TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/27 W133 2145340-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.08.2018
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Entscheidungsdatum

27.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W133 2145340-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER über die Beschwerde von XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.05.2018, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer reiste am 05.01.2016 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 06.01.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.

Am 22.12.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA).

Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 30.12.2016, Zl. 1100938806-160020281, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Als Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers nach Afghanistan wurden 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.03.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Mit Erkenntnis vom 24.04.2017, Zl. W255 2145340-1/4E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab. Des Weiteren wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen.

Am 16.05.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag (Folgeantrag) auf internationalen Schutz. Darin führte er aus, dass er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne. Dort sei er noch Moslem gewesen, jetzt sei er Christ geworden. Dies seien seine neuen Gründe, weshalb er diesen Folgeantrag stelle. Bei seinem ersten Antrag habe er angegeben Hazara zu sein und deshalb Probleme in seiner Heimat gehabt zu haben. Seine Heimatprovinz sei unsicher.

Am 21.06.2017 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme beim BFA ein.

Am 28.06.2017 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA statt. Befragt dazu, warum er erneut einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, führte der Beschwerdeführer aus, dass er dies getan habe, da er nicht an Afghanistan zurückkehren könne. Er sei in Österreich zum Christentum konvertiert, sein Leben wäre in Gefahr, wenn er zurückkehren würde. In weitere Folge wurde der Beschwerdeführer eingehend bezüglich seiner Konversion befragt. Er habe bereits in Afghanistan kein großes Interesse an Religion gehabt, als er in den Iran gegangen sei, habe er aufgehört zu beten und zu fasten. Er habe generell nicht mehr an Gott geglaubt. In Österreich habe er einen Freund kennengelernt, der regelmäßig zur Kirche gegangen sei. Sein Freund habe ihm mehrmals angeboten, dass er ihn begleiten könne, er sei aber nie mitgegangen. Nach einigen Monaten habe er ihn jedoch überredet und der Beschwerdeführer sei mit seinem Freund in die Kirche gegangen. Seitdem sei er überzeugt, seit Anfang April 2017 besuche er regelmäßig die Kirche. Er besuche in Wien eine iranische Kirche, der Pfarrer der Kirche heiße XXXX. Er gehöre der protestantischen Richtung des Christentums an. Jeden Sonntag finde ein Taufkurs statt, den er seit Kurzem besuche. Er gehe fast jeden Tag in die Kirche, am Donnerstag und am Samstag finde eine Messe statt, am Montag und Freitag finde jeweils eine Bibelstunde statt. Sein Leben sei in Gefahr, wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsse. Es sei eine Straftat, wenn man den Glauben wechsle, auf ihn würde die Todesstrafe zukommen. Im Rahmen dieser Einvernahme wurde ein Meldezettel, eine Deutschkursbesuchsbestätigung und ein Schreiben der XXXX vom 23.06.2017 vorgelegt.

Am 02.08.2017 fand eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA statt. Der Beschwerdeführer führte aus, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und seit April 2017 Christ sei. Ihm gefalle das Christentum. Er sei auf der Suche nach einer Kirche gewesen, wo man Farsi sprechen könne. Ein Freund habe ihm die Adresse einer solchen Kirche gegeben. Die Taufvorbereitung habe bereits begonnen, er sei circa fünf Mal bei der Taufvorbereitung gewesen. Er habe noch keinen Tauftermin. Er sei keiner christlichen Kirchengemeinde beigetreten, seinen Eltern habe er nichts vom seinem Glaubenswechsel erzählt. Außer seinem Onkel im Iran habe er niemanden davon erzählt. Wenn seine Familie erfahre, dass er Christ sei, dann könne es sehr gefährlich für ihn werden. In weitere Folge wurde der Beschwerdeführer eingehend zum christlichen Glauben befragt. Im Rahmen dieser Einvernahme wurde eine weitere Deutschkursbesuchsbestätigung vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.08.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Des Weiteren wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Mit Verfahrensanordnung vom 08.08.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Außerdem wurde ihm eine Information über die Verpflichtung zur Ausreise übermittelt.

Mit Schriftsatz vom 16.08.2017 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 08.08.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Im Akt befindet sich eine Vollmacht des Beschwerdeführers vom 11.08.2017 zugunsten des XXXX.

Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 21.08.2017 vom BFA vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht brachte dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan gemeinsam mit der Ladung zur Verhandlung mit Schreiben vom 13.02.2018 zur Kenntnis.

