen Garantien liegen den impliziten Beschränkungen Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte zugrunde (so zur Kognitionsbefugnis EGMR 21.9.1993, Fall Zumtobel, Appl. 12.235/86, Z 29; zu Zeugenbefragungsrechten und dem Grundsatz des fairen Verfahrens EGMR 13.10.2005, Fall Bracci, Appl. 36.822/02, Z 49 ff.; bei der Verfahrensdauer kommt es auf die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer an, EGMR 16.9.1996 [GK], Fall Süßmann, Appl. 20.024/92, Z 61). In der jüngeren Rechtsprechung des EGMR werden auch Fragen des Anwendungsbereichs mit solchen der Anforderungen des Grundrechts in Verbindung gebracht (EGMR 19.4.2007 [GK], Fall Eskelinen u. a., Appl. 63.235/00, Z 62).
7.3.3. Verfahren, in denen über Asyl und den Aufenthalt von Fremden auf dem Gebiet eines Staates entschieden wird, fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (z. B. EGMR 5.10.2000, Fall Maaouia, Appl. 39.652/98). Aus Art. 47 Abs. 2 GRC ist jedoch ein Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch in Fällen abzuleiten, in denen ein solches Gebot mangels Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK nicht unmittelbar aus diesem folgt. Angesichts dessen, dass Art. 47 Abs. 2 GRC ein Grundrecht anerkennt, das sich nicht nur aus der EMRK, sondern auch aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, ist er ebenso bei der Auslegung auch des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz (als Ausfluss des Gebots unionsrechtskonformer Auslegung und zur Verhinderung von Situationen der Inländerdiskriminierung) zu berücksichtigen. Umgekehrt hat die Auslegung des Art. 47 Abs. 2 GRC die Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und damit die mitgliedstaatlichen Ausprägungen des Rechtsstaatsgebots zu berücksichtigen. Damit ist sichergestellt, dass bei der Auslegung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte keine von der Auslegung der korrespondierenden Charta-Rechte abweichenden Ergebnisse erzielt werden.