Am 03.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der der Beschwerdeführer, dessen Rechtsvertretung und ein Dolmetscher für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde blieb entschuldigt der Verhandlung fern. In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer eingehend zu seiner Konversion befragt. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer ein Taufzeugnis vom 28.04.2018, ein Schreiben der XXXX vom 30.04.2018, eine Bestätigung über einen Integrationskurs, eine Austrittserklärung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vom 06.04.2018, einen Meldezettel und ein ÖSD Zertifikat A1 vom 28.03.2018 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der Beschwerdeführer stellte am 16.05.2017 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Der volljährige Beschwerdeführer wurde im Jahr XXXX im Distrikt Malestan, in der Provinz Ghazni, Afghanistan, geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Identität steht nicht zweifelsfrei fest.

Die Eltern des Beschwerdeführers leben im Iran. Seine Onkel väterlicherseits leben im Iran, die Onkel mütterlicherseits leben in Pakistan. Eine Tante mütterlicherseits des Beschwerdeführers lebt noch in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat keinen Kontakt mehr zu seiner Familie.

Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan in der Landwirtschaft gearbeitet und ein Lebensmittelgeschäft besessen.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer wuchs als schiitischer Moslem auf. In seinem Folgeantrag vom 16.05.2017 bekannte sich der Beschwerdeführer zum christlichen Glauben. Auch bei den Einvernahmen vor dem BFA vom 28.06.2017 und 02.08.2018 bekannte sich der Beschwerdeführer zum Christentum. Die Familie des Beschwerdeführers ist streng religiös. Seine Familie hat in Afghanistan darauf bestanden, dass er die Moschee besucht.

Der Beschwerdeführer kam in Österreich erstmalig über einen Zimmerkollegen mit dem Christentum in Kontakt, daraufhin begann er sich langsam für diese Religion zu interessieren. Der oben genannte Zimmerkollege machte den Beschwerdeführer mit christlichen Gebeten vertraut, dadurch wurde dieser ermutigt, die Kirche zu besuchen. Ein Bekannter des Beschwerdeführers erzählte ihm von einer Kirche, wo man Farsi spricht. Anfang April 2017 ging der Beschwerdeführer erstmals mit diesem Bekannten in diese Kirche. Zu dieser Zeit verfestigte sich beim Beschwerdeführer auch die Überzeugung, zum Christentum konvertieren zu wollen. Der Beschwerdeführer ist am 06.04.2018 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten. Der Beschwerdeführer glaubt an Gott und den christlichen Glauben. Seit er die Kirche besucht, hat er viele Freunde gewonnen und innere Ruhe gefunden. Der Beschwerdeführer ist Mitglied einer XXXX (Iranische christliche Gemeinde). Am 28.04.2018 wurde der Beschwerdeführer in dieser Kirche getauft, er hat dafür fast ein Jahr lang regelmäßig einen Taufvorbereitungskurs besucht. Er nimmt regelmäßig an Gottesdiensten teil, er geht im Durchschnitt zweimal wöchentlich in die Kirche und engagiert sich dort auch. Der Beschwerdeführer hat auch bereits versucht, andere Personen dazu zu ermutigen in die Kirche zu gehen.

Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben hingewandt. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben (in seinem Herkunftsstaat Afghanistan) verleugnen würde.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum physische und/oder psychische Gewalt.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Zur Lage in Afghanistan werden nachfolgende Feststellungen getroffen:

Religionsfreiheit

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10-19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9.2016).

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9.2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

Blasphemie - welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

Christen und Konversionen zum Christentum

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 9.2016). Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen (AA 2.3.2015; vgl. auch: USDOS.10.8.2016).

Nichtmuslim/innen, z.B. Sikhs, Hindus und Christen, sind Belästigungen ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt. Nachdem Religion und Ethnie stark miteinander verbunden sind, ist es schwierig die vielen Vorfälle nur als Vorfälle wegen religiöser Identität zu kategorisieren (USDOS 10.8.2016).

Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen (AA 9.2016). Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte (AA 9.2016; vgl. USDOS 10.8.2016) - sofern die Konversion nicht widerrufen wird (USDOS 10.8.2016). Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (AA 9.2016).

Die Christen verlautbarten, dass die öffentliche Meinung gegenüber Missionierung feindlich ist. Es gibt keine öffentlichen Kirchen (CRS 8.11.2016). Für christliche Afghan/innen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Christliche Gottesdienste für die internationale Gemeinschaft finden u.a. in verschiedenen Botschaften sowie auf dem Gelände der internationalen Truppen statt (AA 9.2016). Einem Bericht einer kanadischen christlichen Organisation zufolge, wächst die Zahl der Hauskirchen in Afghanistan. In diesem Bericht wird angedeutet, dass einige Mitglieder des Parlaments selbst das Christentum angenommen und an christlichen Gottesdiensten teilgenommen haben (The Voice of the Martyrs Canada 5.4.2012).

Einige Konversionsfälle von Christen haben zu harten Strafen geführt und dadurch internationale Aufmerksamkeit erlangt (CRS 8.11.2016). Die im Libanon geborenen Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghanis, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.2.2015; vgl. BBC 15.10.2014).

Berichten zufolge gibt es ein christliches Spital in Kabul (NYP 24.4.2014; vgl. CNN 24.4.2014).

Auszug aus einer ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan zur Situation von vom Islam abgefallenen Personen, christlichen KonvertitInnen und Personen die Kritik am Islam äußern vom 01.06.2017, a-10159:

......

UNHCR schreibt in seinen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender Folgendes über zivilrechtliche und gesellschaftliche Folgen einer (vermeintlichen) Apostasie bzw. Konversion:

"Geistig zurechnungsfähige männliche Bürger über 18 Jahren und weibliche Bürger über 16 Jahren, die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen, riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grund und sonstigen Eigentums. Außerdem können sie von ihren Familien und Gemeinschaften zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren.

Berichten zufolge herrscht in der öffentlichen Meinung eine feindliche Einstellung gegenüber missionarisch tätigen Personen und Einrichtungen. Rechtsanwälte, die Angeklagte vertreten, denen Apostasie zur Last gelegt wird, können Berichten zufolge selbst der Apostasie bezichtigt und mit dem Tod bedroht werden. [...]

Darüber hinaus besteht für Personen, denen Verstöße gegen die Scharia wie Apostasie, Blasphemie, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen oder Ehebruch (zina) vorgeworfen werden, nicht nur die Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung, sondern auch der gesellschaftlichen Ächtung und Gewalt durch Familienangehörige, andere Mitglieder ihrer Gemeinschaften, die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte (AGEs).' (UNHCR, 19. April 2016, S. 61-62).

....

Landinfo schreibt in einem Bericht vom September 2013, dass die Situation von Apostaten, die hin zu einer anderen Religion konvertieren, eine andere sei als jene von Atheisten oder säkular eingestellten Personen. Mit dem Negieren bzw. Bezweifeln der Existenz Gottes würden keine Erwartungen an ein bestimmtes Verhalten im Alltag einhergehen. Eine Konversion zu einer Religion hingegen sei mit Verhaltensvorschriften, kirchlichen Traditionen und Ritualen zu verbinden, die schwieriger zu verbergen seien.

[...]

UNHCR bemerkt in seinen im April 2016 veröffentlichten Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, dass nichtmuslimische religiöse Minderheiten, darunter Christen, ‚weiterhin im geltenden Recht diskriminiert' würden. Die sunnitische Hanafi-Rechtssprechung gelte für ‚alle afghanischen Bürger, unabhängig von ihrer Religion'. Die ‚einzige Ausnahme' würden ‚Personenstandsachen [bilden], bei denen alle Parteien Schiiten sind', in diesem Fall würde ‚das schiitische Recht für Personenstandsachen angewendet'. Für andere religiöse Gruppen gebe es ‚kein eigenes Recht'. Wie UNHCR weiter ausführt, würden unabhängig davon ‚nicht-muslimische Minderheiten Berichten zufolge weiterhin gesellschaftliche Schikanierung und in manchen Fällen Gewalt' erfahren. So würden Mitglieder religiöser Minderheiten wie etwa der Christen ‚aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung oder Tötung' es vermeiden, ‚sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln'. (UNHCR, 19. April 2016, S. 57-58)

UNHCR schreibt Folgendes über gesellschaftliche Haltungen gegenüber Christen sowie über das Vorgehen der Taliban gegen (vermeintlich) christliche ausländische Hilfsorganisationen: ‚Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist Berichten zufolge weiterhin offen feindlich. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. In Afghanistan existieren keine öffentlichen Kirchen mehr und Christen beten allein oder in kleinen Versammlungen in Privathäusern. Im Jahr 2013 riefen vier Parlamentsmitglieder Berichten zufolge zur Hinrichtung von Personen auf, die zum Christentum konvertiert sind. Die Taliban haben Berichten zufolge ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien.'

(UNHCR, 19. April 2016, S. 58-59)

Die staatliche United States Commission on International Religious Freedom (USCIRF) schreibt im April 2017, dass nichtmuslimische religiöse Gemeinschaften weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung, Schikanierung und mitunter auch Gewalt betroffen seien. Es würden unter anderem Berichte über Schikanen gegen vom Islam konvertierte Personen vorliegen. Mitglieder nichtmuslimischer Gemeinschaften hätten berichtet, dass allgemein vorherrschende Unsicherheit und Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten sie dazu bewegt hätten, das Land zu verlassen.

[...]

Ähnlich schreibt das US-Außenministerium (USDOS) in seinem im August 2016 veröffentlichten Jahresbericht zur Religionsfreiheit (Berichtsjahr: 2015) unter Berufung auf Vertreter von Minderheitenreligionen, dass die afghanischen Gerichte Nichtmuslimen nicht dieselben Rechte wie Muslimen zugestehen würden und Nichtmuslime häufig der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung unterworfen würden (USDOS, 10. August 2016, Section 2).

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Folgeantrag des Beschwerdeführers, zur Staatsangehörigkeit, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seiner Herkunft und seiner familiären Situation in Afghanistan, im Iran und in Pakistan ergeben sich aus dem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Daraus ergibt sich auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seiner Familie hat.

Auch die Feststellungen zur bisherigen beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers und zu seinem Familienstand ergeben sich aus seinen gleichbleibenden Aussagen diesbezüglich.

Zweifelsfreie Feststellungen zum genauen Geburtsdatum des Beschwerdeführers können aufgrund der widersprüchlichen Angaben zum Geburtstag und Geburtsmonat nicht getroffen werden. Es kann jedoch festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Jahr XXXX geboren und somit jedenfalls volljährig ist.

Zweifelsfreie Feststellungen über die Identität des Beschwerdeführers konnten aufgrund des Nichtvorliegens von identitätsbezeugenden Dokumenten nicht getroffen werden.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Feststellungen zum religiösen Hintergrund des Beschwerdeführers, zu seinem ersten Kontakt mit dem Christentum und einer XXXX, zu seinem Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft, zu seiner Einstellung zum christlichen Glauben, zur Taufe des Beschwerdeführers, zu seinen Besuchen von Gottesdiensten, zu seinem Engagement in seiner Kirche und zu seinen Versuchen andere Menschen für das Christentum zu interessieren, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die Austrittserklärung aus der islamischen Glaubensgemeinschaft vom 06.04.2018, das Taufzeugnis vom 28.04.2018 und die Schreiben der XXXX vom 23.06.2017 und 30.04.2018. An der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Dokumente bestehen beim erkennenden Gericht keine Zweifel.

Aus den Schreiben der XXXX ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit April 2017 die Veranstaltungen der Gemeinde besucht. Nach dem Abschluss des Taufunterrichts sei der Beschwerdeführer am 28.04.2018 getauft worden. Der Beschwerdeführer sei als Mitglied in der Gemeinde aufgenommen, er beteilige sich am Gemeindeleben und sei sehr gut in die Gemeinde integriert. Er bekenne sich öffentlich zum Christentum und bezeuge seinen Glauben an Jesus Christus. Seit April 2017 seien beim Beschwerdeführer ein Wachstum in seinem Glauben und positive Veränderungen in seinem Verhalten zu beobachten. Das aufgezeigte Verhalten des Beschwerdeführers, der nach außen hin gelebte christliche Glaube und die dargelegte regelmäßige Interessensbekundung zum Christentum sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts als Indizien für das Vorliegen einer inneren Konversion des Beschwerdeführers zu werten.

Aus den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung lässt sich ableiten, dass er sich während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung, faktisch und für Dritte wahrnehmbar zum christlichen Glauben hingewandt hat und die Konversion nicht bloß zum Schein erfolgen soll, und dass der Beschwerdeführer ein fortgesetztes Interesse und einen Willen zur Ausübung des christlichen Glaubens hat:

Der Beschwerdeführer konnte in der mündlichen Verhandlung ein gutes inhaltliches Wissen vom christlichen Glauben darlegen, das eine vorhergehende Auseinandersetzung mit diesem voraussetzt. Er konnte diverse Fragen des erkennenden Gerichts zum christlichen Glauben z. B. zum Taufakt, zu den diversen christlichen Glaubensrichtungen, zum Aufbau der Kirche, zur Bibel, zu christlichen Gebeten sowie zum Ablauf eines Gottesdienstes und den christlichen Feiertagen einwandfrei beantworten. Ein solches Wissen erachtet das erkennende Gericht als starkes Indiz für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel. Der Beschwerdeführer hat sich auch nicht auf die Wiedergabe von leicht verfügbarem Faktenwissen beschränkt, sondern sich glaubhaft darauf berufen, dass der christliche Glaube für sein Leben eine tragende Bedeutung hat und dass er danach leben möchte. So sagte er z.B. aus, dass er sich nicht vorstellen könne bei einer Rückkehr nach Afghanistan an islamischen Festen teilzunehmen. Er habe, seit er die Kirche besuche, seine Ruhe gefunden. Er sei ein sehr aggressiver Mensch gewesen, das sei er jetzt nicht mehr. Er wisse, dass er sich jeden Tag weiterentwickle.

Das selbstständige Handeln des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich seiner Suche nach Anschluss in einer christlichen Gemeinde, die Besuche der Gottesdienste und kirchlichen Veranstaltungen wie auch das Studium der Bibel sprechen dafür, dass der Beschwerdeführer sich aus innerer Überzeugung zum christlichen Glauben hingewandt hat, was auch die vorgelegten Schreiben seiner Gemeinde vom 23.06.2017 und 30.04.2018 belegen. Dafür sprechen auch, dass der Beschwerdeführer am 06.04.2018 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten ist und dass er sich am 28.04.2018 taufen hat lassen.

In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers im Verlauf des Verfahrens und aus den dargelegten Erwägungen erscheint das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Furcht vor Verfolgung in Afghanistan aus Gründen der Konversion vom Islam zum Christentum insgesamt glaubhaft. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus asylrelevanten Gründen drohen würde und die staatlichen Einrichtungen Afghanistans nicht in der Lage sein würden, dem Beschwerdeführer vor dieser Verfolgung im ausreichenden Maß Schutz zu bieten.

Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Verfolgung kann gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind. Ein in der Praxis häufiges Beispiel für sogenannte subjektive Nachfluchtgründe ist die im Zufluchtsstaat erfolgende Konversion zum Christentum insbesondere bei Asylwerbern aus islamischen Staaten. Auch wenn in einem solchen Fall der Nachweis einer (religiösen) Überzeugung, die bereits im Heimatstaat bestanden hat, nicht erbracht werden kann, drohen dem Antragsteller bei seiner Rückkehr in den Heimatstaat gegebenenfalls Sanktionen, die von ihrer Intensität und ihrem Grund her an sich asylrelevant sind. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt in diesen Fällen nicht darauf ab, ob die entsprechende Überzeugung bereits im Heimatland bestanden hat (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675). Vielmehr ist maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (vgl. dazu VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544, mwN). Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675; 14.11.2007, 2004/20/0485, sowie VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, d.h. er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45, Rz 3, mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Aufgrund der oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellten Erwägungen ist es dem Beschwerdeführer gelungen, drohende Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft zu machen:

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass Konvertiten in Afghanistan mit sozialer Ausgrenzung und Gewalt (insbesondere) durch Familien- und Gemeinschaftsangehörige und durch die Taliban sowie mit strafrechtlicher Verfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen haben, wenn ihr Abfall vom Islam und ihre Hinwendung zum Christentum bekannt werden. Damit ist aber im vorliegenden Fall jedenfalls zu rechnen, weil sich der Beschwerdeführer aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben hingewendet hat und sich dem christlichen Glauben entsprechend weiterhin in Afghanistan zu verhalten beabsichtigt.

Diese Verfolgung, die der Beschwerdeführer zu befürchten hat, wurzelt in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe, nämlich in seiner Religion.

Sie ist auch nicht etwa auf einen bestimmten Landesteil beschränkt, da ihm die Entdeckung als Christ überall droht. Eine inländische Fluchtalternative kommt daher für den Beschwerdeführer nicht in Betracht.

Nach den Feststellungen zu Afghanistan kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer ausreichender staatlicher Schutz zuteilwürde, weil die Verfolgung auch von staatlichen Stellen ausgehen kann und die Behörden daher jedenfalls nicht als schutzwillig anzusehen sind.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Angesichts dieses Ergebnisses kann dahin gestellt bleiben, ob dem Beschwerdeführer auch Verfolgung aus anderen in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention festgelegten Gründen droht.

Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt, war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Wurde ein Antrag auf internationalen Schutz mit oder nach dem 15. November 2015 gestellt, so wird gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") iVm mit § 75 Abs. 24 leg. cit. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter erteilt.

Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Der Beschwerdeführer stellte den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz am 16.05.2017, wodurch insbesondere diese Bestimmung auf ihn bereits Anwendung findet.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, befristete
Aufenthaltsberechtigung, gesamtes Staatsgebiet, Konversion,
Nachfluchtgründe, Religion, Schutzunwilligkeit, wohlbegründete
Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W133.2145340.2.00

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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